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Der Fall Nabaa Kudier und unsere leistungsorientierte Gesellschaft

“Es ist nur zu deinem Besten” – Wie der Druck der Eltern die schulischen Leistungen beeinflusst – und wie Eltern ihre Kinder ganz ohne Leistungsdruck unterstützen können.

Wer es einmal in unser selektives Bildungssystem geschafft hat, darf sich bekanntlich äußerst glücklich schätzen, dort zu sein. Oft ist es der Rückhalt des äußeren Umfelds, der uns dazu verhilft, auch gut in der Schule abzuschneiden und seine eigenen Talente zu entfalten. Nun stelle man sich aber folgende Situation vor: Sie sind Schüler:in einer Privatschule und zählen zu den leistungsstärksten Personen Ihrer Klasse, werden dort auch als Spitzenschüler:in anerkannt und hatten bislang die Möglichkeit, ihre Kreativität auszuleben und der Welt zu zeigen, was in Ihnen steckt. Eines schönen Vormittages jedoch klopft Ihr Klassenvorstand an die Klassentür und bittet Sie, doch bitte mit ihm/ihr mitzukommen, man hätte mit Ihnen etwas zu besprechen. Natürlich folgen Sie dieser Anweisung, schließlich haben Sie ja nichts zu befürchten, oder? Kaum vor der Tür der Direktion angekommen, erwartet Sie die Schulleitung gemeinsam mit Ihren Eltern. Sie werden von der Schule abgemeldet, hören Sie. Es sei zu Ihrem Besten, Mama und Papa hätten bereits eine AHS für Sie gefunden, in der Sie besser aufgehoben wären. Der Direktor entschuldigt sich bei Ihnen, er sagt, er hätte alles getan, um Sie doch an der Schule behalten zu können, aber Ihre Eltern wären anscheinend so schwer zu überzeugen. 

Dies ist zwar eine äußerst extreme Situation und würde sich in der realen Welt nur sehr selten abspielen, und falls doch, dann keineswegs in dieser Form. Doch dass gerade ein solcher Fall eintreten kann, zeigt die Geschichte von Nabaa Kudier, die als Jugendliche an einem Pilotprojekt der NMS Gassergasse in Wien mitgewirkt hat. Man hatte sie nach Projektabschluss auf eine Privatschule geschickt, die ihre Talente weiter fördern sollte. Nach eineinhalb Jahren jedoch meldeten ihre Eltern sie wieder von der Schule ab, und sie wechselte auf ein staatliches Gymnasium. Und das, obwohl Nabaa ja eigentlich eine gute Schülerin war, sie von der dortigen Betreuung durchaus profitieren konnte, und die Schulkosten für die Familie gänzlich wegfielen! Was war der Grund für den erzwungenen Abbruch? Am ehesten, so die Schülerin selbst, dass ihre Familie nicht damit einverstanden war, dass sie an dieser Schule größere Freiheiten hatte. Und nicht nur in dieser Hinsicht schränkten ihre Eltern ihre Lernfähigkeiten ein – sie selbst gesteht, dass ihre Lernschwierigkeiten durch diesen Druck noch weiter gesteigert wurden. Durch diesen Wiedereinstieg in den “Teufelskreis” scheiterte sie also erneut. Und durch ihr Scheitern wuchs die Angst ihrer Familie, in der österreichischen Gesellschaft nichts erreichen zu können und aus ihr ausgeschlossen zu werden- und damit wieder der Druck auf die Tochter. 

Das Beispiel von Nabaa beweist auf ein Neues, wie leistungsorientiert unsere Gesellschaft eigentlich ist. Viele Bereiche in unserem Leben orientieren sich nur mehr am Output und/oder dem Gewinn einer Tätigkeit. Das fängt in der Schule an und setzt sich im beruflichen Leben fort. Wenn wir keine Leistung erbringen, sind wir nichts wert. Im Hinblick auf die Schule ist dieses leistungsorientierte Denken aber nicht für alle Schüler:innen leistungsfördernd. Viele Kinder leiden unter großem Druck und haben so wenig intrinsische Motivation für die Schule. Auch Eltern tragen hier einen erheblichen Teil dazu bei, auch wenn sie aus ihrer Sicht nur das Beste für ihr Kind erzielen wollen. Die einen befürchten, dass die Leistungen ihres Kindes abfallen können, und schrauben die Latte höher, damit es keine Misserfolge erleiden muss; die anderen fürchten, dass durch Lehrkräfte und Unterrichtsmethoden die gesellschaftlichen Werte und Bilder, die sie ihm anerzogen haben, verloren gehen, und schicken ihr Kind dorthin, wo es am besten vor äußeren Einflüssen geschützt ist. 

Studien zeigen uns aber, dass Druck für Schüler:innen in den meisten Fällen leistungsschmälernd ist. Viele Eltern/Erziehungsberechtigte wissen nicht, dass sie mit Ihrem Verhalten einen großen Druck auf ihre Kinder und ihre Leistungen in der Schule ausüben. Oft werden „gute“ Noten mehr belohnt als „schlechte“. So wird die gut gemeinte Belohnung sehr schnell zu einer Bestrafung, wenn ein Kind einmal keinen Einser mit nach Hause bringt. Eltern erkennen oft auch gar nicht, dass sie mit ihren Worten und Forderungen ihr Kind in eine Abwärtsspirale von immer negativeren Gedanken im Kontext Schule treiben. Ist ein Kind unter Druck, zeigt sich das meistens sehr schnell. Warnsignale dafür sind zum Beispiel Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, sinkende Lernmotivation, Konzentrationsprobleme etc. Wenn Eltern oder die Erziehungsberechtigten solche Signale erkennen, sollten sie so schnell wie möglich Präventionsmaßnahmen ergreifen. Auch die Ursachen solcher Warnsignale sind entscheidend. 

Bezieht sich der Druck der Eltern auf den Lernerfolg, gibt es zum Glück Alternativen zur autoritären Kontrollausübung. Ganz wichtig ist es, das Kind ganzheitlich anzunehmen. Man soll die Stärken fördern aber auch die Schwächen akzeptieren und mit ihnen arbeiten. 

Im Folgenden finden sich nun weitere Wege, wie man Druck von der Seite der Eltern verringern kann: 

  • Freizeit: Bei vielen Kindern kommt die Freizeit viel zu kurz. Sie kommen von der Schule nach Hause, bekommen dann etwas zu Essen und müssen sich danach gleich zu den Aufgaben setzten. Das kann oft sehr lange dauern. Es ist wichtig, dass sich die Kinder zu Hause auspowern können. Es kann ihnen auch einmal langweilig sein. Aus Langeweile können sehr kreative Ideen entstehen
  • Lernmethoden verändern: Wenn Lernmethoden seit vielen Jahren die gleichen sind, kann das oft zu Langeweile beim Lernen führen. Wenn man sich neue, kreative Wege überlegt, wie ein Kind seien Aufgaben erledigt oder für einen Test/Schularbeit lernt, kann man die Motivation für Aufgaben erledigen oder Lernen wieder steigern.
  • Talente benennen und fördern: Sportliche, künstlerische oder musikalische Fähigkeiten können oft ein Grundstein für Motivation auch in der Schule sein.

Weitere Grundprinzipien sind aber zu beachten wie eine gute Eltern-Lehrer-Beziehung pflegen oder ein Lernteam mit dem Kind bilden und gemeinsam lernen. Die schulische Leistung sollte auch nicht immer das einzige Gesprächsthema, wenn es um Schule geht. Eltern sollten klar zeigen, dass sie sich auch für das Wohlgefühl ihres Kindes interessierten. Man kann zum Beispiel Fragen stellen an das Kind: was es heute gelernt hat, mit wem es in der Pause gespielt hat und was ihm an seinem Tag nicht so gut gefallen hat. Wichtig ist, dass das Kind das Gefühl hat, dass der Teil seines Lebens, den es fern von zu Hause verbringt genauso ernst ist wie die Zeit zu Hause. Eltern sollten daran denken, dass Ihr Kind vor allem das Gefühl braucht, in ihren Augen wertgeschätzt zu werden, zu wissen, dass sie es lieben und es in dem, was es tut, ermutigen. Wenn sie dem Kind helfen, ein gutes Selbstwertgefühl aufzubauen, wird es seine Chancen auf schulischen Erfolg vervielfachen…

(ein gemeinsamer Beitrag von Hannah Schusteritsch, Verena Schöller, Isabella Urschitz und Camille Durand – Redaktionsgruppe A) 




Segregation und Diskriminierung in der Schule entgegen wirken

In Anbetracht der Tatsache, dass Segregation und Diskriminierung in Österreichs Schulen aktuell noch sehr präsent sind, ist es naheliegend, dass angehende Lehrpersonen nach Wegen suchen, um diesen Problemen entgegenzuwirken.

In der Thema Spezial Dokumentation, Schule fürs Leben und in der Fortsetzung Schule fürs Leben fünf Jahre danach werden einige Methoden in ihrer Anwendung gezeigt.

Im Zuge des Projekts wurden einigen Kindern einer Mittelschule, welche überwiegend von Kindern mit Migrationshintergrund besucht wird, ein Kind aus einem Gymnasium „zugeteilt“. Einerseits halfen die Kinder einander bei schulischen Aufgaben, andererseits lernten sie sich auch persönlich näher kennen und erhielten dadurch Einblicke in ganz andere Lebenswelten und Lebensgeschichten. Dadurch wurde nicht nur den Schülerinnen und Schülern aus der Mittelschule geholfen, sondern auch der Horizont der Schülerinnen und Schülern aus dem Gymnasium erweitert.

Eine weitere Methode, die in den Dokumentationen gezeigt wird, ist das Aufteilen der Kinder in schulinterne kleinere Lerngruppen. Das Konzept erinnert erstmal an die Leistungsgruppen, die in den Hauptschulen zur weiteren Unterteilung beim Benoten angewendet wurden, allerdings wird es hier wesentlich sinnvoller eingesetzt. Statt die Kinder in die erste oder zweite Leistungsgruppe einzuteilen und damit Segregation weiter zu unterstützen, wird in diesem Fall die Aufteilung zum Vorteil der Schülerinnen und Schüler genutzt. In den kleineren Lerngruppen kann dann nämlich auf einem gemeinsamen Niveau gelehrt und gelernt werden. Somit ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Schülerinnen und Schüler sich langweilen oder sich überfordert fühlen, wesentlich geringer.

Der Artikel Vielfalt im Klassenzimmer ist ein Gewinn von cornlesen.at zeigt auch einige Möglichkeiten auf, um durch Wahrnehmung und Wertschätzung der Segregation und Diskriminierung im Schulalltag entgegenzuwirken. Die wichtigste hierbei ist, den Schülerinnen und Schülern unvoreingenommen und ohne Vorurteile zu begegnen. Hierbei gehört es dazu, Interesse an den verschiedenen Herkunftsländern und Kulturen der Kinder zu zeigen. Abgesehen davon ist es auch wichtig mit Empathie an die Sache heranzugehen und zu versuchen, sich in die Gefühlslage der Schülerinnen und Schüler hineinzuversetzen. Ergänzend dazu, kann es auch sehr hilfreich sein, Diversität im Unterricht zu zeigen, um diese in der Realität der Kinder zu normalisieren. Das fängt bei Kleinigkeiten wie Illustrationen, Bildern und Videos an. Obwohl es irrelevant wirkt, kann es einen positiven Einfluss auf Schülerinnen und Schüler haben, wenn sie sich von den Menschen, die sie im Unterricht sehen, repräsentiert fühlen.

 

Redaktionsgruppe B: Altiona Lesko, Jakob Resch, Anna-Maria Prgic




Brennpunktschulen – so kann es funktionieren!

(Redaktionsgruppe A)

 Am Schulstandort 1050 Wien, Gassergasse 44 befindet sich in einem modern renovierten, historischen Gebäude die NMS / Schulzentrum Gassergasse. Hier lernen und lehren 250 Schüler*innen und 30 Lehrer*innen in 11 Klassen und auf jeder Schulstufe gibt es eine Integrationsklasse. Die Schüler*innen kommen hauptsächlich aus dem 5. Bezirk, sowie auch aus den umliegenden Bezirken 4, 6, 10 und 12. Durch die zentrale Lage ist eine gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz gegeben und die Schule gut erreichbar. Kinder von vielen verschiedenen Herkunftsländern, diversen Kulturkreisen und 30 verschiedenen Muttersprachen bereichern den Schulalltag. Der Unterricht findet nach dem Motto: „Entspannt lernen – bewegt leben“ statt. Die Schulschwerpunkte sind: Informatik, e-Learning mit Notebook, Integrationsklassen, eine Klasse mit Englisch-Schwerpunkt und die Bewegte Klasse 

  Heute finden die Schüler/innen in der neuen Mittelschule Gassergasse ein hochqualitatives Schulangebot, bestmögliche Voraussetzungen zum Erwerb jener Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es im späteren Leben braucht. (https://nms-gassergasse44.schule.wien.at/) Doch das war nicht immer so, 2016 machte die Direktorin Andrea Walach im Kurier mit einem Hilferuf auf die prekäre Situation an ihrer Schule auf sich Aufmerksam.  „Meine Schüler*innen haben zu 98 Prozent keine deutsche Muttersprache“, so Walach. „Die restlichen zwei Prozent kommen aus schwierigen Verhältnissen und benötigen Sozialarbeiterhilfe. Unsere Lehrer*innen bringen eine exzellente Leistung, sind aber schlichtweg überfordert.“ Die Aussage, dass ein Drittel der Absolventen direkt zum AMS wechseln und praktisch keine Chance haben eine eigenständige Existenz aufzubauen, sorgte für Bewegung in der Schuldebatte.

  Dieses Thema wurde im Rahmen des Projekts Schule fürs Leben, das 2014 vom ORF ins Leben gerufen wurde, aufgearbeitet. Ursprünglich war das Ziel, die Mittelschule Gassergasse und die AHS Rahlstraße ein halbes Jahr lang mit diesem Projekt zu begleiten und den Schüler*innen beider Schulen Einblicke in den jeweils anderen Schulalltag zu bieten. Es wurde versucht, Jugendlichen Entscheidungen zu erleichtern, sie möglichst individuell zu fördern und auch nach Abschluss des vom ORF begleiteten Zeitraums weiter zu unterstützen. Auf diese Weise wurde durch ein „Buddy-System“, bei dem jeweils ein*e Schüler*in der beiden Schulen gemeinsam lernten und miteinander Zeit verbrachten, die Integration gestärkt und Schüler*innen mit Migrationshintergrund geholfen im österreichischen Schulsystem zu überleben und ihren eigenen Weg möglichst erfolgreich einzuschlagen.

  In Folge des Projekts wurde die Mittelschule Gassergasse zu einem Schulversuch, und die Situation für Kinder mit Migrationshintergrund an dieser Schule änderten sich, wie oben beschrieben. Aber auch das Projekt Schule fürs Leben selbst bleibt weiter bestehen, ein Verein organisiert beispielsweise Theaterprojekte zur Sprachförderung oder Musikförderung durch Rhythmus, Stimme und Bewegung. An diesen kleineren Projekten können Klassengruppen oder gesamte Klassenverbände teilnehmen, wobei immer ein Augenmerk auf einer möglichst individuellen Förderung liegt. Es wird in diesem Rahmen versucht, Begabungen und Berufswünsche offen zu legen und diese gezielt fördern. Es wird sich dabei die Tatsache zunutze gemacht, dass das gemeinsame Tun Neugier und den Drang zum (Selbst-) Erforschen und Entdecken fördert, so auf der offiziellen Website des Projekts Schule fürs Leben beschrieben. Die Ziele und Leitgedanken dieses Projekts werden in zehn sogenannten “Geboten für die Neue Schule” festgehalten (http://www.schulefuersleben.at/10-gebote-der-neuen-schule). Aus einem Experiment für Fernsehreportagen hat sich also ein nachhaltiges Bildungsprojekt entwickelt. 

 Wie bereits angedeutet stehen im Zentrum der Entwicklungen am Schulstandort Gassergasse die Ambitionen einer Akteurin, in diesem Fall einer Direktorin, innerhalb des Bildungssystems, welche auf eine prekäre Situation aufmerksam machte und gemeinsam mit dem Lehrkörper bestrebt Veränderungen herbeiführte. Durch das öffentliche Interesse wurden zusätzlich “von außen” Hilfestellungen angeboten. Fragen die sich an diesem Punkt stellen lassen sind: Was kann aus dem Schulversuch am Standort Gassergasse gelernt werden? Welche Schlüsse für die Strukturierung des Schulsystems lassen die Ergebnisse zu? Der im Beitrag des ORF sprechende Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann plädiert auf die Notwendigkeit zur Freiheit der einzelnen Schulen, sich selbst in einer Form zu gestalten, welche den Schüler*innen notwendige Hilfestellungen bzw. einen angepassten Zugang zu Bildungsinhalten ermöglicht. An selber Stelle wird die Übernahme funktionierender Bildungssysteme anderer Länder bzw. eine weitere Ausdifferenzierung des österreichischen Bildungssystems verneint. Hopmann spricht sich für eine größere Flexibilität innerhalb des bestehenden Systems aus. Wie ist es um die Freiräume im österreichischen Bildungssystem beschaffen? 

Im Zuge der Bildungsreform aus dem Jahr 2017 wurde ein “Autonomiepaket” bewilligt, welches dem Plädoyer Hopmanns nachkommt. Um aus den offiziell angeschlagenen Zielformulierungen des Bildungsministeriums zu zitieren, soll unter anderem eine “Maximale pädagogische Gestaltungsfreiheit am einzelnen Schulstandort zur Erstellung innovativer Bildungsangebote bei gleichzeitiger Planungs- und Ressourcensicherheit” (https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/zrp/bilref.html) gewährleistet werden. Ohne das 84-seitige Handbuch zum Autonomiepaket durchzustudieren, kann vermutet werden, dass gewisse Freiheiten für Schulen im Bildungssystem existieren, wie der Schulversuch Gassergasse nahelegt, welche jedoch nur an wenigen Stellen umfänglich genutzt werden. Dies wirft nun wiederum die Frage auf: Warum ist dies der Fall?   

 Vermutet kann werden, dass das Paket noch recht “jung” ist und rund vier Jahre nicht ausreichen, um schulintern größere Umstrukturierungen vorzunehmen. Hinterfragt kann ebenfalls werden, wie es um die Fluidität der eventuell benötigten Gelder beschaffen ist (das Argument “Wir bekommen kein Geld” ist seitens der Schulleitungen durchaus geläufig). Wobei zu erwähnen sei, dass viele strukturelle Veränderungen ohne finanzielle Mehraufwände zu bewerkstelligen wären. Ein Gebäude, Lehrpersonal sowie Schüler*innen für einen Unterricht sind als vorausgesetzt anzunehmen – Gegebenheiten, welche bereits einen gewissen Spielraum zulassen würden. Weitere Hinterfragungen können auf das Wissen der Akteure und Akteurinnen im System abzielen. Sind sich Lehrpersonen bzw. Schulleiter*innen ihrer Möglichkeiten bewusst und eventuell noch wichtiger – wollen sie diese wahrnehmen? Existieren überhaupt konkrete Ideen und Vorstellungen, wie diese Umstrukturierungen beschaffen sein könnten? An dieser Stelle kann auch an Fortbildungsstellen adressiert werden. Bildungsangebote für Lehr- und Leitungspersonal hinsichtlich alternativer Zugänge zu Schule und Lernen können das Bewusstsein um Notwendigkeit, sowie das vermehrte Gefühl einer Sicherheit im Hinblick auf eine Umsetzung selbiger steigern. Vor dem dargelegten Hintergrund treten Individuen innerhalb des Systems in den Vordergrund und werden gefragt: Wollen wir? 

 Trotzdem muss auch bedacht werden, dass nicht immer große Veränderungen, was die räumlichen Ausstattungen, die gesamte Unterrichtsdurchführung und das Leitbild der Schule ausmacht, nötig sind, um die Lernenden in Brennpunktschulen vielseitig und nachhaltig zu unterrichten. Neben dem Beispiel der Brennpunktschule in der Gassergasse, der es mittlerweile gut gelingt, Schüler*innen mit Migrationshintergrund ein breitflächiges und effektives Bildungsangebot darzulegen, muss auch gesagt werden, dass oft schlicht und einfache Handlungsstrategien auf Beziehungs-, Unterrichts- und Schulebene ausreichen, jede*n Schüler*in optimal zu integrieren und zu fördern. Sehr wichtig ist, dass vonseiten der Lehrpersonen Toleranz und Respekt gegenüber den Kindern und Jugendlichen aller Kulturen, Sprachen und Ländern gezeigt wird – was auch den Mitschüler*innen als Anreiz und zum Vorbild dienen soll. Außerdem ist es wichtig, dass die Lehrer-Schüler-Beziehung von Vertrauen und Wertschätzung geprägt ist, wo sich die Lernenden jederzeit an ihre*n Lehrer*in wenden können, um etwaige Probleme neutral und in sensiblen Umgang zu klären und zu bereden. Was die Ebene des Unterrichts betrifft, so können in Fächern wie Geographie und Wirtschaftskunde oder Geschichte und politische Bildung gesellschaftspolitische und verschiedene kulturelle Themen aufgegriffen werden, um das Interesse und die Toleranz der jungen Menschen anderen Kulturen gegenüber zu steigern. Außerdem wird auf eine Klassen-Regeln unterworfene Unterrichtsatmosphäre Wert gelegt. Positiv ausschlaggebend für eine Förderung von Kindern anderer Kulturen können auch Maßnahmen auf Schulebene sein. Zum Beispiel die Durchführung von Veranstaltungen, an denen verschiedene Kulturen präsentiert werden, oder das Aufhängen von Plakaten mit verschiedensprachigen Grußformeln oder multikulturellen Merksätzen können zu einer guten Integration und einem lernfördernden Schulklima beitragen. Dem ist noch hinzuzufügen, dass neben dem Deutschunterricht auch Muttersprachenunterricht der unterschiedlichen Kulturen angeboten wird. Nebenbei bemerkt heißt es, dass als Grundlage für einen effizienten Fremdsprachenunterricht ausreichenden Kenntnisse in der Muttersprache nötig sind. 

Neben all den Maßnahmen ist jedoch auch ein gesellschaftliches und bildungspolitisches Umdenken gefragt. Die Situation in Brennpunktschulen soll entschärft werden. Noch besser wäre, mit politischen Rahmenbedingungen eine Verhinderung der Entstehung von Brennpunktschulen, die durch die Segregation oft eine Zweiklassengesellschaft erzeugen, zu erreichen. “Es würde verstärkt zu einer Integration und Verbesserung der Deutschkenntnisse auf Seite der Schüler*innen mit Migrationshintergrund führen und das Leistungsgefälle zwischen den Schulen reduzieren. Gleichzeitig profitieren Schüler*innen ohne Migrationshintergrund von den vielen Vorteilen, die eine kulturelle Diversität mit sich bringt, wie die Entwicklung einer weltoffenen Einstellung, das Kennenlernen neuer Traditionen und Bräuche und eine generelle Horizonterweiterung.” (Moritz, 2021 S. 76) 

Solange jedoch Brennpunktschulen als solche noch existieren, ist es auch bereits ein großartiger Schritt in diesem Bereich, sich an oben genannten Beispielen und Vorschlägen ein Vorbild zu nehmen oder es der NMS Gassergasse gleich zu machen. So können die Bildungssituation für die lernenden Kinder optimiert und in Folge ihre beruflichen Chancen verbessert werden.

(ein gemeinsamer Beitrag von Michaela Rudinger, Elena Schüssling, Simon Elias Unteregger und Gloria Gruber – Redaktionsgruppe A)

Literaturverzeichnis:

Metzger, I. (2016, 23. Oktober). Direktorin Walach “Warten seit 15 Jahren auf Autonomie”

https://kurier.at/politik/inland/schulautonomie-paket-im-check-direktorin-walach-warten-seit-15-jahren-auf-autonomie/226.769.526

Schule fürs Leben – Bildungspatenschaften für Jung und Alt. Entstehungsgeschichte. http://www.schulefuersleben.at/ueber-den-verein/entstehungsgeschichte (zugegriffen am 30.12.2021).

Schule fürs Leben – BIldungspatenschaften für Jung und Alt. Die 10 Gebote der Neuen Schule. http://www.schulefuersleben.at/10-gebote-der-neuen-schule (zugegriffen am 30.12.2021).

Bildungsreform 2017 (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung): Ziele der Bildungsreform. https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/zrp/bilref.html (zugegriffen am 7.01.2021) 

Moritz, Marie (2021); Masterarbeit Universität Graz: Unterrichtsstörungen in Form von interkulturellen Konfliktsituationen in Klassen der Sekundarstufe 1.  https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/6714715/full.pdf (zugegriffen am 8. 01. 2021)

Weiterführende Online-Verweise: 

Link zum Beitrag des ORF: https://www.youtube.com/watch?v=mLetHMQfrN8

Link zum Download des Handbuchs zur Erweiterung der Schulautonomie (2017): https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/zrp/bilref/handbuch_schulautonomie.html




Abwertende Abgrenzung – wie Sprache (unbewusst) Abwertung fördert

Im Rahmen des Seminars haben wir das Kapitel „Abgrenzen, aber nicht abwerten“ aus dem Buch Wir. von J. Kohlenberger (2021) gelesen und dieses hat mich dazu veranlasst einen Beitrag zu schreiben.

In dem Buchabschnitt wird darauf eingegangen, dass Abgrenzen grundsätzlich nichts Schlechtes ist. Im Gegenteil, dieses Abgrenzen ist für die Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit und Identität sogar sehr wichtig: Durch das Feststellen, was ist „Ich“ und was ist „Fremd“ (zum Beispiel bezogen auf die Eltern oder eine andere Bezugsperson), kommt es zu einer persönlichen Entwicklung. Problematisch wird das erst, wenn das Abgrenzen zu einer Abwertung der abgegrenzten Personen führt, man spricht von Othering. Es werden hier einige Beispiele genannt, so etwa das Unterscheiden in Mann und Frau mit einer negativen Konsequenz für Frauen oder die „andere Sexualität“, die Homosexualität oder auch auf Religion bezogen, die „bildungsfernen Muslim*innen“. Merkmale, die dabei oft herangezogen werden, sind beispielsweise die Ethnizität, die Herkunft, Religion, Sprache oder Nationalität.

Spannend finde ich hier, wie sehr dieses abwertende Ausgrenzen durch sprachliche Eigenheiten gefördert wird. Ausdrücke, die Personen dehumanisieren, führen zu einer weiteren negativen Entwicklung dieser Ausgrenzung, man spricht von Flüchtlingswellen, nicht von Personen, die verfolgt werden oder vor Krieg fliehen. Auch die Medien tragen hier weiter dazu bei. In Berichterstattungen werden Begriffe immer weiter ausgeschmückt: Dinge personifiziert und Menschen dehumanisiert ohne dass das der Gesellschaft negativ auffällt, weil es ja sowieso Gang und Gebe ist. Um hier ein Beispiel aus dem aktuellen Corona-Kontext zu nennen: Corona wird beispielsweise als „böse“ bezeichnet, während Impfgegner sich von Impfbefürwortern abgrenzen und immer wieder Worte fallen wie „die Massen“, „die Flut an Skeptikern“, etc., wobei teilweise von beiden Seiten eine Abwertung stattfindet.  

Und nicht nur Medien schüren diese (teils sicher unabsichtliche) abwertende Abgrenzung, sondern auch in persönlichen Gesprächen kommt das vor. Je hitziger eine Debatte stattfindet, desto eher tendieren Menschen dazu, verallgemeinernde Aussagen zu treffen und desto häufiger kommt es auch zu Ausgrenzungen. Um auch hier wieder auf Corona zurückzukommen: Selbst „gebildete“ Menschen (hier bereits eine erste Abgrenzung mit negativen Konnotationen der abgegrenzten „ungebildeten“ Gruppe) grenzen sich gerne und häufig von Impfgegnern ab. Es wird eine klare Linie gezogen, „ich bin nicht so, diese Impfgegner sind nicht informiert genug und reden Unsinn“. Natürlich ist hier hinzuzufügen, dass es bezüglich der Coronadiskussion nicht nur um Meinungen geht, sondern auch aktiv die Gesundheit betroffen ist und es zu einer Verbreitung von „Fake News“ gekommen ist und daher manche Aussagen von Grund aus als faktisch falsch bezeichnet werden können. Trotzdem nimmt die Abgrenzung doch sehr negative Ausmaße an, die in Beleidigungen und Einschränkungen ausarten kann.

Wenn jetzt aber von Ethnizität oder Herkunft gesprochen wird und es auch hier Abwertung gibt, um das Ich aufzuwerten, dann ist das viel gravierender als die Corona-Debatte, die es nun erst seit etwa zwei Jahren gibt und wahrscheinlich auch irgendwann wieder verschwinden oder zumindest abflauen wird. Migration, unterschiedliche Herkünfte und Sprache wird sich aber nicht verändern, das gibt es schon „immer“ und wird es auch weiterhin geben, solange der Mensch auf der Welt lebt. Diese negative Abgrenzung aufgrund eines oder mehrerer unveränderlicher Merkmale ist also sehr viel weitläufiger als eine Corona-Debatte. Sprachlich ist auch hier diese Abwertung vorzufinden: Häufig ist es Personen nicht einmal bewusst, wenn sie Dinge wie „Die/Der kann das sowieso nicht, in seinem/ihrem Herkunftsland macht man das nicht“, „ich habe mehr gelernt als du, du bist „nur“ aus Land xyz“ oder ähnliches sagen. Diese Aussagen werden beinahe von der Gesellschaft an den einzelnen weitergegeben; wenn die breite Bevölkerungsmehrheit so etwas sagt, verwandelt sich ein Satz schnell in eine vermeintliche Tatsache. Dann wird nicht mehr lang darüber nachgedacht, was diese Aussage eigentlich für Andeutungen mit sich führt und es kommt zu verdecktem Rassismus. Es handelt sich um diese Art unterschwelliger Aussagen oder abwehrenden Verhalten Personen gegenüber, die aus anderen Ländern eingewandert oder geflüchtet sind, vor allem wenn es sich bei diesen Ländern um jene handelt, die in der Bevölkerung als unsicher und problematisch angesehen werden. Dabei wird nur auf negative Aspekte eingegangen und etwaige positive Eigenschaften vollkommen außer Acht gelassen. Man hört auch oft „ich bin nicht rassistisch“ und im gleichen Atemzug wird das weitergeführt mit „…aber, man muss schon sagen, dass…“ oder „…ich will nur sagen, dass…“, wobei es sich auch um eine Form des Rassismus handelt. Man spricht von Alltagsrassismus [„Rassismus(1) im alltäglichen Leben“ (Duden)], der (auch) aufgrund sprachlicher Eigenheiten und unüberlegter Aussagen entsteht, die durch vorhergehendes Nachdenken abgeschwächt oder – besser noch – eliminiert werden können.

Abwertende Abgrenzung findet unter anderem durch die Sprache statt, wird von der breiten Bevölkerungsmasse und den Medien getragen, kann bewusst aber auch unabsichtlich stattfinden, was durch überlegte Aussagen deutlich minimiert werden kann. Fazit also: Denken Wir nach, bevor Wir etwas sagen!

 

(verfasst von Elena Schüssling)

Literatur:

Kohlenberger, J. (2021). Abgrenzen, aber nicht abwerten. In: J. Kohlenberger. Wir. S. 57-69. Wien: Kremayr & Scheriau. ISBN: 978-3-218-01255-3.

Duden (2021). Rassismus. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Rassismus#Bedeutung-2

 




„So viel Normalität wie möglich“

(Michaela Rudinger)

Fachleute warnen zunehmend vor den Folgen der Pandemie für Jugendliche. Es häufen sich Fälle von Angststörungen, Depressionen und sogar die Anzahl an Suizidversuchen nimmt zu. Der Kinder- und Jugendfacharzt Dr. Reinhold Kerbl fordert im Interview der Salzburger Nachrichten vom 30. November 2021 „So viel Normalität wie möglich!“ Doch was ist so viel Normalität wie möglich? In der aktuellen Phase der Pandemie ist es der Entscheidung der Eltern überlassen, ihr Kind in die Schule zu schicken oder daheim im Distance-Learning zu lassen. Eltern wählen zwischen einem Schulalltag mit Maske, regelmäßigen Tests und der permanenten Sorge um die Gesundheit des Kindes und einen Alltag mit Homeoffice, Homeschooling und einem Minimum an sozialen Kontakten, die die Kinder aber sichtlich brauchen. Viele Eltern haben keine Wahl, die Kinder und Jugendlichen besuchen aus beruflichen Gründen weiterhin die Schule. Da die Schulen im Lockdown offen haben, gibt es für Eltern auch keinen Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit, dieser greift nur bei behördlich geschlossenen Schulen oder wenn das Kind in Quarantäne ist. Die Gründe die Kinder nicht zuhause zu lassen sind komplex. Eltern beschäftigen sich mit Fragen wie: Sind die Rahmenbedingungen, zu Hause zu lernen, tauglich oder nicht? Wie haben die Kinder das Lernen zu Hause im letzten Lockdown geschafft? Gibt es gesundheitliche Risiken? Tatsächlich warnen die Experten auch bei Kindern vor Langzeitfolgen wie Long Covid. Eine Sorge um die Gesundheit ist angesichts der hohen Fallzahlen an den Schulen durchaus berechtig. Dr. Reinhold Kerbl der Vorstand der Abteilung für Kinder und Jugendheilkunde des LKH Hochsteiermark rät zur Impfung von Kindern und bringt somit Eltern in ein neues Dilemma. Fragen wie: Ist die Impfung für Kinder bereits ausreichend erforscht? Reicht die derzeitige Datenlage aus, um mich für die Impfung meines Kindes zu entscheiden? Kann eine Impfung mein noch im Wachstum befindendes Kind schädigen? Die Kinder sind nun mal das Wertvollste in Leben ihrer Eltern und so sollte man verstehen, dass Eltern  trotz multinationalen Befürwortung noch Bedenken haben. So oder so die Eltern stehen in dieser Pandemie immer wieder vor großen Herausforderungen. Elternschaft  bedeutet immer wieder zu versuchen sein Bestes zu geben und auch schwierige Entscheidungen für die eigenen Kinder zu treffen.  Dr. Kerbl rät schließlich trotzt aller Sorgen, zu so viel Normalität wie möglich: „Mit den Kindern raus gehen. Sport machen, die gemeinsame Zeit genießen und vor allem mit den Kindern keine Nachrichtensendungen mit den nächsten Horrormeldungen anschauen.“

 

Literaturverzeichnis

Zimmermann, M. (2021, 30. November). Pandemie schlägt Kinden auf die Psyche. Salzburger Nachrichten

 




Bildungssysteme im Vergleich – Österreich vs. Finnland

Das österreichische Schulsystem ist uns wohl allen bekannt. Mit durchschnittlich sechs Jahren kommt man nach mindestens einem Pflichtjahr im Kindergarten in die Volksschule. Dort bleibt man vier Jahre und danach wird das erste Mal aufgeteilt – „bessere“ („leistungsstärkere“) Schüler*innen kommen ins Gymnasium, „schlechtere“ in die Mittelschule. Nach weiteren vier Jahren folgt die nächste Unterteilung – das Kind muss hier eigentlich schon eine Idee für sein weiteres Leben besitzen. Je nach Berufswunsch wird in verschiedene Schulformen oder Bildungswege aufgeteilt.

Wie dieses Bildungssystem bei uns entstanden ist, haben wir ja schon im Rahmen des Seminars gehört, seit der Einführung der Schulpflicht unter Maria Theresia und später Johann Ignaz von Felbiger gab es eine Dreiteilung der Schule in Normal-, Haupt- und Trivialschulen. Diese Segmentierung wurde weiter vorangetrieben und 1918 wurde eine mehr oder weniger bis heute gültige Schulreform unter Otto Glöckel umgesetzt. 1962 gab es eine erste Schulnovelle, in der die Schulpflicht auf neun Jahre verlängert wurde und 1974 wurde mit der zweiten Schulnovelle das noch heute gültige Schulunterrichtsgesetz (SchUG) veröffentlicht. Trotz einer relativ frühen Einführung einer Unterrichtspflicht und einer angeblich sehr guten (Schul-)Bildung, sind aber etwaige Ergebnisse der österreichischen Schüler*innen bei PISA Studien, die zu internationalen Vergleichszwecken herangezogen werden, nicht so positiv, wie es sich von Politik, Bildungsdirektion, etc. erwünscht wird. Stattdessen befindet sich Österreich im globalen Vergleich eher im Mittelfeld. Es stellt sich also die Frage: Läuft hier etwas falsch?

Finnland hingegen schneidet bei PISA Studien immer sehr gut ab. Was also machen die Finnen in ihrem Bildungssystem anders? In Finnland enthält die Grundschulbildung neun Jahre, anstatt der in Österreich üblichen vier. Die Schüler*innen sind also länger in einer einzigen Schule, an der auch Muttersprachenunterricht für schwedische und dänische Minderheiten angeboten wird. Dieses Modell einer Gesamtschule wurde in Finnland mit einer Schulreform 1972-1977 eingeführt, zuvor war das Schulsystem zweigliedrig, also ähnlich segregiert wie in Österreich. Finnische Schüler*innen werden heutzutage also erst im Alter von 16 Jahren voneinander getrennt und können dann in verschiedene Schulen weitergehen. Der Fokus dieser Schulen liegt auf einem praxisbezogenen Unterricht und es gibt spezielle Schulungen für Lehrpersonen, um mit der Herausforderung umgehen zu können, dass unterschiedlich leistungsstarke Schüler*innen an derselben Schule sind.

Hier ein grafischer Vergleich des österreichischen (links) und finnischen (rechts) Bildungssystems:

        

Dieses gemeinschaftliche, praxisorientierte System in Finnland scheint besser zu funktionieren als das differenzierte, segregierte System österreichischer Schulen. Das kann man nicht zuletzt an den Ergebnissen der PISA-Studien erkennen, aber auch an der Häufigkeit von Kompetenzarmut der Schüler*innen. Bruneforth et al. (2012) stellen das eindrucksvoll (und erschreckend) in einer Grafik dar: Finnische Schüler*innen weisen wesentlich geringere Kompetenzarmut (insgesamt 12 %) auf als österreichische (insgesamt 38 %). Im Folgenden nochmals die Grafik, die in der Lehrveranstaltung bereits gezeigt wurde:

Spannend ist hier jedoch anzusehen, wie in der österreichischen Bildungspolitik mit diesem Thema des Bildungssystems umgegangen wird. Es wird immer wieder davon gesprochen, man müsse international vergleichbar sein, man müsse Chancen- und Bildungsgerechtigkeit und -gleichheit für jeden schaffen. Dennoch sind alle genannten (Reform-)Ideen, die dahingehend argumentiert werden, bei genauerem Hinschauen eigentlich ein Schritt in die genau entgegengesetzte Richtung und die Bevölkerung wird als zu engstirnig betrachtet, um diese (offensichtliche) Tatsache zu erkennen. Die Mittelschulen beispielsweise, so wie sie heute in Österreich existieren, ohne Leistungsklassen, aber mit Lehrerteams, die leistungsstärkere und -schwächere Schüler*innen teilen und getrennt unterrichten, bestärken doch erneut eine weitere Segregation der Kinder. Es wird jahrelang über eine Gesamtschule gesprochen, es ist wissenschaftlich bewiesen, dass diese Form der Schule einen Nutzen hat, auch am finnischen Schulsystem ist das nur allzu deutlich erkennbar, dennoch wird sie in Österreich nicht eingeführt. Stattdessen beharrt man weiterhin auf einem hierarchischen, autoritären und segmentierten System, welches durch Differenzierung geprägt ist und aus historischen Zeiten stammt. Und dann wird fleißig philosophiert, warum denn die Schüler*innen in Österreich weiterhin Lücken in ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten aufweisen (Stichwort Kompetenzarmut), und warum sie im internationalen Vergleich trotz „Maßnahmen“ nicht besser abschneiden. Was soll man da noch dazu sagen..

 

(verfasst von Elena Schüssling)

 

Bildquellen:

Bruneforth, M., et al. (2012). Chancengleichheit und garantiertes Bildungsminimum in Österreich. In: B. Herzog-Punzenberger (Hrsg.). Nationaler Bildungsbericht 2012. Band 2. Fokussierte Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen. S. 187-226. Leykam: Graz.

Graf, T. (2004). Schultypen in Österreich (Schulsystem). Zugriff unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Schulsystem_oesterreich.svg (07.12.2021).

Pekkarinen, T., Uusitalo, R., Pekkala, S. (2006). Education policy and intergenerational income mobility: Evidence from the Finnish comprehensive school reform. In: Journal of Public Economics. Vol. 93, S. 965-973. Abgeändert nach: Athene-Aachen. Zugriff unter: https://www.athene-aachen.de/Wissen/Schulsystem-Finnland/ (07.12.2021).

 




Rebound-Effekte

Man sollte meinen, dass die Steigerung der Effizienz und die Verbesserung von Technologien zu einer Reduzierung verwendeter Ressourcen und somit einem positiven Effekt für das betroffene Umfeld führt. Dass dies aber nicht genau so funktioniert, ist durch den Rebound-Effekt zu erklären. Dieser Blog beschäftigt sich mit eben jenem Effekt, wobei zuerst der Begriff selbst erklärt wird und in weiterer Folge verschiedene Bereiche beleuchtet werden, in denen dieses Phänomen auftritt. Zuletzt wird noch die Frage behandelt, ob es möglich wäre, diesen Effekt durch gewisse Rahmenbedingungen auszuschalten, bzw. inwieweit das in der heutigen Gesellschaft überhaupt möglich wäre.

Was ist der Rebound-Effekt? Vom Umweltbundesamt wird dieses Phänomen als eine Steigerung der Effizienz, die zu einem geringeren Ressourcenverbrauch führt, beschrieben. Dieses zeigt sich allerdings nicht, da durch einen geringeren Ressourceneinsatz auch die Kosten für den Verbraucher fallen und das jeweilige Produkt oder die Dienstleistung öfter genutzt oder weitere Produkte gekauft werden. Somit steigt die Belastung der Umwelt an, obwohl die Prozesse zumindest theoretisch nachhaltiger gestaltet werden als sie das zuvor waren (Umweltbundesamt, 2019).

„Grundsätzlich ist von einem Rebound-Effekt die Rede, wenn die Steigerung der Ressourceneffizienz nicht in vorgesehenem Maße zur Senkung des Ressourcenverbrauchs führt“ (Lutter, S., Giljum, S., & Gözet, B., 2016, S. 4). 

Anschaulich ist das beispielsweise der Fall, wenn ein PKW durch Effizienzsteigerung günstiger wird und man sich daher beim nächsten Kauf eher für ein größeres Modell entscheidet, dass sich zuvor im Budget nicht ausgegangen wäre. Dieses Auto wird dann auch eher hergenommen, zum Beispiel für Kurzstrecken, anstatt dieselbe Strecke zu Fuß oder mit dem Rad zu bestreiten. Insgesamt bedeutet dies also eine höhere Belastung für die Umwelt, obwohl das einzelne Fahrzeug theoretisch energieeffizienter wäre als zuvor produzierte.

Wo kann dieser Effekt beobachtet werden? Der Begriff des Rebound-Effekts kommt ursprünglich aus der Energieökonomie und ist dementsprechend dann zu beobachten, wenn es um Auswirkungen auf die Umwelt geht. Wie im oberen, erklärenden Beispiel kann es sich dabei um die Produktion und Verwendung von PKWs handeln, wurde aber auch schon viel früher beobachtet, beispielsweise beim Einsatz von Glühlampen – die Einführung der Wolframwendel-Glühlampen löste im 20. Jahrhundert die Kohlenfadenlampe ab. Es wird bei gleicher Leistung nur etwa ein Viertel der Energie benötigt, jedoch entwickelte sich durch die billigere Produktion ein Produkt für die Masse und es wurden ungleich mehr Lampen verkauft, wodurch sich absolut gesehen die benötigte Energie in Form von Strom vervielfacht hat. Ebenso ist diese Tendenz bei der Weiterentwicklung von Fernsehgeräten zu beobachten.

Verschiedene Arten des Rebound-Effekts. Das Phänomen des Rebound-Effekts lässt sich in verschiedene Kategorien aufteilen: Einerseits gibt es den direkten Rebound-Effekt, wobei die Steigerung der Effizienz eines Produkts oder einer Dienstleistung zu einer größeren Nachfrage der Verbraucher führt und daher mehr gekauft wird, da das Produkt billiger geworden ist. Andererseits kann man den indirekten Rebound-Effekt erkennen; dieser setzt sich aus verschiedenen Teilbereichen zusammen. Es spielen inkorporierte Ressourcen eine Rolle, d.h. es gibt einen Mehraufwand, der erst in zweiter Linie zu einer Effizienzsteigerung führt. Außerdem zeigen sich sogenannte Sekundäreffekte, was bedeutet, dass es in Folge der Effizienzsteigerung zu einem ökonomischen Wachstum kommt. Die Summe aus direkten und indirekten Effekten ergibt zusammen den gesamt-wirtschaftlichen Rebound-Effekt, welcher nur durch die prozentuelle Änderung des Ressourcenverbrauchs geschätzt werden kann (Lutter, S., Giljum, S., & Gözet, B., 2016). Zusätzlich ist manchmal auch die Rede von einem so genannten Cross-Factor Rebound-Effekt, wobei es um Produktivitätssteigerung geht, die die Energienachfrage erhöhen kann. Wenn Arbeitsstunden frei werden, dann werden diese in der Regel auch wieder mit irgendeiner Tätigkeit gefüllt; die verschiedenen Tätigkeiten, die in dieser Zeit ausgeübt werden, sind alles Faktoren, die den absoluten Energieverbrauch anheben können (Santarius, T., 2012). Da die Abgrenzung des Rebound-Effekts von anderen Wachstums- und Strukturwandelprozessen sehr schwierig ist, können große Schwankungen in den Schätzungen entstehen, je nach Ansichten der Studien (Umweltbundesamt, 2019). 

Wieso gibt es den Rebound-Effekt? Für die Entstehung eines solchen Phänomens werden sowohl finanzielle, regulatorische als auch sozialpsychologische Faktoren beachtet. Finanziell, da es in Folge der Effizienzsteigerung zu einer Kostensenkung kommt und somit mehr Geld übrig bleibt, welches dann weiter ausgegeben werden kann. Regulatorische Ursachen (auch Transformations-Effekte) treten auf, wenn neue Technologien übermäßig stark eingesetzt werden, wenn regulatorische Anforderungen günstig sind. Und letztlich sozialpsychologische Ursachen (auch mentale Ursachen), da teilweise dieses gestiegene Konsumverhalten nicht absichtlich auftritt („moral leak“) oder auch wenn der Kauf von umweltschädlicheren Produkten mit dem Kauf von nachhaltigeren Produkten steigt („moral licensing“), ganz nach dem Motto „das kann ich mir leisten, ich schaue ja sonst so auf die Umwelt“. Wichtig jedoch, nicht jede Steigerung des Konsumverhaltens ist mittels des Rebound-Effekts zu erklären, sondern nur, wenn dem eine Effizienzsteigerung vorausgeht (Lutter, S., Giljum, S., & Gözet, B., 2016).

Was müsste sich also ändern, sodass der Rebound-Effekt nicht mehr auftritt? Und kann es eine solche Gesellschaft überhaupt geben? Um ein Phänomen wie den Rebound-Effekt zu minimieren, müsste die Gesellschaft sich in ihrem Konsumverhalten von Grund auf ändern. Billigere Produkte aufgrund höherer Effizienz sparen bei Konsumenten in erster Linie Geld, wovon man sich wiederum weitere Produkte leisten kann oder die bereits gekauften vermehrt benutzen kann. Um aber den Rebound-Effekt zu verkleinern, müsste man diese effizienteren Produkte ebenso einsetzen wie die weniger ressourcenschonenden, ohne sich weiteres zu leisten. Es könnte bei Menschen die Angst entstehen, weniger für seinen Preis zu bekommen – wenn man sich mehr leisten kann, das aber nicht einsetzen und ausnutzen kann, wieso hat man sich dieses Produkt dann überhaupt geleistet? Es müsste sich also nicht nur das Konsumverhalten, sondern auch die Einstellung der Gesellschaft zu (materiellen) Gütern verändern. Negativ wirkt hier ein, dass der Rebound-Effekt viel zu wenig bekannt ist. Wer sagen kann, dass er oder sie energieeffiziente und sparende Produkte kauft, denkt meist nicht weiter, was die Übernutzung eben dieser Dinge auswirkt. Die Person selbst spart und hilft ja mit dem Kauf ressourcenschonender Güter, es wird nicht daran gedacht, wieviel öfter diese Produkte in der gesamten Gesellschaft verkauft werden. Die Einstellung der gesamten Gesellschaft zu ändern, klingt nach einer utopischen Welt, nach einem unmöglichen Ziel. Wie sollte das durchgeführt werden? Können Regeln oder Gesetze, die in der Politik entstehen und erlassen werden, diese Veränderung beeinflussen? Hilft beispielsweise eine CO2-Steuer, wie sie in Österreich ab Juli 2022 eingeführt werden soll? Problematisch an solchen Steuern ist meines Erachtens, dass dabei oft die Falschen getroffen werden – Menschen, die sowieso schon Probleme haben, sich ein Auto zu leisten, werden eher an einer CO2-Steuer leiden, als jene, die ohne weiteres mehrere Autos zuhause stehen haben und sich um Geld keine Sorgen machen müssen. Und nur weil sie dann Steuern auf Benzin oder Diesel zahlen müssen, wird ihre Einstellung und ihr Konsumverhalten sich wahrscheinlich eher weniger ändern als das der Personen, die zuvor schon finanzielle Schwierigkeiten hatten. Natürlich wird darüber gesprochen, dass das Geld in Form eines Klimabonus wieder an die Konsument*innen zurückgehen soll, aber Steuern bleiben trotzdem Steuern und auch wenn es Maßnahmen gibt, die diese abfedern sollen, bleibt im Endeffekt trotzdem die ärmere Gesellschaftsschicht daran hängen, die dann gezwungen sind, ihr Verhalten anzupassen. Hilft das nun weiter? Eventuell, getan ist es damit allerdings nicht. Denn es behandelt weiterhin nur Symptome des Klimawandels und der Probleme, die durch erhöhten Energieverbrauch entstanden sind – unter anderem in Folge von Rebound-Effekten.

Meines Erachtens nach ist ein wichtiger Schritt die Aufklärungsarbeit. Viel zu wenige Menschen wissen über Rebound-Effekte Bescheid und denken, sie würden ja sowieso energiesparend unterwegs sein, während sie immer noch mehr (effiziente) Produkte einkaufen. Sinnvoll könnte es beispielsweise sein, Informationsevents zu organisieren, den Effekt in der Schule im Rahmen des Politische Bildung- oder Geografie-Unterrichts zu besprechen, oder auch Informationsblätter per Mail oder Post auszuschicken, um so mehr Haushalte zu erreichen. Ebenfalls als einen interessanten Ansatz würde ich finden, genau entgegengesetzt des jetzigen Systems vorzugehen: Diejenigen, die tatsächlich energieeffizient und bewusst leben, zu belohnen, anstatt Steuern einzuführen und das „Schlechte“ zu bestrafen. Ob das allerdings in einer so veränderungsallergischen Welt möglich ist, lässt sich diskutieren.

 

(verfasst von Elena Schüssling)

 

Literatur:

Lutter, S., Giljum, S., & Gözet, B. (2016). Rebound-Effekte. Inputpapier für die Implementierung von RESET2020. Forschungsgruppe „Nachhaltige Ressourcennutzung“, Wirtschaftsuniversität Wien (Hrsg.). Wien.

Santarius, T. (2012). Der Rebound-Effekt. Über die unerwünschten Folgen der erwünschten Energieeffizienz. In Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH (Hrsg.), Impulse zur WachstumsWende (5). Wuppertal.

Umweltbundesamt (2019). Rebound-Effekte. Zugriff unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/oekonomische-rechtliche-aspekte-der/rebound-effekte (12.11.21).

 




Du bist nur so viel wert, wie deine Eltern verdienen! -Familienbonus neu

Als ein Meilenstein wird der neue Familienbonus von der türkis-grünen Regierung angekündigt. Ein Meilenstein ist es auf alle Fälle. Und zwar einer der uns direkt in die falsche Richtung lenkt!

Die Grundidee ist gut. Eine generelle Erhöhung des Familienbonus könnte verhindern, dass in Österreich Kinder in Armut aufwachsen und würde somit für mehr Gleichberechtigung sorgen. Leider hat unsere Regierung ein anderes Bild von Fairness. Der neue Familienbonus sieht nämlich keine Erhöhung der generellen Beihilfe vor, sondern lediglich eine neue Aufteilung, die dem Staat zusätzliches Steuergeld kostet und den Spalt einer Zweiklassengesellschaft noch größer werden lässt.

Verkauft wird uns ÖsterreicherInnen eine Erhöhung des aktuellen Bonus von 1500 Euro auf 2000 Euro. Leider gilt dies nur für jene, die genügend Steuern zahlen. Die höchstmögliche Unterstützung bekommen Familien, die über ein monatliches Mindestbruttoeinkommen von 3000 Euro verfügen. Genau genommen handelt es sich weniger um einen tatsächlichen Bonus für Familien als vielmehr um eine neue Steuerreform. Denn bezahlen beide Elternteile keine Steuern, weil sie beispielsweise auf Arbeitssuche sind, bekommen diese Familien kein Stück des Familienbonuskuchens ab. Keinen Anspruch auf eine Steuergutschrift haben Menschen die zumindest 330 Tage lang Arbeitslosengeld bezogen haben. Mehr als 160 (Szigetvari, 2021).000 Kinder sind laut aktuellen Zahlen davon betroffen.  Diese Familien wurden bei der Erstellung dieser neuen Reform scheinbar vergessen oder beabsichtigt außen vor gelassen. 

Aktuell sind in Österreich rund 350.000 Kinder armutsgefährdet. Laut einer Umfrage der Ärztekammer in den Monaten August und September 2021 sind diese Kinder häufiger krank. Sie sind höheren psychischen Belastungen ausgesetzt, deren Familien können sich gesunde Nahrungsmittel nur schwer leisten und die Kinder erhalten weniger bewegungs- und entwicklungsfördernde Angebote im Kindesalter. Natürlich, Kinder können sehr viel Geld kosten.  Die Corona-Krise hat die Problematik der psychischen Belastung dieser Kinder noch weiter verschärft.
Aber ab wann gilt man in Österreich als armutsgefährdet? Die Schwelle liegt für einen Einpersonenhaushalt bei 1328 Euro pro Monat. Pro Kind ab einem Alter von 14 Jahren erhöht sich dieser Wert um 664 Euro im Monat, ist das Kind jünger erhöht sich der Wert um lediglich 398 Euro.

Immerhin sind es zwei Drittel der Kinder in Österreich, deren Erziehungsberechtigte nicht die höchstmögliche Steuergutschrift erhalten. Bleibt für Familien, die es finanziell ohnehin schon schwer haben, die finanzielle Unterstützung vom Staat Österreich aus bedeutet dies leider auch sehr oft, dass Kinder eine schlechtere Schulbildung haben. Für diese Familien sind Anschaffungen wie neue Laptops für den Schulunterricht, neue Schulutensilien oder Exkursion beziehungsweise Schulausflüge schlichtweg nicht oder nur sehr schwer leistbar. Diese Kosten sind nicht nur für armutsgefährdete Familien ein Problem. Es ist ein Teufelskreis.

Für mich sieht es so aus, als würde die Regierung uns zu verstehen geben wollen, dass ein Kind, dessen Eltern nicht den gewünschten Beitrag leisten, in unserer Gesellschaft weniger Wert ist.

Die Frage ist was mit diesen übrig gebliebenen Kindern geschieht. Trotz viel Recherchearbeit kann ich diese Frage leider nicht beantworten. Sie fallen scheinbar durch das System. Und eine weitere Frage wäre, wie diese Familien und diese Kinder aus diesem Kreislauf wieder rauskommen. Es scheint mir so, als hätte die Regierung diese Menschen schlichtweg nicht berücksichtigt. Das ist ein Problem, welches sich nicht von allein lösen lässt.

Recht auf freie Bildung ist für mich etwas anderes. Das tragische daran ist, dass solche Reformen von einer Politik in die Welt gerufen werden, die von den ÖsterreicherInnen selbst gewählt wurde. Sind solche, als Bonus getarnten Steuerreformen, ein Abbild der in Österreich vorherrschenden Wertevorstellung? Chancengleichheit sieht anders aus. Wir sollten uns alle selbst an der Nase packen und anfangen mehr an das Allgemeinwohl zu denken. Die Kinder von heute bilden unsere Gesellschaft von morgen.

 

Literaturverzeichnis

Szigetvari, A. (20. Oktober 2021). Kinderbonus wird angehoben: Die benachteiligten Kinder. DerStandard. Von https://www.derstandard.at/story/2000130565852/kinderbonus-wird-angehoben-die-benachteiligten-kinder abgerufen

volkshilfe. (23. Oktober 2021). Von https://www.volkshilfe.at/fileadmin/user_upload/Media_Library_Kinderarmut/aerztekammer/2021-10_AErztekammer_.pdf abgerufen

volkshilfe. (23. Oktober 2021). Von https://www.kinderarmut-abschaffen.at/fakten/wer-ist-armutsgefaehrdet/ abgerufen

 




Mehrsprachigkeit und Multikulturalität in der Schule

2019/20 gab es laut Statistik Austria 1.135.519 Schülerinnen und Schüler in Österreich, in Volksschulen waren es zuletzt 344.282. Diese Zahl steigt seit 2016 an und wird auf die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zurückgeführt (Statistik Austria, 2021a). Alle Schultypen und -stufen zusammengefasst gibt es 299.852 Schülerinnen und Schüler mit nicht-deutscher Umgangssprache (Statistik Austria, 2021b). Dieses Aufeinandertreffen vieler verschiedener Sprachen wirft die Frage auf: Stellt die Mehrsprachigkeit und Multikulturalität in der Schule eine Chance oder ein Problem für die Schülerinnen und Schüler und für das Lernen in der Klasse dar und wie könnte man diese unterschiedlichen Sprachen und Kulturen effektiv in den Unterricht miteinbeziehen?

Die Chance. Mehrsprachigkeit ist ein wichtiges Gut in der heutigen Welt. Vor allem in Kontinenten wie Europa, wo es viele flächenmäßig kleine Länder mit ihren jeweils eigenen Sprachen gibt und (Völker-)Wanderungen geschichtlich gesehen der Normalzustand sind, ist es förderlich mehr als nur eine Sprache zu sprechen und verschiedene Kulturen kennenzulernen. In der Klasse Schüler und Schülerinnen zu haben, die aus verschiedenen Ländern kommen und unterschiedliche Sprachen sprechen, kann eine Chance für alle Kolleginnen und Kollegen darstellen, da so Kontakt zu anderen Kulturen und Traditionen hergestellt wird und der Horizont eines jeden erweitert werden kann. Die Lernenden sind mit verschiedenen Situationen konfrontiert und lernen wichtige soziale Fähigkeiten kennen – sich mit anderen Nationen und deren Kulturen vertraut zu machen, nicht aufgrund von Ethnizität voreilig zu urteilen oder auch „nur“ wie verschieden Sprachen und Kulturen sein können. Zudem kann auch das sprachübergreifende Lernen hilfreich sein, indem beispielsweise Vokabular in mehrere Sprachen übersetzt wird oder über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zweier oder mehrerer Sprachen zu diskutieren. Dadurch werden die Schülerinnen und Schüler dazu ermutigt, sich mit verschiedenen Sprachen auseinanderzusetzen und es wird die Authentizität dieser Begegnung mit einer anderen Kultur gestärkt, da die Lernenden eher Interesse daran zeigen, so Dausend und Lohe (2016).

Das Problem. Jedoch ist das österreichische Schulsystem defizitorientiert, die Mehrsprachigkeit und Multikulturalität wird wenig wertgeschätzt und es wird versucht, Schülerinnen und Schüler nach einem Schema zu erziehen, welches sich seit Zeiten Maria Theresias nicht grundlegend verändert hat. Seit Jahren wird davon gesprochen, Chancengleichheit für alle Kinder zu schaffen, trotzdem hat die deutsche Sprache und die Vermittlung mitteleuropäischer Werte und Normen die Priorität #1 in der Schule. Es kommt zu Regelungen, um die Benutzung fremder Muttersprachen im Unterricht einzuschränken und ausschließlich Deutsch zur Kommunikation im Unterricht (teilweise sogar in den Fremdsprachen) zu verwenden. Nicht-deutsche Kultur und Herkunft der Schülerinnen und Schüler wird dabei eher als Störung angesehen und sie werden „deutsch“ erzogen. So wurde der Begriff „illegitimes kulturelles Kapital“ von Bourdieu geprägt. Kulturelles Kapital bezeichnet dabei die sowohl kulturelle Güter der Schülerinnen und Schüler, als auch verinnerlichte Zustände (Bourdieu, 1983). Obwohl zahlreiche Studien zeigen, dass Mehrsprachigkeit förderlich ist, wird in der Schule starr auf Monolingualität beruht, bedingt zum Beispiel durch das fehlende Verständnis mancher Lehrpersonen. Gogolin (1994) spricht vom sogenannten monolingualen Habitus in einer multilingualen Schulumgebung. So kommt es, dass sogar in der heutigen, global vernetzten Zeit und Welt Mehrsprachigkeit und Multikulturalität in der Schule oft als Herausforderungen und Probleme, die es zu bewältigen gibt, angesehen werden, anstatt der Chancen, die sie eigentlich für alle Involvierten darstellen könnten.

Die Möglichkeiten. Aber wie können Mehrsprachigkeit und Multikulturalität auch positiv in den Unterricht miteinbezogen werden, wenn die Schule so träge an ihren alten Formen festhält? Positiv wäre es jedenfalls die verschiedenen Umgangssprachen der Schülerinnen und Schüler in den Unterricht miteinzubeziehen. Das kann als Lehrperson, die beispielsweise nur eine oder zwei Sprachen spricht und keine persönliche Erfahrung mit anderen Kulturen hat, durchaus herausfordernd wirken, doch kann es meines Erachtens trotzdem auf verschiedene Arten umgesetzt werden. Schülerinnen und Schülern, denen mit Respekt begegnet wird, werden auch selbst mehr Respekt für die Lehrperson aufbringen und so können auch Fremdsprachen behandelt werden. Kleine Maßnahmen, wie beispielsweise das Grüßen am Morgen in allen Sprachen, die in der Klasse gesprochen werden, stellt schon einen ersten Schritt dar, die Herkunft der Lernenden zu würdigen. Es wird den Schülerinnen und Schülern vermittelt, man kenne und respektiere ihre Herkunft und Sprache. Auch mehrsprachiges Vorlesen von Aufgaben oder Texten durch Lernende oder Lehrende kann dem weiterhelfen. Die Schülerinnen und Schüler würden so lernen, mehrere Sprachen miteinander zu kombinieren und das könnte auch das Verständnis für Linguistik und Sprachgebrauch allgemein fördern. Größere Maßnahmen wären beispielsweise das Einführen von Fremdsprachenunterricht in eben jenen stärker vertretenen Muttersprachen, zum Beispiel türkisch oder kroatisch anstelle von oder (besser noch) zusätzlich zu Spanisch oder italienisch. Die Kultur und Sprache von Kindern mit Migrationshintergrund kann nicht nur im Sprachunterricht selbst eingebaut werden, es kann auch im Rahmen des Geografie- oder Geschichteunterrichts darauf eingegangen werden. Die Schülerinnen und Schüler könnten zum Beispiel die Möglichkeit bekommen über ihre Heimat zu erzählen und es kann ein Lehrervortrag oder ein Ausschnitt aus einem Lehrbuch durch persönliche Erfahrungen der Kinder erweitert werden. Sollen Brücken zwischen verschiedenen Fremdsprachen geschlagen werden, müssen sich auch die jeweiligen Lehrpersonen besser untereinander absprechen, um zu klären, welche Themen wie und wann im Unterricht behandelt werden.

Deutsch zu lernen ist in einer Schule in einem deutschsprachigen Land mit deutschsprachigen Tests keinesfalls zu vernachlässigen, aber die Art und Weise, wie deutsch gelernt wird und wie fremde Umgangssprachen und Kulturen behandelt werden, kann und muss in der heutigen Zeit verbessert werden.

(Elena Schüssling)

Literatur:

Bourdieu, P. (1983). Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: R. Kreckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt Sonderband 2. Originalbeitrag, übersetzt von R. Kreckel. (S.183-198). Göttingen.

Dausend, H., & Lohe, V. (2016). Die Studie „Fundament mehrsprachiger Unterricht“ (FuMU) – Was Schülerinnen und Schüler zum Einsatz ihrer Familiensprache im Fremdsprachenunterricht sagen. In: A. Wegner, & I. Dirim (Hrsg.), Mehrsprachigkeit und Bildungsgerechtigkeit: Erkundungen einer didaktischen Perspektive. (S.224-238). Opladen: Barbara Budrich. Doi: 10.2307.

Gogolin, I. (1994). Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster u.a.: Waxmann. ISBN: 3-89325-219-3.

Statistik Austria (2021a). Schulbesuch. Zugriff am 16.10.2021. Verfügbar unter https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung/schulen/schulbesuch/index.html   

Statistik Austria (2021b). Schülerinnen und Schüler mit nicht-deutscher Umgangssprache im Schuljahr 2019/20. Zugriff am 16.10.2021. Verfügbar unter https://www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=029650




Wirtschaft in unserer Gesellschaft

(von Annemarie Schaffer)

Ein wichtiger – wenn nicht der wichtigste – Faktor, der nun seit einigen Jahrzehnten in der westlichen Welt Politik und Gesellschaft prägt, ist die Wirtschaft bzw. das stetige Streben nach Wirtschaftswachstum. Dass davon auch Schul- und Bildungssysteme nicht unberührt bleiben, ist bei der engen Verknüpfung zwischen Schule und Gesellschaft ganz klar.

Was für einen (absurd) dominanten Platz die Wirtschaft und ihr Wachstum in unserer Gesellschaft eingenommen hat, ist mitunter an einer Einschaltung ersichtlich, die u.a. am 24. April 2021 im Lokalteil der Tageszeitung Salzburger Nachrichten im Zuge einer Kampagne einer Salzburger Oppositionspartei abgedruckt wurde. Die Überschrift dieser Einschaltung lautet: „Wirtschaft wieder leben lassen“. Unter dieser wird angeführt, dass laut einer Umfrage im November 2020 mehr als die Hälfte der gefragten Personen die Maßnahmen der Regierung und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen für das Schlimmste an der Covid-19 Pandemie erachteten. Darauffolgend heißt es weiter, dass das der stärkste Wirtschaftseinbruch seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei. Abgeschlossen wird die Einschaltung mit der fettgedruckten Frage „Ist es das wirklich wert?“. Meine Antwort darauf: Ja, ist es! Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Covid-19 Virus haben der Form von Wirtschaft, wie sie in der westlichen Welt betrieben wird, bestimmt geschadet, aber immerhin dienten sie (und dienen immer noch) dazu Menschenleben zu retten. Denn im Unterschied zur Wirtschaft – auch wenn die oben zitierte Überschrift Gegenteiliges suggerieren mag – leben Menschen tatsächlich und können infolgedessen ihr Leben durch Krankheiten wie die, die vom Covid-19 Virus ausgelöst wird, verlieren. Dass ein Rückgang der Wirtschaftsleistung das Leben der Menschen derartig negativ beeinflussen kann, zeigt uns weniger, was uns diese Einschaltung weismachen wollen zu scheint, nämlich wie schlecht die Maßnahmen gegen die Pandemie waren, sondern, dass der Wirtschaft in unserer Gesellschaft wesentlich mehr Platz und Bedeutung beigemessen wird, als es gesund für uns ist.

Ähnliches stellt auch Maja Göpel in ihrem 2020 erschienenen Buch Unsere Welt neu denken fest, wenn sie schreibt, dass sich „[n]icht nur in den sozialen Medien – aber nirgends besser als da – […] sehen [lässt], wie die Idee des Verkaufens und des Wettbewerbs in Lebensbereiche vorgedrungen ist, in denen das Gesetz von Angebot und Nachfrage zuvor intrinsischen Werten nachgelagert war.“ (Göpel 2020, 69) Dabei bezieht sie sich darauf, dass es mittlerweile Menschen geben soll, deren „Gefühl für die eigene Existenz und Präsenz“ (Göpel 2020, 69) an der Anzahl ihrer „Follower[], Likes und Freundschaftsanfragen“ (Göpel 2020, 69) hängt. Dass das für die menschliche Psyche nicht gesund sein kann, scheint mir mehr als einleuchtend zu sein. Der Mensch in der heutigen Gesellschaft aber hat sich dem herrschenden Wirtschaftssystem dermaßen unterworfen, dass man es nicht einmal als sehr übertrieben empfinden kann, wenn Göpel schreibt: „Wir sind […] alle Humankapital und müssen darauf achten, unseren Marktwert zu steigern.“ (Göpel 2020, 69) Jetzt mag man einwenden, dass das oben zitierte Beispiel Göpels ja nur für die Welt von Social Media relevant sei, aber dagegen kann mit Göpel angeführt werden, „dass das ökonomische Denken in Lebensbereiche eingewandert ist, die ursprünglich nichts mit Wirtschaft zu tun hatten. Die Fürsorge für andere Menschen, kranke, alte und Kinder, ist in diese Logik genauso eingespannt worden wie die Ausbildung, die Partnerwahl oder der eigene Körper.“  (Göpel 2020, 68)

Diese Lebensbereiche sind absolut in der realen Welt zu verorten und ihre Unterordnung unter wirtschaftliche Prinzipien führt – um Göpels Beispiel der Ausbildung herauszugreifen – zu Phänomenen wie der in einem früheren Beitrag behandelten Selektion von Schüler*innen nach Schulnoten, damit man sie als Erwachsene wirtschaftlich möglichst sinnvoll in einem Beruf(sfeld) zuordnen kann. Das heißt dann, dass Wohlergehen der Menschen ihrem eigenen wirtschaftlichen Wert untergeordnet werden. So sollte eine Gesellschaft, die aus Menschen besteht, eigentlich nicht funktionieren wollen.

Da regt es zum Nachdenken an und lässt einen auch hoffen, wenn man im Wirtschaftsteil der Salzburger Nachrichten vom 26. Mai 2020 folgende Schlagzeile liest: „Im fairen Handel gab es keine Coronakrise – im Gegenteil“ (Kretzl 2021). Dass ausgerechnet ein Wirtschaftszweig, der nicht nur auf Profit aus ist, sondern dabei auch auf das Wohl der Menschen achtet, in einer Zeit, in der so viele andere Branchen Verluste erleiden mussten, seinen Umsatz steigern konnte, sollte uns, nicht nur als angehende Lehrkräfte, sondern auch als Mitglieder unserer Gesellschaft dazu ermutigen fair zu handeln.