Archiv für August 2013

„So viele Ältere sind an einem tiefen Frustrationspunkt“

Mit 60+ will der einstige Agenturinhaber Stefan Szalachy Älteren Mut zur "Neukonfiguration" machen. Er ist privilegiert und kann innerhalb aller Stereotype seine Seniorität dabei gut ins Spiel bringen.

Stefan Szalachy bezeichnet sich selbst als "Auslaufmodell". Und ist in der privilegierten Situation (sagt er auch selbst), darüber schmunzeln zu können. Andere mit 60+, die noch arbeiten wollen, tun sich schwerer. Denn trotz aller Ambitionen, die Erwerbsquoten von Älteren zu steigern, ist die Vermittelbarkeit von Menschen über 50 nach wie vor ein Problem. Das mag teilweise auch an den Betroffenen und ihren unangemessenen Vorstellungen liegen. Aber im Zentrum stehen dabei wohl hartnäckige Stereotype von "teuer" über "langsam" bis zu "Analphabeten in Sachen Neue Medien".

Nach fast 40 Jahren im PR-Geschäft mit eigener Agentur (Esprit) freut sich Szalachy, dass er seine Seniorität "verwerten" kann und die Gegenüber nicht unangenehm berührt sind, dass er überhaupt noch arbeiten will. Also sagt er auch: "Solange ich noch etwas leisten kann, will ich das auch und tue ich das auch." Und zwar als Konflikt-, Stress- und Burnout-Coach. Als Vorbereitung auf eine "zweite" Karriere hat der Unternehmer schon vor Jahren Ausbildungen, etwa zum Thema Mediation, absolviert sowie Zertifikate in Coaching erworben. Seine Mission scheint über die Jahre gereift zu sein: "Ich will der wachsenden Generation 50+ ein Beispiel sein, Hoffnung geben, Ältere aufrichten, bei der Neupositionierung helfen", sagt er.

Ob Geld noch Thema sei? Nicht mehr so wie in der Aufbauphase – die Kinder sind erwachsen. Aber natürlich gehe es auch um monetäre Anerkennung für Leistung. Er wolle jetzt aber "zurückgeben." Dies mit der Überzeugung, dass "Neukonfiguration" möglich sei, sagt Szalachy, der 1956 mit Eltern und Geschwistern aus Ungarn nach Österreich kam. Da trage ihn auch große Dankbarkeit – es schließt sich der Kreis zum Wunsch des "Zurückgebens".

Über mangelndes Geschäft könne er nicht klagen, sagt der über Jahrzehnte gut vernetzte PR-Mann, besonders in Sachen Stressbewältigung und Burnout-Prophylaxe habe auch die Novelle zum Arbeitsschutzgesetz deutlich mehr Budgets der Unternehmen für diese Mitarbeiter-Präventionsangebote gebracht. "Anonym funktioniert es am besten", so Szalachy. Dass Gruppenseminare oder Workshops zu diesen Thematiken relativ leer bleiben, wundert ihn nicht: Die Angst vor Stigmatisierung als schwacher Minderleister, gepaart mit Scham, nennt er als Gründe.

Zurück zum Stigma des Alters: Dies spiele in Unternehmen zunehmend eine zerstörerische Rolle – Stichwort Generationenkonflikte -, weiß er aus seiner Konflikt- und Mediationsarbeit. "Und das wird noch schlimmer werden." Innere Emigration, Abschottung, Verweigerung der Wissensteilung nennt er als "teilweise dramatisch" wirksame Symptome.

Obwohl er kein Freund simpler Rezepte sei, ließen sich diese Problematiken auf einen einfachen Nenner bringen: großer Mangel an Verbundenheit, Wertschätzung, Anerkennung und Respekt. Ebendiese Haltungen seien tragende Kraft in seinen Angeboten. Dafür wolle er wirksam sein und "Menschen widerstandsfähiger machen". Also Weltverbesserung? "Dazu bin ich wohl nicht in der Lage. Aber ich bin ein Werteverteidiger, dafür arbeite ich. Und da geht es mir zuerst um Respekt." (kbau)

 

Zitat: Der Standard (2013 08 10/11), K2, “So viele Ältere sind an einem tiefen Frustrationspunkt”