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Potentiale der Generationen-Diversität

Ziel einer jeden Organisation ist, egal ob im dienstleistenden oder im erzeugenden Sektor tätig, einen wettbewerbsfähigen Level an Produktivität sicher zu stellen. Langläufig wurde und wird menschliche Produktivität bzw. Leistungsfähigkeit mit Abschnitten des kalendarischen Alters in Verbindung gebracht. Salopp gesagt, Jung ist gleich Leistungsfähig und umgekehrt. Nun, dass das nicht zwingend stimmt wurde mittlerweile oft empirisch bestätigt. Ob diese Tastsache auch bereits in allen Köpfen angekommen ist, kann in Frage gestellt werden. Die täglich feststellbaren Handlungsroutinen im Business würden diesen Zweifel durchaus bestätigen. D.h., was die Nutzung von Ressourcen im Rahmen von angemessenen altersgerechten Leiten anbelangt, können noch viele Potentiale gehoben werden. Alles im Leben unterliegt einem Fluss und in diesem Sinne wandeln sich auch die individuelle Arbeitsfähigkeit und die jeweiligen Tätigkeitsinteressen. Diesem Umstand wird vielfach schon Rechnung getragen. Meist aber nur in mittleren und höherwertigen Job-Segmenten.

Worauf soll damit angespielt werden? Arbeits- bzw. Berufsbiographien sind im Wesentlichen an feste mentale Modelle gebunden. Als hinlänglich klug gilt, wer es schafft, sich möglichst geschickt, d.h. finanziell vorteilhaft und ehest möglich aus dem Berufsleben zu verabschieden. Wer diese Darstellung für zu überzeichnet hält, der sollte einmal die Stammtischgespräche Land auf und Land ab etwas genauer verfolgen. Dort öffnet sich die Volksseele, teilt mit was sie wirklich bewegt und punkto beruflicher Lebensgestaltung klingt das (i.d.R.) um 180° anders als in den meist defensiv geführten Mitarbeitergesprächen.

Gesellschaftspolitisch als auch wirtschaftspolitisch ist es nicht tragbar, dass sich zwar die Lebenserwartung (begrüßenswerter Weise) ständig erhöht, das aktive Berufsleben im Durchschnitt oder zumindest relativ, immer kürzer dauert. Die Verantwortung dafür ist eine geteilte. Einerseits werden Organisationen in Zukunft hinsichtlich Beschäftigungs- und Generationenkultur die eigenen Wertepräferenzen und Executive-Routinen differenziert hinterfragen müssen. Etwa in der Weise – wollen wir prinzipiell MitarbeiterInnen bis, z.B. dem 65 Lebensjahr eine Tätigkeitsmöglichkeit anbieten? Oder, wollen wir als Unternehmen unsere Bedingungen im Rahmen von Personalmanagement und Personalentwicklung so gestalten, dass Beschäftigungsfähigkeit auf best mögliche Weise gefördert wird? u.ä.

Das ist aber nur die halbe Miete! Die MitarbeiterInnen und ihre Interessensvertretungen werden die veränderten Tatsachen in Bezug auf die demografischen und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen ebenso in einer angebrachten Weise würdigen müssen. Z.B., ist der optimale Erhalt der Gesundheit (man bedenke unterschiedliches Risikoverhalten) und damit der Arbeitsfähigkeit nicht nur eine Obliegenheit des Unternehmens, sondern in erster Linie eine der MitarbeiterInnen. Eine Flexibilisierung der Rahmenbedingungen für ein Ausgleiten aus dem Vollzeitberufsleben ist eine Notwendigkeit, die als selbstverständlicher Teil der Planung der eigenen Berufsbiografie zu gelten hat. Angemerkt sei dazu, dass mit diesem Aspekt auch das Produktivitätsthema verknüpft ist.

All dies ist aber nur dann zu realisieren, wenn auf beiden Seiten erkannt wird, dass ein möglichst faires System einer lebensphasengerechten Arbeitsorganisation nicht rigide Gleichbehandlung i.S.v. Gleichmacherei bedeutet. Vielmehr, so paradox dies klingen mag, ist dies sinnvoll nur durch systematische und begründete Ungleichbehandlung möglich. D.h., das Ausmaß körperlicher Beanspruchung variiert von Berufsbild zu Berufsbild. Die individuellen Voraussetzungen für die Leistungserbringung variieren ebenso. Folgedessen sind die Parameter für die Ruhestandsberechtigung neu zu überdenken! Zudem wäre es aus ArbeitnehmerInnen-Sicht vorteilhaft, bei entsprechender Verfassung, aus eigenen Stücken danach zu trachten möglichst lange im Arbeitsprozess zu verbleiben. Dies hat nachgewiesener Maßen positive Effekte auf die Lebensqualität im späteren Ruhestand.

Neu zu überdenken ist auch die Tatsache, dass anzahlmäßig große MitarbeiterInnen-Gruppen über die Jahrzehnte ihres aktiven Berufslebens lernentwöhnt werden. Vereinfacht gesagt wird auf Seiten der Unternehmen geerntet aber nicht oder nur unzureichend investiert.

Arbeit

Arbeit

Die dazugehörige Rechnung wird dann aufgemacht, meist in handwerklichen bzw. stark manuell orientierten Berufen, wenn eine MitarbeiterIn jenseits der 50ig angekommen ist. Speziell dann, wenn man aus physiologischen Gründen die meist schwere körperliche Arbeit nicht mehr verrichten kann. In diesem Fall wird es für das Personalmanagement eng. Und zwar deshalb, weil das Ausmaß an (Job-)Flexibilität in Richtung einer angemessenen Tätigkeit aus folgenden Gründen nicht mehr gegeben ist:

• möglicher Weise sind die körperlichen Einschränkungen schon zu gravierend

• Kenntnisse und Fähigkeiten die für die Ausübung einer körperlich weniger belastenden administrativen Tätigkeit notwendig wären sind nicht vorhanden

• die Bereitschaft umzulernen ist kaum bis gar nicht mehr vorhanden (Lernentwöhnung)

• die Grundlagenfähigkeiten zum Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten sind weitgehend verloren gegangen (Stichwort – Lernen lernen!)

Ein Resümee das daraus geschlossen werden kann ist, – wir müssen die Konzepte und die Prioritätensetzung in den Personalentwicklungsagenden neu definieren. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass es ganz einfach nicht stimmt, dass das ausbildungsbezogene Investment in einen Mitarbeiter der 45, 50 Jahre oder älter ist wirtschaftlich nicht mehr interessant ist. Z.B., weil zu alt und daher eine zu geringe Verweildauer im Unternehmen. Falsch, bei jungen MitarbeiterInnen ist durch die entwicklungsbezogene Fluktuation die Verweildauer im Unternehmen meist kürzer (beachte z.B. das Alterssegment zwischen dem ~20 und ~40 Lebensjahr).

Eine professionelle und gezielte lebensphasenorientierte Organisation der Arbeitsverhältnisse ist unumgänglich, will man die Produktivität unserer Unternehmen auch in Zukunft wettbewerbsfähig erhalten. Und, dieses Bemühen kann durchaus auch mit einer angemessenen Humanisierung der Arbeitsbedingungen in Gleichklang stehen. Vier zentrale Bereiche sind es, die diesbezüglich in einer angebrachten Weise koordiniert und gemanagt werden müssen:

• die Gesundheit von Menschen (Arbeitsbedingungen, individuelles Verhalten der MitarbeiterInnen, …)

• Werte (Einstellungen und Haltungen sowie Motivation der MitarbeiterInnen, Adaption der Unternehmenswerte/Unternehmenskultur, Leitungskultur, …)

• Lernen und Kompetenzentwicklung (Rahmenbedingungen für die Entwicklung von MitarbeiterInnen im Unternehmen, individuelles Engagement für Aus- und Weiterbildung, …)

• Arbeitsbedingungen (Sicherheit, Ergonomie, Entgeltsysteme, Arbeitszeitstrukturen, …)

Das Vorhaben, die Verweildauer von MitarbeiterInnen im Arbeitsprozess zu verlängern ist somit nicht nur eine Sache die die Personalentwicklung betrifft, es bedeutet vor allem auch Organisationsentwicklung in ganz fundamentalen Bereichen eines Unternehmens.

Zu lösen ist die Aufgabe nur mit einem eindeutigen Bekenntnis zu den dafür grundlegenden Prämissen und einer damit einhergehenden Neubewertung der Generationen-Diversität im Rahmen von Unternehmen. D.h., eine größere Generationenspannweite an berufstätigen Menschen kann durchaus als eine erweiterte Ressourcenpalette verstanden und genutzt werden. Nutzen Sie diese als eines Ihrer strategisch interessantesten Potentiale im Jahr 2011!

Mit den besten Wünschen für ein erfolgreiches Jahr 2011,

Dr. Josef Eisner