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Gender, Diversität und Inklusion: Ein wichtiges Thema, aber auch umsetzbar im Schulalltag?

Zunächst eine Begriffsklärung: Homogenität bedeutet „Gleichartigkeit“ und Heterogenität bedeutet „Verschiedenartigkeit“. So kann man beispielsweise Klassen als Gleichartig oder Verschiedenartig, im Bezug auf das Leistungsniveau, beschreiben.

Es existieren gewisse Reaktionsformen, mit denen man den unterschiedlichen Leistungsniveaus der Schüler_innen entgegensteuern kann. Von diesen möchte ich kurz vier Formen darstellen.
1. Man kann die Leistungsunterschiede der Schüler_innen ignorieren und das Anforderungsniveau an einem fiktiven oder realen Leistungsdurchschnitt anpassen.
2. Es könnten Leistungsgruppen gebildet werden, in denen man leistungsstarke von leistungsschwachen Schüler_innen trennt. (Nur in gewissen Schulformen möglich!)
3. Der Unterricht kann, mit Hilfe von differenzierten Lernstrategien, ständig angepasst werden, um lernrelevante Unterschiede zwischen den Schüler_innen aufzuheben.
4. Man fördert gezielt bestimmte Schüler_innen, so dass bestimmte Lernziele erreicht werden. Beispielsweise könnte man zwischen Basis – und Aufbaucurriculum unterscheiden und genügend Instruktionen zur Verfügung stellen, um basale Lernziele zu erreichen.

Ich habe hier nur einen kleinen Ausschnitt von all den Reaktionsformen im Umgang mit unterschiedlichen Leistungsniveaus zur Schau gestellt, um meine Bedenken bezüglich der Reaktionsformen besser darzustellen.

Meiner Meinung nach sind die oben genannten Strategien und auch die vielen anderen gute und hilfreiche Gedanken, aber sind sie wirklich im Schulalltag anwendbar? Ist es sinnvoll sich an einem Klassendurschnitt zu orientieren oder kann es doch sein, dass es einige Schüler_innen gibt, die diesem Durchschnitt nicht gerecht werden und dem Unterricht nicht folgen können oder sich langeweilen?

Haben Lehrpersonen tatsächlich genügend Zeit ihren Unterricht ständig anzupassen oder sich individuell um gewisse Schüler_innen zu kümmern? Natürlich ist dies in gewisser Art und Weise die Aufgabe einer Lehrperson, aber man darf nicht vergessen, dass ein Unterricht nur 50 Minuten dauert und 2-3mal die Woche stattfindet. Darüber hinaus ist das Schulsystem nach wie vor Leistungsorientiert und Schüler_innen werden fast ausschließlich nach ihren gebrachten Leistungen, in Form von Tests und Schularbeiten, gemessen.

Heruntergebrochen muss eine Lehrperson den Schüler_innen in kurze Zeit so viel Stoffumfang wie möglich beibringen, damit die Schüler_innen ihre Tests, Schularbeiten und Maturen bestehen. Meiner Meinung nach bleibt aus diesem Grund nicht genügend Zeit, um auf jeden Schüler individuell im Unterricht einzugehen. Dieses Problem ist aber nicht auf die Lehrpersonen zurückzuführen, sondern wurzelt in der Leistung – bzw. Notenorientiertheit des Schulsystems.

Soll man also als Lehrperson tatenlos zusehen wie manche Schüler_innen schulisch gesehen scheitern? Nein, natürlich nicht! Gleichzeitig muss ich jedoch erwähnen, dass zumindest meine Wenigkeit noch keine optimale Reaktionsform gefunden hat, um individuell auf Schüler_innen einzugehen.

Demzufolge bleibt mir und auch vielen bereits fertig-ausgebildeten Lehrpersonen, mit denen ich mich unterhalten habe, bis dato nur die Nummer eins, der oben genannten Reaktionsformen über. Auch wenn diese bei weitem nicht die beste und schülerfreundlichste Reaktionsform ist.




Gemeinsam zur Individualisierung

Als Schülerin fühlte ich mich oft verloren im Unterricht. Entweder ging mir der Unterricht zu langsam und ich war unterfordert oder ich konnte mit dem Rest der Klasse nicht mehr mithalten. Damals hätte ich mir oft einen Unterricht gewünscht, der mehr auf meine und die Bedürfnisse meiner Mitschülerinnen zugeschnitten gewesen wäre. Aber ist dies überhaupt möglich? In welchem Rahmen kann der Unterricht individuell gestaltet werden?

Im Laufe meiner Studienzeit wurde mir immer mehr klar, wie viel Arbeit in die Gestaltung einer Unterrichtseinheit fließt. Natürlich ist es einfacher die Stundeneinheit so zu gestalten, dass jeder Schüler denselben Input erhält und dieselben Arbeitsblätter. Die Lehrperson muss sich weniger Gedanken über die individuelle Lehranforderungen der einzelnen Schüler_innen machen und muss so weniger Zeit in die Erstellung verschiedenster Arbeitsmaterialien investieren.

Doch nehmen die Schüler_innen dieses Angebot überhaupt an? Aus meiner eigenen Erfahrung als Schülerin weiß ich, dass ein individueller Unterricht, der an meine eigenen Stärken und Schwächen angepasst werden kann, eine gern gesehene Abwechslung darstellt. So ein Unterricht kann verschiedenst aufgebaut sein. Die Lehrperson muss sich überlegen, welcher theoretischer Input im Plenum besprochen werden muss und welche Lernziele durch die Schüler_innen in eigens erarbeitet werden kann und sollte. Die Theorie im Plenum sollte kurzgehalten werden, was durch präzise Stundenvorbereitung erreicht werden kann. Wenn ich mir als Lehrer_in Gedanken darüber mache, wie ich den Lehrstoff kurz und präzise halten kann, wird auch das wichtigste den Schüler_innen weitergegeben.

Der Großteil der Unterrichtseinheit wird so dem Erarbeiten der Arbeitsaufträge durch die Schüler_innen gewidmet. Diesen Aufträgen sind unterschiedliche Schwierigkeitsgrade zugeordnet. Aus diesen können sich die Schüler_innen selbst Aufgaben aussuchen und ohne Zeitdruck lösen. Diese Vorgehensweise kann die Arbeitsmotivation der Schüler_innen bedeutend steigern, denn sie stehen unter keinem Zeitdruck, können sich die zu bearbeitende Aufgabe und deren Schwierigkeitsniveau sowie die Sozialform der Bearbeitung aussuchen. Es ist den Schüler_innen selbst überlassen, ob sie die Aufgaben alleine, zu zweit oder in der Gruppe bearbeiten.

Ein weiterer Vorteil dieser Unterrichtsform ist die Möglichkeit des individuellen Feedbacks, denn die Lehrperson kann so individuell auf die Probleme der Schüler_innen eingehen. So kann jedem_r Schüler_in die Hilfe angeboten werden, die benötigt wird.

Hofmann spricht in seinem Artikel ein Problem an, welchem auch ich im Schulalltag begegnet bin. Ein Unterricht in diesem Rahmen sieht vor, dass die Schüler_innen ihre Antworten mit einem Lösungsblatt oder per Peer-Kontrolle abgleichen. Hier besteht die Gefahr, dass Schüler_innen die falsch gelösten Aufgaben schnell verbessern und nicht die Chance ergreifen aus ihren Fehlern zu lernen. Ich glaube, dass diesem Problem nur mit intensiver Kommunikation entgegengewirkt werden kann.

Um einen erfolgreichen individualisierten Unterricht zu gestalten, ist es wichtig mit den SchülerInnen zu kommunizieren. Es ist genauso wichtig als Lehrperson zu wissen, was sich die SchülerInnen vom Unterricht wünschen, wie umgekehrt. In dieser Phase ist es notwendig zu verstehen, welche SchülerInnen mehr Autonomie benötigen – und auch damit umgehen können – und welche SchülerInnen mehr Unterstützung und Anleitung der Lehrperson benötigen. Mit beidseitiger Kommunikation kann eine gegenseitige Vertrauensbasis geschaffen werden, in denen beide Parteien wissen, was von ihnen erwartet wird. Ich bin der Meinung, dass so eine Lehr- und Lernumgebung eine gewisse Art von Sicherheit vermittelt. Es muss eine Umgebung geschaffen werden, in der Schüler_innen keine Angst vor Fehlern haben. Fehler machen gehört zum Lernprozess dazu. Dies sollen auch die Schüler_innen wissen.

Als zukünftige Lehrerin möchte ich genau dies erreichen: Einen Unterricht, in dem sich jeder Schüler und jede Schülerin zu dessen Besten entfalten kann.

 

Autorin: Laura Garnitschnig

Quelle:

Hofmann, F.: „Ich kann mich als Lehrer/in nicht vierteilen“ – aber das ist auch
nicht nötig. Maßnahmen zur Individualisierung im Unterricht“