Artikel-Schlagworte: „Lebenserwartung“

Arbeit ist das beste Anti-AgingMittel

derStandard, 7. Dezember 2010
BERND MARIN Inaktivitätsatrophie

„Arbeit ist das beste Anti-AgingMittel“, so der Alternsmediziner Christoph Gisinger in Alpbach. Das gilt für Mental Health, seelische Gesundheit bis ins höchste Alter, mehr als für körperliche, wie ich auch von hoch betagten Eltern und Freunden weiß: Mein Vater etwa, am heutigen Tag 91, geht täglich arbeiten (und wirkt daher eher wie Mitte, Ende siebzig). Aber natürlich sieht er die Welt heuer ohne grauen Star bunter und vor allem heller als letztes Jahr mit. Dagegen verblassen ernstere medizinische Indikationen, solange sie Lebensqualität und Lebensweise nicht all zu sehr beeinträchtigen.

Überall dort auf der Welt, wo es Centenare häufig gibt, arbeiten Hundert-jährige regelmäßig auch physisch: Ogimi auf Okinawa, Japan; im Hunzatal in Pakistan; im georgischen Abchasien; in Vilcabamba in Ecuador. Arbeit ist – nach der Liebe – das individuell wirksamste und sozial heilsamste Active-Aging-Präparat. Sinnvolle Arbeit, bezahlter Erwerb oder unbezahltes Ehrenamt, ist stets anregend anstrengend, befriedigend, vorteilhaft für andere und sich selbst, sofern in Maßen, nicht zwanghaft süchtig ausgeübt. Inaktivität hingegen gleicht dem Massenphänomen chronischen medikamenteninduzierten Kopfschmerzes, MIKS, durch übermäßige Schmerzmitteleinnahme.

Ilse Kryspin-Exner spricht von Inaktivitätsatrophie, die unbedingt zu verhindern sei. Sie meint die Hospitalisierung und Heimhaltung hochaltriger, aber selbständig lebensfähiger Menschen in Anstalten, etwa in Folge eines Partnerverlusts. Soziologen kennen die trained incapacity, das angelernte Verlernen von Rezepten und lebenslangen Fähigkeiten. Doch das Konzept von Schwund durch Nicht-Inanspruchnahme und Verfall infolge Unterbeanspruchung ist allgemein gültig, auch für Gesellschaften.

Astronauten erleiden mangels Schwerkraft und Bewegung Muskelschwund, der sie schon nach Rückkehr nach wenigen Wochen im All nicht einmal bis zur nächsten Toilette torkeln lässt. Das letzte Zweitbuch im Jugendalter führt bis zu Jahrzehnten vorzeitiger Verkalkung. Ungenutzte Gaben, Talente und Erlerntes, von Sprachkenntnissen bis zu musikalischer Fingerfertigkeit, verkümmern, mitunter unumkehrbar, je später erlernt, umso rascher. Hausfrauen sterben vor berufstätigen Frauen und länger Arbeitende – sowie „gut“, d. h. alternsbereit Alternde – leben länger, bis über sieben Jahre.

Inaktive Gesellschaften werden unvermeidlich sklerotisch; „altersschwach“ weder durch Alterung, noch durch massenhafte Gebrechlichkeit Hochbetagter, sondern durch die Inaktivitätsatrophie von 21 Millionen Arbeits- und 96 Millionen Erwerbslosen im Erwerbsalter (EU-27). Eine Art selbstinduzierter Gebrechlichkeit durch mangelnde Beanspruchung: Erwerbs-, Produktivitäts-, Innovations- und Wachstumsschwächen. Untätigkeit, eines der fünf sozialen Grundübel bei Beveridge, Erfinder des Wohlfahrtsstaats; hypertrophe, mehrheitliche Versorgungsklassen; eine Erwerbsinvolution und massive Überschuldung privater wie öffentlicher Haushalte, das ist die Euro-Sklerose.

Sofern dabei gleichsam kollektive Zerebralfunktionen berührt sind, wird die Verwechslung von Wohlfühlen mit Wohlstand und Wohlfahrt als irreversibler Niedergang gar nicht mehr erfasst.

Zitat verfügbar unter: http://epaper.derstandarddigital.at/data_ep/STAN/2010/20101207/pagepdf/7DEC77CC-9926-4CB4-94A9-E8D6B5DFA252.pdf [Datum des Zugriffs: 07.12.2010]

Zuerst fördern, dann fordern

 

Zitat aus derStandard: Bei der dritten „Enquete Arbeitsfähigkeit“ (…) im alten Kassensaal der Nationalbank in Wien wurden positive Beispiele und mehr Chancen für Ältere präsentiert. Gudrun Ostermann

Österreich hat eine außerordentlich hohe Lebenserwartung, dennoch sind doppelt so viele Menschen arbeitsunfähig und gehen vorzeitig in Pension als im EU-Schnitt. Hierzulande scheint der Konsens zu herrschen, dass Arbeit krankmacht. Allein im letzten Monat gab es in Österreich mehr als 5000 Anträge für Invaliditätspension. „Dabei kann Arbeit selbst eine Grundlage von Gesundheit sein, wenn sie Werte wie individuelle Entfaltung und Entwicklung, Kooperationen im Team und Anerkennung durch Kollegen und Vorgesetzte bietet“, sagt Irene Kloimüller, Programmleiterin des Projekts „Fit für die Zukunft“, bei der dritten Enquete zur Arbeitsfähigkeit.

Mehr Lebensqualität

Langzeitstudien in Finnland haben gezeigt, dass die Arbeitsfähigkeit vor dem Pensionsantritt auch entscheidend für die Qualität nach dem Erwerbsleben ist. Die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit hat somit nicht nur einen positiven Effekt auf die Produktivität, sondern auch auf die Pension.

Mit äußerer Überzeugung, aber innerer Skepsis habe man damals dieses Projekt des ÖPWZ (Österreichischen Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitszentrum) unterstützt, gibt Winfried Pinggera, Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), die gemeinsam mit der Allgemeinen Unfallversicherung (Auva) Träger des Projektes ist, zu. Den Stein der Weisen habe man zwar nicht gefunden, aber „wir wissen jetzt, wo wir ansetzen müssen, wenn wir die Arbeitsfähigkeit auch im Alter erhalten möchten. Pinggera spricht von einer Zeitenwende: „Das bisherige Lippenbekenntnis ‚Der Mitarbeiter ist das Kapital des Unternehmens‘ ist in Zeiten der demografischen Veränderungen Realität geworden.“

Die Tatsache, dass wir länger arbeiten müssen, bedeute nicht, dass wir das auch können, wollen und dürfen, hält Juhani Ilmarinen bei seinem Vortrag fest. Der Leiter von Juhani Ilmarinen Consulting mit 35-jähriger Forschungs- und Entwicklungstätigkeit am Finnish Institute of Occupational Health (FIOH) in Helsinki, strich einmal mehr hervor, dass es der falsche Weg sei, zuerst längeres Erwerbsleben zu fordern und dann dieses erst zu fördern. Dennoch sei Österreich auf operativer Ebene bei der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gut unterwegs. Im europäischen Vergleich sind Österreich und Deutschland, die beiden Länder, die in den Beratungs-, Trainings- und Coachingbereichen an oberster Stelle stehen. „Ich sage aber nicht, dass es hier optimal ist. Besonders die Beratung könnte ausgebaut werden“, ergänzt er.

Um die Arbeitsfähigkeit und auch die Produktivität mit zunehmende Alter zu erhalten, müsse in jeder Lebensphase eine Balance der Faktoren Gesundheit, Qualifikation, Werte sowie Arbeit und Führung vorhanden sein, erklärt Ilmarinen. Die einzelnen Faktoren wirken aufeinander und werden durch Familie und Freunde, gesellschaftliches Umfeld sowie politische Rahmenbedingungen beeinflusst. Produktivität sei demnach nicht vom Alter abhängig, sondern von der Organisation der Tätigkeit. Langzeitstudien zeigten, dass bei einem Drittel der Arbeitnehmer im Alter das notwendige Gleichgewicht aber verlorengeht.

Ansatzpunkte zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gebe es genug. So sollten sich beispielsweise auch die Tätigkeitsbeschreibungen mit dem Alter ändern, ergänzt Ilmarinen. Gleichbehandlungen der Generationen seien keine Lösung. „Wir müssen nach Altersgruppen individualisieren. Doch nur wenige Unternehmen haben bisher den Mut gehabt, das auch zu formulieren“, so seine Erfahrung.

Aber auch die Forschung müsse auf universitärer Ebene angehoben werden. „Dafür braucht es Master,- Pre- und Postdoc-Programme“, ergänzt er. Auch ein Lehrstuhl für Occupational Gerontology müsse eingerichtet werden, um die Zusammenarbeit von Forschung, Politik und Unternehmen weiter zu verbessern „Wir können die Arbeit neu strukturieren, denn wir haben auch die Arbeitswelt in ihrer jetzigen Form gestaltet“, ermutigt Ilmarin die Teilnehmer. (…)

Zitat verfügbar unter: http://epaper.derstandarddigital.at/data_ep/STAN/2010/20101204/pagepdf/3C49CDF8-475E-4AB2-8735-6E8658F3837C.pdf / derStandard, 4./5. Dezember 2010, S. K1 [Datum des Zugriffs: 4. Dezember 2010]

Realität und Perspektiven

Wenn heute von Lebensarbeitszeit, Arbeitsfähigkeit und lebensphasengerechter Arbeitsorganisation gesprochen wird, dann ist es angebracht, Verhältnismäßigkeiten aus der historischen Entwicklung mit zu beachten. Die wohl zentralsten Punkte sind dabei,

  • die mehr als doppelt so hohe Lebenserwartung (s.u.) innerhalb von 4-5 Generationen, und
  • die reale und noch drastischer ausfallende relative Verkürzung der Lebensarbeitszeit (s.u.).

Umfassend gesehen wurde bis dato keinesfalls in ausreichender Weise auf diese veränderten Gegebenheiten reagiert. Neben erforderlichen gesellschaftspolitischen Maßnahmen sind dabei die Organisationen selbst gefordert, diese veränderten Tatsachen wahrzunehmen und in angemessener Weise ihre Strukturen darauf anzupassen. Die Arbeitswissenschaft nimmt diese Gegebenheit mit zwei Ansätzen wahr. Das eine ist die Verhaltensprävention und das zweite die Verhältnisprävention (vgl. Wirsing, 2010). D.h., dass die notwendigen Veränderungen in der Arbeitswelt nur durch notwendige Veränderungen im individuellen Verhalten des Einzelnen, als auch durch systematische Anpassung unserer Arbeitsverhältnisse in den Organisationen zum Anderen, geleistet werden kann. Generationenmanagement mit dem Ziel einer lebensphasengerechten Arbeitsorganisation stellt hier einen probaten wirksamen Ansatz dar. Mögliche Bausteine für die Realisierung solcher Konzepte finden sie auch in diesem Blog gelistet.


Zitate zur historischen Entwicklung:

Von Bismarck bis Riester: Eine kurze Chronik der gesetzlichen Rente

114 Jahre ist die gesetzliche Rente inzwischen alt – und sie hat viele Veränderungen und Reformen erlebt. Erfahren Sie hier, wie die Rente in Deutschland einmal ausgesehen hat und wie sie sich heute präsentiert.

1889 – Die Geburt der deutschen Rente
Im Jahr 1889 verabschiedet der Reichstag das erste deutsche Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz. Alle Arbeitnehmer zwischen 16 und 70 Jahren und deren Arbeitgeber sind ab sofort verpflichtet, in die Rentenkasse einzuzahlen. Die Rente fungiert zu dieser Zeit eher als kleines Zubrot: Bei einem Gehalt von 350 bis 550 Mark im Monat erhält ein Arbeiter eine monatliche Rente von nur 11,25 Mark. Ausgezahlt wird die Rente mit Vollendung des 70. Lebensjahres. Die durchschnittliche Lebenserwartung zu dieser Zeit liegt allerdings bei nur 40 Jahren.

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Zitat verfügbar unter: http://www.fidelity-meinplan.de/wissen/altersvorsorge/gesetzliche-rente/geschichte-der-rente.html [Datum des Zugriffs: 13. Februar 2010]

Entwicklung der Lebenserwartung

Frauen Männer
Jahrgänge Jahre Lebenserwartung Jahre Lebenserwartung
1868/71 36,2 32,7
1879/82 36,7 33,4
1889/92 38,6 36,0
1899/1902 43,4 40,6
1909/12 46,8 43,5
1930/33 58,5 54,5
1949/51 67,0 61,9
1959/61 72,0 65,6
1970/72 73,7 66,6
1980/82 76,4 69,2
1990/92 79,0 72,5
2000/2002 81,5 75,5
Prognose 2010 83,4 78,1
Prognose 2020 85,2 80,4
Prognose 2030 86,8 82,5
Quelle: Statistik Austria, Bevölkerungsprognose 2009, Hauptvariante. Erstellt am 11.02.2010 und Statistik Austria, Demografische Tafeln, Bearbeitungsstand: 02.09.2008

Wie die unten stehende Grafik noch einmal verdeutlicht, hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung seit den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts mehr als verdoppelt. Als einer der Vorgänger des Österrreichischen Pensionssystems kann die von Bismark begründete Rentenversicherung angesehen werden. Im Prinzip fußt das österreichische Pensionssystem auf der josefinischen Beamtenpension und der 1938 eingeführten deutschen Altersrente die nach 1945 in die zweite Republick übernommen und beibehalten wurde (s.u.).

Historische Demografische Entwicklung

Entstehung des Pensionssystems (in Österreich (Anm. d. Verf.))

Im 19. Jahrhundert begann sich die staatliche Verwaltung zu rationalisieren, individuelle Lösungen wurden schwieriger. „Allmählich wurde es Regel, dass man zu einem kalendarischen Alter ausschied“, erläutert Josef Ehmer. In Österreich besteht seit josephinischer Zeit das Modell der Beamtenpension, 1906 folgte eine Ausweitung auf Angestellte (damals Privatbeamte). Die Altersrente für Arbeiter wurde 1938 nach deutschem Modell von den Nationalsozialisten eingeführt und nach 1945 beibehalten.

Probleme der Gegenwart

Die offizielle Altersgrenze für den Pensionsantritt (65 Jahre für Männer, 60 bzw. 65 für Frauen) ist seither relativ stabil geblieben, doch die Realität sieht anders aus: Das faktische Pensionsantrittsalter ist – etwa durch das Instrument der Frühpensionierung – immer niedriger geworden. Hinzu kommt das Problem der Arbeitslosigkeit vor dem Rentenalter: „Dass Leute ab 65 Rente beziehen, bedeutet nicht, dass alle bis dahin Arbeit finden“, so Prof. Ehmer. „Das ist ein internationales Problem, das Handlungsbedarf erfordert.“

Ehmers Zukunftsutopie

Was die Zukunft der Erwerbstätigkeit angeht, hat Josef Ehmer eine Utopie entwickelt: „Ich fände es sinnvoll, die Möglichkeit für Erwerbstätigkeit im Alter ohne Zwang zu erhöhen und gleichzeitig eine vorgezogene Pensionsmöglichkeit in jüngeren Jahren zu schaffen: Man könnte nicht erst mit 65, sondern mit 30 oder 50 eine befristete Auszeit nehmen und z.B. mit Bildung füllen. Denn je intensiver Menschen gewohnt sind zu lernen, desto stärker ist ihre Lernfähigkeit im Alter.“ – All das, ohne die Lebensarbeitszeit zu erhöhen.

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Zitat verügbar unter: http://www.dieuniversitaet-online.at/dossiers/beitrag/news/alter-und-arbeit/469/neste/1.html [Datum des Zugriffs: 13. Februar 2010]

Chancen der aktuellen Demographie

 

Zwölf Vorschläge, wie die demographische Chance genutzt werden kann

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrug bei der Geburt die Lebenserwartung der Frauen in Deutschland 48 und die der Männer 45 Jahre. Heute liegt sie bei 82 und 77 Jahren. Die demographische Entwicklung hat das Leben der Menschen im Durchschnitt erheblich verlängert. Gleichzeitig erreicht man das höhere Alter auch bei besserer Gesundheit. Und der Trend setzt sich fort: Zukünftige Generationen werden noch länger und gesünder leben.

Dieser demographische Wandel birgt demographische Chancen:

  • für die Gestaltungsmöglichkeiten des Einzelnen,
  • für die Entwicklung von Unternehmen und Arbeitswelt sowie
  • für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft.

Kurz: Der Gewinn an Lebenszeit stellt ein noch unausgeschöpftes Fortschrittspotenzial dar. Um dieses Potenzial zu nutzen, bedarf es allerdings des Muts und des Willens zur Veränderung. Insbesondere überkommene institutionelle, kulturelle und soziale Ordnungen, aber auch lange gewachsene Gewohnheiten müssen überdacht und angepasst werden. Jeder Einzelne ist genauso gefordert wie Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes.

Für den Einzelnen bedeutet dies …

  1. … die Möglichkeiten eines neuen Altersbildes zu erkennen und zu nutzen.
    Wann ist ein Mensch alt? Mit 60? Mit 65? Oder doch erst mit 75 oder 80? Tatsache ist: Das kalendarische Alter ist eine rein rechnerische Größe. Keine Lebensphase ist so individuell wie das Alter. Denn das Spektrum von Fähigkeiten in einer Gruppe von Gleichaltrigen wird zunehmend breiter. Der Stempel „Alt“, der Älteren von der Gesellschaft verpasst wird, taugt für die persönliche Entwicklung und Lebensgestaltung nicht mehr. Ein 60- Jähriger ist heute so fit wie ein 55-Jähriger der vorherigen Generation. Wenn wir uns von überkommenen Altersbildern lösen, haben wir die Chance auf ein vielfältigeres, zufriedeneres und erfüllteres Leben.
  2. … sich so oft wie möglich weiterzubilden.
    Die Voraussetzungen für ein erfülltes und produktives Leben im Alter entwickeln und erneuern wir im Verlauf unseres gesamten Lebens. Dies gilt besonders für die Weiterentwicklung unserer Kenntnisse und Fähigkeiten – Stichwort „Lebenslanges Lernen“. Nur wer die Ausbildungsphase vor dem Eintritt ins Berufsleben immer wieder durch Bildungsphasen während seines gesamten Berufslebens ergänzt, kann die eigene Entwicklung im Verlauf eines abwechslungsreichen Berufslebens befördern und sich auch in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt behaupten. Statt „fünf Tage im Jahr“ sollten „fünf Jahre im Leben“ zum Richtwert bei der Gestaltung individueller Weiterbildungsbiografien werden. Denn ein Zusammenhang ist wissenschaftlich erwiesen: Wer lernt, lebt länger.
  3. … sich von einseitigen Erwerbsbildern zu lösen.
    Ruheständler wollen ihre Zeit nicht nur mit Ausruhen verbringen. Es gibt in den älteren Generationen ein starkes Bedürfnis, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Zugleich ist die verstärkte Erwerbsbeteiligung dieser Gruppe aus volkswirtschaftlichen Gründen unerlässlich. Die vielfach vorhandene Bereitschaft der älteren Generationen, sich an der gesellschaftlichen Wertschöpfung zu beteiligen, sollte genutzt werden. Beispielsweise durch einen gesonderten Arbeitsmarkt, der so genannte „zweite Karrieren“ in nicht angestammten Arbeitsbereichen oder Branchen und mit veränderten Arbeitszeiten ermöglicht.
  4. … die Mitverantwortung für die eigene Gesundheit zu stärken. Alter braucht Vorbereitung: Die Aussicht auf ein längeres Leben sollte so früh wie möglich in die persönliche Lebensgestaltung einfließen. Nur wer seine Gesundheit erhält, kann das längere Leben umfassend nutzen. Der Gesetzgeber sollte Bürgerinnen und Bürger deshalb bei der frühzeitigen Vorsorge unterstützen – etwa durch breit angelegte und möglichst früh einsetzende Bildungsprogramme und eine Stärkung der präventiven Medizin.

Für Unternehmen und Tarifparteien folgt daraus …

  1. … ältere Menschen länger zu beschäftigen – und neu einzustellen.
    Ältere Menschen können mit ihrer Erfahrung, ihrem Wissensschatz und ihrer sozialen Kompetenz maßgeblich zum Erfolg eines Unternehmens beitragen. Allerdings wird dieses Potenzial viel zu selten genutzt. Stigmatisierung und Fehlurteile versperren älteren Menschen allzu oft den Zugang zum Arbeitsmarkt. Fakt ist aber: Ein Rückgang in der Produktivität Älterer bis 65 Jahre lässt sich bisher in Untersuchungen nicht belegen.
  2. … die Arbeitsorganisation zu optimieren.
    Mit zunehmendem Alter lassen bestimmte Fähigkeiten nach, andere wiederum nehmen zu – Arbeitnehmer haben nicht nur unterschiedliche, sondern auch sich verändernde Leistungs- und Qualifikationsprofile. Um Mitarbeiter möglichst produktiv einzusetzen, müssen die Stärken und Schwächen verschiedener Altersgruppen bei der Arbeitsorganisation berücksichtigt werden. Die Kunst der Arbeitsteilung besteht gerade darin, Menschen diejenigen Aufgaben zuzuordnen, die sie im Zusammenspiel mit anderen Menschen – auch anderen Alters – am besten erfüllen können.
  3. … Tätigkeitswechsel zu erleichtern.
    Ältere Arbeitnehmer sind leistungsfähig. Leider werden Menschen zu selten dort eingesetzt, wo ihre Fähigkeiten am besten zum Zuge kommen. Um die Produktivitätsreserven älterer Arbeitnehmergenerationen zu aktivieren, müssen Tätigkeitswechsel erleichtert werden.
  4. … kontinuierlich in die Qualifikation der Mitarbeiter zu investieren.
    Die Gleichung ist einfach: Ein Betrieb, der unter den Bedingungen des demographischen Wandels Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität bewahren will, muss die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität seiner Mitarbeiter erhalten. Dies gelingt vor allem durch kontinuierliche Investitionen in Qualifikation und Kompetenzentwicklung aller Beschäftigten. Lernfähigkeit ist eben keine Frage des Alters – und die Weiterbildung der Mitarbeiter eine zentrale Voraussetzung zur nachhaltigen Nutzung von Arbeitskraft. Bislang wird dieser Erkenntniszusammenhang noch zu selten in die Tat umgesetzt– gesetzgeberische Anreize für neue berufliche Chancen auch nach Vollendung des 50. Lebensjahres könnten die Situation verbessern.

Für Gesetzgeber, Verwaltungen, Medien und Verbände bedeutet das …

  1. … aktiv auf die Revision eines negativ geprägten Altersbildes hinzuwirken.
    Altern ist keine Krankheit. Tatsächlich bleiben wir länger gesund, in den letzten Jahren hat die Dauer der hochaltrigen Krankheits- und Abhängigkeitsphase abgenommen – und eben nicht zugenommen. Die Gesellschaft als Ganzes ist dazu aufgefordert, das einseitig negativ geprägte Altersbild zu revidieren.
  2. … das Konzept des streng dreigliedrigen Lebenslaufes zu überdenken.
    Die Zeit der Ausbildung fällt in die Jugend, die Berufstätigkeit prägt das Leben der Erwachsenen, und im Alter genießen wir den Ruhestand. Diese herkömmliche Dreiteilung prägt leider noch immer unsere Auffassung von einem typischen und idealen Lebensweg. Sie lässt die Möglichkeiten, die der demographische Wandel bietet, unberücksichtigt. Menschen werden aufgrund ihres Alters auf Rollen festgelegt und damit wird ihr Spielraum – auch ihr Leistungsspielraum – begrenzt. Wenn wir dagegen dieses unter den gegebenen demographischen Umständen zukunfts- und entwicklungsfeindliche Modell auflockern, lassen sich individuelle und gesellschaftliche Potenziale besser nutzen.
  3. … neue Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Partizipation zu schaffen.
    37 Prozent der 60- bis 69-Jährigen engagieren sich bereits heute zivilgesellschaftlich. Und weitere 25 Prozent – zwei Millionen Menschen – wollen es tun, wenn sich ihnen passende Gelegenheiten eröffnen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diese Möglichkeiten zu schaffen. Denn die bessere gesellschaftliche Teilhabe älterer Generationen schafft Mehrwert – für die Älteren selbst und für die Gesellschaft als Ganzes.
  4. … den Generationenvertrag zu erneuern.
    Der Krieg der Generationen fällt aus: Die Produktivität der gewonnenen Jahre bietet auch einer Gesellschaft mit alternder Bevölkerung die Chance auf Wachstum und Wohlstand. Die Nutzung dieses Potenzials geht nicht auf Kosten der jüngeren Generation. Vielmehr kann es nur einer Gesellschaft für alle Lebensalter gelingen, den demographischen Wandel in eine Chance zu verwandeln. Eine notwendige Erneuerung des Generationenvertrags ist daher möglich, ohne dessen unbestrittene Errungenschaften in Frage zu stellen. Dazu bedarf es einer entsprechend ausgerichteten Arbeits-, Beschäftigungs- und Gesundheitspolitik.

Zitat verfügbar unter: http://www.altern-in-deutschland.de/de/empfehlungen/12_punkte_papier.html [Datum des Zugriffs: 26.10.09]