Gerechtigkeit: Was ist das?
LV: Gender, DIversität und Inklusion
Artikelsammlung
Gruppe D
Gerechtigkeit: Was ist das?
Verfasserin: Hannah Staudinger
„Das Ändern der Realität“. So heißt ein Kapitel von Anna Mayrs Buch „Die Elenden“. Doch was soll das eigentlich bedeuten? Nehmen Sie sich doch einen Augenblick Zeit und überlegen Sie, welche Bilder kommen Ihnen in den Kopf, wenn sie „Das Ändern der Realität“ hören? Vielleicht verschiedene Realitäten, verschiedene Ansichtsweisen, der verzweifelte Versuch sein eigenes Leben zu ändern oder doch bewusstseinserweiternde Drogen?
Nein. In diesem Kapitel des Buches geht es um Gerechtigkeit und Chancengleichheit und Anna Mayrs Ansichten zu diesen Themen, vor allem in Bezug auf ihre soziale Herkunft, da ihre Eltern arbeitslos sind. Doch bedeutet Arbeitslosigkeit wirklich faul oder asozial zu sein, so wie es in unserer Gesellschaft als gang und gäbe angesehen wird?
Die Antwort findet man, wenn man ein bisschen weiterliest. Genau darauf soll dieser Blogeintrag anspielen. Weiterlesen, hinter die Kulissen blicken und seine eigene Einstellung zu überdenken.
Doch zuvor noch ein kleiner Gedankenanstoß dazu. Anna Mayr schreibt in dem Buch über sich selbst und ihre „Aufstiegsgeschichte“, die sie selbst aber nicht als solche definieren will. Sie sagt wortwörtlich: „Von außen betrachtet eine Aufstiegsgeschichte“. Heute ist sie Journalistin, immer schon bemüht ihre Ziele und Träume zu verwirklichen, wofür sie schon als Kind hart gearbeitet hat. Apropos arbeiten: ihre Eltern sind Langzeitarbeitslose. Ihr Vater verrichtete immer wieder Hilfsarbeiten, die jedoch so schlecht bezahlt waren, dass sie sich als Familie nicht wirklich über Wasser halten konnten. Die Mutter hat Philosophie studiert, wurde jung schwanger und konnte ihr Studium somit nicht zu Ende bringen. Liest man dies nun so, fällt auf, dass arbeitslos sein nicht gleich faul sein ist.
Mayr selbst sagt dazu: „Lebensgeschichten sind nicht erklär- oder planbar.“ Normal sucht man sich ja nicht aus arbeitslos zu sein und Schwierigkeiten zu haben, durchs tägliche Leben zu kommen. Das Leben vieler Arbeitslosen ist von, im Nachhinein betrachtet, falschen Entscheidungen oder auch Schicksalsschlägen geprägt. Oder haben Sie sich nach dem Aufstehen schon mal gedacht: „Oh Mann, ich wäre gerne arbeitslos!“
Wohl eher nicht.
Mayr berichtet auch von einem Gespräch mit einem Arbeitskollegen, in dem es darum geht, wo sie herkommen. Sie nennt ihm den Namen ihres Viertels und er antwortet: „Ah, da gibt es ja ganz schön asoziale Gegenden. Ich war mal für ein Uni-Seminar dort. Es ging um Abgehängte. Wir haben an Türen geklingelt und mit Leuten geredet. Wer dir da so aufmacht…“
Wenn Sie den Satz jetzt hier so lesen, dann fällt Ihnen vermutlich auf, dass dieser junge Mann nur so mit Vorurteilen behaftet zu sein scheint. Doch sind wir mal ehrlich… ist es bei Ihnen oder auch bei mir recht viel anders?
Natürlich versucht man, also ich auf jeden Fall und ich denke bei Ihnen ist es nicht anders, das „Schubladendenken“ zu vermindern bzw. ganz zu vermeiden. Doch als Person, die in höheren sozialen Schichten aufgewachsen ist und sich nie um das Geld kümmern musste, werden wir in ein System hineingedrückt, mit bestimmten Werten und Tugenden und leider auch vielen Vorurteilen… oder fühlen Sie sich nicht unwohl, wenn Sie an einem Obdachlosen oder einer Obdachlosen vorbeigehen oder wechseln Sie sogar die Straßenseite?
In unserem Denken gibt es nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse oder bestimmte Schubladen, in die wir bewusst oder unbewusst Menschen hineinstecken. In unserer Gesellschaft existieren zwei Welten oder sollte ich besser kollidieren sagen?