„Ausländer“ im deutschsprachigen Schulsystem oder wie jeder von uns dazu beiträgt, dass jemand „fremd“ ist
Der Migrationshintergrund ist, ähnlich wie die soziale Herkunft, ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht welchen Bildungsstand ein junger Mensch erreichen kann. Die Meisten glauben, dass „Ausländer“ schlechter in der Schule sind, keinen oder „nur“ einen Hauptschulabschluss erreichen können und im Grunde weniger intelligent sind. Zwar sind solche Vorurteile in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen und die kulturelle Vielfalt in Deutschland, Österreich bzw. generell in Europa ist fast schon zur Normalität geworden aber Studien zeigen, dass es durchaus noch Unterschiede im Bildungsniveau gibt, die mitunter auch auf einen Migrationshintergrund zurückzuführen sind. Familien, die in ein neues Land kommen, müssen sich in diesem auch eine neue Existenz aufbauen, viel arbeiten und haben daher oft nicht das Geld, die sprachlichen Fähigkeiten oder die Zeit, um ihre Kinder ausgiebig in der Schule zu unterstützen. Aber vielleicht sollten Viele auch einen Blick in den Spiegel werfen. Denn Fremdheit ist eine Zuschreibung sozialer Prozesse. Sie wird erzeugt, indem man den Anderen als fremd definiert. Wir machen den Anderen erst fremd, wenn wir ihn in Kategorien einordnen. Das Fremde, Andere oder „Ausländische“ kommt nur in Relation zu etwas Anderem zustande. Mit dem Fremden wird quasi eine Grenze zum anderen gezogen, denn es konfrontiert einen jeden von uns mit der eigenen Beschränktheit und der nicht realisierten Möglichkeit, anders zu sein.
Wird Kindern mit Migrationshintergrund möglicherweise von vornherein suggeriert, dass sie es nicht schaffen?
Am Ende der Grundschulzeit erhalten sie wesentlich öfter eine Empfehlung für die Hauptschule oder maximal für die Realschule, als Kinder ohne Migrationshintergrund – übertrieben ausgedrückt: Die „eigenen“ Leute soll auf die „besseren“ Schulen gehen.
Auch ich kann mich noch gut daran erinnern, dass man mich, gemeinsam mit allen anderen „Ausländer-Kindern“ aus dem Ort, bereits in der Grundschule pauschal in einen Deutsch-Förderkurs schicken wollte. Ohne überhaupt zu beobachten, wie gut oder schlecht ich mich in der Schule machen würde, wurde ich in eine Schublade gesteckt. Sehr einprägsam war auf der anderen Seite aber die Erinnerung, dass meine Mutter sich vehement weigerte mich in den besagten Förderkurs zu schicken, weil ich, laut ihr, besser deutsch sprechen könne, als die deutschen Kinder an der Schule. Doch das Vorurteil blieb. Als die Grundschulzeit sich dem Ende zuneigte und die Wahl der weiterführenden Schule anstand, war die Entscheidung für mich klar – das Gymnasium muss es sein. Der Notendurchschnitt dafür war gut genug und auch der Wille und das Interesse viel zu lernen waren da. Trotzdem legte mir meine Klassenlehrerin recht dringlich ans Herz zur Hauptschule zu gehen. Das Gymnasium wäre für mich zu anspruchsvoll und auf der Hauptschule hätte ich (zumindest) eine Chance gute Noten zu erzielen. Obgleich man nicht leugnen kann, dass es auch Kinder mit Migrationshintergrund gibt, die durch fehlende Sprachkenntnisse wirklich Probleme in der Schule haben und von einem Förderkurs sicherlich profitieren würden, gibt es auch die andere Seite der Medaille. Nämlich jene, dass SchülerInnen auch schlechter in der Schule abschneiden können, weil genau das von ihnen erwartet wird. Dieses Phänomen beschreibt z.B. der Pygmalion-Effekt. Er geht zurück auf eine Studie, in der LehrerInnen suggeriert wurde, dass einige Kinder in ihrer Klasse intelligenter wären, als der Rest. Tatsächlich förderten die Lehrkräfte jene SchülerInnen unterbewusst deutlich mehr, weshalb sie am Ende bessere Ergebnisse in der Schule erzielten.
Es ist daher nicht genug, (wenn auch wichtig!) SchülerInnen mit Migrationshintergrund nur sprachlich zu fördern. Die soziale Einbindung und die Betrachtung der Kinder, nicht nach polnischem, türkischem oder syrischem Migrationshintergrund, sondern ganz allgemein nach ihren individuellen Bedürfnissen, hat eine ebenso große Bedeutung. Denn wenn eine Lehrkraft, die besonders für Kinder eine große Autoritätsperson ist, einer Schülerin/ einem Schüler sagt, sie/ er sei nicht klug genug, um eine höhere Schule zu besuchen, kann das große Auswirkungen haben. Vielmehr sollte man SchülerInnen mit Migrationshintergrund eine entsprechende Förderung anbieten, wenn diese benötigt wird, so wie auch ein Kind ohne Migrationshintergrund, eine solche benötigen kann und jenen mit Ambitionen helfen, ihre Ziele zu erreichen, anstatt sie klein zu machen.
Quellen:
– Solga, Heike, Rosine Dombrowski: Soziale Ungleichheiten in schulischer und außerschulischer Bildung. Stand der Forschung und Forschungsbedarf, Düsseldorf 2009.
– Baudson, Tanja Gabriele: Pygmalion in der Schule. Wie mächtig sind Lehrerwartungen?, in: MinD-Magazin 82, Juni 2011.
– Olechowski, Richard: Die höhere Schule – eine Stätte sozialer Selektion, in: Erziehung und Unterricht, September/Oktober 7-8, 2008.
– https://mediendienst-integration.de/integration/bildung.html