Differenzierte Leistungsbeurteilung? Utopie, Unsinn oder unentbehrlich?
Der Begriff „Differenzierte Leistungsbeurteilung“ dürfte den meisten Lehrkräften und Studierenden mittlerweile zu den Ohren heraushängen. Aber was bedeutet differenzierte Leistungsbeurteilung überhaupt und warum sollte diese Form der Bewertung besser oder schlechter als die traditionellen Methoden sein?
Grundsätzlich handelt es sich hierbei um eine kompetenzorientierte Beurteilungsmethode; das heißt, dass neben der Achtung der Individualität der Lernenden vor allem Kompetenzen evaluiert werden. Das sagt zumindest der brave Lehramtsstudent in mir, der sich an der Theorie orientiert. Der Praktiker jedoch (welchen ich als langjähriger Trainer und Privatlehrer mittlerweile sehr ins Herz geschlossen habe) sagt: Viel Lärm und diplomatisches Getue um etwas, dass selbstverständlich sein sollte. Ein anderer Begriff für differenzierte Leistungsbeurteilung im schulischen Umfeld ist nämlich: FAIRNESS.
Aus dem selben Grund, aus dem ein 45 Kilo Leichtgewicht beim Boxen nicht gegen einen 120 Kilo Hühnen kämpft, kann man auch in der Schule nicht einfach alle Lernenden in ein und den selben Ring stellen. Doch genau so wird es gemacht. Das traditionelle Bewertungssystem, welches trotz Leugnung von Seiten vieler Schulen immernoch sehr allgegenwärtig ist, stellt für viele Schüler eher einen Überlebenskampf, als eine Weiterentwicklung dar. Einerseits sollen alle bei der Überprüfung, oder am Ende des Schuljahres, auf dem selben Level sein und andererseits wird nicht darauf geachtet auf welchem Level die einzelnen Schülerinnen und Schüler sich individuell befinden. Man muss keine Hochbegabung vorweisen können um diese Problematik zu erkennen.
Aber was macht eine faire Beurteilung aus und was sind eigentlich Kompetenzen? Auch wenn dies vermutlich einigen sauer aufstoßen wird, werde ich es trotzdem so ausdrücken wie ich es im Laufe meines Studiums erlebt habe. Der Begriff „Kompetenz“ ist mittlerweile in sämtlichen Fachbereichen dermaßen rhetorisch abgelutscht, dass man nur noch den Stiel in der Hand hält, während man über die ursprüngliche Bedeutung philosophiert. Meiner Meinung nach sollte dieses Thema nicht immer weiter verkompliziert werden, sondern simplifiziert: Leistungsbeurteilung MUSS individuell sein und mehr als nur den erwarteten Mittelwert kitzeln. Lehrerinnen und Lehrer sollten in der Lage sein (dürfen, bzw. die rechtliche Erlaubnis erhalten) ihre Schülerinnen und Schüler nach Kriterien bewerten zu dürfen, die nicht standartisiert sind. Warum? Als Lehrkraft kennt man die Lernenden. Man kann individuelle Fortschritte ohne ungeheuren Aufwand feststellen und bewerten. Emotionale und interpersonelle Faktoren spielen dabei auch eine Rolle. Leistungsbeurteilung sollte Leistung beurteilen und nicht die Vorraussetzungen. Stark vereinfacht: Wenn man sich bemüht, sollte das auch belohnt werden. Wer unter- oder überfordert ist muss gefördert werden.
Natürlich handelt es sich hierbei ein Stück weit um Wunschdenken, aber meiner Meinung nach gilt es diesen Wunsch von einem Ziel in einen Status quo zu transformieren. Denn unser Ziel sollte es sein Kinder zu fördern und aufzubauen, anstatt sie klein zu halten, in konforme Schubladen zu zwängen oder in Richtung eines unverhältnismäßigen Ziels zu peitschen.