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Könnte Monoedukation die Lösung sein?

Wie wir alle wissen durften Mädchen und Jungen nicht immer an unseren Schulen gemeinsam unterrichtet werden. Wenige wissen aber, dass erst in den 1960er Jahren Koedukation konsequent in Europa durchgesetzt wurde (obwohl erste Versuche bereits nach dem 1. Weltkrieg stattgefunden haben). Um gemischte Klassen gesetzlich einzuführen, brauchte man jedoch konkrete theoretische Grundlagen, und diese stellte die Gendertheorie bereit (welche durch die 1. Welle der Frauenbewegung auf fruchtbaren Boden fiel).

Die Geschlechterforschung sieht Geschlecht als eine soziale Konstruktion: „als eine Form der Einteilung von Menschen […] einerseits und als eine Inszenierung/Darstellung durch Menschen andererseits,“ Faulstich-Wieland zufolge (S. 17). Das heißt, dass jeder Mensch, bewusst und unbewusst, an der Bildung des sozialen Geschlechts unaufhörlich beteiligt ist. Dieser Vorgang wird in der Gendertheorie durch das Konzept ‚doing gender von C. West und D. Zimmermann erklärt, welcher auch als Dramatisierung von Geschlecht bezeichnet wird.

Das zweite relevante Konzept des ‚undoing gender von S. Hirschauer, oder die deutsche Entsprechung der Entdramatisierung von Geschlecht von E. Goffman, soll dem obengenannten entgegenwirken.

Warum?

Weil die Dramatisierung von Geschlecht auf Geschlechterstereotypen basiert, die im Laufe unserer gesellschaftlichen Entwicklung entstanden sind und noch immer einen großen Einfluss auf uns alle haben. Durch Entdramatisierung, d.h. durch die bewusste Neutralisierung der Geschlechterdifferenzen werden Geschlechterstereotypen entschärft.

Faulstich-Wieland fasst folgendermaßen zusammen: „Mit Dramatisierung machen wir gezielt und zentral auf Geschlecht aufmerksam, mit Entdramatisierung gehen wir auf andere Kategorien oder auf die Individuen ein“ (S.18).

Das heißt, sollte man sich entscheiden eine Klasse, oder gar das ganze Schulwesen wieder nach Geschlechtern zu trennen, dann nicht mit der Begründung „Jungen sind in der Regel unruhiger, gewaltbereiter und damit problematischer!“ oder „Jungen sind in der Regel sprachlich unbegabter und lesen weniger!“ oder „Jungen sind PC-orientiert, Mädchen sind sprach-/buchorientiert!“ oder „Mädchen sind stiller und zurückhaltender und erreichen nicht die Beachtung und beruflichen Ziele, die sie aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit erreichen können!“ (wie das Berufskolleg Südstadt mit Stolz in ihrem Gender Mainstreaming Programm präsentiert!).

Aber leider ist das Bildungssystem keine Ausnahme, auch die Lehrkräfte werden von Geschlechtsstereotypen beeinflusst.

So führten die Ergebnisse der PISA-2000 zu einer erneuten Koedukationsdebatte, die bereits in den 1980er Jahren von Lehrerinnen-Vertreterinnen der 2. Welle der Frauenbewegung initiiert wurde. Was mit der Absicht zur Beseitigung von subtilen Benachteiligungen von Mädchen im Unterricht begann, entwickelte sich letztendlich gleichermaßen auch für Jungen (Faulstich-Wieland, S.16).

Zunächst wurden schlechte PISA-Ergebnisse von Jungen in Lesekompetenz auf ihre Benachteiligungen im Unterricht zurückgeführt. Auch geringe Leistung und Motivation von Mädchen in MINT-Fächern wurden mit dem gleichen Grund erklärt.

Dazu bestätigen einige Studien (z.B. „Single-Sex Education Pilot Project,“ Australia,1993-94), die sich auf Beobachtungen von geschlechtshomogenen Klassengruppen und Rückmeldungen von beteiligten SchülerInnen und LehrerInnen beziehen, dass die Geschlechtertrennung sichtbare Vorteile für beide Geschlechter aufweist (Faulstich-Wieland, S.19).

So kam es zur Diskussion über eine erneute Trennung des Schulwesens, jedoch nur in Hinsicht auf das männliche und weibliche Geschlecht. Nun stellt sich die Frage, ob die Einführung von Monoedukation ein Schritt nach vorne und nicht zurück ist.

Laut Faulstich-Wieland würde eine Einführung von Monoedukation die Dramatisierung der Geschlechter verstärken, da sie die Geschlechterdifferenzen nicht neutralisieren, sondern im Gegenteil aktualisieren, bzw. betonen würde (S.18). Meiner Meinung nach ist das „Gender Mainstreaming“ Programm des Berufskollegs Südstadt ein hervorragendes Beispiel dafür.

Monoedukation könnte wohl eine Lösung für einige „Probleme“ im schulischen Bereich sein. Wie bereits gesagt, bestätigen dies einige Studien und schulische Experimente in MINT-Fächern. Jedoch wird sie allein nie im Stande sein Geschlechterstereotypen, welche Lehrkräfte täglich produzieren, reproduzieren und an ihre SchülerInnen weiterleiten, zu neutralisieren.

Faulstich-Wieland bietet auch einige Bespiele der Geschlechterdramatisierung in homogenen Gruppen zur Analyse an, die sehr gut verdeutlichen, dass die Veränderungen bei den Lehrkräften beginnen sollen. Es liegt ja an ihnen, beide Geschlechter gerecht zu unterrichten, anstatt das störende Verhalten von Jungen als „normal“ zu bezeichnen und die Risikobereitschaft von Mädchen im Werkunterricht etwas Schwieriges auszuprobieren, zu missachten.

Monoedukation wird keine Lösung für Geschlechtergerechtigkeit sein, solange wir, die Lehrkräfte, in „typisch Buben-“ und „typisch Mädchen-“ Verhaltensmustern denken und agieren.

Quellen:

Faulstich-Wieland, Hannelore (2010) Mädchen und Jungen im Unterricht, in: Buholzer, Alois /Kummer Wyss, Annemarie (Hrsg.) Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. Zug: Klett, 16-26.

Jaschke, Bruno (2019) Lesen … ich? Nein, danke! Burschen sind im Lesen schwach. Weil ihnen Vorbilder fehlen, sagen Experten, HEUREKA 19 [WWW Dokument] <https://www.falter.at/heureka/20190522/lesen-ich-nein-danke/ea7fb656c8> [31.03.2020].

Jonczyk-Buch, Kerstin (2013) Geschlechterdifferenzierter Unterricht – Erfahrungsbericht aus dem MINT-Projekt der Veit-Stoß-Realschule Nürnberg, in: Stadler-Altmann U. (Hrsg.) Genderkompetenz in pädagogischer Interaktion. Opladen; Berlin; Toronto: Verlag Barbara Budrich, 171-181.

Rademacher, Christina (2019) Sind Mädchen zu dumm für Mathe? Der EU-weit größte Unterschied zwischen Burschen und Mädchen in Mathe besteht in Österreich, HEUREKA 19 [WWW Dokument] <https://www.falter.at/heureka/20190522/sind-madchen-zu-dumm-fur-mathe/be9d6e0ea9> [31.03.2020].