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Lernen im „Verblendungszusammenhang“

Lernen im „Verblendungszusammenhang“

   „Warum muss ich das lernen? Das bringt mir doch nichts!“ Ein Satz, welcher sich in Schulen und nicht nur dort, wohl des Öfteren wahrnehmen lässt. Lernen muss mir etwas bringen, die Lehrinhalte müssen so beschaffen sein, dass sie praktisch auch von Nutzen sein können und einen Gewinn für mich darstellen. Der kritisch geschulte Geist spitzt bei diesen Worten seine zu sich selbst gekommenen Ohren und denkt an eine in diesem Forum schon häufig diagnostizierte Krankheit unserer Kultur. Bereits der junge Hölderlin lässt seinen Hyperion schreiben: „Ach! wär‘ ich nie in eure Schulen gegangen. Die Wissenschaft, der ich in den Schacht hinunter folgte, von der ich, jugendlich töricht, die Bestätigung meiner reinen Freude erwartete, die hat mir alles verdorben.“ (Hyperion). In ähnlicher Manier schreiben Adorno und Horkheimer: „Die Eliminierung der Qualitäten, ihre Umrechnung in Funktionen überträgt sich von der Wissenschaft vermöge der rationalisierten Arbeitsweisen auf die Erfahrungswelt der Völker und ähnelt sie tendenziell wieder der der Lurche an.“ (Dialektik der Aufklärung). Nietzsche diagnostiziert und antizipiert:

„Man sieht jetzt mehrfach die Cultur einer Gesellschaft im Entstehen, für welche das Handeltreiben ebenso sehr die Seele ist, als der persönliche Wettkampf es für die älteren Griechen und als Krieg, Sieg und Recht es für die Römer waren. Der Handeltreibende versteht Alles zu taxiren, ohne es zu machen, und zwar zu taxiren nach dem Bedürfnisse der Consumenten, nicht nach seinem eigenen persönlichsten Bedürfnisse; „wer und wie Viele consumiren diess?“ ist seine Frage der Fragen. Diesen Typus der Taxation wendet er nun instinctiv und immerwährend an: auf Alles, und so auch auf die Hervorbringung der Künste und Wissenschaften, der Denker, Gelehrten, Künstler, Staatsmänner, der Völker und Parteien, der ganzen Zeitalter; er fragt bei Allem, was geschaffen wird, nach Angebot und Nachfrage, um für sich den Werth einer Sache festzusetzen. Diess zum Charakter einer ganzen Cultur gemacht, bis in’s Unbegränzte und Feinste durchdacht und allem Wollen und Können aufgeformt: das ist es, worauf ihr Menschen des nächsten Jahrhunderts stolz sein werdet: […]“ (Morgenröte)

Der Bildungsbegriff verkommt, wie die anfangs gestellte Frage nahelegt, zu einer bloß auf ihre materiellen Werte reduzierten Hülle. Ein Bildungsprozess soll mich nicht verändern, soll nicht auf mich einwirken – ich benötige Wissen und Fähigkeiten, die von materiellem Nutzen sind. Überspitzt formuliert könnte entgegnet werden, dass mein Wissen und meine Fähigkeiten zu einem Teil mein Selbst konstituieren und dieses mit meinem Verständnis des Bildungsbegriffes korrelierend ebenso sein Maß im Nutzen findet. Adornos Lurch kann eventuell ein Rind beigestellt werden, dass sich selbst, ohne es zu wissen, unter ein Joch stellt und aus den umgebenden Feldern ein Brachland pflügt.

   Bildung impliziert ein schaffendes Moment. Etwas wird gebildet. Das Etwas ist ein Jemand – eine Person. Eine Person bildet sich, formt sich, verfeinert die Züge – ein Kunstwerk. Das Prinzip des L’art pour l’art einmal anders gedacht. Kunst, die die Kunst will – der Mensch, der sich selbst will.  

   Für Studierende des Lehramts liegt der Nutzen wohl in der Aussicht auf einen zukünftigen Beruf. Ich studiere – weil ich Lehrer*in werden möchte. Die Inhalte des Studiums sind in mich eingegangen, jetzt können sie wieder aus mir hervorgehen. Doch ist die Schule auch ein Ort der Persönlichkeitsentwicklung, der Gestaltung. Der Lehrperson kommt in diesem Zusammenhang eine größere Verantwortung zu, als lediglich einen bestimmten Wissens-Kanon zu vermitteln. Ein Ort der Bildung, der Wechselwirkungen zwischen Menschen, der Gestaltung, welcher über die Inhalte hinausgeht.  




Bewegung im Klassenzimmer (einige Gedanken zu Henri Meschonnic)

Bewegung im Klassenzimmer (einige Gedanken zu Henri Meschonnic)

   Henri Meschonnic war ein französischer Lyriker, Übersetzer und Sprachwissenschaftler. Aufgrund meiner theoretischen Beschäftigungen mit Sprache und Sprachkunst bin ich kürzlich auf die Werke Meschonnics aufmerksam geworden. Im deutschen Sprach- und Kulturraum sind diese noch nicht wirklich bekannt. So liegen beispielsweise keine Übersetzungen derselben vor und in der Fachliteratur finden sich nur äußerst spärliche Bezüge. Ausführliche Bearbeitungen sind mir aus dem deutschen Sprachraum nur von Hans Lösener bekannt, einem Deutsch-Didaktiker. Warum teile ich euch liebe Leser*innen das mit? Obgleich meine Lektüren noch recht oberflächlich waren und meine Auseinandersetzungen erst an ihrem Anfang stehen, kamen mir doch Gedanken, welche ich für dieses Forum als Interessant empfinden kann und ich sie somit zwischen den Dingen verorten möchte.

   Meschonnic kritisiert ein Denken, welches Körper und Geist (Verstand) dichotom auffasst, als getrennte und voneinander unabhängige Ebenen. Er schreibt dieses Denken vor allem der platonischen Philosophie (teilweise generell der griechischen, was nicht wirklich haltbar ist – Epikur vertritt beispielsweise abweichende Positionen) zu und beschreibt wie sich diese Form der Selbstwahrnehmung durch die Geschichte des Okzidents bis „heute“ gehalten hat. Ein Argument gegen eine solche Position wäre, dass unser Denkapparat nicht nur isoliert in unserem Kopf sitzt. Verarbeitet werden Informationen, ein neuronales Netzwerk, sowie ein Blutkreislauf, durchziehen unseren Körper. Reize werden in chemische Information bzw. Impulse übersetzt, zum auswertenden Zentrum transportiert und stellen sich uns folglich als Wahrnehmungen vor. Dass Veränderungen unseres Hormonhaushaltes unsere Wahrnehmung beeinflussen können, ist der Psychologie bekannt. In seinem posthum veröffentlichen Werk Endlich: Mein Sterben schreibt Christopher Hitchens: „Ich habe keinen Körper, ich bin ein Körper.“. Zentral steht in dieser Erfahrung der Körperlichkeit für Meschonnic die Sprache. Jede Sprache und jeder Sprecher/ jede Sprecherin einer Sprache besitzt seinen/ ihren eigenen Rhythmus. Sprache und Prozesse der Subjektivierung gehen miteinander einher, bedingen sich. Gleichzeitig haftet ihr eine Historizität an, in welcher sich das Subjekt durch die Sprache verortet.

   So weit so gut, doch warum teile ich euch das nun mit? Zum einen habe ich mich im Zuge meiner Beschäftigungen selbst ertappt empfunden. Ich bemerkte, dass eine Trennung zwischen Körper und Geist in meinem Denken vorherrscht, dass ich meinen Körper zurückstelle. Zum anderen dachte ich an die Schule, an die Vorstellung Schüler*innen könnten für mehrere Stunden an einem Platz sitzen und lediglich ihren Geist anstrengen. An das Lachen über Schulen, in denen am Morgen der eigene Name getanzt wird (nach einer Lektüre der Werke Meschonnics erscheint dies übrigens als äußerst sinnvoll). In einem von mir rezipierten Beitrag wird die Voraussetzung der Schrift/Schriftlichkeit für das abstrakte Denken untersucht. Hierbei wurde diskutiert, ob in vor-homerischer Zeit Schrift existiert haben muss, da Werke wie die Odyssee oder Illias nur als Schrifterzeugnisse denkbar sind. Folgend wurden Studien, die im Balkangebiet durchgeführt wurden, dargelegt, welche eine erhaltene Vortragskunst untersuchen. Es zeigte sich, dass die Memorierungsfähigkeiten der Künstler*innen deutlich über einem europäischen Durchschnitt liegen. Die Verbindung von Rhythmus und Tanz, von Geist und Körper erhöht die Merkfähigkeit, da nicht bloß abstrakt im Gedächtnis Erinnerungen und Inhalte abgerufen werden – der ganze Körper, in einer Verbindung mit dem Verstand, merkt sich etwas. Vermutlich sind ähnliche Prozesse bei Schauspieler*innen zu beobachten, welche lange Textpassagen aus Skripten auswendig lernen können. Ich vermute, dass es deutlich schwieriger wäre, wenn sie während diesem Prozess lediglich auf einem Stuhl sitzen würden.

   Implikationen für das Klassenzimmer können sein, dass der Bewegung, dem lauten Sprechen, vielleicht auch dem Schauspiel und dem Tanz, eine höhere Bedeutung beigemessen werden. Zum einen ermöglicht dies den Schüler*innen sich im Unterricht als Subjekte wahrzunehmen und zum anderen geschehen Lernen und Memorieren in einem erweiterten Sinne.

 

Bezüge

Joseph, John E.: „Language-Body Continuity in the Linguistics-Semiology-Poetics-Traductology of Henri Meschonnic.“ In: Comparative Critical Studies 15 (2018) H.3, S. 211-329

Pajevic, Marko: „Beyond the sign. Henri Meschonnic’s poetics oft he continuum and of rhythm: Towards an anthropological theory of Language“. In: Forum for Modern Language Studies 47 (2011). H.3, S. 304-318

Pajevic, Marko/ Smith, David Nowell: „A Poetics of Society: Thinking Language with Henri Meschonnic“. In: Comparative Critical Studies 15 (2018). H.3, S. 279-310

Serge, Martin : „On Rhythm: Voice and Relation“, In: Comparative Critical Studies 15 (2018). H. 3, S. 331-347




Kommentar zur Sitzung am 11.01.22 (Redaktionsgruppe A)

Kommentar zur Sitzung am 11. Jänner 2022 mit Prof. Mag. Dr. Josef Eisner

 

Redaktionsgruppe A

 

Dass in der Schule nicht nur die Vermittlung von Wissen eine Rolle spielt und ausschlaggebend für den Lernerfolg der Lernenden ist, sondern dass daneben auch noch andere Faktoren einen großen Einfluss darauf ausüben, haben wir in unserer 7. Sitzung des Kurses “Schule und Gesellschaft”  am 11. Jänner 2022 mit Herrn Professor Eisner diskutiert.

 

So zum Beispiel ist es eine unentbehrliche Aufgabe der Lehrperson, nicht nur für eine gute Beziehung zwischen ihr und jedes/r Lernenden zu sorgen, sondern auch für ein gutes Klassenklima und eine gute Beziehung unter den Lernenden selber, weil dies vor allem das tragende Element von Lernprozessen ist. 

Gegenteilig hierbei wirkt sich Beschämung aus. Sich zu schämen ist an sich ja ein sehr natürlicher Prozess, jedoch muss man sich bewusst sein, dass Beschämung von anderen auch zur Machtausübung missbraucht werden kann. 

 

An dieser Stelle möchte ich Prof. Mag. Dr. Josef Eisner zitieren:” Persönliche Kränkung im Unterricht ist toxisch!” Doch leider legt unser Notensystem bereits den Grundstein der strukturellen Beschämung in der Schule. Schüler*innen werden verglichen und vergleichen einander. Das Werten erzeugt Scham. Und Scham hat in einer positiven Lernatmosphäre keinen Platz. 

 

Diese Einheit hat mich als zukünftige Lehrperson, dazu bewegt, mir zum Vorsatz zu machen: Beschämung bewusst zu vermeiden!

 

Ich denke, dass es in diesem Zusammenhang vor allem auch wichtig ist, sich dem bewusst zu sein, dass Beschämung anderer nicht komplett umgangen werden kann. Wichtig ist jedoch, sich klar zu machen und zu reflektieren, wo kann denn überall beschämt werden und vor allem, in welchem Zusammenhang ist es mir selbst eventuell schon passiert, dass ich – ohne es zu wissen oder zu wollen – in jemandem Scham ausgelöst habe. Meiner Meinung nach ist das Erkennen an sich selbst, das bewusste Reden mit Schüler*innen und der bewusste Versuch beschämende Aussagen und Handlungen zu vermeiden, der erste (große) Schritt in die richtige Richtung. Auch unbewusst kann Schaden angerichtet werden, aber dieses Defizit des Nicht-Wissens kann durch Reflexion des eigenen Handelns und Respekt minimiert werden.

Klassenzimmer bilden Räume mit einer ihnen eigenen Atmosphäre, welche von allen Beteiligten beeinflusst wird, wobei der Lehrperson im Etablieren, Kontrollieren und Stabilisieren einer solchen eine Verantwortung zukommt. Dass der Raum sowie das soziale Netz, welches diesen durchzieht, eine erhebliche Einwirkung auf Lernerfahrungen ausüben wurde in der Einheit besprochen. Als Lehrperson muss ich mir dieser Korrelationen bewusst sein, um “sehend” durch Klassenräume schreiten zu können. Eben dieses Sehen wurde durch die Einheit sensibilisiert. 




Soziale Gerechtigkeit (?)

(Redaktionsgruppe B)

Soziale Ungleichheit in der Gesellschaft fängt schon im Klassenzimmer an. Warum wird so etwas erwünscht?

Da man leider davon ausgehen muss, dass sich das Schulsystem nicht so schnell verändern wird, gefällt uns der Gedanke Projekte wie „Schule fürs Leben“ flächendeckender ins Leben zu rufen. Der Austausch zwischen Jugendlichen verschiedener selektierter Gruppen und die vielen Dinge die man voneinander lernen kann wären für alle Seiten sehr bereichernd.

Wenn die Schule schon kein Abbild der Gesellschaft sein soll, so wäre es so wenigstens möglich die suggerierte Wahrnehmung der „Anderen“ zu verändern, Ängste vor dem Fremden abzubauen und so eine sozialere, verständnisvollere und rücksichtsvollere Gesellschaft der Zukunft zu bilden.

Um soziale Ungleichheit im Bildungssystem zu verringern, bedarf es einer Politik, die Freiräume schafft, in denen sich diejenigen, die Bildung gestalten, aktiv entfalten, Ideen einbringen und neue Wege gehen können.

Was ist aber eigentlich „Ungleichheit“? Es kann nicht das Ziel sein, allen die gleiche Ausbildung und denselben Abschluss zukommen zu lassen. Das wirkliche Ziel muss es sein, jedem Kind Chancengerechtigkeit zu gewährleisten. Nur mit dem Zusatz „Chancen-“ macht der Begriff der Gerechtigkeit hier letztlich Sinn. Jedes Kind in Österreich muss die Möglichkeit haben, seine Fähigkeiten zu entfalten, ohne dass dabei die soziale Herkunft auch nur die geringste Rolle spielt. Nur wer die Chance erhält, seine Fähigkeiten zu entdecken und zu lernen, diese sinnvoll zu nutzen, wächst mit der Gewissheit heran, wertvoll zu sein, vor allem auch wertvoll zu sein für die Gesellschaft. Nur diejenige Gesellschaft, die ihrem Nachwuchs ein Recht auf Chancengerechtigkeit gewährt, baut ihre Demokratie auf ein festes Fundament. Denn Bildung ist nicht nur die Voraussetzung für den Erwerb des Lebensunterhaltes, sondern auch für die Entfaltung der Persönlichkeit und die Fähigkeit als mündiger Bürger in der Gesellschaft teilzunehmen. 

Bereits vor über 100 Jahren sagte Max Weber, einer der drei Gründerväter der deutschen Soziologie: “Unterschiede in der Bildung sind heute (…) zweifellos der wichtigste ständebildende Unterschied (…). Unterschiede der Bildung sind – man mag das noch sehr bedauern – eine der allerstärksten rein innerlich wirkenden sozialen Schranken.” Eine Aussage, die, wie ich meine, auch heute noch zutreffend ist. In der Schule – und zwar bereits in der Volks- oder Grundschule – wird über die Bildungs- und auch teils berufliche Zukunft der Kinder entschieden. Ohne Abitur oder Matura wird man heutzutage von der Gesellschaft belächelt. Eine Entwicklung, die zu denken geben sollte. Sind denn Schüler oder Schülerinnen, die “nur” einen Mittelschulabschluss haben weniger wert? Leisten Sie nicht in ihrem späteren beruflichen Leben ebenso einen wichtigen und wertvollen Beitrag in unserer Gesellschaft?

Dieser Entwicklung entgegen zu wirken, müsste eigentlich eines der wichtigsten Ziele unserer Bildungspolitik sein. Sei es, dass man diejenigen, die vor Ort die Arbeit leisten in Entscheidungen miteinbezieht und ihren Aussagen mehr Gewicht verleiht, aber auch, dass man Kinder und Jugendliche aus schwächeren “Ständen” besser unterstützt. Sei es auf Ebene der Bildungsförderung und Forderung, aber auch dass man eine finanzielle Chancengleichheit für eben diese Kinder und Jugendliche schafft. Oft hakt es bereits an den einfachsten Gegebenheiten wie zum Beispiel in der Oberstufe dann daran, dass die Beförderung vom Heimatort zur Bildungsstätte selbst finanziert werden muss, was für manche bereits die erste “Schranke” darstellt. Man kann letztlich sagen, dass Max Weber, mit seiner Aussage von vor über 100 Jahren, weit vorausschauend war und bereits Züge in der Politik und Gesellschaft erkannte, in denen die Angehörigen der höheren Stände versuchten ihren Stand zu halten und Schranken schafften um den Zugang zu Bildung, von Menschen aus niedrigeren Ständen, zu erschweren, oder gar zu versperren. Es sollte also dringend ein Ziel sein diese Schranken endlich aus dem Weg zu schaffen, denn dieses Zeiten sollten schon längst hinter uns liegen.

 

Einige Denkanstöße

 

Seit der Antike wird die Korrelation zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit immer wieder in Frage gestellt. Artikel 1 und 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagen, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren werden. Ungleichheit aufgrund von Geschlecht, Ethnie, Hautfarbe, Sprache, Religion, Meinung, Nation, sozialem Status, Eigentum oder anderen Gründen wird dort explizit verboten. Ist Gleichheit nun auch wirklich gerecht? Ist es „un“gerecht, wenn hilfsbedürftigen Menschen Unterstützung angeboten wird, anderen aber nicht? Meinem Verständnis kann man Gerechtigkeit nicht mit Gleichheit gleichsetzen, sondern verlangt ersteres oft nach Ungleichbehandlung der Menschen.

 

Chancengleichheit ist ein essentieller Bestandteil bei politischen Entscheidungen im Schulsystem. Doch auch geschlechtsspezifische Sozialisierung in der Schule fördert Ungleichheit. Durch Medien, Institutionen und vor allem auch die Eltern werden oft Berufe und Karrierevorstellungen in „Männer- und Frauenberufe“ unterteilt. Dieser „gender status belief“ beschreibt den Umstand, dass gewisse Eigenschaften einem bestimmten Geschlecht zugeordnet werden. Dies kann die eigene Wahrnehmung von Stärken und Schwächen gravierend beeinflussen und dementsprechend auch die spätere Berufswahl, welche durch eine hohe Kompatibilität mit dem Selbstbild getroffen wird. Ebenfalls weisen junge Frauen und Mädchen häufiger ihre beruflichen Aspirationen an externe Opportunitäten an. Das heißt, dass Berufsfelder in denen Männer überrepräsentiert sind, häufiger gemieden werden. Empirische Erhebungen zeigten auch, dass Kleinbetriebe fürchten, dass andersgeschlechtliche Auszubildende betriebliche Abläufe stören könnten. 

2019 führte der European Social Survey (ESS) eine Untersuchung über Gerechtigkeitsempfinden in Europa durch. Dort wurden die Teilnehmer*innen nach verschiedenen Formen von Gerechtigkeit gefragt, wie etwa ob eine gerechte Gesellschaft sich durch gleich verteilte Einkommen und Vermögen definiert, oder ob ein statusbezogener Anspruch gerecht wäre. In der Frage, ob hart arbeitende Menschen mehr verdienen sollten als andere lag Österreich an europaweiter Spitze.

Doch was bedeutet es “hart” zu arbeiten? Wer entscheidet über den Wert der Arbeit in der Gesellschaft?

Um nun wieder auf das Schulwesen und dessen gesellschaftspolitische Stellung zu kommen: Als Lehrperson ist es essentiell, sozial-gesellschaftliche Strukturen und deren ungerechte Dynamiken zu erkennen und diese nach bestem Wissen und Gewissen entgegenzuwirken. Damit Kindern und Jugendlichen ein gerechter Zugang zu Bildung zu ermöglicht werden kann, sind Veränderungen an unserem derzeitigen System unumgänglich.

 

(ein gemeinsamer Beitrag von Benedikt Barth, Johanna Maier, Lisa Scholz und Angelika Schlosser – Redaktionsgruppe B)




Erfahrungsberichte einer jungen Person

Erfahrungsberichte einer jungen Person

Sehr geehrte Leserinnen, das Unterfangen, welches ich mir vorsetzte zu tun, findet im Folgenden seinen Ausdruck. Genau genommen ist es nicht mein Unterfangen gewesen, wie ich kurz schildern möchte. Die folgenden Einträge, welche ich hier zusammengetragen habe, stammen aus einzelnen losen Blättern, welche mir auf noch zu erläuterndem Wege zugekommen sind und nicht aus meiner Feder stammen. Vor einigen Wochen betrat ich das Gebäude der Universität, um einige Bücher aus der Bibliothek auszuleihen. Bevor ich diese betreten konnte, trat ich wie gewohnt auf die Schließfächer im Untergeschoß zu, um vorläufig meine Unterlagen dort abzulegen. Da mein eigentlich präferiertes Fach belegt war, suchte ich ein noch freistehendes. Etwas weiter links konnte ich eines entdecken. Als ich es öffnete fielen einige lose Blätter hervor auf den Boden. Aufgrund des Zeitmangels steckte ich sie zusammen mit meinen Sachen zurück in das Fach. Einige Stunden später griff ich wieder in Eile nach meinen Sachen, wobei ich unbemerkt die Blätter unter meine Unterlagen mischte. Erst zurück in meiner Wohnung sind sie mir wieder aufgefallen und ich begann sie durchzulesen. Offensichtlich bilden sie die Dokumentation eines Unterrichtspraktikums einer studierenden Person. Da kein Name auf die losen Blätter notiert wurde, war es mir nicht möglich den Autor oder die Autorin ausfindig zu machen. Der Zustand, in dem sich die Papiere befanden, verriet zudem, dass sie von dem Verfasser oder der Verfasserin nicht mit sonderlicher Sorgfalt und Fürsorge behandelt wurden. Nun um es kurz zu halten, ich beschloss ihren Inhalt euch werten Leserinnen zugänglich zu machen. Ich habe den Inhalt nicht abgeändert und lege lediglich eine Abschrift vor.

 

Tagebuch zum Schulpraktikum

Erster Tag

Nächstes Mal fahre ich mit dem Bus. Eine halbe Stunde und dann noch bei Regen auf dem Rad, nein, nächstes Mal fahre ich mit dem Bus. Am Ende der Straße, dort wo die Bäume aufhören, steht es, das Gebäude, ein Schulgebäude. Ich frage mich ob eine Vorschrift, sozusagen eine Regel existiert, dass Bauwerke, welcher dieser Institution zuzuordnen sind immer von außerordentlicher Hässlichkeit zu sein haben. Im „Hof“ wird alles betoniert. Wer braucht denn auch Blumen oder irgendetwas, das eine die visuelle Wahrnehmung ansprechende Farbe besäße, etwas das auf das Leben verweisen könnte, denn hier wird gelernt – ich überspitze. Nahtlos geht der „Hof“ über in das Gebäude. Farblos und schachtelartig erhebt es sich trist und nackt aus dem unfruchtbaren Boden. Ob sich wohl hier der philosophische Satz des „Außen und Innen“ bewahrheiten wird? Langsam und mit einer gewissen, wohl erworbenen, Scheu bewege ich mich auf das Bauwerk zu. Vor dem Haupteingang warten bereits meine Kollegen und Kolleginnen, welche wie ich das Unterrichtspraktikum an dieser Schule absolvieren. Wie gewöhnlich positioniere ich mich etwas abseits und verliere mich schnell in Gedanken – das Außen und Innen. Eine etwas krächzende und laute Stimme hallt aus den Gängen und reißt mich aus selbigen. Die Betreuungslehrperson. Sie wirkt in Eile und vollführt eine winkende Geste, welche uns wohl auffordern sollte, ihr zu folgen. Während des Gehens fallen die ersten Sätze „Ich sage es gleich, unsere Kinder sind ungemein dumm. Ich komme gerade aus einer Stunde, ihr würdet es nicht glauben. Hat jemand ein Feuer? Raucht hier jemand?“. Aus dem Hintergrund trete ich vor – die Möglichkeit der Situation ergreifend – und überreiche mein Feuerzeug, während ich mir selbst eine Zigarette anstecke – ein guter Anfang. Gemeinsam stehen wir unter einem Vordach hinter dem Schulgebäude. „Tut mir leid, aber ich muss gleich in eine Besprechung mit der Direktorin, davor brauche ich immer eine Zigarette. Also wie ich schon sagte, sind unsere Schüler extrem schwach. Ihr studiert Deutsch? Also besonders in Deutsch. 90% haben einen Migrationshintergrund und viele sprechen nur sehr gebrochen. Früher war das besser, aber heute…“ – klingt outriert und klischeehaft, aber das waren die ersten Sätze.

Ähnlich ansprechend verlief die erste Stunde der Hospitation. Wenigstens verstehe ich jetzt die klangliche Nähe zwischen Hospitieren und Hospiz, obgleich gesagt sei, dass man bei zweiterem wenigstens versucht den Sterbeprozess positiv zu umstalten. Ein geistiger Sterbeprozess. Wahrscheinlich wurden die Fenster aus der Angst nicht geöffnet, die Geister der Kinder könnten aus demselben entfliehen. Um ehrlich zu sein könnte nicht einmal ich wiedergeben, was denn stofflich im Unterricht durchgenommen wurde, da dies in dem Geschrei (seitens der Lehrpersonen) und den Zurechtweisungen untergegangen ist.

Wieder eine halbe Stunde mit dem Rad – nächstes Mal fahre ich mit dem Bus.

 

Zweiter Tag

Wieder hospitieren. Nach der Stunde gehe ich durch den Hinterausgang – jetzt brauche ich eine Zigarette. Im Eck des kleinen Vordaches sitzt ein auf die Vierzig zugehender Herr mit einer Bierdose, die er wohl gerade brauchte. Er stellt sich mir als Hausmeister der Schule vor und wir unterhalten uns recht angeregt. Wieder hospitieren – wenig Neues. Geschrei, Zurechtweisungen – wegen Zettel die nicht ordnungsgemäß eingeklebt wurden etc. Was hier zu vermitteln versucht wird hat sich mir noch immer nicht erschlossen.

 

Dritter Tag

Heute habe ich selbst unterrichtet – Konjugation von starken und schwachen Verben. Erste Erkenntnis – unerwarteter Weise hat mir das Unterrichten an sich Freude bereitet – es war meine erste abgehaltene Stunde. Von den vorbereiteten vier Arbeitsblättern habe ich nur eines durchbekommen. Das Geschrei der Aufsichtslehrperson hat mich etwas gestört, aber endlich konnte ich den Kindern auch ins Gesicht und nicht nur auf den Rücken sehen. A. in der ersten Reihe hat sich besonders intensiv beteiligt, im Anschluss wurde mir gesagt, dass sie nach dem AHS-Standard beurteilt wird, als einzige in der Klasse. Aufgefallen ist mir L., welcher mittig in der Klasse seinen Platz hat – obgleich ich bezweifle, dass der Ausdruck hier angebracht ist. Er starrte auf seinen Tisch, das Arbeitsblatt mit dem erteilten Auftrag vor ihm. Nach einigen Minuten, in welchen ich beobachtete, dass er nicht mit dem Ausfüllen begann, näherte ich mich seinem Tisch und fragte, ob er Probleme mit der Aufgabenstellung hätte. L. seufzt, nimmt langsam einen Bleistift zur Hand und schreibt ein Wort auf die erste Zeile. Zu mehr konnte ich ihn nicht überreden und ließ lieber ab, bevor die Aufsichtsperson etwas davon mitbekam, die Folgen wollte ich ihm ersparen. Generell haben die Schüler*innen einen sehr direkten Zugang zur Kommunikation. Gedanken werden meist wahllos und unreflektiert geäußert – worin ich Potential sehe.

 

Vierter Tag

Heute habe ich die Betreuungslehrperson gefragt, welche Sprachen denn so in der Klasse gesprochen werden. Ich hatte bemerkt, dass einige Schüler*innen Probleme hatten die Aufgabestellungen zu verstehen, hörte jedoch das manche von ihnen Französisch sprachen – eine Sprache, die ich zumindest gut genug beherrsche, um Angaben übersetzen zu können. Mir konnte keine Auskunft gegeben werden, außer einer weiteren Versicherung, dass zumindest Deutsch nicht von ihnen gesprochen wird.

 

Fünfter Tag

Meine Begeisterung für das Praktikum kann wohl der Veränderung innerhalb der Länge meiner Beiträge entnommen werden – sie schwindet. Eine gewisse Lethargie beginnt sich auszubreiten – eventuell eine Angst vor meiner zukünftigen beruflichen Betätigung – Angst vor dem, wozu ich in diesem System werden könnte, aber auch ein Eifer – dass kann es ja nicht sein! Oder?

Heute habe ich bei einer studierenden Person hospitiert und konnte eine Beobachtung machen. Die Person war sehr unsicher. Man bemerkte, dass sie sich unwohl in ihrer Position vor der Klasse fühlte – eine Angst. Was ich beobachten konnte war ein Wechsel, eine Veränderung, die eintrat. Die Person fiel in ihrer Haltlosigkeit in bekannte erlernte Muster zurück. Sie wurde übertrieben kritisch und hart zu den Schüler*innen und hat sie eben in selber weise zurechtgewiesen, wie wir das während unserer ersten Hospitationen von Lehrpersonen vernommen haben. Und wirklich sie schaffte es, dass die Klasse völlig verstummte und alle auf ihre Tische starrten – aber zu welchem Preis? Hier konnte ich beobachten, wie jemand zu jemandem wird, der man vermutlich nicht sein wollte, der man aber wurde, aus Angst und Unsicherheit – ein Fallen in das Bekannte – ein Halt, aber ein vager.

 

Sechster Tag

Ich stehe wieder am Hinterausgang unter dem kleinen Dach – eine Zigarette – vermutlich habe ich sie gebraucht. Der Platz gefällt mir. Ruhig prasselt ein sanfter Regen auf die Betonklötze – was man heute wohl unter Bänken versteht – herab. Ich mag diesen Ort. Schon immer hatte ich eine Neigung zum offensichtlich Kranken und Schiefen. Eventuell liegt dies in meiner psychischen Konstitution begründet, da ich mich selbst meist als „krank“ und „schief“ wahrnehme. Ich sehe hierin Möglichkeiten, Herausforderungen. Mein letztes Praktikum habe ich in einer Schule mit „gutem Ruf“ absolviert. Die Qualität des Unterrichts kann natürlich nicht mit dieser Situation verglichen werden, aber ich fühle mich freier hier – fühle mehr Möglichkeiten, für alle Beteiligten. Und mich zurückerinnernd konnte ich mich des Eindrucks nicht verwehren, dass es auch in der „guten Schule“ kränkelte, jedoch an einer anderen, weniger offensichtlichen Stelle, die ich wohl bis heute nicht genau diagnostizieren kann. Ja, ich mag es hier.  




Häuslicher Unterricht – Kinder werden von ihrem sozialen Umfeld herausgerissen?

Mitte November sah ich eine Reportage auf Servus TV „Schulverweigerer – Widerstand gegen das System“, welche mich nachdenklich machte und veranlasste, diesen Beitrag zu schreiben. Nachdem ich zwei Freundinnen kenne, die beide zuhause unterrichtet wurden, musste ich einen ständigen Vergleich ziehen. Dabei kam ich zu dem Entschluss, dass viele verschiedene Ansichten zu diesem Thema in unserer Gesellschaft existieren. Doch viele wissen nur wenig über dieses Konzept Bescheid.

FAKT IST:

Mehr als 7.500 Kinder werden heuer von zu Hause unterrichtet. In Oberösterreich hat sich die Anzahl beispielsweise bereits verfünffacht und in Salzburg vervierfacht. Natürlich hat die Corona Pandemie dazu beigetragen, die Schulabmeldungen deutlich ansteigen zu lassen. Dabei darf jedoch nicht auf den Unterschied zwischen Distance – learning und Home – Schooling vergessen werden.

DISTANCE – LEARNING:

Es geben die Lehrer/innen den Kindern (viel zu viele) Aufgaben auf. Die Anforderungen sind sehr unterschiedlich und abhängig von Schule und Lehrkraft. Meist bekommen die Kinder jeden Tag einen neuen Inhalt vermittelt, welchen sie sich selbst beibringen müssen. Oder es wird eine Videokonferenz angesetzt, bei dem jede Schülerin und jeder Schüler zuhause vor dem Computer sitzt. Dabei geht viel nonverbale Kommunikation verloren. An manchen Tagen sitzen die Kinder von der Früh bis zur letzten Einheit am Nachmittag vor dem Computer. Die Betonung liegt dabei auf Sitzen. Dadurch geht der Schulweg (meist die einzige Bewegung des Tages) als wichtiges Ritual zum Ankommen verloren.

Von Albert Mehrabian stammt eine bekannte Studie zum Thema Nonverbale Kommunikation. Wir kommunizieren zu 55% mit unserer Körpersprache, welche bei Videokonferenzen fast zur Gänze verloren geht und die Lehrerin oder der Lehrer unmöglich durch die Kamera erkennen kann. 38% macht dabei unsere Stimme aus und nur 7% die eigentlichen Wörter, die wir benutzen.

HOME – SCHOOLING:

Oder auch Heimunterricht, häuslicher Unterricht, Hausunterricht, Privatunterricht, Entschulung, home based learning genannt. Hier werden die Kinder am Anfang des Schuljahres von der Schule abgemeldet. In Österreich gilt laut dem RIS – Schulpflichtgesetz 1985: „Die allgemeine Schulpflicht kann – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.“ Dies bedeutet, dass die Schulpflicht erfüllt werden kann, wenn das Kind nicht in die Schule geht. Dafür ist allerdings eine Externistenprüfung am Ende jedes Schuljahres abzulegen. Wird diese Prüfung nicht/negativ absolviert, muss die Schülerin oder der Schüler wieder zur Schule gehen und darf nicht mehr von zuhause aus unterrichtet werden. Die Freiheit ein selbstbestimmtes Leben im Kreise der Familie zu führen, ohne Auflagen des Staates, ohne Diskriminierung und ohne Beschränkungen veranlasst immer mehr Familien in Österreich ihre Kinder von der Schule abzumelden. Als Eltern braucht man keine speziellen Kenntnisse oder eigene Ausbildung, um sein eigenes Kind zuhause unterrichten zu können. Das Material und Schulbücher bekommt man meist kostenlos von der zuständigen Schule zur Verfügung gestellt. Falls es dazu kommt, dass das Kind wieder zur Schule gehen möchte, oder es aus anderen Gründen besser für das Kind ist, so ist es jederzeit möglich wieder einzusteigen.

WARUM WERDEN KINDER VON DER SCHULE ABGEMELDET?

Oft sind es Gründe wie, psychischer Druck, Unterrichtsmethoden, Lehrkräfte, Mobbing, Lerndruck, das gesamte Schulsystem, Zwang oder Ängste, die den Kindern das Zur – Schule – gehen schwer machen. In solchen Fällen reagieren manche Familien so, dass sie eine Lerngemeinschaft organisieren. Diese Entscheidung kann nicht von heute auf morgen getroffen werden. Es ist ein Verlauf, der beobachtet werden muss und einige Wochen Zeit braucht, um einen Umstieg zu ermöglichen. Es ist vor allem zu beachten, dass die Entscheidung, ob das Kind in der Schule bleibt, oder privat unterrichtet wird, gemeinsam mit Absprache aller Beteiligten getroffen wird. Die Eltern dürfen diese Entscheidung nicht über ihr Kind hinweg treffen. In diesem Fall würde der Heimunterricht nicht funktionieren.

Viele Eltern bilden in der Nachbarschaft eine Lerngruppe und können, den Kindern eine optimale Lernbegleitung bieten. Durch die verschiedenen Interessen und Kompetenzen der Eltern werden viele Bereiche abgedeckt. Zusätzlich können Experten hinzugezogen werden, wenn dies notwendig ist. Eltern wollen ihre Kinder beim Lernen begleiten, ohne Zwang und ohne Prüfung. Dabei legen sie großen Wert auf freies und selbstbestimmtes Lernen. Unter der Website https://www.freilerner.at/freilernen-ist/was-ist-freilernen/ finden Sie mehr dazu.

KRITIK:

Kritiker meinen, dass die Schule mehr als nur Unterricht sei, und trägt wesentlich zur sozialen Entwicklung bei. Kinder brauchen Gleichaltrige und die Gemeinschaft in der Schule. Außerdem ist die Schule nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern auch ein Ort, an dem sehr viel Soziales und Interaktion stattfinden. Hier lernen die Kinder die Regeln für das Zusammenleben in einer Gesellschaft. Sie lernen Konflikte entsprechend auszutragen, werden durch Pädagoginnen und Pädagogen begleitet, die entsprechend ausgebildet sind. Denn die wenigsten Eltern sind dies. Das Schulkind braucht zuhause immer einen Ansprechpartner, welcher dem Kind in den Lernphasen beisteht. Außerdem muss sich diese Person auch in den Lerninhalten auskennen und mögliche Fragen beantworten können. Doch die meisten Eltern arbeiten tagsüber. Daher ist es notwendig, dass ein Elternteil zuhause bleibt, im Home – Office arbeitet, oder einen sehr flexiblen Job hat. Meist ist dies mit beachtlichen finanziellen Kosten verbunden. Dazu kommt auch noch der enorme Zeitaufwand, der für Vorbereitungen/Organisation/Unterricht und die Suche nach geeignetem Material zusätzlich anfällt. Weiters fehlen das soziale Lernen und eine positive Gruppendynamik. Oft profitieren die Kinder von Fragen anderer Klassenkameradinnen oder Kameraden, dies fällt auch weg. Der wohl am heftigsten kritisierter Punkt ist das „geschützte Umfeld“. Die Kinder werden nicht „auf das Leben außerhalb“ des häuslichen Umfeldes vorbereitet. Man hat ständig damit zu kämpfen sich gegen diese Aussagen und den „Sonderstatus“ zu rechtfertigen.

Zudem gibt es oft Schwierigkeiten bei dem Übertritt in die weiterführende Schule. Der Unterrichtsstoff wird mit jedem Schuljahr anspruchsvoller und für die Eltern immer schwieriger, ihr Kind dabei zu begleiten. Nicht ohne Grund gibt es in der Volkschule für die meisten Fächer die gleiche Lehrkraft und in den Hauptschulen bzw. Oberstufen für jedes Fach eine eigene Fachkraft, die als Lehrerin oder Lehrer die Schülerinnen und Schüler unterrichtet. All diese Fächer kann eine einzelne Person nicht abdecken.

BEFÜRWORTER:

Andererseits muss auch die Seite beleuchtet werden, bei der die Kinder problemlos den Anschluss wieder zurück in die Schule finden. Viele Kinder kommen aus der Volksschule in eine Unterstufe, in der sie sich anfangs noch wohlfühlen. Doch nach den ersten Wochen, Monaten häufen sich die Probleme. Das betroffene Kind fühlt sich nicht verstanden und die Lehrkräfte gehen nicht darauf ein, das gesamte Schulsystem und der Druck dahinter überfordern das Kind. Vielleicht wird es auch noch von einigen Mitschülerinnen oder Mitschülern gehänselt. Anfangs überlegt man das Kind in eine andere Schule zu geben, oder hat dies möglicherweise auch schon versucht, doch es tun sich erneut Probleme auf, die sich negativ auf die Psyche und Entwicklung des Kindes auswirken. Diese Situation wünscht sich Keiner, doch zum Glück gibt es die Möglichkeit in Österreich, das Kind zuhause, fern von Druck und Ängste lernen zu lassen. Die Kinder können die Schwerpunkte selbst auswählen, die sie vertiefen möchten und können sich die Lernzeit flexibel einplanen (Tageszeit & Ferienzeit). Das Lernen ist ganzheitlich und passiert den ganzen Tag über und wird in ihr Leben miteinbezogen. Zum Beispiel die Vokabeln in einer Fremdsprache können während eines Spazierganges draußen gelernt werden, indem alle Gegenstände rund herum benannt werden.

Mit dem Umstieg von der Schule auf zuhause hatten zum Beispiel meine Freundinnen keine Probleme und gewohnten die andere Atmosphäre schnell. Nach einigen Jahren im Hausunterricht schafften sie auch problemlos wieder den Einstieg in die Oberstufe und Beide haben die Schule mit Matura erfolgreich abgeschlossen. Dieses Beispiel zeigt, dass es für manche Menschen eine sehr gute Chance bietet. Denn ohne Heimunterricht hätten sie wohl nie einen solch hohen Abschluss geschafft.

FAZIT:

Nach meiner persönlichen Einschätzung nach kommt es sehr auf das Kind bzw. deren Lerntyp drauf an, ob Home-Schooling erfolgreich durchgeführt werden kann. Anfangs stell ich es mir sehr gewöhnungsbedürftig vor, um sich auf die veränderte Umgebung und Art von Lernen einzustellen. Doch ich denke, dass vor allem junge Menschen sich darauf gut einlassen können. Es ist gut, dass es diese Möglichkeit gibt. Wer sie annimmt, muss sich auf viel Neues einlassen können und auf manches verzichten. Doch es bleibt eine geniale Alternative zur gewohnten Schulform. Ob dieses Angebot angenommen wird, oder wie die meisten Kinder „ganz normal“ in die Schule geht, bleibt jedem frei überlassen. Keiner wird/soll zu ein und der richtigen Unterrichtsform gezwungen werden.

Die Reportage löste in mir ein großes Interesse aus. Durch die nachfolgenden Recherchen und Befragungen mit Menschen, die mit Heimunterricht Erfahrungen haben, entwickelte sich mein Interesse für dieses Thema immer weiter. Letztendlich zog ich den Entschluss, dass ich weiterhin die Akzeptanz von Hausunterricht in der Gesellschaft beobachte und Menschen, die dagegen sind, davon überzeuge, warum es für viele Kinder eine perfekte Chance im Leben bietet. Denn diese jungen Menschen haben genauso das Recht auf Bildung und trotz Fernbleiben der Schule einen gleichwertigen Status verdient.

Ebenso kann ich es vollkommen nachvollziehen, warum viele Menschen es als keine gute Idee ansehen, dass Kinder nicht zur Schule gehen müssen. Der Hausunterricht kann nicht die Schule ersetzen und kann auch niemals damit verglichen werden, weil diese zwei Arten von Lernen und Vermittlung von Bildung zu verschieden sind.

QUELLEN:

  • https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009576
  • https://mumacademy.at/homeschooling-in-oesterreich-daten-links-fakten/
  • Reportage „Schulverweigerer – Widerstand gegen das System“ (von 18. Nov | 47:00min bei Servus TV)



Migration im bildungspolitischen Kontext

In diesem Eintrag sollte die Problematik im Umgang mit SchülerInnen (seitens Bildungssystem), die migrantischen Background aufweisen, aufgezeigt werden.

Dabei ist es gleich zu Beginn entscheidend den Begriff „Migration“ zu definieren. Obwohl ich mir dessen bewusst bin, dass viele Personen die ursprüngliche Bedeutung kennen, ist es meines Erachtens nicht unwichtig die originelle Begriffsdefinition von der gesellschaftlichen missverstandenen Neuinterpretation zu differenzieren. „migrare“ stammt aus dem Lateinischen und wird ins Deutsche mit „wandern“ übersetzt. Demnach ist eine Migration eine Wanderung in ein anderes Gebiet, in einen anderen Ort, et cetera. Genauer gesagt handelt es sich bei einem Migrant/ einer Migrantin um eine Person, die sich ohne der jeweiligen Staatsangehörigkeit in diesem Land aufhält. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass wir als österreichische Staatsangehörige Migranten sind, sobald wir die Grenze zu Deutschland überqueren. Wie und wieso interpretiert die breite Masse diesen Begriff nun anders? Der Begriff wird fälschlicherweise mit dem Wort „Flüchtling“ gleichgesetzt und gelangt durch Stereotype und Vorurteile zu seiner negativen Konnotation. So werden Personen aus dem arabischen oder asiatischen Raum eher als Migranten angesehen, als solche, die ursprünglich aus Skandinavien, Frankreich usw. stammen. Verantwortlich für diese falsche Annahme sind Vorurteile und Stereotype.

Wie wird mit Migration nun in der Schule umgegangen?

Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund haben schlichtweg aus mehreren Gründen schlechtere Rahmenbedingungen für ihre schulische Ausbildung. Häufig stammen sie von „Arbeiter-Eltern“ ab, die nur einen geringen soziökonomischen Status vorzeigen können. Dadurch fehlt es diesen Kindern an finanziellen und bildungstechnischen Ressourcen, welche sie somit automatisch benachteiligen. Dennoch weißen Kinder mit Migrationshintergrund eine höhere Beschaffenheit an kulturellen Ressourcen auf, die jedoch kaum gefördert werden. Dazu zählt die Mehrsprachigkeit, welche SchülerInnen mit migrantischen Wurzeln aufweisen. Man könnte so viel Potential daraus schlagen, aber durch Normen der Gesellschaft werden arabische Sprachen als negativ angesehen und eher weniger bis gar nicht gefördert. Dabei könnte man einen regelrechten Kulturaustausch innerhalb von Schulklassen initiieren, wenn man anderen Sprachen (auch arabischen) mehr Bedeutung im Schulsystem zukommen lässt. 

Stattdessen werden Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, in der ersten Klasse der Volksschule einem Test unterzogen werden, der prüft, ob die Schülerin/ der Schüler die deutsche Sprache ordnungsgemäß beherrscht. Die Rede ist vom BESK-DaZ Einstufungstest, der sowohl schriftliche als auch sprachliche Sprachkompetenzen überprüft. Erreicht ein Schulkind nicht genügend Punkte, um diesen Test zu bestehen, wird es in Förderklassen untergebracht. Natürlich sollte bei Problemen bzw. Schwierigkeiten individuell gefördert werden, doch meines Erachtens ist es nicht besonders förderlich, wenn alle leistungsschwächeren SchülerInnen in dem selben Förderkurs sind. Denn somit würde man sie von den guten Schulkindern isolieren, was bei den zu Fördernden Resignation hervorrufen kann. Eine Testung per se halte ich persönlich nur dann für sinnvoll, wenn für alle Schüler und Schülerinnen, egal welche Muttersprache sie sprechen, die gleichen Rahmenbedingungen gegeben sind.




Managerismus und Wirtschaftlichkeit – wie Universitäten Unternehmen immer ähnlicher sehen

(Anmerkung der Verfasserin: Dieser Blogbeitrag wurde gewissermaßen „im Affekt“ verfasst – als impulsive Reaktion auf mehrere Stellungnahmen und Erkenntnisse zwischen den Zeilen des zugrundeliegenden Artikels von Sandner (2021). Als Nebenwirkungen vom Lesen dieses Textes können emotionale Betroffenheit, plötzliches Unverständnis o. Ä. auftreten, da einige derzeit vorherrschende Bedingungen an Österreichs Hochschulen teilweise stark kritisiert werden. Die Verfasserin bittet allerdings darum, diese Kritiken nicht ernst zu nehmen: Diese beziehen sich nämlich nicht auf eine einzelne Universität, sondern auf das derzeitige österreichische Hochschulsystem an sich.)

Kurz vor Anfang des Sommersemesters 2020 erreichte die Studierenden der Paris Lodron Universität Salzburg eine Mail des Vizerektors für Lehre und Studium, in der er ausdrücklich darum bat, die geschätzten Kollegen/-innen mögen bitteschön ein paar ECTS-Credits mehr verdienen als üblich, damit der Bonus, der der Universität von der Regierung zugesichert worden war, auch bei ihnen ankäme. Für viele eine ungewohnte Botschaft, das Studium wäre doch DER Bildungsweg, an dem man in seinem eigenen Tempo lernen könne! Weit gefehlt, denn in den letzten Jahrzehnten hat sich ein politischer Trend bemerkbar gemacht, der die Universität weg von der offenen Bildungseinrichtung hin zum geschlossenen Unternehmen wandeln sollte.

Ziehen wir erneut einen Querschnitt durch die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, die sowohl das Idealbild der Universitäten als auch die Institutionen selbst zu dem gemacht haben, was sie heute sind – Sandner (2021) hatte das ja bereits zusammengefasst. Auf das Ende des Krieges erfolgte ein Zeitraum der Restauration, in dem hauptsächlich die Professoren/-innen das Sagen hatten. Wer es auf den Lehrstuhl schaffte, war damit schon ganz vorne dabei. Unter Kreisky schwappte die Tendenz zur Demokratisierung aller Lebensbereiche auch auf die Universitäten über, und so bekamen auch wir Studierenden erstmals die Gelegenheit, bei wichtigen Entscheidungen mitzuwirken. Und heute? Bleibt davon kaum etwas mehr übrig. Die absolute Mehrheit des Senats – einem der wenigen Organe der Universität, an dem Studierende mitwirken können – ist nun nicht mehr erforderlich, stattdessen schwebt eine kleine Menge Professoren/-innen als Universitätsrat über die alma mater und lenkt als die Direktwähler des Vize- und Rektorats die Geschehnisse indirekt von oben. Fast schon wie ein kleiner Aufsichtsrat in einem großen Konzern.

Lässt sich hier eine Tendenz erkennen? Wenn nein, gibt es noch einige Ähnlichkeiten zu heute üblichen Unternehmen: Die Position des Chief Executive Officer hat der Rektor, die Vizerektoren könnten fast mit einem Vorstand, der Senat mit einer demokratischen Versammlung verglichen werden. Nach demselben Muster können Fachbereiche und Fakultäten sogenannten „Profit-Centers“ gleichgesetzt werden, deren Kennzahlen nicht Umsatz und Gewinn, sondern Inskriptionszahlen und Studienabschlüsse sind. Und nicht nur auf hierarchischer Ebene gibt es Ähnlichkeiten: Immer mehr Fachhochschulen und Universitäten versuchen mithilfe eines „Brand-Packages“ , sich am Markt zu positionieren, teilweise zu spezialisieren und sowohl national als auch international Top-Platzierungen zu erreichen. Sie überwachen auch den Markt nach Trendthemen, um diese in neue Studien- und Lehrgänge (beispielsweise der Studiengang „Sprache-Wirtschaft-Kultur“ des Fachbereichs Romanistik an der Universität Salzburg), aber auch Angebote für neue Zielgruppen (zu nennen ist das berufsbegleitende Studium an der Fachhochschule Villach) umzuwandeln. Während sich Unternehmen im Zuge der Personalentwicklung um die optimale betriebsinterne Karriere bemühen, setzen immer mehr Universitäten auf Karriereentwicklung ihrer Studenten, zum Beispiel über Career Center oder Kooperationen mit Firmen, die frischgebackene Absolventen/-innen bereits bei der Sponsion abholen. Und genauso wie Betrieben werden Universitäten vorgegebene Budgets zugeteilt, die sie möglichst einhalten sollten, und bekommen hin und wieder Subventionen oben drauf.

Womit wir wieder bei der Mail des Vizerektorats wären. In diesem wurde ja ein Abfall der prüfungsaktiven Studenten/-innen mit einem Verlust der finanziellen Mittel gleichgesetzt. Dies hat gewisse Ähnlichkeiten zu einer Aussage aus Sandners (2021, 83) Artikel, wo er Sabine Seidler zitiert: „Ein neues Studienrecht sollte […] verhindern, ‚dass viele Studierende zu lange im System bleiben’ “ . Die Absolventen/-innen einer Universität werden – gemäß der „Outputorientierung“ – zu einem Massenprodukt für die Gesellschaft, und diese als Klientin will vom Konzern Universität ihre Produkte zu einem niedrigen Preis und in möglichst kurzer Zeit geliefert, und gleichzeitig von hoher Qualität haben. Wenn dem nicht der Fall ist, kann diese nicht so wie ein Kunde eines Industriebetriebes den Vertrag abbrechen, da ja formal keiner bestanden hat. Durch die Regierung allerdings könnte die Gesellschaft die Universitäten bei Nichteinhaltung der geforderten Leistungen auch strafen, in etwa durch oben erwähnte Budgetkürzungen, oder dem Entfall der ihnen versprochenen Boni.

Eigentlich schade, wenn man bedenkt, was die Institution Universität früher einmal ausgemacht hat: ein unabhängiger, für alle zugänglicher Ort des Wissens um des Wissens willen, eine nährende Mutter. Ich als Studierende bin dieses idealisierte Bild, das damals von Universitäten herrschte, nicht gewohnt, da ich mich im derzeitigen System ja bereits mehrere Semester eingefunden habe. Natürlich bin ich dankbar dafür, dass ich von Obrigkeit und Technik in der Organisation meines Studiums unterstützt werde. Doch als Studierende, die mindestens acht Jahre ihrer Lebenszeit in sich selbst investiert, fühlt sich das Studium teilweise auch wie eine Fahrt auf dem Laufband eines Industriebetriebs an. Studierende durchlaufen verschiedene Stationen, die teilweise durch Teilnahmevoraussetzungen an höhergestellten Lehrveranstaltungen in einer fixen Reihenfolge zu sein scheinen.

Man stelle sich nun vor, an meiner Stelle sitze a.) ein/-e Studierende/-r, der/die neben seinem/ihrem Studium ein, zwei oder gar mehr Nebenjobs absolvieren muss, b.) eine Studierende, die im Laufe ihres Studiums ein Kind bekommen hat, oder c.) ein/-e Studierende/-r, der/die durch plötzliche oder länger andauernde Krankheit sein/ihr Studium nur eingeschränkt absolvieren kann. Der allerorts bekannte Spruch, vor dem Gesetz seien alle gleich, gilt hier ganz besonders. Wenn Studierende/-r a durch seine/ihre Nebenbeschäftigung sein/ihr Studium bis zum Ende der beiden Toleranzsemester hinauszögern muss, dann wird er/sie auch die rund 370 Euro pro zusätzlichem Semester zahlen müssen, Ausnahme gibt es hier nämlich keine. Wenn Studierende b sich im ganzen zweiten Studienjahr um ihren kleinen Sprössling kümmern muss und infolgedessen die durch die neue UG-Novelle festgesetzte Mindeststudienleistung nicht erfüllen kann, so erlischt auch ihre Zulassung, ohne darauf auch Rücksicht zu nehmen, dass sie eine Zusatzbelastung mit sich führt. Und was ist, wenn Studierende/-r c vielleicht gar nicht mehr dazu fähig ist, Präsenztermine wahrzunehmen geschweige denn voll und ganz am Studium teilzunehmen, und er/sie nicht mehr weiß, was er/sie machen soll? Kurzum, wer es einmal ins System geschafft hat, muss von nun an seine Fahne nach dem Winde hängen. Denn zwischen First-Generation-Student/-in und verwöhntem Spross aus einem akademischen Elternhaus wird hier auf negative Art und Weise nicht unterschieden. Produkte, die es nicht schaffen, die geforderten Leistungen zu erfüllen, werden auch hier aussortiert, oder haben beispielsweise schlechtere Chancen, bei den Endbenutzern – also Firmen und Institutionen – auch gut anzukommen.

Ein weiterer, vielleicht etwas aus dem Rahmen fallender, aber dennoch zu beobachtender Punkt ist die Änderung des Umgangs der Professoren/-innen mit ihren Studierenden, und das, was man im schulischen Kontext unter „Lehrer-Schüler-Beziehung“ versteht: Früher war es ganz oft so, dass man in enger Abstimmung und engem Kontakt mit seinem/-r Professor/-in studiert hat, sodass im Lebenslauf bisweilen folgende Klausel zu lesen war: „studierte bei Professor X.“ Bei kleineren Universitäten und Fachbereichen sowie bei Studienrichtungen mit verpflichtendem Einzelunterricht ist das – Gott sei Dank – noch immer so, bei vielen anderen, insbesondere Massenstudienrichtungen, ist man entsprechend seiner Matrikelnummer eine/-r von Tausenden, und fühlt sich dementsprechend auch wie eine Nummer. Dabei wird oft vergessen, dass sich hinter dieser achtstelligen, unscheinbaren Zahl ein Mensch aus Fleisch und Blut versteckt, mit seinen/ihren eigenen Erfahrungen, Geschichten, Vorlieben und Problemen. Und gerade durch die Pandemie wird einem oft klar, wie sehr man den persönlichen Kontakt mit der eigenen Lehrperson (nebst dem mit Kommiliton/-innen) zum effektiven Lernen braucht!

Warum kann man denn nicht einfach umdenken und umschwenken, mögen sich manche vielleicht fragen. So einfach geht das allerdings nicht. Wenn sich eine Gesellschaft auf einem Kurs befindet, kommt sie bekanntlich so schnell nicht davon ab – zunächst bis zum nächsten einschneidenden politischen Ereignis. Uns als Studierenden und Professoren/-innen bleibt also nur eines: abwarten, das Getränk seiner Wahl trinken und darauf hoffen, dass die Obrigkeit und unsere Gesellschaft einsieht, was eigentlich dadurch verloren gegangen ist.

 

Quellen und angeführte Beispiele:

Sandner, G. (2021). Soziale und politische Ungleichheit an Österreichs Hochschulen. In G. Sandner & B. Ginner (Hrsg.). Emanzipatorische Ungerechtigkeit (S. 73-84). Wien:

Lehre und Studium – FH Kärnten. In: Lehre & Studium | FH Kärnten (fh-kaernten.at) (letzter Zugriff am 17. 10. 2021)

SWK kurz zusammengefasst. In: SWK kurz zusammengefasst – Bachelorstudium SWK – Sprache Wirtschaft Kultur (sbg.ac.at) (letzter Zugriff am 17. 10. 2021)




Wie der Bildungsabschluss der Eltern den Bildungsweg des Kindes (mit-) bestimmt und andere Geschichten aus dem echten (Universitäts-)Leben

Wenn Sie jetzt gerade den Titel dieses Blogs gelesen haben und sich denken „Wie soll das denn möglich sein, dass die Ausbildung der Eltern die Zukunft des Kindes (mit-)bestimmt?“, kann ich Ihnen sagen, dass es mir genauso ergangen ist als ich den Artikel „Soziale und politische Ungleichheit ans Österreichs Hochschulen“ gelesen habe.

Sandner betont hier, dass die soziale Herkunft ein wichtiger Faktor dafür ist, ob und auch wann ein Studium begonnen wird. Auffallend sei, dass Kinder von niedriger gebildeten Eltern – diese haben maximal einen Pflichtschulabschluss – ein Studium um zirka fünf Jahre später beginnen als jene deren Eltern ein Studium mit einem Doktorat abgeschlossen haben.

Aber Gott sei Dank gibt es trotzdem noch Veränderungen in unserer Gesellschaft, so gibt es nämlich in Österreich vergleichsweise ziemlich viele „First-Generation“-Studierende, wozu auch ich mich zählen darf, denn wer mag es glauben, aber ich bin eine derjenigen, bei denen die Chance geringer war eine Universität zu besuchen, aufgrund der Ausbildung meiner Eltern. Tja, hier bin ich.

Wie auch sonst überall im Leben spielen Vermögensverhältnisse auch im universitären Kontext eine große Rolle, denn Sander behauptet, dass eine wohlhabendere Herkunft (und auch hier wieder das Bildungsniveau der Eltern) die Mobilität von StudentInnen fördert.

Geschichte der österreichischen Hochschulen

Um die heutigen Gegebenheiten der Unis, FHs, usw. zu verstehen werden wir jetzt kurz einen Blick in die Vergangenheit werfen.

In den 1960er Jahren erlebte das Hochschulwesen eine Tiefphase: es gab nur sehr wenige StudentInnen, einen äußerst selektiven Zugang zum Studium und einen kaum demokratischen inneruniversitären Betrieb. Wie sagt man so schön „Nach jedem Regen kommt Sonnenschein“, so auch in der Historie der Hochschulen.
Zwischen den 1960er und 1970er Jahren wurden neue Hochschulen gegründet, die Zahl der Studierenden nahm stark zu und es gab ab jetzt ein eigenes Wissenschaftsministerium.
In den 80er Jahren folgte eine Konsolidierungsphase auf die die Phase des Managerialismus, der Europäisierung und der Entdemokratisierung folgt. Diese Phase war gekennzeichnet von der Autonomie der Universitäten. Es kam zu einer Schwächung der studentischen Mitbestimmung und einer Stärkung des Rektorats. Außerdem wurde mit der Bologna-Erklärung endlich ein Schritt in die Vereinheitlichung des europäischen Hochschulwesens gemacht.
Die 2000er Jahre waren von einigem Hin und Her durch politische Maßnahmen geprägt: Einführung von Studiengebühren, 6 Jahre später die Abschaffung; Schwächung der studentischen Vertretungen durch die damalige Regierung; Finanzierung der Hochschulen usw.
Durch diese Beispiele können wir den politischen Einfluss auf das „autonome Hochschulwesen“ besonders gut erkennen.

Die Novelle des Universitäts-Organisationsgesetzes (UOG) oder auch die „soziale Schließung“ der Hochschulen

Das ursprüngliche Gesetz (1975) brachte einige Vorteile für StudentInnen, hierzu zählten unter anderem die Abschaffung von Studiengebühren, ein freier Hochschulzugang und eine drittelparitätische Mitbestimmung in universitären Kommissionen.
Doch wie ich oben schon erwähnt habe, gibt es in unserer Gesellschaft viele Veränderungen, so auch bei diesem Gesetz. 2020 wurde mit der Novellierung des Gesetzes begonnen und ist mittlerweile verabschiedet worden.
So hat sich quasi fast alles aus dem ursprünglichen Gesetz ins Gegenteil gewendet. Die Universitäten sind durch das UOG dazu gezwungen, dass ihre Studierenden zeitlich effizient und ausgesprochen prüfungsaktiv sind. Weiters sind neu inskribierte StudentInnen dazu gezwungen 24 ECTS in zwei Jahren zu erbringen, wenn dies nicht erfüllt wird, soll deren Zulassung für dieses Studium für zehn Jahre erlöschen. Da dies gerade für erwerbstätige StudentInnen ein großes Problem darstellt, wird auch von einer „sozialen Schließung“ der Hochschulen gesprochen.

Man kann die Unis heutzutage schon mit einem Output orientiertem Unternehmen vergleichen. Die Studierenden schnellts möglich durch das Bachelor- und Masterstudium bringen, dass ja nicht zu viel Geld und Arbeitskräfte verloren gehen. Der Abschluss sollte natürlich trotzdem von Erfolg gekrönt sein, sonst verringern sich wiederum die Chancen am Arbeitsmarkt. Teufelskreis.

Wie soll es auch sonst sein? Die Novellierung des UOG beinhaltet eine Schwächung des Mitbestimmungsrechts von StudentInnen bei der Wiederwahl von RektorInnen. Ich frage mich warum es für die Politik oder das Hochschulwesen so ein Problem darstellt, wenn auch Studierende ihre VertreterInnen haben. Es gibt in Österreich doch sonst auch in allen Gewerbebranchen eine Gewerkschaft, die sich für die Rechte der ArbeiterInnen einsetzt, oder?

Fazit

Soziale Herkunft der Kinder spielt tatsächlich auch in Österreich eine große Rolle für den zukünftigen Bildungsweg. Außerdem hat die Politik große Einflüsse auf das Hochschulwesen, hier muss gesagt werden, dass es aber nur bedingt zu Verbesserungen kommt. Gerade die Politik könnte so vieles verbessern und soziale Herkunft mit den richtigen Handlungen in den Hintergrund stellen.

Autorin: Brenner Katharina

Artikel: „Soziale und politische Ungleichheit an Österreichs Hochschulen“ von Sandner G. (2021)




„Ausländer“ im deutschsprachigen Schulsystem oder wie jeder von uns dazu beiträgt, dass jemand „fremd“ ist

Der Migrationshintergrund ist, ähnlich wie die soziale Herkunft, ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht welchen Bildungsstand ein junger Mensch erreichen kann. Die Meisten glauben, dass „Ausländer“ schlechter in der Schule sind, keinen oder „nur“ einen Hauptschulabschluss erreichen können und im Grunde weniger intelligent sind. Zwar sind solche Vorurteile in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen und die kulturelle Vielfalt in Deutschland, Österreich bzw. generell in Europa ist fast schon zur Normalität geworden aber Studien zeigen, dass es durchaus noch Unterschiede im Bildungsniveau gibt, die mitunter auch auf einen Migrationshintergrund zurückzuführen sind. Familien, die in ein neues Land kommen, müssen sich in diesem auch eine neue Existenz aufbauen, viel arbeiten und haben daher oft nicht das Geld, die sprachlichen Fähigkeiten oder die Zeit, um ihre Kinder ausgiebig in der Schule zu unterstützen. Aber vielleicht sollten Viele auch einen Blick in den Spiegel werfen. Denn Fremdheit ist eine Zuschreibung sozialer Prozesse. Sie wird erzeugt, indem man den Anderen als fremd definiert. Wir machen den Anderen erst fremd, wenn wir ihn in Kategorien einordnen. Das Fremde, Andere oder „Ausländische“ kommt nur in Relation zu etwas Anderem zustande. Mit dem Fremden wird quasi eine Grenze zum anderen gezogen, denn es konfrontiert einen jeden von uns mit der eigenen Beschränktheit und der nicht realisierten Möglichkeit, anders zu sein.

Wird Kindern mit Migrationshintergrund möglicherweise von vornherein suggeriert, dass sie es nicht schaffen?

Am Ende der Grundschulzeit erhalten sie wesentlich öfter eine Empfehlung für die Hauptschule oder maximal für die Realschule, als Kinder ohne Migrationshintergrund – übertrieben ausgedrückt: Die „eigenen“ Leute soll auf die „besseren“ Schulen gehen.
Auch ich kann mich noch gut daran erinnern, dass man mich, gemeinsam mit allen anderen „Ausländer-Kindern“ aus dem Ort, bereits in der Grundschule pauschal in einen Deutsch-Förderkurs schicken wollte. Ohne überhaupt zu beobachten, wie gut oder schlecht ich mich in der Schule machen würde, wurde ich in eine Schublade gesteckt. Sehr einprägsam war auf der anderen Seite aber die Erinnerung, dass meine Mutter sich vehement weigerte mich in den besagten Förderkurs zu schicken, weil ich, laut ihr, besser deutsch sprechen könne, als die deutschen Kinder an der Schule. Doch das Vorurteil blieb. Als die Grundschulzeit sich dem Ende zuneigte und die Wahl der weiterführenden Schule anstand, war die Entscheidung für mich klar – das Gymnasium muss es sein. Der Notendurchschnitt dafür war gut genug und auch der Wille und das Interesse viel zu lernen waren da. Trotzdem legte mir meine Klassenlehrerin recht dringlich ans Herz zur Hauptschule zu gehen. Das Gymnasium wäre für mich zu anspruchsvoll und auf der Hauptschule hätte ich (zumindest) eine Chance gute Noten zu erzielen. Obgleich man nicht leugnen kann, dass es auch Kinder mit Migrationshintergrund gibt, die durch fehlende Sprachkenntnisse wirklich Probleme in der Schule haben und von einem Förderkurs sicherlich profitieren würden, gibt es auch die andere Seite der Medaille. Nämlich jene, dass SchülerInnen auch schlechter in der Schule abschneiden können, weil genau das von ihnen erwartet wird. Dieses Phänomen beschreibt z.B. der Pygmalion-Effekt. Er geht zurück auf eine Studie, in der LehrerInnen suggeriert wurde, dass einige Kinder in ihrer Klasse intelligenter wären, als der Rest. Tatsächlich förderten die Lehrkräfte jene SchülerInnen unterbewusst deutlich mehr, weshalb sie am Ende bessere Ergebnisse in der Schule erzielten.

Es ist daher nicht genug, (wenn auch wichtig!) SchülerInnen mit Migrationshintergrund nur sprachlich zu fördern. Die soziale Einbindung und die Betrachtung der Kinder, nicht nach polnischem, türkischem oder syrischem Migrationshintergrund, sondern ganz allgemein nach ihren individuellen Bedürfnissen, hat eine ebenso große Bedeutung. Denn wenn eine Lehrkraft, die besonders für Kinder eine große Autoritätsperson ist, einer Schülerin/ einem Schüler sagt, sie/ er sei nicht klug genug, um eine höhere Schule zu besuchen, kann das große Auswirkungen haben. Vielmehr sollte man SchülerInnen mit Migrationshintergrund eine entsprechende Förderung anbieten, wenn diese benötigt wird, so wie auch ein Kind ohne Migrationshintergrund, eine solche benötigen kann und jenen mit Ambitionen helfen, ihre Ziele zu erreichen, anstatt sie klein zu machen.

Quellen:
– Solga, Heike, Rosine Dombrowski: Soziale Ungleichheiten in schulischer und außerschulischer Bildung. Stand der Forschung und Forschungsbedarf, Düsseldorf 2009.
– Baudson, Tanja Gabriele: Pygmalion in der Schule. Wie mächtig sind Lehrerwartungen?, in: MinD-Magazin 82, Juni 2011.
– Olechowski, Richard: Die höhere Schule – eine Stätte sozialer Selektion, in: Erziehung und Unterricht, September/Oktober 7-8, 2008.
– https://mediendienst-integration.de/integration/bildung.html