Forever Young

Zitat verfügbaer unter: http://tv.orf.at/groups/magazin/pool/newtonyoung [15.10.09]

FOREVER YOUNG

Der Unterschied zwischen blühender Jugend und dem Alter liegt in unseren Zellen. Ein junger Körper erneuert ständig Haut, Knochen oder Organe. Im Alter hören die Zellen auf, sich zu teilen, können Schäden nicht mehr reparieren und der Organismus wird anfällig für Krankheiten. Können Wissenschafter diesen Prozess bremsen?

Markus Hengstschläger, Humangenetiker, Universität Wien: „Wenn jetzt ein Mensch in Österreich geboren wird, hat er eine eins-zu-eins-Chance, hundert Jahre alt zu werden.“
Vor einem Jahrhundert lag die Lebenserwartung noch bei 49 Jahren. Durch bessere Ernährung und die Medizin können wir heute schon 80 werden. Humangenetiker wie der Wiener Markus Hengstschläger sind überzeugt, dass diese Lebensspanne des Menschen noch deutlich ansteigen kann. Der Fortschritt in der Stammzellen- und Gentechnikforschung soll das möglich machen und die biologische Altersgrenze des Menschen von maximal 115 Jahren bei weitem überschreiten. Denn man wird Gendefekte reparieren und altersschwache Organe mit Stammzellen wieder auffrischen können. Lebensgewohnheiten, Umwelteinflüsse und Ernährung haben natürlich starken Einfluss, die Gene markieren nur das bestenfalls Erreichbare. Wer nicht auf seine Gesundheit achtet, wird auch das Altern schwerer ausbremsen können.
Markus Hengstschläger: „Faktum ist, wir haben das Altern schon lange aufgehalten. Wenn wir einen heute sechzigjährigen vergleichen mit einem Sechzigjährigen vor zwei-, dreihundert Jahren, dann sind die beiden zwar gleich lang auf diesem Planeten gewesen, sind aber biologisch nicht gleich alt. Ein heute Sechzigjähriger ist wesentlich jünger, als ein Sechzigjähriger vor dreihundert Jahren. Er ist fitter, er ist gesünder, er ist vitaler, er ist geistig und körperlich auf einem ganz anderen Niveau. Bei der Haut, den Zähnen, er ist ganz anders ernährt, er ist ganz anders versorgt worden in seinem Leben. Und wenn wir die beiden nebeneinander stellen, dann würde ich sagen, ein heute 60jähriger ist biologisch so alt, wie der damals 50jährige.“
Dass natürliche Lebensgrenzen verlängerbar sind, haben Forscher an der Fruchtfliege bewiesen. Ihr Dasein von 50 Tagen kann ein einziges mutiertes Gen, das, vereinfacht gesagt, den Stoffwechsel verlangsamt, auf 100 Tage verdoppeln. Und das bei bester Gesundheit und Vermehrungsfähigkeit. Ähnliche Gene fanden Wissenschafter in Fadenwürmern. 21 Tage ist ihre Lebensspanne. Experimente mit sogenannten DAF-Genen verlängern ihr Leben bis zum Dreifachen. Das lässt sich zwar nicht direkt auf den Menschen übertragen, aber auch wir haben DAF-Gene im Erbgut.
Altersgene lassen sich auch in Säugetieren steuern. Bei Mäusen wurde gezeigt, dass nur ein mutiertes Gen ihr Leben schon um 20 Prozent verlängert. Sogar die Alterserscheinungen selbst, wie Muskelabbau, lassen sich an Mäusen experimentell schon reparieren.
Über Viren als Transportmittel kann ein verändertes Gen Wachstum und Teilung von Muskelzellen anregen. Etwa 25 Prozent mehr Muskelgewebe entwickelten die Versuchsmäuse. Noch ist es schwierig, die Manipulation gezielt auf Muskelzellen zu beschränken und keine anderen Zellen dabei zu schädigen. Doch ist so ein Eingriff in die Natur jemals beim Menschen denkbar?
Markus Hengstschläger: „Heute zu diskutieren und zu sagen, na wär’s nicht klüger, es nicht doch der Natur zu überlassen – das ist passee bereits. Es gibt nichts mehr, was wir der Natur überlassen. Würden wir alles der Natur überlassen, hätten wir eine durchschnittliche Lebenserwartung von 20 Jahren. Würden wir’s der Natur überlassen, würden wir an einer bakteriellen Infektion sterben, oder an einer Blinddarmentzündung. Das heißt, das Thema ist erledigt, und dabei schreibe ich der Gentechnologie, oder der Stammzellforschung nicht irgendeinen besonderen Stellenwert zu. Nicht einen, den nicht schon die Organtransplantation hatte, das Penizillin hatte, etc. Einfach weil ich glaube, das sind nun mal – klar – Eingriffe in die Natur, Eingriffe, die sozusagen Fortschritt repräsentieren, und das tut man halt, ob es nun Medikamente sind, ob es ein chirurgischer Eingriff ist, oder ob es eines Tages mit Stammzellen oder mit Gentherapie ist.“
Etwa 30.000 Gene hat der Mensch, je zur Hälfte von Vater und Mutter. Etliche davon bestimmen die biologische Uhr, wie wir altern, und wann wir sterben. 50 Mal kann sich eine Zelle teilen, dann beginnt sie zu altern. Nur Stammzellen, aus denen jede beliebige Körperzelle entstehen kann, behalten die Fähigkeit, sich unbegrenzt zu teilen.
Solche Stammzellen, die auch in Erwachsenen noch vorhanden sind, werden künftig zur Bekämpfung von Alterserscheinungen eingesetzt werden. Den Lebenszyklus normaler Zellen bestimmen Telomere, ein Fortsatz an den Enden der Chromosome. Bei jeder Zellteilung werden sie kürzer. Sind sie aufgebraucht, ist die Zellteilung blockiert.
Der bisher ältester Mensch war Jeanne Calmont. Sie erreichte das Rekordalter von 122 Jahren, verbrieft durch ihre Geburtsurkunde, und starb 1997. In den Erbanlagen von besonders alten Menschen könnte die Antwort liegen, warum bei ihnen körperlicher Verfall und Krankheiten viel später auftreten. Denn in manchen Regionen der Erde werden die Menschen signifikant älter, wie auf Sardinien. Dort leben dreimal häufiger Hundertjährige, als in der übrigen westlichen Welt.
Noch mehr Superalte leben in der japanischen Inselprovinz Okinawa. Neben einem kargen, aber stressfreien Leben, und kalorienarmer Kost haben die rüstigen Japaner noch etwas mit den Sarden gemeinsam: eine bestimmte Genvariante tritt gehäuft auf, die das Immunsystem verbessert.
Markus Hengstschläger: „Altern kann man ja nicht in dem Sinn stoppen. Man kann nicht sagen, der altert nicht. Man kann nur den Alterungsprozess verlangsamen. Der 100jährige wird dann so fit sein, wie der 90jährige, das heißt, der 90jährige ist trotzdem alt. Irgendwann ist der Punkt erreicht, auch wenn man das biologische Altern verlangsamt hat, wo es nicht mehr so sichtbar ist. Weil ob jetzt jemand 120 oder 130 ist, er wird auf jeden Fall alt sein.“
Ab dreißig beginnt der Körper merkbar abzubauen, das wird in Zukunft nicht anders sein, auch wenn die Wissenschaft Verbesserungen verspricht. Der Mensch als reparable Maschine, die regelmäßig zum Service muss. Dann werden wir zwar kaum länger jung bleiben, aber deutlich fitter länger alt sein.

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