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Lebensphasengerechtes Arbeiten

Agemanagement – oder: was machen Sie im April 2020?

Autor: Dipl.-Psych. Kurt Wirsing (2010)

Sie haben Lust auf eine kleine Zeitreise? Dann erlauben Sie sich doch jetzt eine gedankliche Wanderung in Ihre Zukunft, auch wenn diese in Gottes Hand liegt. Zehn Jahre nach vorne – 2010, 2011, 2012, Jahr für Jahr …. bis zum April*) 2020.

Wie alt sind Sie jetzt im April*) 2020? Wie fühlt sich das an? Welche inneren Bilder und Gedanken tauchen auf? Vergleichen Sie ein aktuelles Foto Ihres Gesichtes 2020 mit einem von 2010. Was steht in Ihrer jetzigen Lebensphase im April*) 2020 an? Wie ist Ihre körperliche und psychische Fitness? Vor welche Aufgaben sind Sie an Ihrem Arbeitsplatz gestellt? Welche Ihrer Vorstellungen haben sich realisiert -im Betrieb, im Privatleben? Wie gehen Sie mit Ihrem persönlichen Älterwerden um? Haben Sie Vor-Bilder zum Älterwerden im Beruf?

„Alt und Jung – voneinander lernen, einander respektieren“, das war das  Jahresmotto  des Kostenzer Fortbildungsprogramms 2009 und der Titel eine dreiteiligen Seminarreihe. Dort haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den gleichen Fragen gestellt und sich offenherzig darüber ausgetauscht. Fachlicher Input und Informationen über aktuelle entwicklungs-, arbeits- und biospsychologische Forschungsergebnisse zu Alternsprozessen waren ein wichtiger Bestandteil der Seminartage. In Einzelreflektion, Teamübungen und durch mentales Training haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schließlich ihre Kompetenzen im persönlichen Agemanagement erweitert.

Sie fragen sich vielleicht: was bedeutet das, Agemanagement? Agemanagement, dieses Wort wird Ihnen in Zukunft häufig begegnen. Gemeint sind die Bemühungen von Betrieben und Institutionen, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu meistern. Der demografische Wandel, das Aufrücken der geburtenstarken Jahrgänge in höhere Altersklassen und die schwache Besetzung der jungen Jahrgänge, wird dazu führen, dass der Anteil älterer Menschen in unserer Gesellschaft drastisch ansteigen wird. […]*)

Verhaltensprävention und Verhältnisprävention

Präventives Handeln ist der Königsweg zur persönlichen Future-Fitness und zum  demografiefesten Unternehmen. Aus arbeitspsychologischer Sicht ist es wichtig, beim Agemanagement zwei Präventionsprozesse zu unterscheiden, um die Verantwortlichkeiten klar zu machen.

Zur Verhaltensprävention muss sich der einzelne Mitarbeiter fragen: Was kann ich für mich tun, um mich körperlich und mental fit zu halten und fachlich auf der Höhe der Zeit zu bleiben? Und was brauche ich dazu an Unterstützung vom Betrieb?

Zur Verhältnisprävention ist die Unternehmensleitung herausgefordert, organisatorische und konzeptionelle Maßnahmen für eine lebensphasenorientierte Personalentwicklung von „Jung bis Alt“ und die gesundheitsfördernde Ausgestaltung von Arbeitsplätzen zu entwickeln.

Verhaltensprävention

Für sein eigenes Verhalten beim Umgang mit dem Älterwerden und den beruflichen Anforderungen ist jeder Einzelne selbst verantwortlich. Gesund Älterwerden lässt sich natürlich nicht einfach managen, sondern ist ein Geschenk. Freilich eines, das sorgfältig gehütet sein will. Eine Aufgabe, zu deren Lösung jeder Mensch unausweichlich auf seine ganz individuelle Art herausgefordert ist, um eigenverantwortlich für seine körperliche und seelische  Fitness zu sorgen. Das Zauberwort der Verhaltensprävention ist Bewegung. Körperliche und geistige Bewegung, in Kombination mit gesunder Ernährung.

Mentales Training

Dazu gehören vor allem positive innere Bilder und Gedanken zum Älterwerden. Nicht nur die äußeren Verhältnisse, auch unsere eigenen Gedanken wirken unmittelbar auf unser Stress- und Immunsystem, wie in der Placeboforschung hinlänglich nachgewiesen wurde. Vielleicht sollte man besser von der Kraft des menschlichen Geistes als von Placebowirkung sprechen. Der einzelne Mitarbeiter muss darauf achten, sich nicht durch schwächende innere Bilder seiner Leistungsfähigkeit selbst negativ zu hypnotisieren. Beispielsweise ist Älterwerden kein Kriterium dafür, das Handling von Computern nicht mehr lernen zu können.

Akzeptanz

Älterwerden beginnt zu einem Problem zu werden, wenn man es zu einem Problem macht, ob man dreißig oder sechzig Jahre alt ist. „Nicht die Dinge sind es, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben“ meinte der griechische Philosoph Epiktet vor zweitausend Jahren. Die modernen psychologischen Stresstheorien sagen genau das gleiche. Freilich ist es keine leichte Aufgabe, sich mit dem eigenen Körper und seinem Faltenwurf anzufreunden, wenn aus den Medien digital geglättete Idealgesichter blicken. Körperliche Leistungseinbußen gehören zum natürlichen Alternsprozess und können selbst bei bester Verhaltensprävention nicht immer mit Fitness- und Entspannungstrainings aufgehalten werden. Es ist gesund, dies zu akzeptieren. So verringert sich die psychophysische Belastbarkeit, wie sie bei bestimmten Schichttätigkeiten besonders gefordert ist. Flexible Arbeitszeitmodelle wären hier ein Lösungsweg.

Gehirnjogging und Ich-Mut

Ältere Mitarbeiter – ab wann ist man eigentlich ein älterer Mitarbeiter? – sind bezüglich ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit immer noch Vorurteilen ausgesetzt. Die Ergebnisse der Alternsforschung sind eindeutig: das Gehirn besitzt gewaltige Kompensationsfähigkeiten und kennt nach vielen Jahrzehnten Denkerfahrung viele Tricks, um seinem Benutzer über die Runden zu helfen. Das Zauberwort heißt hier „use it or lose it“: benutze dein Gehirn, sei neugierig, lerne, bilde dich weiter. Das junge Gehirn arbeitet zwar schneller, das alte Gehirn aber kennt die Abkürzungen (vgl. Misericordia 5/2007, Älterwerden im Beruf – mental fit bleiben).

Wer „Ich-Mut im Alternsprozess“ (so der österreichische Sozialgerontologe Leopold Rosenmayr) entwickelt, kann sich mit gesellschaftlichen Ansprüchen selbstbewusst auseinandersetzen. So gerüstet reflektiert der Blick in den Spiegel Lebensstolz, Erfahrungsreichtum, Neugier und ein versöhnliches Schmunzeln und Ja zu dem Menschen, der man ist. Einem solchen wertschätzenden Selbstbild können gesellschaftliche Fremdbilder wie negative Meinungen zur beruflichen Leistungsfähigkeit Älterer wenig anhaben.

Der Lebensfluss

Eine Herausforderung des Älterwerdens liegt darin, dass wir mit jeder Entscheidung und jeder Wahl im Lebensfluss mögliche Alternativen aussortieren müssen. Dem Erreichten steht immer auch Ausgelassenes gegenüber. Ursprüngliche Hoffnungen und Ziele werden mit Blick auf die verbleibende Lebensspanne plötzlich nicht mehr realisierbar. Gerade im Beruf wird das bisher Erreichte und Nichterreichte, das Ende beruflicher Karrierechancen, besonders deutlich. Die mittleren Lebensjahre sind der Schlüssel für gelingendes Älterwerden. In der Lebensmitte werden die Weichen für kompetentes Altern gestellt. Wer sich im mittleren Lebensalter proaktiv mit den Herausforderungen des Älterwerdens beschäftigt, gewinnt dadurch Potenzial und Energie für seine weitere Lebensroutenplanung.

Hilfreich ist dabei der stärkende Blick auf die ganze Lebensspanne. Das psychologische Leitbild ist der Lebensfluss mit seinen realen psychischen Kraftquellen für ein gelingendes Altern und nicht die illusionäre Verlockung des Jungbrunnens.

Das Lebensflussmodell: Biosozialer Lebenszyklus

„Erkenne Dich selbst“ konnte der Fragende im Eingangsbereich des griechischen Delphi lesen, bevor er um einen Orakelspruch zu seiner Zukunftsfrage bat. Das sei auch dem angeraten, der erfolgreich altern will. Die Entwicklungspsychologie empfiehlt Auswahl, Training und Ausgleich als Lebensprinzipien. Das heißt: Kräfte ordnen, Energie konzentrieren, Ressourcen erkennen, Reibungsverluste vermeiden und Grenzen beachten.

Die Mitarbeiter kann der Betrieb bei deren Verhaltensprävention mit Fortbildungsangeboten beispielsweise zur Stress- und Burnoutprophylaxe, mit Routenplaner-Workshops bis hin zu Einzelcoachings (AgingArt® Coaching) unterstützen.

Verhältnisprävention

Die Verhältnisprävention im Rahmen des Agemanagements verantwortet hauptsächlich das Unternehmen. Es liegen vielfältige arbeitswissenschaftliche Empfehlungen vor, wie Arbeitsanforderungen altersbezogen zu gestalten sind. Jedes Unternehmen ist ein lebendiger und einzigartiger Organismus mit ganz eigener Biografie. Daher sind kreative, betriebsspezifische Lösungen unter frühzeitiger Mitarbeiterbeteiligung gefragt, wenn konkrete Maßnahmen so geplant und umgesetzt werden sollen, dass hohe Akzeptanz und nachhaltige Effekte erreicht werden. Wertschätzung für die eigene Geschichte, die prägenden Wurzeln und den Erfahrungsschatz der Beschäftigten ist eine wesentliche Basis für die Gestaltung des Betriebsklimas und der notwendigen Veränderungsprozesse. Dann werden Leitbilder auch lebendig und entwickeln wertschöpfende Kraft.

Das Haus der Arbeitsbewältigungsfähigkeit

Die klassische Definition von Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit nimmt ausschließlich die individuelle Leistungsfähigkeit von Personen in den Fokus. Der finnische Arbeitswissenschaftler Juhani Ilmarinen, der europaweit führende Experte zum Thema Agemanagement, hat den Bogen nun viel weiter gespannt. Er definiert eine Wechselwirkung zwischen den Leistungsmöglichkeiten des Einzelnen und der Arbeitssituation mit all ihren Facetten, beeinflusst von den privaten Lebensverhältnissen und gesellschaftlichen Bedingungen. Eine gute Arbeitsbewältigungsfähigkeit ist dann gegeben, wenn der einzelne Mitarbeiter mit seiner Gesundheit, seiner Motivation und seinen persönlichen sowie fachlichen Kompetenzen einerseits und die Arbeit mit ihren Arbeitsbedingungen, der Arbeitsorganisation sowie der Unternehmens- und Führungskultur andererseits gut aufeinander abgestimmt sind.

[…]*) Sein ganzheitliches Konzept der Arbeitsbewältigungsfähigkeit veranschaulicht er mit dem Bild eines Hauses. Die einzelnen Stockwerke  geben eine gute Checkliste für die anzupackenden Handlungsfelder der Verhaltens- und Verhältnisprävention ab. Mit dem ebenfalls von Ilmarinen entwickelten arbeitsmedizinischen Erhebungsinstrument des Work-Ability-Index (WAI) lassen sich  schnell und aussagekräftig die Möglichkeiten eines Menschen in Bezug auf seine Arbeitsanforderungen erfassen. Im persönlichen Einzelcoaching können die Ergebnisse für die Verhaltensprävention nutzbar gemacht werden. Und anonymisiert geben sie dem Betrieb Handlungsimpulse für erforderliche Maßnahmen der Verhältnisprävention.

Der Gewinn

Erfolgreiches Agemanagement durch betriebsspezifische Lösungen im Bereich der alternsgerechten Arbeitsgestaltung und lebensphasenorientierten Personalentwicklung führt zu folgenden Gewinnen:

  • Älterwerden und Altern von Mitarbeitern wird zum gewinnbringenden Faktor für das Unternehmen.
  • Die Mitarbeiter behalten ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit beim Älterwerden im Auge.
  • Die Mitarbeiter entwickeln neue Perspektiven für die Lösung der anstehenden Herausforderungen beim Älterwerden im Beruf.
  • Die Mitarbeiter nutzen bestehende Gestaltungsspielräume im Unternehmen, um sich im beruflichen Lebenszyklus ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechend zu positionieren.
  • Die Mitarbeiter sind sich im Klaren, was sie an Qualifikationen und Kompetenzen für die Zukunft brauchen.
  • Die Sensibilität für die Chancen altersgemischter Zusammenarbeit im Unternehmen wird gefördert.

Man könnte den Gewinn von Agemanagement auch so zusammenfassen: Gelebte Gastfreundschaft zwischen Alt und Jung und zwischen Unternehmen und Mitarbeitern.

Links:

Autor: Dipl.-Psych. Kurt Wirsing (alle Rechte beim Autor). Erstveröffentlichung in misericordia 3 (2010) – Kirche und Gesellschaft

*) Ergänzt oder Aktualisiert durch den Herausgeber

Altersflexible Beschäftigungssysteme

In den 1980er und 1990er Jahren wurde mit der Absicht der Arbeitsmarktstabilisierung  das Augenmerk auf Anreize zur Frühpensionierung gesetzt. D.h. die finanziellen Folgen am damals bereits bekannten Hintergrund der demografischen Fakten wurden kaum berücksichtigt. Mit entsprechenden, meist kaum spürbaren Abschlägen bei der Pensionsberechnung und entsprechenden Anreizen durch Prämien bei vorzeitigem Pensionsantritt, wurden die MitarbeiterInnen quasi aus den Unternehmen gelockt (vgl. Backes-Gellner, 2009, S. 154f). Durch Versicherungsmathematisch ermittelte erweiterte Abschläge ist dieser Trend, zumindest gilt dies für Deutschland, gebrochen. Doch ist anzunehmen, dass alleine durch reglementierende Maßnahmen das Problem der Längerbeschäftigung von MitarbeiterInnen, auf dem Hintergrund eines erhöhten Pensionsantrittsalters, nicht gelöst ist.

Auf der Grundlage entsprechender Studien (vgl. Backes-Gellner & Veen, 2009) werden betriebliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte ins Augenmerk genommen, die in dieser Hinsicht eine Verbesserung bringen sollten:

  • Altersgerechte Arbeitsplätze, die insbesondere eine altersgerechte Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen einschließen, sind dabei aus Arbeitnehmerperspektive eine Mindestvoraussetzung.
  • Eine Erleichterung der Kombination von Arbeitseinkommen und Renteneinkommen stellen einen zusätzlichen Hebel dar […]
  • …um einen stärker gleitenden und damit […] einen insgesamt späteren Übergang in den Ruhestand attraktiver zu machen bzw. um ein langsames Ausfädeln aus dem Arbeitsleben statt eines abrupten und damit sehr frühen Übergans in den vollständigen Ruhestand anzuregen. (Backes-Gellner, 2009, S. 155)

Diese Maßnahmen können den Auswirkungen restriktiverer Rentenbemessungen und den dadurch entstehenden finanziellen Folgen auf den Einzelnen entgegenwirken. „Eine längere Aufrechterhaltung einer (teilweisen) Erwerbstätigkeit setzt wiederum flexiblere Arbeitsformen und Arbeitsverträge (bzw. eine altersgerechte Flexibilisierung der Arbeitsformen/verträge) genauso wie die produktive betriebliche Einsatzmöglichkeit älterer (teilzeitbeschäftigter) Arbeitnehmer voraus (Backes-Gellner, 2009, S. 155). Vornehmlich muss es das Ziel sein, Arbeitsstrukturen und -bedingungen zu schaffen die individuelle Leistungsvoraussetzungen berücksichtigen und so die Gegebenheit für best mögliche Produktivität schaffen.

Insgesamt ist der Dienstleistungssektor als altersflexibler einzustufen als der Produktionssektor. Bedingung für einfachere Übergänge in diesen Segmenten am Arbeitsmarkt ist eine stärkere qualifikatorische Durchlässigkeit (vgl. Backes-Gellner, 2009, S. 156). Dabei ist als grundlegend anzusehen, dass die im Laufe des Berufslebens erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen systematisch anerkannt werden müssen (vgl. Backes-Gellner, ebd. und Geldermann et al., 2009).

Grundsätzlich sollen aber solche Vorgansweisen insgesamt Grundlage der beruflichen Biographie darstellen. Der berufliche Werdegang ist, gesehen an den gegenwärtigen Bedingungen, für die allermeisten Menschen von Diskontinuitäten geprägt. Alleine schon die Tatsache der in kurzen zeitlichen Abfolgen stattfinden technischen Neuerungen erfordert ein hohes Ausmaß an Weiterbildungsbereitschaft. Andererseits bestehen aber immer noch Barrieren, getragen durch traditionelle Denk- und Bewertungsmuster, die eine Anerkennung beruflicher Kompetenzen aus anderen Feldern erschweren. Ein gezielterer Umgang mit Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen und ein darauf abgestimmtes Dokumentationssystem kann hier zu einer fruchtbaren Lösung beitragen (vgl. Eisner, 2009).

© Mag. Dr. Josef Eisner, 2010

Generationen-Mix statt Jugendwahn

Zitat: FOCUS, 16.06.2007, 09:59
Der demografische Wandel wird auch für Unternehmen und Betriebe spürbar. In den nächsten Jahrzehnten wird das Potenzial an Arbeitskräften deutlich zurückgehen. Unternehmen müssen schleunigst tätig werden.

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2020 wird jeder dritte Erwerbstätige über 50 Jahre alt sein

Statt 41 Millionen wie im Jahr 2000 könnte es 2040 nur noch 26 Millionen Menschen betragen, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) berechnet. Bereits 2020, so die Prognosen, wird jeder dritte Erwerbstätige 50 Jahre und älter sein.

Unternehmen kaum vorbereitet

Probleme könnten besonders solche Betriebe bekommen, in denen Arbeit weiter verdichtet wird und der Stress zunimmt. Aber auch für Unternehmen, deren Mitarbeiter plötzlich mit neuen technischen Entwicklungen konfrontiert werden, dürfte es schwierig werden, warnt der Experte. „Angesichts älter werdender Belegschaften ist es notwendig, für ausgewogene Belastungen am Arbeitsplatz zu sorgen.

Zudem müssen Unternehmen Mitarbeitern die Chance geben, ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln“, so Buck. Die Funktion der Führungskräfte sei enorm wichtig, erklärt Christiane Flüter-Hoffmann. Großunternehmen böten bereits Trainings an, um Vorgesetzte für das Thema „alternde Belegschaften“ zu sensibilisieren.

Zu den Unternehmen, die den Wandel bereits im Blick haben, gehört die Deutsche Bank AG. Allein zwischen 2004 und 2006 ist ihr Mitarbeiteranteil der über 54-Jährigen um zehn Prozent gestiegen.
Während das internationale Unternehmen insgesamt eine vergleichsweise junge Belegschaft aufweist, werde es künftig in Deutschland zunehmend schwieriger, qualifizierten Nachwuchs zu rekrutieren, erklärt Sprecherin Marion Dressler.

Um den Veränderungen gerecht zu werden, setzt das Bankhaus unter anderem auf „Age Diversity“. In Arbeitsteams, etwa zur Kundenbetreuung, sollen möglichst alle Generationen eingebunden werden: „Vom direkten Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen jungen und erfahrenen Kollegen profitieren beide Seiten: Mitarbeiter und Kunde“, so Dressler. Denn auch auf Kundenseite ginge der Anteil der Jungen zurück. „Und nicht jeder ältere Kunde möchte von einem Mittzwanziger beraten werden.“

Wechsel innerhalb des Betriebes

Auch auf eine längere Lebensarbeitszeit hat das Unternehmen bereits reagiert. Nimmt mit zunehmendem Alter das Leistungsvermögen ab, kann ein Arbeitnehmer entsprechend seiner Leitungskraft an einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden. Dressler: „Statt Mitarbeiter nach Hause gehen zu lassen, die altersbedingt nicht mehr in ihrer bisherigen Position arbeiten können, geben wir ihnen innerhalb der Bank eine andere Aufgabe, in die sie möglichst viel des erworbenen Erfahrungswissens einbringen können.

Die Strategien, um den älter werdenden Belegschaften gerecht zu werden, sind vielfältig – angefangen vom Kulturwandel in den Unternehmen bis hin zur Gesundheitsförderung der Beschäftigten.
Die BMW Group etwa setzt auf ein ganzheitliches Konzept, das auch Aspekte wie Gesundheitsmanagement und ergonomische Arbeitsplätze beinhaltet. So gibt es inzwischen an fast allen Werkstandorten Fitnesscenter, Sportkurse und physiotherapeutische Einrichtungen.

„Besonders wichtig war uns, das Arbeitsumfeld zukunftsorientiert zu gestalten“, erklärt Sprecher Manuel Hiermeyer. Allein im Werk München investierten die Autobauer 25 Millionen Euro, um die Karosseriemontage körperlich weniger anstrengend zu machen.

Mit dem demografischen Wandel erhält das lebenslange Lernen noch stärkere Bedeutung. Denn bislang sind ältere Arbeitnehmer bei der beruflichen Weiterbildung unterrepräsentiert.
In Westdeutschland betrug 2003 die Teilnahmequote unter den 50- bis 64-Jährigen lediglich 17 Prozent. In der Altersgruppe der 19- bis 34-Jährigen lernten hingegeben 29 Prozent beruflich dazu, so das Ergebnis einer Repräsentativbefragung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

„Die kontinuierliche Weiterbildung von Mitarbeitern ist ein wichtiger Bestandteil einer alternsgerechten Personalentwicklung“, sagt Jutta Rump. „Lernen darf im Alter nicht abreißen“, so die Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Ludwigshafen. Unternehmen würden hierfür zwar sensibler, konkretes Handeln bleibe aber vielfach noch aus, kritisiert sie.

Ältere lernen anders

Dass Ältere weniger lernbereit und flexibel, weniger ehrgeizig und kreativ sind, ist ein gängiges Vorurteil: „Es ist seit langer Zeit Konsens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, dass Mitarbeiter mit 55 oder 58 Jahren aus dem Erwerbsprozess aussteigen“, sagt Hartmut Buck.

Diese Praxis habe auch das Bild vom älteren Mitarbeiter geformt. Sie würden als weniger leistungsfähig wahrgenommen. Ein Vorurteil, das der Realität kaum standhält: „Befragt man Arbeitgeber nach der Leistungsfähigkeit und Qualifikation Älterer, werden sie regelmäßig in Bezug auf ihr Wissen, ihre Erfahrung und Expertise als gut bewertet“, sagt der Fraunhofer IAO-Experte.

„Fluide“ und „kristallisierte“ Kompetenz

Aus der Psychologie weiß man inzwischen, dass Menschen über ein unterschiedliches Maß an „fluider“ und „kristallisierter“ Kompetenz verfügen. Erstere steht für eine schnelle Auffassungsgabe und Wahrnehmung, für eine gute Anpassungsfähigkeit und ein gutes Gedächtnis. „Wenn diese Fähigkeit nicht trainiert wird, verkümmert sie bereits ab dem 30. Lebensjahr“, stellt Jutta Rump fest.

Kristallisierte Kompetenz hingegen steht für Erfahrungswissen, Sprachgewandtheit und die Fähigkeit, schnell komplexe Zusammenhänge zu begreifen. Sie reift erst mit zunehmendem Lebensalter. Arbeiten ältere und jüngere Mitarbeiter zusammen, sind die unterschiedlichen Kompetenzen für beide Seiten ein Gewinn.

„Das gegenseitige Lernen in altersgemischten Teams ist ebenso effektiv wie effizient“, sagt Jutta Rump. Die berufliche Weiterbildung Älterer muss praxisnah erfolgen, ihr Erfahrungswissen sollte dabei integriert werden. „Ältere Mitarbeiter lernen nicht schlechter, sondern anders. Lernen und Arbeit müssen miteinander verzahnt werden“, so Professorin Rump.

Nach wie vor zeigt sich die Benachteiligung Älterer auf dem Arbeitsmarkt vor allem bei der Rekrutierung. „Wenn Unternehmen Personal suchen, stellen sie eher Jüngere ein“, erklärt Hartmut Buck.

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Personalchefs stellen bevorzugt Jüngere ein

Ziel der Europäischen Union ist es, bis 2010 die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer auf 50 Prozent zu erhöhen. Inzwischen ist man auch in Deutschland auf einem guten Weg. Im vergangenen Jahr lag die Beschäftigungsquote bei den 55- bis 64-Jährigen hierzulande bei über 48 Prozent – im Vergleich zum Jahr 2000 ein Wachstum um mehr als zehn Prozent.

Bundesweit stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer über 50 zwischen Juni 2005 und Juni 2006 um 200.000. „Die Trendwende ist geschafft“, sagt Christiane Flüter-Hoffmann. „Doch im internationalen Vergleich schneidet Deutschland noch längst nicht gut ab.“ Länder wie Finnland, Dänemark und die Niederlande erzielen noch bessere Ergebnisse.