Leistung, etwas zu leisten, ist dem Wesen des Menschen tiefster Grund. Menschen wollen etwas leisten und sind mit Anstrengungsbereitschaft und Lust am Erfolg ausgestattet. Folgendes Beispiel: Ein Kind, das zu laufen lernt, hat einen unbändigen Leistungswillen, wird von seiner Umwelt in der Regel wohlwollend begleitet und in seinem Bemühen bestärkt und unterstützt. Was hier angesprochen wird, prägt ganz wesentlich die Entwicklung eines Kindes. Lustvoll Lernen wollen, uns anstrengen und etwas leisten, ist uns sozusagen in die Wiege gelegt. Leitende Fragen dabei; was will ich leisten und, was kann ich leisten?

Menschen sind grundsätzlich motiviert und haben Gestaltungswillen. Betrachtet man die menschliche Entwicklung im Rahmen der schulischen Ausbildungsjahre, dann stellt man fest, dass dieser innere Antrieb zur Leistung stetig abnimmt. Leistung und was als Leistung anerkannt wird, entkoppelt sich zunehmend von der individuellen Entwicklung und damit verbundenen Neigungen und Interessen. Die zentralen Fragen für Leistung werden; was soll ich leisten und, was muss ich leisten? Damit wächst die Erkenntnis, dass Liebe und Zuwendung davon abhängen, ob fremde Anforderungen erfüllt werden. Diese Erfahrung wird als Entfremdung vom Selbst bezeichnet, das heißt, eigene Bedürfnisse und Voraussetzungen zum Lernen und Sich-Entwickeln spielen eine untergeordnete Rolle, werden abgewertet.

Das, was ein Mensch daraus lernt, ist, er wird als wertvoll und liebenswert erkannt, wenn er sich den äußeren Normen fügt und unterordnet. Die Schul- und Ausbildungszeit ist die Zurechtrückung des einzelnen Menschen auf jene Verhältnisse, die in weiten Bereichen die moderne Arbeitswelt bestimmen. Dort gilt verkürzt, wer produktiv ist, hat einen Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe und Wertschätzung. Kann das richtig sein? Hat das Recht auf ein würdevolles Leben, eine würdevolle Existenz, nicht jegliches Leben? Unterscheiden in Leistungsträger und nicht Leistungsträger, ein gefährliches Unterfangen, insbesondere aus dem Blickwinkel christlicher aber auch menschenrechtlicher Werte und Rechte.

Dazu möchte ich folgende Überlegung anstellen. Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch, jede menschliche Existenz mit Charisma, was so viel wie Gnadengabe heißt, ausgestattet ist. Jeder Mensch hat seinen Platz und seine Aufgabe. Jeder Mensch kann mit seinen Talenten im Rahmen der Schöpfung mitwirken. Das Schwache und Mindere hat im Zusammenspiel des Ganzen eine genauso hohe Bedeutung wie das scheinbar Starke und Wertvolle. So hat jeder Mensch ein Anrecht auf hinreichende Versorgung mit Gütern und ein menschlich ausreichendes Maß an Wohlstand.

Damit will ich einem verkürzten Begriff von Leistung und unmenschlichen Leistungsstreben entgegen reden. Leistung muss im Verhältnis zu den vorhandenen Talenten gesehen werden. Wenn jemand mit besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten beschenkt ist, dann kann er in bestimmten Angelegenheiten mehr leisten als andere. Es ist seine Verantwortung, diese Talente zu seinem und zum Wohle aller zu nutzen. Gleichnishaft wird dies auch im Evangelium nach Math. 25, 14-30 oder Luk. 19, 12-27 besprochen. Die Fragen lauten; was will ich leisten, was kann ich leisten und, was vermag ich zu leisten (i.S. wo sind meine Grenzen)?

Das, was heute die Menschen im Rahmen einer Leistungsgesellschaft erleben, schließt vieles an menschlichen Leistungen aus. Dieses Ausschließen erfolgt meist in der Form, dass bestimmten Leistungen kein oder ein minderer Wert beigemessen wird. Oft bleibt dabei das Humane, das menschliche Maß auf der Strecke.

In diesem Sinne möchte ich dazu ermuntern, Leistung auch im Unscheinbaren und dem vordergründig Nutzlosen zu suchen und zu würdigen. Auch die Schwachen und vermeintlich Nutzlosen liefern ihren angemessenen Beitrag zum Ganzen.

Autor: Josef Eisner (2020)