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Zuerst fördern, dann fordern

 

Zitat aus derStandard: Bei der dritten „Enquete Arbeitsfähigkeit“ (…) im alten Kassensaal der Nationalbank in Wien wurden positive Beispiele und mehr Chancen für Ältere präsentiert. Gudrun Ostermann

Österreich hat eine außerordentlich hohe Lebenserwartung, dennoch sind doppelt so viele Menschen arbeitsunfähig und gehen vorzeitig in Pension als im EU-Schnitt. Hierzulande scheint der Konsens zu herrschen, dass Arbeit krankmacht. Allein im letzten Monat gab es in Österreich mehr als 5000 Anträge für Invaliditätspension. „Dabei kann Arbeit selbst eine Grundlage von Gesundheit sein, wenn sie Werte wie individuelle Entfaltung und Entwicklung, Kooperationen im Team und Anerkennung durch Kollegen und Vorgesetzte bietet“, sagt Irene Kloimüller, Programmleiterin des Projekts „Fit für die Zukunft“, bei der dritten Enquete zur Arbeitsfähigkeit.

Mehr Lebensqualität

Langzeitstudien in Finnland haben gezeigt, dass die Arbeitsfähigkeit vor dem Pensionsantritt auch entscheidend für die Qualität nach dem Erwerbsleben ist. Die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit hat somit nicht nur einen positiven Effekt auf die Produktivität, sondern auch auf die Pension.

Mit äußerer Überzeugung, aber innerer Skepsis habe man damals dieses Projekt des ÖPWZ (Österreichischen Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitszentrum) unterstützt, gibt Winfried Pinggera, Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), die gemeinsam mit der Allgemeinen Unfallversicherung (Auva) Träger des Projektes ist, zu. Den Stein der Weisen habe man zwar nicht gefunden, aber „wir wissen jetzt, wo wir ansetzen müssen, wenn wir die Arbeitsfähigkeit auch im Alter erhalten möchten. Pinggera spricht von einer Zeitenwende: „Das bisherige Lippenbekenntnis ‚Der Mitarbeiter ist das Kapital des Unternehmens‘ ist in Zeiten der demografischen Veränderungen Realität geworden.“

Die Tatsache, dass wir länger arbeiten müssen, bedeute nicht, dass wir das auch können, wollen und dürfen, hält Juhani Ilmarinen bei seinem Vortrag fest. Der Leiter von Juhani Ilmarinen Consulting mit 35-jähriger Forschungs- und Entwicklungstätigkeit am Finnish Institute of Occupational Health (FIOH) in Helsinki, strich einmal mehr hervor, dass es der falsche Weg sei, zuerst längeres Erwerbsleben zu fordern und dann dieses erst zu fördern. Dennoch sei Österreich auf operativer Ebene bei der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gut unterwegs. Im europäischen Vergleich sind Österreich und Deutschland, die beiden Länder, die in den Beratungs-, Trainings- und Coachingbereichen an oberster Stelle stehen. „Ich sage aber nicht, dass es hier optimal ist. Besonders die Beratung könnte ausgebaut werden“, ergänzt er.

Um die Arbeitsfähigkeit und auch die Produktivität mit zunehmende Alter zu erhalten, müsse in jeder Lebensphase eine Balance der Faktoren Gesundheit, Qualifikation, Werte sowie Arbeit und Führung vorhanden sein, erklärt Ilmarinen. Die einzelnen Faktoren wirken aufeinander und werden durch Familie und Freunde, gesellschaftliches Umfeld sowie politische Rahmenbedingungen beeinflusst. Produktivität sei demnach nicht vom Alter abhängig, sondern von der Organisation der Tätigkeit. Langzeitstudien zeigten, dass bei einem Drittel der Arbeitnehmer im Alter das notwendige Gleichgewicht aber verlorengeht.

Ansatzpunkte zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gebe es genug. So sollten sich beispielsweise auch die Tätigkeitsbeschreibungen mit dem Alter ändern, ergänzt Ilmarinen. Gleichbehandlungen der Generationen seien keine Lösung. „Wir müssen nach Altersgruppen individualisieren. Doch nur wenige Unternehmen haben bisher den Mut gehabt, das auch zu formulieren“, so seine Erfahrung.

Aber auch die Forschung müsse auf universitärer Ebene angehoben werden. „Dafür braucht es Master,- Pre- und Postdoc-Programme“, ergänzt er. Auch ein Lehrstuhl für Occupational Gerontology müsse eingerichtet werden, um die Zusammenarbeit von Forschung, Politik und Unternehmen weiter zu verbessern „Wir können die Arbeit neu strukturieren, denn wir haben auch die Arbeitswelt in ihrer jetzigen Form gestaltet“, ermutigt Ilmarin die Teilnehmer. (…)

Zitat verfügbar unter: http://epaper.derstandarddigital.at/data_ep/STAN/2010/20101204/pagepdf/3C49CDF8-475E-4AB2-8735-6E8658F3837C.pdf / derStandard, 4./5. Dezember 2010, S. K1 [Datum des Zugriffs: 4. Dezember 2010]

Lebensphasenorientierte Arbeitsorganisation (LAO)

Um auf dem Hintergrund der sich rasch verändernden demografischen Bedingungen in den Belegschaften erfolgreich wirtschaften zu können, sind eine Reihe von Maßnahmen von Nöten. Nahezu jeder Betrieb ist von diesen Veränderungen in den Rahmenbedingungen betroffen. Das Managen heterogener und alterslastiger Belegschaftsstrukturen, auch als Generationenmanagement bezeichnet, bezieht sich auf das Gestalten von angemessenen Rahmenbedinungen in diesem Kontext. Dabei werden unter anderen folgende Fragen wesentlich:

  • Wie kann notwendiges personengebundenes Know-how im Unternehmen gehalten werden?
  • In welcher Form ist die Personalakquise neu auszurichten? D.h., ist die Personalbeschaffung in der lange Jahre praktizierten Art und Weise in den nächsten Jahren noch durchführbar?
  • In welcher Weise ist Aus- und Weiterbildung neu auszurichten und wie kann die informelle Wissensweitergabe in formelle Raster hereingeholt werden?
  • Will das Unternehmen die Mitarbeiter länger beschäftigen als dies bis jetzt üblich war?
  • Und, was ist der Beitrag des Unternehmens zur Gestaltung von Bedingungen die eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit fördern?
  • Wie müssen sich die Mitarbeiter neu einstellen, wer von diesen ist dazu bereit länger im Beruf zu verbleiben und in welcher Weise sind sie zu einer Umbewertung des Ausgleitens aus dem Arbeitsleben bereit?

Ein erfolgreiches Konzept für den Umgang mit den aktuellen demografischen Gegebenheiten in den Belegschaften erfordert eindeutige Antworten auf diese Fragen. Unternehmen die daran interessiert sind, dass Mitarbeiter länger und produktiv im Arbeitsprozess verbleiben, müssen diese Absicht klar kommunizieren. Dadurch werden unterschiedliche personalpolitische Entscheidungsgrundlagen neu ausgerichtet. Vor allem ist eine strategisch orientierte betriebliche Gesundheitsförderung dauerhaft in die relevanten Prozesse zu integrieren. Lebensphasenorientierte Arbeitsorganisation berücksichtigt dabei aber auch die wertvollen Ansätze des Diversity Management. Dessen integrativ ausgerichtete Interventionen stabilisieren personelle Rahmenbedingungen durch Maßnahmen wie:

  • Solidarisierung der Mitarbeitergruppen über die unterschiedlichen Alterssegmente hinweg
  • Sicherstellen bzw. Unterstützen der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben
  • Unterstützung der Integration marginalisierter Belegschaftsgruppen (Immigranten, Menschen mit Behinderung, Vermeidung von Diskriminierung wegen Geschlecht, Alter oder sexueller Orientierung, …)

Lebensphasenorientierte Arbeitsorganisation (Eisner, 2010)

Neben den Bereichen Gesundheit, Werte und Bildung sind es die Rahmenbedingungen für Arbeit, welche flexibel und situationsadäquat anzupassen sind. Die Arbeitszeitsstruktur für einen dreißigjährigen Mitarbeiter ist anders zu gestalten als für einen fünfzig- oder sechzigjährigen Mitarbeiter. Prämiensysteme sind zu variieren, in jungen Jahren wird meist mehr die quantitative Leistung stärker zu gewichten sein, reifere Mitarbeiter sollen verstärkt qualitative Beiträge (Erfahrung, Konw-how Weitergabe, u.ä.) liefern und diese auch honoriert bekommen.

Wie die Grafik erkennen lässt, ist das Konzept der Lebensphasenorientierten Arbeitsorganisation ein weitreichendes Unterfangen, das ohne das individuelle Engagement des einzelnen Mitarbeiters nicht realisierbar ist. Neben der Gestaltung von Rahmenbedingungen durch das Management ist es Sache des einzelnen Mitarbeiters, das eigene Verhalten entsprechend einzustellen und zu steuern. Dabei kann die Messung der Arbeitsfähigkeit mit dem Workability-Test oder entsprechende Aufklärung liefernde Seminare wirksame Unterstützung bieten. Nicht zuletzt ist die gesamte Leitungsarbeit auf diese Herausforderung in passender Weise auszurichten.

© 2010 Mag. Dr. Josef Eisner

Um auf dem Hintergrund der sich rasch verändernden demografischen Bedingungen in den Belegschaften erfolgreich wirtschaften zu können, sind eine Reihe von Maßnahmen von Nöten. Nahezu jeder Betrieb ist von diesen Veränderungen in den Rahmenbedingungen betroffen. Das Managen heterogener und alterslastiger Belegschaftsstrukturen, auch als Generationenmanagement bezeichnet, bezieht sich auf das Gestalten von angemessenen Rahmenbedinungen in diesem Kontext. Dabei werden unter anderen folgende Fragen wesentlich:

· Wie kann notwendiges personengebundenes Know-how im Unternehmen gehalten werden?

· In welcher Form ist die Personalakquise neu auszurichten? D.h., ist die Personalbeschaffung in der lange Jahre praktizierten Art und Weise in den nächsten Jahren noch durchführbar?

· In welcher Weise ist Aus- und Weiterbildung neu auszurichten und wie kann die informelle Wissensweitergabe in formelle Raster hereingeholt werden?

· Will das Unternehmen die Mitarbeiter länger beschäftigen als dies bis jetzt üblich war?

· Und, was ist der Beitrag des Unternehmens zur Gestaltung von Bedingungen die eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit fördern?

· Wie müssen sich die Mitarbeiter neu einstellen, wer von diesen ist dazu bereit länger im Beruf zu verbleiben und in welcher Weise sind sie zu einer Umbewertung des Ausgleitens aus dem Arbeitsleben bereit?

Ein erfolgreiches Konzept für den Umgang mit den aktuellen demografischen Gegebenheiten in den Belegschaften erfordert eindeutige Antworten auf diese Fragen. Unternehmen die daran interessiert sind, dass Mitarbeiter länger und produktiv im Arbeitsprozess verbleiben, müssen diese Absicht klar kommunizieren. Dadurch werden unterschiedliche personalpolitische Entscheidungsgrundlagen neu ausgerichtet. Vor allem ist eine strategisch orientierte betriebliche Gesundheitsförderung dauerhaft in die relevanten Prozesse zu integrieren. Lebensphasenorientierte Arbeitsorganisation berücksichtigt dabei aber auch die wertvollen Ansätze des Diversity Management. Dessen integrativ ausgerichtete Interventionen stabilisieren personelle Rahmenbedingungen durch Maßnahmen wie:

· Solidarisierung der Mitarbeitergruppen über die unterschiedlichen Alterssegmente hinweg

· Sicherstellen bzw. Unterstützen der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben

· Unterstützung der Integration marginalisierter Belegschaftsgruppen (Immigranten, Menschen mit Behinderung, Vermeidung von Diskriminierung wegen Geschlecht, Alter oder sexueller Orientierung, …)

Neben den Bereichen Gesundheit, Werte und Bildung sind es die Rahmenbedingungen für Arbeit, welche flexibel und situationsadäquat anzupassen sind. Die Arbeitszeitsstruktur für einen dreißigjährigen Mitarbeiter ist anders zu gestalten als für einen fünfzig- oder sechzigjährigen Mitarbeiter. Prämiensysteme sind zu variieren, in jungen Jahren wird meist mehr die quantitative Leistung stärker zu gewichten sein, reifere Mitarbeiter sollen verstärkt qualitative Beiträge (Erfahrung, Konw-how Weitergabe, u.ä.) liefern und diese auch honoriert bekommen.

Wie die Grafik erkennen lässt, ist das Konzept der Lebensphasenorientierten Arbeitsorganisation ein weitreichendes Unterfangen, das ohne das individuelle Engagement des einzelnen Mitarbeiters nicht real

Um auf dem Hintergrund der sich rasch verändernden demografischen Bedingungen in den Belegschaften erfolgreich wirtschaften zu können, sind eine Reihe von Maßnahmen von Nöten. Nahezu jeder Betrieb ist von diesen Veränderungen in den Rahmenbedingungen betroffen. Das Managen heterogener und alterslastiger Belegschaftsstrukturen, auch als Generationenmanagement bezeichnet, bezieht sich auf das Gestalten von angemessenen Rahmenbedinungen in diesem Kontext. Dabei werden unter anderen folgende Fragen wesentlich:

  • Wie kann notwendiges personengebundenes Know-how im Unternehmen gehalten werden?
  • In welcher Form ist die Personalakquise neu auszurichten? D.h., ist die Personalbeschaffung in der lange Jahre praktizierten Art und Weise in den nächsten Jahren noch durchführbar?
  • In welcher Weise ist Aus- und Weiterbildung neu auszurichten und wie kann die informelle Wissensweitergabe in formelle Raster hereingeholt werden?
  • Will das Unternehmen die Mitarbeiter länger beschäftigen als dies bis jetzt üblich war?
  • Und, was ist der Beitrag des Unternehmens zur Gestaltung von Bedingungen die eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit fördern?
  • Wie müssen sich die Mitarbeiter neu einstellen, wer von diesen ist dazu bereit länger im Beruf zu verbleiben und in welcher Weise sind sie zu einer Umbewertung des Ausgleitens aus dem Arbeitsleben bereit?

Ein erfolgreiches Konzept für den Umgang mit den aktuellen demografischen Gegebenheiten in den Belegschaften erfordert eindeutige Antworten auf diese Fragen. Unternehmen die daran interessiert sind, dass Mitarbeiter länger und produktiv im Arbeitsprozess verbleiben, müssen diese Absicht klar kommunizieren. Dadurch werden unterschiedliche personalpolitische Entscheidungsgrundlagen neu ausgerichtet. Vor allem ist eine strategisch orientierte betriebliche Gesundheitsförderung dauerhaft in die relevanten Prozesse zu integrieren. Lebensphasenorientierte Arbeitsorganisation berücksichtigt dabei aber auch die wertvollen Ansätze des Diversity Management. Dessen integrativ ausgerichtete Interventionen stabilisieren personelle Rahmenbedingungen durch Maßnahmen wie:

  • Solidarisierung der Mitarbeitergruppen über die unterschiedlichen Alterssegmente hinweg
  • Sicherstellen bzw. Unterstützen der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben
  • Unterstützung der Integration marginalisierter Belegschaftsgruppen (Immigranten, Menschen mit Behinderung, Vermeidung von Diskriminierung wegen Geschlecht, Alter oder sexueller Orientierung, …)

Neben den Bereichen Gesundheit, Werte und Bildung sind es die Rahmenbedingungen für Arbeit, welche flexibel und situationsadäquat anzupassen sind. Die Arbeitszeitsstruktur für einen dreißigjährigen Mitarbeiter ist anders zu gestalten als für einen fünfzig- oder sechzigjährigen Mitarbeiter. Prämiensysteme sind zu variieren, in jungen Jahren wird meist mehr die quantitative Leistung stärker zu gewichten sein, reifere Mitarbeiter sollen verstärkt qualitative Beiträge (Erfahrung, Konw-how Weitergabe, u.ä.) liefern und diese auch honoriert bekommen.

Wie die Grafik erkennen lässt, ist das Konzept der Lebensphasenorientierten Arbeitsorganisation ein weitreichendes Unterfangen, das ohne das individuelle Engagement des einzelnen Mitarbeiters nicht realisierbar ist. Neben der Gestaltung von Rahmenbedingungen durch das Management ist es Sache des einzelnen Mitarbeiters, das eigene Verhalten entsprechend einzustellen und zu steuern. Dabei kann die Messung der Arbeitsfähigkeit mit dem Workability-Test oder entsprechende Aufklärung liefernde Seminare wirksame Unterstützung bieten. Nicht zuletzt ist die gesamte Leitungsarbeit auf diese Herausforderung in passender Weise auszurichten.

isierbar ist. Neben der Gestaltung von Rahmenbedingungen durch das Management ist es Sache des einzelnen Mitarbeiters, das eigene Verhalten entsprechend einzustellen und zu steuern. Dabei kann die Messung der Arbeitsfähigkeit mit dem Workability-Test oder entsprechende Aufklärung liefernde Seminare wirksame Unterstützung bieten. Nicht zuletzt ist die gesamte Leitungsarbeit auf diese Herausforderung in passender Weise auszurichten.

Diversity als Weg zur Kreativität

Siehe auch unter „Generation Diversity“ auf 40_vorwaerts. Entwicklung braucht Unterschiede!

Demografischer Wandel in der Wirtschaft

Warum Unternehmen ältere Arbeitnehmer brauchen

Die Anforderungen an Arbeitnehmer verändern sich immer schneller. Bisher wurden die passenden Menschen ausgewählt, weil das Angebot groß genug war. Aber diese Strategie geht kaum noch auf. Deshalb beginnt ein Umdenken, hin zu einer gezielten Integrationsleistung in der Personalentwicklung.

Von Siegmar Otto und Sven Voelpel

Nach meiner vorzeitigen Pensionierung mit 61 Jahren habe ich nach einer Interimsposition als Projektleiter gesucht. Es war für mich eine große Überraschung, dass mich Lonza – Weltmarktführer in der Produktion und Prozessbegleitung von pharmazeutischen Wirkstoffen im chemischen und biotechnologischen Bereich – auch in diesem Alter ohne Wenn und Aber in der Konzernfunktion Global Human Resources fest angestellt hat. Dies mit dem Hinweis, dass für einen Job bei Lonza nur die Qualifikation ausschlaggebend ist und andere Faktoren wie Alter, Nationalität und Geschlecht irrelevant sind. Weiter ist sich Lonza bewusst, dass der demografische Wandel in den kommenden Jahren weitreichende Herausforderungen an die Firma stellen wird und deshalb neue Denk- und Sichtweisen erfordert. Alfred Zimmerli, 62, Human Resources, Lonza.

Das Beispiel des Unternehmens Lonza ist immer noch als Ausnahme zu bewerten. Nur wenigen gelingt die koordinierte, zufriedenstellende und damit meistens gewinnbringende Integration älterer Arbeitnehmer. Daneben gibt es eine ganze Reihe von Projekten, die sich an ähnlichen Best-Practice-Beispielen orientieren, aber aufgrund mangelhafter Rahmenbedingungen scheitern oder im Sande verlaufen. Es wird oft nicht auf die spezifischen Begleitumstände eingegangen, sodass unangepasste, zu allgemeine Instrumente nicht zum erwünschten Erfolg führen. Entsprechend gestaltet sich der Forschungsstand zum Themenbereich. In den akademischen, politischen und wirtschaftlichen Bereichen wird an einer beachtlichen Reihe von Projekten gearbeitet, um die Auswirkungen der alternden Belegschaft zu untersuchen, um Vorschläge für verschiedene Interven tionsmaßnahmen zu entwickeln und diese umzusetzen. Es ist dies ein Feld, in dem der Leidensdruck der Wirtschaft im Vergleich zur praktisch anwendbaren und wissenschaftlich abgesicherten Forschung relativ hoch ist. Dies führt zu vielen, von der Wirtschaft geförderten Projekten. Aber wegen des fehlenden fundierten theoretischen Rahmens bleibt es oft bei einzelnen Anstrengungen ohne den wünschenswerten intensiven Austausch (Kistler 2007).

Erfolgreiche Integration verlangt nach spezifischen Instrumenten

Voranschreiten hieße in diesem Fall, auf die vorhandenen Kooperationen zwischen Unternehmen und der Wissenschaft aufzubauen und auch einen wirklichen Austausch stattfinden zu lassen. Dies bedarf einer Übersetzungsleistung zwischen den beiden Systemen, wie sie im Fall von Corporate Social Responsibility explizit mit Change agents propagiert wird (Cramer 2006; Dover 2003). Aus erkenntnistheoretischer Perspektive müsste der Untersuchungsbereich ausgedehnt werden. Es sind wesentlich tiefgründigere Analysen der Rahmenbedingungen notwendig und auch die Evaluation von Projekten sollte idealerweise formativ sein und einen ausreichenden Zeitraum abdecken (Bamberger 2006).

Weiterhin hat der globale Kontext einen erheblichen Einfluss auf die hier besprochene Forschung. Wie entwickeln sich zum Beispiel die Bevölkerungsströme? In welche Richtung wandern Fachkräfte? Steigen Konsum und Absatz wie im bisher gekannten Maßstab? Brauchen wir in Zukunft tatsächlich so viele Arbeitskräfte? Was ist mit dem technologischen Fortschritt und den damit verbundenen Risiken und Vorteilen? Wird sich der Konsum dematerialisieren, wie es für eine nachhaltige Entwicklung sehr förderlich sein könnte (Linz 2006)? Dies sind nur einige Fragen bezüglich des Konzeptes nachhaltiger Entwicklung mit Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und der damit verknüpften Strategien wie intra- und

intergenerationeller Gerechtigkeit, Effizienz, Suffizienz oder Konsistenz. Dabei ist zu beachten, dass nachhaltige Entwicklung für verschiedene Akteure unterschiedliche Bedeutungen mit sich führt(Otto 2007).

Welche konkreten inhaltlichen Fragestellungen sind es jedoch, die in diesem Bereich von den Forschern bearbeitet werden sollen? Dazu einige praxisrelevante Kernfragen:

  • Wie groß und wie ernst sind die Herausforderungen der demografischen Entwicklung?
  • Warum sind die Herausforderungen gerade heute kritisch?
  • Welche Unternehmen reagieren bereits?
  • Können die Herausforderungen bewältigt werden?
  • Was sind die Lösungen für ein Unternehmen?

Der Verlust kritischen Wissens

Die Herausforderungen des demografischen Wandels für Unternehmen sind umfassend und sehr ernst. Der Verlust kritischen Wissens und eine zunehmende Knappheit gut ausgebildeter Arbeitnehmer sind dabei die Hauptprobleme. Diese Herausforderungen sind jetzt, sind heute kritisch, wenn man sich die unum stößlichen Trends vor Augen führt: alternde Bevölkerungen, Erwerbsbevölkerungen und Belegschaften, Vorherrschaft traditioneller Verrentungspraktiken, steigender Innovationsdruck und neue Denkweisen bezüglich Arbeit und Sinn des Lebens innerhalb der Gesellschaft. Die Herausforderungen können gemeistert werden, allerdings setzt dies drei wichtige Dinge voraus: ein Verständnis der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Herausforderungen, ein Verständnis für die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Geschäftsmodell von Unternehmen sowie strategisch-operationale Fähigkeiten bezüglich der Handlungsfelder, mit denen man der skizzierten Entwicklung entgegentreten kann (Voelpel 2007).

In ihrem Buch „Herausforderung 50 plus“ liefern die Autoren mit den fünf Handlungsfeldern – neue Denkweisen im Management, Unterstützung neuer Prozesse des Wissensmanagements, Gestaltung einer angemessenen Arbeitsumgebung, Einführung neuer Prozesse im Gesundheitsmanagement sowie neue Praktiken und Werkzeuge im Human Resources Management – einen entsprechenden wissenschaftlichen Rahmen zur Bearbeitung der aufgezeigten Fragestellungen. Kreativität und Innovationsfähigkeit werden gesteigert, wenn die Denkweisen der Verantwortlichen sich ändern und da durch die Bereitschaft gestärkt wird, Dinge anders oder besser zu machen oder sogar ganz neue Wege zu gehen. Neue Denkweisen sind eine wichtige Voraussetzung, um die richtigen Wissensmanagementprozesse, Arbeitsumgebungen sowie ergonomischen Werkzeuge und Technologien zu entwickeln und umzusetzen. Wissensmanagementprozesse, die Bewahrung, Vergrößerung, Verjüngung, Wiedergewinnung und die Weitergabe von Wissen, sind auf entsprechende Human-Resources-Management-Methoden angewiesen. Diese Prozesse bedürfen einer Unterstützung durch die richtige Arbeitseinstellung und physische Leistungälterer Mitarbeiter, einer förderlichen Arbeitsumgebung und Unternehmenskultur, des richtigen Führungsstils und gezielt eingesetzter physisch unterstützender Einrichtungen. Das betriebliche Gesundheitsmanagement ist ein weiterer Schlüssel zum erfolgreichen Management alternder Belegschaften. Es ist eng verzahnt mit den notwendigen Bewusstseinsveränderungen und neuen Denkweisen, der physischen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, der Arbeitssicherheit und Arbeitsgestaltung, Wissensmanagementprozessen und Human-Resources-Praktiken. Gesundheit sollte zudem nicht nur als rein physische Angelegenheit betrachtet werden, sondern als ganzheitliches Konzept auch mentale beziehungsweise psychische Aspekte einbeziehen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Zunahme stressbeding ter, psychosomatischer Erkrankungen.

Neuausrichtung der Personalentwicklung

Human-Resources-Management-Prozesse und -Praktiken sind reif für eine grundlegende Neuausrichtung, wenn sie sich als nützliche Tools zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen bewähren sollen. In einer wissensvernetzten Innovationsökonomie, in der westliche Konzerne mehr und mehr mit alternden Belegschaften zurechtkommen müssen, ist das Human Resources Management gezwungen, sich den anderen vier Handlungsfeldern zu öffnen und sie mit sich und untereinander zu vernetzen. Die bisher beschriebenen Handlungsfelder sollten in ihrer Summe erheblich positive Auswirkungen auf die Arbeitsumgebung haben. Dabei ist eine zusätzliche bewusste Arbeitsplatzgestaltung im Rahmen der angeführten Verbesserungenebenfalls erstrebenswert. Ein solcher Ansatz sorgt nicht nur für körperlich und geistig gesunde Mitarbeiter, sondern auch für die gewünschten Produktivitätseffekte. Insgesamt ist der Trend gesamtgesellschaftlich, alte Strukturen brechen auf, die Angst und Unsicherheit wächst (Luhmann 1997). Besonders in den großen Unternehmen sind aufgrund ihrer globalen Ausrichtung betriebsbedingte Neuausrichtungen der Personalentwicklung an der Tagesordnung. Firmenteile werden verkauft, aufgelöst, integriert und assimiliert. Eine Antwort darauf ist Spezialisierung. Die Wissenschaft bekommt den Auftrag und spezialisiert sich entsprechend auf die Untersuchung der Effekte einer alternden Belegschaft. Es müssen also Erkenntnisse zur wirtschaftlichen und sozial verträglichen Integration der Individuen in die sich verändernden Arbeitsstrukturen geliefert werden. (…)

Literatur: Bamberger, M. / Rugh, J. / Mabry, L.: Real World Evaluation. Working Under Budget, Time, Data and Political Constraints. Thousand Oaks 2006. | Cramer, J. / Heijden, A. v. d. / Jonker, J.: Corporate social responsibility: making sense through thinking and acting. In: Business Ethics: A European Review 15, 4/2006, S. 380–389. | Dover, P. A.: Change agents at work: Lessons from Siemens Nixdorf. In: Journal of Change Management 3, 3/2003, S. 243. | Kistler, E.: Vom Aktionismus zur nachhaltigen Umsetzung. In: Demographic Fitness News 2/2007, S. 1. | Linz, M.: Was wird dann aus der Wirtschaft? Über Suffizienz, Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit. Wuppertal 2006. | Luhmann, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1997. | Otto, S.: Bedeutung und Verwendung der Begriffe nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeit – Eine empirische Studie. Bremen 2007. | Voelpel, S. / Leibold, M. / Früchtenicht, J.-D.: Herausforderung 50 plus. Konzepte zum Management der Aging Workforce: Die Antwort aufdas demographische Dilemma. Erlangen / New York 2007. |  AUTOREN + KONTAKT | Dr. Sven Voelpel ist Direktor der WISE Research Group und Professor am Jacobs Center for Lifelong Learning and Institutional Development an der Jacobs University Bremen. | Dr. Siegmar Otto promovierte 2007 an der Jacobs Universität zum Thema Bedeutung und Verwendung der Begriffe nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeit. | Jacobs University, Campus Ring 1, 28759 Bremen. Tel.: +49 421 2004791, E-Mail: voelpel@jacobs-university.de, siegmar.otto@gmail.com Internet: http://www.jacobs-university.de/directory/03040, http://www.wiseresearch.org | (c) 2010 Authors; licensee IÖW and oekom verlag. This is an article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution Non-Commercial No Derivates License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/), which permits unrestricted use, distribution, and reproduction in any medium, provided the original work is properly cited. | Zitat verfügbar unter: http://www.google.at/url?sa=t&source=web&cd=1&ved=0CBgQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.oekologisches-wirtschaften.de%2Findex.php%2Foew%2Farticle%2Fdownload%2F533%2F533&ei=j-KgTLzNCJKHONPm6JEL&usg=AFQjCNH_eDklhoCtz46GE6Mz_CLoF8YbnA&sig2=Q47hN_7ewvEGH_eh-nyIxQ [10. Oktober 2010]

Arbeiten im Alter

Opa darf’s nicht lassen …

Die Deutschen sollen auch nach ihrem 65. Lebensjahr noch arbeiten. Das fordern Wissenschaftler. Sie haben untersucht, dass das die Sozialsysteme stützt und neue Jobs für Jüngere schafft. Von Tina Groll

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… und Oma darf es auch nicht lassen. Seniorin mit Notebook: Wer wenig Angst vor Neuem hat, hält sich bis ins hohe Alter fit

Die Alten nehmen den Jungen die Arbeitsplätze weg. Wenn Ursula Staudinger diesen Satz hört, verzieht sich das Gesicht der Psychologieprofessorin. „Das ist eine Legende. Die Zukunft der Gesellschaft gehört den Alten“, sagt die Altersforscherin. Staudinger ist die Leiterin des Center for Lifelong Learning and Institutional Development an der Bremer Jacobs University. „Es stimmt nicht, dass Arbeit ein begrenztes Gut ist. Es stimmt nicht, dass die Alten früh in den Ruhestand gehen müssen, weil sie sonst den Jungen die Arbeitsplätze wegnehmen“, sagt sie. Und überhaupt: „Altern ist eine Momentaufnahme.“ Eine klare Definition, ab wann jemand alt ist, gibt es nicht. Nach Ansicht der Forscherin trifft der Begriff „50plus“ als Beschreibung der „Alten“ nicht. Die heutigen 50- bis 65-Jährigen seien viel jünger als die Generation ihrer Eltern. Und was genau heißt jung? Gesünder, fitter, aktiver, flexibler, offener für Neues. „Die Vorstellung, dass Alter ab einem bestimmten Lebensjahr beginnt, ist eine soziale Konstruktion„, erklärt Ursula Staudinger.

Dennoch gibt es in Deutschland immer mehr alte Menschen und immer weniger Junge, und das hat Auswirkungen auf die Entwicklung der Gesellschaft und die Volkswirtschaft. Wer jedoch befürchtet, dass es zu weniger Innovationen, Wachstum und steigenden Kosten für Gesundheit und soziale Sicherung kommen wird, der irrt, behauptet Staudinger. Die 50-Jährige war Schülerin des bekannten Altersforschers Paul B. Baltes und sie möchte, dass die Unternehmen ihre Personentwicklung grundlegend verändern. Staudinger sagt, dass die meisten sogar bis zu einem Alter von über 70 Jahren arbeiten können. Und es besser auch täten. Gerade weil die Sozialsysteme gestützt werden müssen, weil die Unternehmen auf die Erfahrungen der Alten nicht verzichten können, um innovativ zu sein und auch, weil der Einsatz der Senioren angeblich neue Arbeitsplätze schafft.

  • Projekt „Altern in Deutschland“
  • Die Jacobs Foundation
  • Die Ergebnisse

In dem interdisziplinär angelegten Forschungsprojekt arbeiteten von 2006 bis 2008 knapp 30 Mitglieder aus den Disziplinen Psychologie, Rechts- und Geschichtswissenschaft, Geografie, Neurologie, Ingenieurswesen, Epidemiologie, Ökonomie, Medizin, Soziologie und Philosophie zusammen. Zudem wurden die Wissenschaftler von Vertretern aus der Wirtschaft beraten.

Ziel der Wissenschaftler war es, die Chancen und die Probleme einer alternden Gesellschaft zu untersuchen – mit besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitsgesellschaft.

Die Jacobs Foundation

Finanziert wurde das Projekt von der Schweizer Jacobs Foundation, welche auch die Jacobs University mit Sitz in Bremen fördert. Die Stiftung hatte bereits im Jahr 2004 ein ein Modellprojekt unter Beteiligung von Akteuren aus Wissenschaft, Politik und Industrie angeregt. Bekannt ist die Stiftung für ihre Förderung von Forschungsprojekten zum Thema Jugend sowie alternde Gesellschaft.

Die Ergebnisse

Die Wissenschaftler haben einige Legenden über das Alter ausgemacht und sie widerlegt. Zum einen spricht sich die Akademiengruppe dafür aus, das 65. Lebensjahr nicht mehr als  kalendarische Altersgrenze ansehen, weil die meisten Menschen auch jenseits der 65 viele Jahre ein aktives und selbstbestimmtes Leben führen können.

Auch sage das kalendarische Alter eines Menschen wenig über seine Entwicklung aus. Ist bei der Entwicklung von Kindern das Alter noch entscheidend, spielt es im Erwachsenenalter kaum eine Rolle. Ein gut trainierter 70-Jähriger kann leistungsfähiger als ein schlecht trainierter 50-Jähriger sein, ein 70-Jähriger kann aber auch aussehen wie ein 90-Jähriger. Alte Menschen können ebensoviel lernen wie Jüngere. Entscheidend sind die Vorbildung und das Training. Auch sind Ältere genauso produktiv wie Jüngere.

Was die Erwerbstätigkeit angeht, konnten die Wissenschaftler feststellen, dass Volkswirtschaften mit alternder Bevölkerung auch ein hohes Wachstum erwirtschaften können und dass sich eine hohe Beschäftigung Älterer positiv auf die Beschäftigung der Jüngeren auswirkt.

Abschied nehmen muss man der Akademiengruppe zufolge auch von der Legende, dass die steigende Lebenserwartung mehr Krankheit und Pflege bedeutet. Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, sei in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Insgesamt sei auch keine Alterspolitik nötig, sondern eine Umstrukturierung der Gesellschaft zum Wohle aller: Die Arbeitwelt müsste reorganisiert werden, auch das Bildungssystem, das künftig auf lebenslanges Lernen ausgerichtet ist sowie das Gesundheits- und Sozialsystem.

Die Thesen klingen steil. Belege dafür entstanden in der Akademiengruppe „Altern in Deutschland“, einem Projekt der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Die Wissenschaftler haben sich mit den Herausforderungen des demografischen Wandels beschäftigt und sich die Frage gestellt, wie die Arbeitsgesellschaft umgebaut werden müsste, um den Fachkräftemangel aufzufangen und zu verhindern, dass immer weniger Beschäftigte immer mehr Leistungsbezieher finanzieren müssen, die eigentlich fit und in der Lage sind zu arbeiten.

Statistisch hat jeder Senior bei Renteneintritt eine Lebenserwartung von 18 Jahren, für das Jahr 2050 werden es 25 Jahre sein – um 1900 waren die Ruheständler nach Renteneintritt durchschnittlich nur acht Jahre noch am Leben. „Wir können uns das nicht leisten“, stellt Axel Börsch-Supan, Professor am Mannheim Research Institute for the Economics of Aging, fest.

Er hat sich mit den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der älter werdenden Gesellschaft auseinandergesetzt. „Entscheidend ist, dass wir unseren Lebensstandard halten. Dafür ist die Produktivität wichtig“, sagt er. Letztere nehme entgegen der vorherrschenden Meinung im Alter jedoch nicht ab. „Ältere Beschäftigte sind vielleicht weniger körperlich kräftig und reaktionsschnell, aber sie haben mehr Erfahrungen, soziale Fertigkeiten und Alltagskompetenz. Wir leben in einer Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft, in der vor allem diese Kompetenzen gefragt sind“, sagt Börsch-Supan. Seinen Untersuchungen zufolge liegt die Produktivität sogar erst im Alter zwischen 50 bis 60 Jahren am höchsten.

Börsch-Supan hat zahlreiche Betrieben aus der Automobilbranche untersucht und dort die Wertschöpfung der Mitarbeiter präzise gemessen. Bei der Arbeit am Fließband kommt es sowohl auf körperliche als auch auf Erfahrungen basierende Fähigkeiten an. Alle Untersuchen zeigten: Die älteren Mitarbeiter machen nicht mehr Fehler als die jüngeren. „Außerdem sind die Älteren auch nicht häufiger krank. Vor allem nicht an Montagen und Freitagen. Wenn sie aber krank sind, dann fehlen sie länger“, erklärt der Altersforscher. Auch unterscheiden sich jüngere und ältere Mitarbeiter nicht darin, wie häufig sie Vorschläge für Verbesserungen und Innovationen in ihren Betrieben machen.

Ein Problem dagegen sieht Börsch-Supan in den Arbeitsstunden, die pro Kopf der Bevölkerung geleistet werden. „Das ist unser Strukturproblem. Mit der Zahl steigender Rentner und weniger Arbeitnehmer sinken die Arbeitsstunden pro Kopf und damit die Erwerbsquote, die wichtig für den Lebensstandard ist“, erklärt er und zieht einen Vergleich zu Dänemark heran. Dort ist die Erwerbsquote höher, weil die Jungen im Durchschnitt zwei Jahre früher als in Deutschland in den Arbeitsmarkt eintreten, zudem steigen die Dänen später aus der Erwerbsarbeit aus. Auch ist die Erwerbstätigkeit der Frauen deutlich höher, da es bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder gibt. „Man muss nur Kleinigkeiten ändern, dann hätte es eine große Wirkung“, behauptet der Experte.

In Zeiten von hoher Jugendarbeitslosigkeit und steigenden Arbeitslosenzahlen stellt sich die berechtigte Frage, ob diese Rechnung aufgeht.

Dass die Älteren den Jungen die Jobs wegnehmen, sieht Börsch-Supan nicht bestätigt. Zum einen sind die jüngeren Mitarbeiter für Unternehmen günstiger, zum anderen ist die Arbeitslosigkeit der Älteren höher: Sie finden altersbedingt viel schwieriger eine neue Anstellung. Ursache dafür sind ist das sogenannte Prinzip der Senioritätsentlohnung: Die Gehälter steigen mit den Berufsjahren. Noch viel problematischer findet Börsch-Supan die Frühverrentung: „Ältere werden subventioniert, damit sie aus der Erwerbsarbeit aussteigen. Das schlägt auf die Arbeitskosten. Die Unternehmen haben weniger Geld, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Viele Stellen werden gar nicht mehr mit Jüngeren wiederbesetzt.“ Zudem zeigen Untersuchungen, dass in Ländern, in denen die Frühverrentung hoch ist – beispielsweise in Italien oder Frankreich –, auch die Arbeitslosigkeit der Jüngeren hoch ist.

Auch eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg und der Geneva Association, einer von der Versicherungswirtschaft getragenen Forschungseinrichtung, kommt zu dem Ergebnis, dass Arbeiten jenseits des gesetzlichen Rentenalters positive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft hat. Zu der von den Wissenschaftlern bezeichneten „Silver Workers“ zählen in Deutschland schon heute etwa 400.000 Personen, die trotz Ruhestand erwerbstätig sind. Viele von ihnen arbeiten auf freiberuflicher Basis oder in speziellen Teilzeitmodellen weiter. Andere schaffen neue Jobs, weil sie sich noch einmal selbstständig machen und Mitarbeiter einstellen.

Thomas Zwick, Professor an der Munich School of Management, hat sich die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen von Beschäftigung von Älteren angesehen. Auch er glaubt, dass die These, dass mehr ältere Arbeitnehmer mehr Beschäftigungsverhältnisse bedeuten, aufgehen könnte. Voraussetzung dafür ist, dass die Strukturen geändert werden. Statt mit dem Alter steigende Löhne schlägt er eine alternative betriebliche Entlohnung vor: Individuelle Modelle, die sich nach Leistung richten und ein „systematisches Altersmanagement“. Gemeint sind individuelle Altersteilzeitlösungen, bei denen die Beschäftigten und ihre Unternehmen individuell aushandeln können, wer wie lange und wie viel arbeitet. Insgesamt würden auch die Jüngeren davon profitieren, weil auch sie die flexible Teilzeitlösungen in Anspruch nehmen könnten. Entlastet wären alle, weil es mehr Beitragszahler gebe.

Den Experten geht es um einen „lateralen Karrierebegriff“, erklärt Ursula Staudinger. „Nicht nur Erwerbsarbeit, auch Familienarbeit und ehrenamtliches Engagement gehören dazu. Ein langes, produktives Leben führen zu können hat einen umfassenden Arbeits- und Gesundheitsschutz zur Grundlage. Darum fordern die Wissenschaftler Politik und Wirtschaft auf, schon frühzeitig mit Vorsorge zu beginnen. Unternehmen müssen in den Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiter investieren – schon bei den Auszubildenden. Zudem sollen Anreize für Weiterbildungsmaßnahmen geschaffen werden. Lebenslanges Lernen heißt die Devise. Ältere müssen motiviert werden, sich fortzubilden. Die Motivation haben sie, wenn sie auch die Aussicht darauf haben, dass ihnen neu gelerntes Wissen nützlich ist und sie es auch anwenden müssen. Das heißt: Schluss mit Frühverrentung, Anhebung des gesetzlichen Rentenalters, vielfältiger Einsatz von Arbeitnehmern. Wer 30 Jahre auf dem Bau geschuftet hat, kann vielleicht nicht bis über 70 Jahre körperlich arbeiten, wohl aber in flexibleren Arbeitszeitmodellen beispielsweise Bürotätigkeiten verrichten. Auf diese muss der Beschäftigte aber vorbereitet werden.

Die Altersforscher empfehlen der Wirtschaft auch eine bessere Durchmischung von Abteilungen – mit jungen und älteren Mitarbeitern, die in gemischten Teams arbeiten. So können Alte und Junge besser voneinander lernen.

Zitat verfügbar unter: http://www.zeit.de/karriere/2009-10/65plus?page=1 [Datum des Zugriffs: 22.10.09]

Senioren und Arbeit

Senioren an die Arbeit

Wir Europäer kriegen kaum noch Kinder. Auf die Dauer gefährdet das unseren Wohlstand. Aber es gibt einen Ausweg.

In den letzten dreissig Jahren ist Westeuropa wirtschaftlich hinter die Vereinigten Staaten zurückgefallen. Seit 1980 liegt der Anstieg des US-Bruttoinlandsprodukts im Jahresschnitt um 0,8 Prozent über dem der EU-15-Mitgliedsstaaten. Die Gründe für die Verlangsamung des Wachstums sind vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu suchen. Doch auch demografische Trends spielen eine Rolle. Die Bevölkerung Westeuropas wird bekanntlich immer älter, die Geburtenrate liegt deutlich unter der zur Bestandserhaltung erforderlichen Zahl.

Doch die wirtschaftlichen Folgen dieser demografischen Entwicklung sind gar nicht mal düster. Denn die alternde Bevölkerung ist bemerkenswert gesund. Deshalb können die Westeuropäer länger im Berufsleben bleiben als früher. Sogar länger als ihre Altersgenossen in Amerika.

Aus dem gesunden älterwerden lassen sich ökonomische Vorteile ziehen. Dafür müssten die Westeuropäer aber ihren Lebensstil ändern. Wenn sie in den nächsten Jahren weiterhin ihren hohen Lebensstandard geniessen wollen, müssen sie sich der neuen demografischen Situation stellen. Sonst werden langsames Wachstum, Stagnation oder sogar ein Niedergang die Folge sein.

Seniorenheim Westeuropa

2005 lebten in Westeuropa 100 Millionen mehr als in den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2030 werden es nur noch 35 Millionen mehr sein. Während die US-Bevölkerung bis dahin um etwa 65 Millionen anwachsen wird, wird die Bevölkerung Westeuropas faktisch stagnieren. Auch die Altersstrukturen werden sich verändern. 2005 gab es in praktisch allen Altersgruppen mehr Westeuropäer als Amerikaner, in der Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen waren es 37 Prozent mehr. Im Jahr 2030 wird es in dieser Altersgruppe fast so viele Amerikaner wie Westeuropäer geben, und bei den unter 30-Jährigen wird es deutlich mehr Amerikaner geben.

Westeuropa schlägt die Vereinigten Staaten nur in der Altersgruppe 80 plus. Schon 2005 war Westeuropa merklich grauer: Das mittlere Alter lag bei etwa 40 Jahren, gegenüber 36 Jahren in den Vereinigten Staaten. Und während das mittlere Alter der Westeuropäer bis 2030 um durchschnittlich zwei Tage pro Woche steigen und im Jahr 2030 bei knapp 47 Jahren liegen wird, wird das mittlere Alter der Amerikaner dann bei 39 Jahren liegen – deutlich unter der westeuropäischen Marke von heute. 2030 wird ein Viertel der Westeuropäer 65 Jahre oder älter sein, und es wird etwa doppelt so viele Senioren wie Kinder (unter 15 Jahren) geben. In den USA werden 2030 weniger als ein Fünftel der Einwohner Senioren sein, und die Zahl der Kinder wird weiterhin über derjenigen der Senioren liegen.

Ebenso interessant sind Trends innerhalb der Erwerbsbevölkerung. In Westeuropa wird der Anteil der Personen im «wirtschaftlich aktiven Alter» (nach allgemeiner Definition 15- bis 64-Jährige) in den nächsten Jahrzehnten sinken. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts der USA wird die Erwerbsbevölkerung in Westeuropa zwischen 2010 und 2030 um mehr als 20 Millionen (über 8 Prozent) zurückgehen. In den Vereinigten Staaten wird diese Gruppe, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ebenfalls zurückgehen wird, im selben Zeitraum um mehr als 20 Millionen anwachsen.

Verschärfend kommt hinzu, dass sich die demografische Struktur der Erwerbsbevölkerung in Westeuropa in einer Weise verändern wird, die für die Produktivität der Region nichts Gutes verheisst. Neuerungen, Erfindungen und technologische Durchbrüche entfallen vor allem auf die Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen. Die überwältigende Mehrheit der Nobelpreisträger in den Bereichen Physik, Chemie, Medizin und Wirtschaftswissenschaften und die meisten namhaften Patentinhaber haben ihre grössten Leistungen in dieser Lebensphase erbracht. Die Zahl der 30- bis 44-jährigen Westeuropäer wird bis 2030 um 20 Prozent sinken – von 91 Millionen auf 72 Millionen. Obwohl der Lebensmittelpunkt von Wissensproduzenten im Internet-Zeitalter vermutlich nicht mehr so entscheidend ist, so spielt dieser Faktor auch weiterhin eine Rolle, weil auch in Zukunft alltägliche Verbesserungen direkt am Arbeitsplatz gefragt sein werden.

Keine Geburtenpolitik

All diese bevorstehenden demografischen Entwicklungen werden dem Streben der Westeuropäer nach einem fortgesetzten Wirtschaftswachstum im Wege stehen. Schönreden wird daran nicht viel ändern – ebenso wenig praktische Schritte, die heute schon beschlossen werden. Selbst mit konzertierten politischen Massnahmen wäre die Chance ausserordentlich gering, die Trends umkehren oder auch nur verlangsamen zu können.

Nach Angaben der Brüsseler Statistikbehörde Eurostat erreichte die Sterbeziffer in Westeuropa im Jahr 2005 fast schon die Geburtenrate. Der Zeitpunkt, an dem die Sterbeziffer die Geburtenrate übersteigt, ist in Westeuropa nahe – manchen Schätzungen zufolge könnte das schon 2007 der Fall sein.

Die meisten Prognosen deuten darauf hin, dass die Bevölkerung Westeuropas durch Zuwanderung bis 2030 netto ungefähr auf dem gleichen Stand bleiben wird. Offizielle Zahlen aus Amerika und der EU gehen von einer Nettoeinwanderung nach Westeuropa bis 2030 von jährlich etwa 700 000 Personen aus (etwas weniger als in den letzten zehn Jahren). Wegen des fortbestehenden Missverhältnisses von Geburten und Todesfällen würden aber selbst diese Zuwanderer den unausweichlichen Bevölkerungsrückgang nur aufschieben.

Auch wenn diese Prognosen nur Prognosen sind, die man zerpflücken und anzweifeln kann, so zeigen sie doch, wie stabil einige demografische Trends sein werden. Man nehme nur die Geburtenrate in Westeuropa.

2004 lag die Fertilität aller gebärfähigen Frauen in der EU-15 um 12 Prozent unter derjenigen von Frauen des Jahrgangs 1965, die also kurz vor Erreichen des vierzigsten Lebensjahrs standen. Diese Diskrepanz könnte unter anderem darauf verweisen, dass westeuropäische Frauen den Zeitpunkt ihrer Mutterschaft immer weiter hinausschieben. Da in den letzten Jahrzehnten der Anteil von unter 50-jährigen Frauen, die heiraten, dramatisch gesunken und der Anteil der verheirateten Frauen, die sich scheiden lassen, dramatisch gestiegen ist, wird die durchschnittliche westeuropäische Familie tendenziell kleiner werden als noch vor ein, zwei Jahrzehnten. überdies ist es sehr schwierig und kostspielig, durch staatliche Anreize eine dauerhafte und signifikante Steigerung der Geburtenrate zu erreichen. Entsprechende Massnahmen haben langfristig meist sehr wenig bewirkt. Zwei französische Wissenschaftler haben kürzlich dargelegt, dass die Fruchtbarkeitsrate in Frankreich durch staatliche Förderung in Milliardenhöhe nur um 0,1 Geburten pro Frau (gerechnet auf die gesamte Lebenszeit) erhöht würde.

Auch hinsichtlich der Zuwanderung hat Westeuropa weniger Optionen, als man zunächst annehmen würde. Einerseits wäre eine signifikante Verringerung der Nettozuwanderung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten töricht, da Bevölkerungsrückgang und überalterung durch die Einwanderer verlangsamt werden. Ohne Einwanderung würde laut Eurostat die Gesamtbevölkerungszahl der EU-15 im Jahr 2030 um etwa 27 Millionen unter den gegenwärtigen Prognosen liegen, und fast 20 Millionen dieses Verlustes wären Berufstätige. Andererseits könnte eine Zunahme der Einwanderung problematisch sein, da Westeuropa noch keine allgemein praktikable Formel entwickelt hat, wie man aus allen Einwanderern loyale und produktive Staatsbürger macht. Die vielen Erfolgsgeschichten von Immigranten sollen damit keineswegs geleugnet werden. Auch wenn in den Medien wenig darüber berichtet wird, wie entschlossen die allermeisten Einwanderer um Integration in ihre neue Heimat bemüht sind.

Alt, aber sehr gesund

Westeuropa hat jedoch einen eindeutigen, riesigen demografischen Vorteil gegenüber den Vereinigten Staaten: Seine Bevölkerung ist zwar relativ alt, aber auch bemerkenswert gesund. So gesund wie noch nie zuvor.

Dieser Faktor ist wichtig für die Konkurrenzfähigkeit, da Wachstum heutzutage eher auf menschlichen als auf natürlichen Ressourcen beruht. Gesundheit verbessert nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit, sie erleichtert auch den Erwerb von Wissen und Kompetenzen, die sich im Informationszeitalter bezahlt machen. Man kann sagen: Gesundheit gleich Wohlstand.

Wenngleich Mortalitätsraten nicht unbedingt auf mangelhafte Gesundheit der Lebenden hinweisen, so ist Langlebigkeit in der Regel ein guter Indikator der allgemeinen Gesundheit und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Population. Jedes zusätzliche Jahr Lebenserwartung entspricht einer Steigerung des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts um etwa 7 Prozent. Dieses Verhältnis zwischen Gesundheit und ökonomischem Potenzial ist äusserst komplex, aber die positive Korrelation ist in vielen Ländern zu einem bestimmten Zeitpunkt, aber auch in einem Land über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet worden.

Für die Westeuropäer sind Langlebigkeit und Gesundheit genau die Faktoren, die ihnen einen Vorteil gegenüber der übrigen Welt (einschliesslich der Vereinigten Staaten) verschaffen. Die Lebenserwartung in den USA liegt etwa ein Jahr unter derjenigen in Westeuropa und drei bis vier Jahre unter derjenigen in den reichsten (und gesündesten) Ländern Westeuropas, etwa Norwegen und der Schweiz. 2003 lag die Lebenserwartung amerikanischer Männer bei 74,8 Jahren, verglichen mit 76,0 Jahren in der EU-15; bei Amerikanerinnen betrug die Lebenserwartung 80,1 Jahre, bei Westeuropäerinnen 81,7 Jahre. In Westeuropa hatten nur portugiesische Männer und Däninnen eine geringere Lebenserwartung als ihre amerikanischen Geschlechtsgenossen.

Ihre Gesundheit verschafft den Westeuropäern wichtige Wettbewerbsvorteile. Nach den neuesten verfügbaren Daten hatte ein 20-jähriger Amerikaner im Jahr 2002 ein 18-prozentiges Risiko, seinen 65. Geburtstag nicht zu erleben – bei einem gleichaltrigen Deutschen lag dieses Risiko bei 14 Prozent, bei einem gleichaltrigen Italiener bei 12 Prozent. Solche Unterschiede in der Lebenserwartung wirken sich positiv auf das Wirtschaftspotenzial eines Landes aus, nicht zuletzt, weil Langlebigkeit die Kosten-Nutzen-Rechnung bezüglich einer eventuellen höheren Schulbildung entscheidend beeinflusst: Die Aussicht, länger zu leben, ermutigt eher zu Investitionen in Bildung und trägt daher zu höherer Produktivität bei.

Ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil eines gesunden Alterns besteht darin, dass in einer Gesellschaft leistungsfähigere Senioren leben. Der Gewinn besteht nun nicht darin, Urgrosseltern zur Arbeit zu schicken, sondern vor allem in einer grösseren Leistungsfähigkeit von Menschen in den Fünfzigern und Sechzigern. Die Generation der Westeuropäer, die gegenwärtig zwischen 50 und 74 Jahre alt sind, ist körperlich fitter und besser ausgebildet, als es Generationen dieser Altersgruppe in Westeuropa je waren. Im Laufe des nächsten Vierteljahrhunderts werden sich Gesundheit und Bildungsstand ähnlicher Kohorten noch weiter verbessern – bei gleichzeitiger Verbesserung der allgemeinen Arbeitsbedingungen in der westeuropäischen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. All das dürfte zu einer wachsenden wirtschaftlichen Aktivität unter älteren Westeuropäern beitragen.

Westeuropa muss sich also fragen, wie es die Chancen, die sich aus einem gesunden Altern und einer längeren Lebensarbeitszeit ergeben, wahrnehmen will. Vermutlich wird man die Berufstätigen dazu anhalten, länger zu arbeiten – die heutige Generation bis in die Sechziger, spätere Generationen vielleicht sogar bis in die Siebziger. Daraus würde sich ein Anstieg der allgemeinen Kaufkraft ergeben, die Gesellschaft würde wohlhabender, es ergäben sich mehr Möglichkeiten, Geld zu sparen und anzulegen, was langfristig wiederum das Wachstum beschleunigen würde. überdies sind die Alternativen wenig attraktiv. Ohne verlängerte Lebensarbeitszeit müssten, um ein ausgeglichenes Verhältnis von Einkommen und Konsum zu erreichen, entweder Konsum oder Sparen oder Investitionen eingeschränkt werden, oder die älteren müssten ihre Lebenserwartung zurückschrauben. Das Potenzial der Gesundheitsexplosion in Europa vollständig zu nutzen – das ist der Schlüssel zu einer weiteren Stärkung von Wohlstand und Entwicklung dieser Region.

Fertig mit der Dolce Vita

In den letzten dreissig Jahren haben Westeuropäer ihre gestiegene Lebenserwartung – und noch viel mehr – ausschliesslich unter dem Aspekt der Freizeit gesehen. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter ist gesunken. In Frankreich stieg zwischen 1960 und der Jahrtausendwende die Lebenserwartung von Männern um etwa acht Jahre, während das Renteneintrittsalter um etwa sieben Jahre zurückging. Zugegeben, Frankreich ist ein Extrembeispiel, aber der ultimative lange Urlaub – das Rentenalter – ist überall in Westeuropa sehr viel länger geworden. Nie zuvor sind ältere Europäer so gesund gewesen, und nie zuvor haben sie so wenig gearbeitet. Nach Angaben der OECD stieg die erwartete durchschnittliche Rentenbezugsdauer in Deutschland zwischen 1970 und 2004 um etwa neun und in Spanien um etwa zehn Jahre. In einigen westeuropäischen Ländern verdoppelte sich die Dauer des Rentnerdaseins.

Mit dieser deutlichen Steigerung der Rentenbezugsdauer geht eine deutliche Zunahme der Zahl derjenigen einher, die vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) stand 2005 in Griechenland nur die Hälfte aller Endfünfziger im Erwerbsleben. In österreich war 2004 nicht einmal jeder achte 60-Jährige noch berufstätig. In Dänemark tauchen über 66-Jährige gar nicht mehr in der Arbeitsstatistik auf. Grund für die enorme Verlängerung des Ruhestands ist nicht nur die bessere gesundheitliche Verfassung der älteren, sondern auch der viel zu frühzeitige Ausstieg vieler älterer aus dem Berufsleben.

In Westeuropa kommt dieser Trend zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Laut Prognosen der OECD wird – bei Fortdauer anderer Trends – die Zahl der Erwerbstätigen in der EU zwischen 2000 und 2030 jährlich um etwa 0,2 Prozent zurückgehen, und die Kohorte der über 50-Jährigen wird der einzige wachsende Arbeitskräftepool sein. Während die Zahl der Westeuropäer in der Altersgruppe 15 bis 49 zwischen 2005 und 2030 um etwa 16 Prozent zurückgehen wird, dürfte die Altersgruppe 55 bis 64 um fast 25 Prozent, die Altersgruppe 65 bis 74 um knapp 40 Prozent anwachsen. Wenn es Westeuropa nur gelänge, einen Teil der älteren wieder in den Arbeitsmarkt zurückzuholen, könnte der gegenwärtig rückläufige Trend der Beschäftigtenzahl nicht nur aufgehalten, sondern sogar umgekehrt werden. Würden ältere Westeuropäer so lange arbeiten wie ihre wirtschaftlich aktivsten Altersgenossen in OECD-Staaten (zum Beispiel Japan) das bereits tun, würde die Zahl der Beschäftigten in Europa sogar steigen. 2030 könnte sie dann sogar um 26 Prozent über der gegenwärtig avisierten Zahl liegen.

An dieser Tatsache kommt Westeuropa nicht vorbei, wenn es seinen Wohlstand und seine Konkurrenzfähigkeit wahren will. Eine solche Expansion des Arbeitskräfteangebots hätte grossen Einfluss auf das westeuropäische Wirtschaftswachstum in den nächsten Dekaden. Es könnte den Unterschied zwischen Stagnation und Aufschwung bedeuten. Gewiss, manche ältere Arbeitnehmer könnten es nicht in jedem Fall mit ihren jüngeren Kollegen aufnehmen, zumal in Jobs, in denen es auf Kooperation, rasche Auffassungsgabe und technisches Knowhow ankommt. Trotzdem können ältere Bürger einen wesentlichen Beitrag zu Wohlstand und Konkurrenzfähigkeit ihrer Gesellschaften leisten. Wenn sie ihre Gesundheit als zusätzlichen Aktivposten einbrächten, wäre das ein Gewinn für sie selbst, für die jüngeren und die noch ungeborenen Europäer.

Länger leben im Wohlstand

ältere Leute zu veranlassen, im Erwerbsleben zu bleiben, ist naheliegend und unabdingbar. Aber es wäre nur ein Schritt auf einem langen, gewundenen Weg. In den meisten westeuropäischen Staaten ist es teuer für Arbeitgeber, Arbeitskräfte zu entlassen und neue Mitarbeiter einzustellen. Besonders schwierig ist die Situation für potenzielle älte re Arbeitnehmer. Sie gelten als Profitkiller, da ihnen vertraglich Leistungen zustehen, deren Wert weit über ihrer eigenen Produktivität liegt. Dass viele ältere Europäer vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, hat nicht zuletzt mit der Steuerbelastung und anderen abschreckenden Bestimmungen zu tun. In weiten Teilen Westeuropas müssen Beschäftigte über 50, die weiterarbeiten wollen, deutliche Einkommenseinbussen hinnehmen. In Portugal sind 50 Prozent des Altersruhegelds zu versteuern, in Frankreich über 50 Prozent, in Belgien über 60 Prozent, in Luxemburg unglaubliche 85 Prozent.

Auch glauben viele Westeuropäer, ausgehend von einer Art Nullsummentheorie, dass ein Arbeitsplatz, der einem älteren Arbeitnehmer angeboten wird, einem jungen weggenommen wird. Sie übersehen dabei, dass jede produktive Tätigkeit mehr Wohlstand, mehr Nachfrage und mehr Jobs generiert. Wenn Westeuropa von der steigenden Zahl älterer Arbeitnehmer profitieren will, müssen die Arbeitsmärkte deutlich flexibler und wirtschaftlich attraktiver werden, als sie es heute sind. Bei weniger komplizierten Vorschriften und geringeren Lohnnebenkosten wäre es für potenzielle Arbeitgeber attraktiver und weniger riskant, Arbeitskräfte, auch ältere, einzustellen. Im Rahmen einer umfassenden Rationalisierung des westeuropäischen Arbeitsmarkts wäre es auch vernünftig, zu einem Rentensystem zu kommen, das eine höhere Eigenbeteiligung bei der Altersversorgung vorsieht.

Im Bildungssektor steht Westeuropa vor einer qualitativ neuen Herausforderung – trotz überalterung muss das technische Leistungsniveau gesteigert werden. Obwohl die Region vermutlich bald die bestausgebildeten älteren Arbeitnehmer haben wird, die sie je hatte, dürfen Kenntnisse und Fähigkeiten in einer sich rasant weiterentwickelnden Wissensgesellschaft nicht stagnieren. Sinnvoll wären gezielte Strategien zur ständigen Verbesserung der Qualifikation aller Arbeitnehmer, also auch der älteren.

Investieren in die Gesundheit

Und schliesslich das Thema Gesundheit. Die medizinische Versorgung verschlingt schon jetzt einen Grossteil der gesellschaftlichen Kosten in Westeuropa. Bei deutlich steigender Lebenserwartung werden auch diese Aufwendungen ansteigen, vielleicht sogar noch schneller als bislang. Die verbreitete Sorge, die medizinische Versorgung sei bald nicht mehr finanzierbar, ist jedoch unangebracht. In Wirtschaften, die in erster Linie auf menschlichen Ressourcen und Humankapital basieren, müssen die Aufwendungen im Gesundheitswesen als Investition und unter dem Aspekt des ökonomischen Werts der Gesundheit betrachtet werden. Der Gesundheitssektor und die medizinische Forschung sollten als Stützen einer Wirtschaft gesehen werden, die zunehmend auf eine gesunde Erwerbsbevölkerung angewiesen ist. Westeuropa muss auch weiter in diesen Bereich investieren, wenn es seinen Vorteil nicht einbüssen will.

In der Medizin, wie in anderen Wirtschaftsbereichen, könnte durch Förderung von Forschung und Innovation ein Qualitätsniveau gesichert werden, das auch später bezahlbar bleibt. Mehr Investitionen im Gesundheitssektor zu fordern heisst aber nicht, automatisch jede politische Entscheidung, jedes Projekt, jede Massnahme zu billigen. Jedes einzelne Element muss für sich beurteilt werden. Angesichts der Wettbewerbsvorteile, die sich aus dem guten Gesundheitszustand der älteren Westeuropäer ergeben, wird man aber erkennen müssen, dass Investitionen im Gesundheitssektor ausserordentlich lohnend sein können.

Wird Westeuropa in den nächsten Jahrzehnten immer mehr Terrain verlieren? Der demografische Druck ist zweifellos gross, und ohne fantasievolle Antworten wird die Zukunft des Kontinents eher düster aussehen. Westeuropa steht nicht zwangsläufig vor einem relativen wirtschaftlichen Niedergang. Die Bevölkerung wird zwar zunehmend älter, aber der Kontinent muss kein grandioses Seniorenheim oder ein kultiviertes, aber verblassendes Freiluftmuseum werden. Es gibt eine Alternative.

Zitat verfügbar unter:  http://dasmagazin.ch/index.php/senioren-an-die-arbeit/ [Datum des Zugriffs: 20.10.09]

10.06.2007 von Nicholas Eberstadt und Hans Gr.

Zukunftsthema Productive Aging

Zitat

Verfügbar unter: http://www.leaders-circle.at/productive-aging.html [Datum des Zugriffs: 24.09.09]

Wie sorglos und unbedacht viele Firmen mit den Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer derzeit noch umgehen, wird spätestens dann deutlich, wenn man die Maßnahmen und Resultate derjenigen Unternehmen betrachtet, die sich diesem Thema bereits aktiv gestellt haben.

Ein Blick auf die Zahlen macht klar, worum es geht: Im Jahr 2003 war [erg.d.d.Bolgautor] in Österreich der Anteil der Über-45-Jährigen im Arbeitsleben erstmals größer sein als der Anteil der Unter-30-Jährigen. Und dieser Anteil älterer Erwerbspersonen wird ab diesem Zeitpunkt jährlich zunehmen. Diese Entwicklung trifft auf eine Personalplanung der Betriebe, die nach wie vor stark jugendzentriert ist und sie trifft auf einige Annahmen in Bezug auf ältere Erwerbstätige, die zwar im Management weit verbreitet, aber dennoch nicht richtig sind:

Was vermindert sich im Alter?

Die erste falsche Annahme heißt: Alter bedeutet Abbau. Daraus folgt der Fehlschluss: Ältere Mitarbeiter sind weniger produktiv. Das aber, meint Dr. Rudolf Karazman vom Institut für betriebliche Gesundheitsförderung  (IBG) sei nur die eine Hälfte der Wahrheit. „Richtig ist, dass das körperliche Leistungsvermögen mit dem Alter tendenziell abnimmt. Wenn dann ältere Mitarbeiter auf jugendliche Arbeitsorganisationen treffen – d.h. die körperlichen Anforderungen an den Einzelnen auch bei zunehmendem Alter gleichbleiben – dann wird diese Nicht-Anpassung auf Seite der Organisation ab einer gewissen Schwelle zu Überforderungsreaktionen auf körperlicher Ebene führen und Krankheiten begünstigen. Nur – im psychischen Bereich gibt es mit dem Alter keinen Abbau und im geistig sozialen Bereich sogar eine deutliche Zunahme. Das ist der entscheidende Punkt, der nur allzu oft nicht gesehen wird.“

Krankheitsursache: Unterforderung

Die zweite Annahme heißt: Arbeit macht krank. Und der damit verbundene Fehlschluss: Ältere Mitarbeiter sind daher öfter krank. Dr. Karazman: „Das denken sowohl viele Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, als auch Gewerkschafter und Arbeitsmediziner. Allerdings stimmt das in dieser Form nicht. Die Krankheitsraten steigen nämlich weit weniger aus dem Grund von körperlicher Überforderung als vielmehr aufgrund geistiger Unterforderung. Ältere Arbeitnehmer werden vor allem deswegen krank, weil nichts mehr auf sie wartet. Weil sie sich links liegen gelassen fühlen, weil man sie als „zum alten Eisen gehörig“ abwertet, weil ihnen die Bereicherung, die Stimulierung, die Herausforderung, das Wachstum und Lernen fehlen.

Das Entscheidende ist zu verstehen, dass Arbeit selbst geundheitserzeugend sein kann, aber eben nur dann, wenn sie auch sinnstiftend ist. Um es krass zu formulieren: Die häufigste Ursache für Demotivierung, innere Pensionierung und Krankenstände sind fehlende Erwartungen auf Seiten des Managements. Und nicht das Alter per se.“ Ein Indiz unter vielen, welches für viele Unternehmen typisch sein dürfte: In einer österreichischen Bank waren im Untersuchungszeitraum zwar über die Hälfte der Mitarbeiter über 40 Jahre, auf diese Gruppe entfielen aber nur 10% der Weiterbildungsausgaben (ohne die Ausgaben für Führungskräfte).

Nicht weniger produktiv, sondern anders!

Diese Grundhaltung „Ältere sind weniger produktiv“ erleben viele ältere Mitarbeiter im Arbeitsprozess dann in Form eines Verlusts an sozialer Einbeziehung in Aufgaben, Strukturen, Teams, letztlich als Verlust der sozialen Integration. Dieses sukzessive „Hinausbröseln“, sei es durch körperliche Überforderung oder durch geistige Unterforderung – ich gehöre nicht mehr dazu, bekomme keine Aufgaben mehr, werde nirgends mehr hingeschickt – führt, so Dr. Karazman, letztlich zur „teuersten Art der Arbeitszeitverkürzung überhaupt, nämlich zu Krankenständen und Frühpensionierung.“

Es geht aber auch anders. Gefragt ist eine Veränderung der Arbeitswelt in die Richtung, „dass wir mit der Schwere zurückgehen und mit der Schwierigkeit hinauf, bei  Forcierung der sozialen Einbeziehung.“ Beispiele dafür gibt es bereits.

Beispiel: Stadtwerke München

Weniger als 5% der Fahrer im öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland erreichen die gesetzlich vorgesehene Altersgrenze von 63 Jahren. Das heißt, ca. 95% scheiden aus gesundheitlichen Gründen vorher aus dem Fahrdienst aus, was aber nicht heißt, dass diese Personen gleich in Pension gehen können, sondern es bedeutet ihre Versetzung in den Innendienst und damit auf niedriger bewertete Stellen. Das wiederum wirft nicht nur für die Fahrer erhebliche soziale und wirtschaftliche Probleme auf, sondern auch für das Unternehmen.

1993 beschlossen die Stadtwerke München, sich dieses Problems anzunehmen. Zusammen mit dem „Gesundheitspark der Volkshochschule München“ entwickelte man ein einjähriges Programm zur Verbesserung der körperlichen und seelischen Gesundheit der Fahrer, das vom IBG wissenschaftlich begleitet und evaluiert wurde. Von 250 Fahrern, die an der Maßnahme teilnehmen wollten, wurden für das erste Programm 96 Personen ausgewählt und während eines Jahres für insgesamt 20 Tage dienstfreigestellt. Bevorzugt wurden die ältesten Fahrer mit den meisten Dienstjahren. In diesen 20 Tagen absolvierten sie ein Programm, bestehend aus fünf Bausteinen mit Bewegungs- und Entspannungsübungen, Stressbewältigungstraining, Gruppengesprächen und Ernährungsberatung. Dominierte am Anfang noch große Skepsis, so waren die Ergebnisse am Ende des Programms um so eindeutiger:

  • Das personalwirtschaftliche Ergebnis war ein Rückgang der Fahruntauglichkeit um 80% in dieser Präventivgruppe
  • Die Fahrer dieses Gruppe bleiben 2,5 Jahre länger im Arbeitsleben als ihre Kollegen
  • Der Rückgang in den Krankenständen betrug jährlich und nachhaltig 4-5 Tage/Fahrer.
  • Die Unfallrate in der Präventivgruppe wurde massiv reduziert.
  • Der Anteil von Fahrer mit normalem Blutdruck stieg von 65% auf 77%.
  • Auf die Frage „Wenn Sie wählen könnten, hätten Sie lieber 20 arbeitsfreie Tage oder 20 Tage mit Gesundheitsförderungsprogramm?“ antworteten nach 10 Gruppentagen knapp 80% der Fahrer: freie Tage mit Programm.
  • Mehr als die Hälfte der Teilnehmer berichteten von positiven Veränderungen auch im Privatleben
  • Insgesamt kam es bei den Teilnehmern zu einer Zunahme an Sinn-Erleben, Lebensqualität und Gesundheit.

Beispiel: KAV Wien

Im Krankenanstaltenverbund der Stadt Wien begannen Anfang 2000 die Vorbereitungen zu dem Projekt „meisterhafte Pflegekunst“. Der Hintergrund: So wie viele andere Berufe auhc ist der Pflegeberuf ein sogenannter „gleichbleibender Beruf“, d.h. die Arbeit bleibt über das ganze Berufsleben unverändert und spiegelt den Prozess des Älterwerdens – mehr Routine und Erfahrung einerseits, höhere körperliche Belastung andererseits – nicht wieder. Die Konsequenz daraus war: Nur 9% des Pflegepersonals ist nach 26 Dienstjahren noch im Unternehmen. Bei einem Durchschnittsalter von 20 Jahren beim Arbeitseintritt haben also mit Mitte Vierzig bereits 90% des Pflegepersonals die Organisation verlassen. Noch dazu wechseln 85% der Krankenschwestern mit spätestens 35 Jahren aus dem patientennahen Pflegedienst in Leitungsfunktionen oder die Lehre. Alles in allem kommt es zu einem enormen Abfluss an Erfahrung in der direkten Patientenbetreuung.

Um hier gegenzusteuern ist nun geplant, eine Art Fachkarriere mit den drei Stufen Novizin, Expertin, Meisterin zu etablieren sowie neue, flexiblere Regelungen in Bezug auf Nachtdienste und Verkürzung der Wochenarbeitszeit einzuführen.

Welch eine Verschwendung

Mit dem Älterwerden wächst der Wunsch nach Einbeziehung, Information, Einsicht und herausfordernden Aufgaben. Die älteren Mitarbeiter haben unheimlich viel Know-how und sie wollen, dass das abgeholt wird. Wird das nicht abgeholt „implodieren“ die Leute. Das erscheint dann als Demotivation und schlägt sich in Krankheiten nieder. Entgegen der landläufigen Meinung ist aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht die Gesundheit die Grundlage von Produktivität, sondern die Produktivität (im Sinne von „etwas aus mir herausführen, bewältigen“) ist sowohl die Grundlage von Gesundheit als auch von Leistung. D.h. Krankheit entsteht erst da, wo Produktivität chronisch behindert wird, etwa durch eine autoritäre Kultur, Lärm, schlechte Luft, überfordernde Arbeitsbedingungen, vergiftetes Klima im Unternehmen, mangelhafte Stimulierung oder Ausbildung. Insofern sollte es nicht mehr sonderlich verwundern, dass speziell die „Luxusprojekte“ zum productive aging einen bereits in mehreren Studien nachgewiesenen 5 – 20fachen Return on Investment bringen!

Autor: Peter Wagner, 11.2000

Werben um die Alten

Zitat: FOCUS, 01.09.2008, 19:33

In einigen Jahren stellen junge Männer und Frauen weniger als 20 Prozent aller Arbeitskräfte. In dieser Situation rücken ältere Arbeitnehmer in den Fokus.

Siemens

Bislang wird das Potenzial älterer Arbeitnehmer kaum genutzt

Das Problem der alternden Belegschaften ist eine Folge der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. Die sinkende Zahl der Kinder führt dazu, dass in den kommenden Jahrzehnten die deutsche Wirtschaft nicht mehr damit rechnen kann, genügend junge Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben, um frei werdende Stellen zu besetzen. In dieser Situation rücken ältere Arbeitnehmer zwangsläufig in den Fokus. Sie an ein Unternehmen zu binden und sie fit zu halten, wird für die Personalpolitik der Unternehmen zu einer wichtigen Aufgabe.

Ende 2007 hatte Deutschland rund 82,2 Millionen Einwohner. In den kommenden Jahrzehnten wird die Bevölkerungszahl deutlich zurückgehen. Verharrt die Zuwanderung nach Deutschland auf dem derzeitigen niedrigen Niveau, dürften nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts 2030 rund 77,2 Millionen Menschen in Deutschland leben. 2050 wären es nur noch 68,7 Millionen.

Alle Altersgruppen sind betroffen

Mit der schrumpfenden Bevölkerung sinkt auch die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter. Derzeit sind rund 50,1 Millionen Menschen bundesweit im Erwerbsalter, das die Statistiker im Augenblick noch auf das 20. bis 64. Lebensjahr begrenzen. Sollten nicht deutlich mehr Menschen nach Deutschland einwandern als derzeit, wird diese Personengruppe bis 2030 auf 42,4 Millionen und bis 2050 auf 35,5 Millionen Menschen schrumpfen.

Dieser Rückgang trifft alle Altersgruppen, mit besonderer Wucht aber die unteren und mittleren Jahrgänge. So wird die Zahl der Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 30 bis 2030 voraussichtlich um rund 2,5 Millionen auf nur noch 7,4 Millionen zurückgehen. Der Anteil dieser Jungen an der Gesamtzahl aller Erwerbsfähigen sinkt zeitgleich auf nur noch 17,7 Prozent.

Der Gruppe der jungen Erwerbsfähigen werden 2030 voraussichtlich rund 15,9 Millionen Personen im Alter zwischen 50 und 65 Jahren gegenüberstehen. Ihr Anteil an allen Personen im erwerbsfähigen Alter steigt auf 37,4 Prozent. Die Rente mit 67 wird diesen Trend noch einmal deutlich verstärken. Verlängert sich die Lebensarbeitszeit um zwei Jahre, wird die Gruppe der älteren Arbeitskräfte nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes nochmals um 2,5 Millionen Menschen anwachsen.

Ältere Arbeitnehmer sinnvoll einsetzen

An diesem Reservoir von zumeist gut ausgebildeten und erfahrenen Arbeitskräften wird künftig kaum ein Unternehmen vorbeigehen können. Bereits heute seien einzelne Branchen und Regionen in Deutschland vom Fachkräftemangel betroffen, betonen die Autoren einer im Mai veröffentlichten Studie der Prognos AG: „Unternehmen werden künftig ihren Bedarf an gut qualifizierten Arbeitskräften nur noch decken können, wenn es ihnen weit mehr als heute gelingt, Beschäftigte über 55 Jahren produktiv einzusetzen.“

Bislang wird das Potenzial der älteren Menschen in Deutschland allerdings kaum genutzt. Die Prognos-Studie verweist darauf, dass von den Männern im Alter zwischen 50 und 54 Jahren rund 82 Prozent einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Bei den 60- bis 65-Jährigen sind es nur noch 37,6 Prozent, bei den Frauen dieser Altersgruppe sogar nur noch 21,8 Prozent. Arbeiten bis zur Rente sei in Deutschland derzeit eher die Ausnahme, stellten die Autoren der Studie fest.