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Das dritte Alter

Irgendwann zwischen vierzig und fünfzig tritt man in ein Grenzland ein, wo ein Hauch von Wehmut herrscht. Man ist schon lange nicht mehr jung, aber auch nicht richtig alt, man weiß, wo man gewesen ist, aber nicht, in welche Richtung es weitergehen wird. Alte Wahrheiten scheinen überholt. Man muss vieles neu bedenken, durch neues ersetzen und bislang unbekannte Gefühle durchleben. Denn nun muss man das zu Stande bringen, was man immer „später“ tun wollte. Jetzt ist dieses „später“ da. Jetzt hat man die Chance, entweder seine Träume zu verwirklichen oder sie endgültig fahren zu lassen. Sonst wird es zu spät. Das Leben ist eine Direktübertragung. Man kann nicht auf „rewind“ drücken und zurückspulen, wenn etwas Wichtiges fehlt. Die Uhr bleibt nicht stehen – hohe Erwartungen müssen heruntergeschraubt und manche Hoffnung aufgegeben werden.  Mitten im sprudelnden Leben, wenn die Sonne noch hoch steht, erahnt man schon mit einem leichten Schauder die nahende kühle Abendbrise.

Alles fließt, sagt Heraklit: Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.

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Seinem Alter zu begegnen bedeutet, dass man den Mut hat, das Fremde zuzulassen. Man befindet sich an einer Schwelle, die beides markiert: Ende und Neuanfang. Das Älterwerden hat beide Möglichkeiten in sich: Wachstum und Stillstand. Dabei ist es wichtig, unsere verlorene Jugend zu betrauern aber dann ins Neue weiterzugehen und unser Expertentum zu genießen.

Probleme entstehen erst dann, wenn wir versuchen, den Nachmittag des Lebens nach dem Muster des Vormittags zu leben. Die Reife kommt nicht von allein und manchmal tut sie weh. Andererseits sind wir vielleicht erst in reiferen Jahren wirklich dazu fähig, ganz und gar diejenigen zu sein, die wir ursprünglich sein sollten/wollten.

C.G. Jung, der berühmte Psychoanalytiker, meinte, dass die zweite Lebenshälfte voller Entwicklungsmöglichkeiten stecke. Die wichtigsten Lebensaufgaben sind ihm zufolge:

  • Der Wirklichkeit des Alters und des Todes ins Auge zu schauen und im Idealfall zu erkennen, dass sich Leben und Tod bedingen.
  • Sein Leben zusammenzufassen und darüber zu reflektieren.
  • Seine Schlüsse daraus zu ziehen und sich zu entscheiden, wie man den Rest seines Lebens verbringen möchte.
  • Das Vergangene zuzulassen.
  • Seine eigene authentische Art zu finden.
  • Den Sinn in seinem Leben zu finden.
  • Seine kreativen Fähigkeiten zu entdecken und zu bejahen.

Es gibt vieles, das wir nicht verstehen und nicht kontrollieren können, und wenn wir Glück haben, erkennen wir im dritten Alter unseren wahren Wert und lernen Demut angesichts des Großartigen im Leben.

Wenn wir wollen, können wir uns zeit unseres Lebens weiterentwickeln. Dabei geht es nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, ganz zu sein.

Autor: Mag.a Maria B. Eisner, Jobvitalitaet, (c) 2007 (nach einem Text aus: Das Leben ist ein langer Fluss, Tudor-Sandahl, P. 2007)