Zuerst fördern, dann fordern

 

Zitat aus derStandard: Bei der dritten „Enquete Arbeitsfähigkeit“ (…) im alten Kassensaal der Nationalbank in Wien wurden positive Beispiele und mehr Chancen für Ältere präsentiert. Gudrun Ostermann

Österreich hat eine außerordentlich hohe Lebenserwartung, dennoch sind doppelt so viele Menschen arbeitsunfähig und gehen vorzeitig in Pension als im EU-Schnitt. Hierzulande scheint der Konsens zu herrschen, dass Arbeit krankmacht. Allein im letzten Monat gab es in Österreich mehr als 5000 Anträge für Invaliditätspension. „Dabei kann Arbeit selbst eine Grundlage von Gesundheit sein, wenn sie Werte wie individuelle Entfaltung und Entwicklung, Kooperationen im Team und Anerkennung durch Kollegen und Vorgesetzte bietet“, sagt Irene Kloimüller, Programmleiterin des Projekts „Fit für die Zukunft“, bei der dritten Enquete zur Arbeitsfähigkeit.

Mehr Lebensqualität

Langzeitstudien in Finnland haben gezeigt, dass die Arbeitsfähigkeit vor dem Pensionsantritt auch entscheidend für die Qualität nach dem Erwerbsleben ist. Die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit hat somit nicht nur einen positiven Effekt auf die Produktivität, sondern auch auf die Pension.

Mit äußerer Überzeugung, aber innerer Skepsis habe man damals dieses Projekt des ÖPWZ (Österreichischen Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitszentrum) unterstützt, gibt Winfried Pinggera, Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), die gemeinsam mit der Allgemeinen Unfallversicherung (Auva) Träger des Projektes ist, zu. Den Stein der Weisen habe man zwar nicht gefunden, aber „wir wissen jetzt, wo wir ansetzen müssen, wenn wir die Arbeitsfähigkeit auch im Alter erhalten möchten. Pinggera spricht von einer Zeitenwende: „Das bisherige Lippenbekenntnis ‚Der Mitarbeiter ist das Kapital des Unternehmens‘ ist in Zeiten der demografischen Veränderungen Realität geworden.“

Die Tatsache, dass wir länger arbeiten müssen, bedeute nicht, dass wir das auch können, wollen und dürfen, hält Juhani Ilmarinen bei seinem Vortrag fest. Der Leiter von Juhani Ilmarinen Consulting mit 35-jähriger Forschungs- und Entwicklungstätigkeit am Finnish Institute of Occupational Health (FIOH) in Helsinki, strich einmal mehr hervor, dass es der falsche Weg sei, zuerst längeres Erwerbsleben zu fordern und dann dieses erst zu fördern. Dennoch sei Österreich auf operativer Ebene bei der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gut unterwegs. Im europäischen Vergleich sind Österreich und Deutschland, die beiden Länder, die in den Beratungs-, Trainings- und Coachingbereichen an oberster Stelle stehen. „Ich sage aber nicht, dass es hier optimal ist. Besonders die Beratung könnte ausgebaut werden“, ergänzt er.

Um die Arbeitsfähigkeit und auch die Produktivität mit zunehmende Alter zu erhalten, müsse in jeder Lebensphase eine Balance der Faktoren Gesundheit, Qualifikation, Werte sowie Arbeit und Führung vorhanden sein, erklärt Ilmarinen. Die einzelnen Faktoren wirken aufeinander und werden durch Familie und Freunde, gesellschaftliches Umfeld sowie politische Rahmenbedingungen beeinflusst. Produktivität sei demnach nicht vom Alter abhängig, sondern von der Organisation der Tätigkeit. Langzeitstudien zeigten, dass bei einem Drittel der Arbeitnehmer im Alter das notwendige Gleichgewicht aber verlorengeht.

Ansatzpunkte zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gebe es genug. So sollten sich beispielsweise auch die Tätigkeitsbeschreibungen mit dem Alter ändern, ergänzt Ilmarinen. Gleichbehandlungen der Generationen seien keine Lösung. „Wir müssen nach Altersgruppen individualisieren. Doch nur wenige Unternehmen haben bisher den Mut gehabt, das auch zu formulieren“, so seine Erfahrung.

Aber auch die Forschung müsse auf universitärer Ebene angehoben werden. „Dafür braucht es Master,- Pre- und Postdoc-Programme“, ergänzt er. Auch ein Lehrstuhl für Occupational Gerontology müsse eingerichtet werden, um die Zusammenarbeit von Forschung, Politik und Unternehmen weiter zu verbessern „Wir können die Arbeit neu strukturieren, denn wir haben auch die Arbeitswelt in ihrer jetzigen Form gestaltet“, ermutigt Ilmarin die Teilnehmer. (…)

Zitat verfügbar unter: http://epaper.derstandarddigital.at/data_ep/STAN/2010/20101204/pagepdf/3C49CDF8-475E-4AB2-8735-6E8658F3837C.pdf / derStandard, 4./5. Dezember 2010, S. K1 [Datum des Zugriffs: 4. Dezember 2010]

Kommentieren

Warning: Undefined variable $user_ID in /home/.sites/615/site1242/web/40_vorwaerts/wp-content/themes/40_vorwaerts/comments.php on line 158

*