Artikel-Schlagworte: „Seelische Gesundheit“

Altersflexible Beschäftigungssysteme

In den 1980er und 1990er Jahren wurde mit der Absicht der Arbeitsmarktstabilisierung  das Augenmerk auf Anreize zur Frühpensionierung gesetzt. D.h. die finanziellen Folgen am damals bereits bekannten Hintergrund der demografischen Fakten wurden kaum berücksichtigt. Mit entsprechenden, meist kaum spürbaren Abschlägen bei der Pensionsberechnung und entsprechenden Anreizen durch Prämien bei vorzeitigem Pensionsantritt, wurden die MitarbeiterInnen quasi aus den Unternehmen gelockt (vgl. Backes-Gellner, 2009, S. 154f). Durch Versicherungsmathematisch ermittelte erweiterte Abschläge ist dieser Trend, zumindest gilt dies für Deutschland, gebrochen. Doch ist anzunehmen, dass alleine durch reglementierende Maßnahmen das Problem der Längerbeschäftigung von MitarbeiterInnen, auf dem Hintergrund eines erhöhten Pensionsantrittsalters, nicht gelöst ist.

Auf der Grundlage entsprechender Studien (vgl. Backes-Gellner & Veen, 2009) werden betriebliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte ins Augenmerk genommen, die in dieser Hinsicht eine Verbesserung bringen sollten:

  • Altersgerechte Arbeitsplätze, die insbesondere eine altersgerechte Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen einschließen, sind dabei aus Arbeitnehmerperspektive eine Mindestvoraussetzung.
  • Eine Erleichterung der Kombination von Arbeitseinkommen und Renteneinkommen stellen einen zusätzlichen Hebel dar […]
  • …um einen stärker gleitenden und damit […] einen insgesamt späteren Übergang in den Ruhestand attraktiver zu machen bzw. um ein langsames Ausfädeln aus dem Arbeitsleben statt eines abrupten und damit sehr frühen Übergans in den vollständigen Ruhestand anzuregen. (Backes-Gellner, 2009, S. 155)

Diese Maßnahmen können den Auswirkungen restriktiverer Rentenbemessungen und den dadurch entstehenden finanziellen Folgen auf den Einzelnen entgegenwirken. „Eine längere Aufrechterhaltung einer (teilweisen) Erwerbstätigkeit setzt wiederum flexiblere Arbeitsformen und Arbeitsverträge (bzw. eine altersgerechte Flexibilisierung der Arbeitsformen/verträge) genauso wie die produktive betriebliche Einsatzmöglichkeit älterer (teilzeitbeschäftigter) Arbeitnehmer voraus (Backes-Gellner, 2009, S. 155). Vornehmlich muss es das Ziel sein, Arbeitsstrukturen und -bedingungen zu schaffen die individuelle Leistungsvoraussetzungen berücksichtigen und so die Gegebenheit für best mögliche Produktivität schaffen.

Insgesamt ist der Dienstleistungssektor als altersflexibler einzustufen als der Produktionssektor. Bedingung für einfachere Übergänge in diesen Segmenten am Arbeitsmarkt ist eine stärkere qualifikatorische Durchlässigkeit (vgl. Backes-Gellner, 2009, S. 156). Dabei ist als grundlegend anzusehen, dass die im Laufe des Berufslebens erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen systematisch anerkannt werden müssen (vgl. Backes-Gellner, ebd. und Geldermann et al., 2009).

Grundsätzlich sollen aber solche Vorgansweisen insgesamt Grundlage der beruflichen Biographie darstellen. Der berufliche Werdegang ist, gesehen an den gegenwärtigen Bedingungen, für die allermeisten Menschen von Diskontinuitäten geprägt. Alleine schon die Tatsache der in kurzen zeitlichen Abfolgen stattfinden technischen Neuerungen erfordert ein hohes Ausmaß an Weiterbildungsbereitschaft. Andererseits bestehen aber immer noch Barrieren, getragen durch traditionelle Denk- und Bewertungsmuster, die eine Anerkennung beruflicher Kompetenzen aus anderen Feldern erschweren. Ein gezielterer Umgang mit Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen und ein darauf abgestimmtes Dokumentationssystem kann hier zu einer fruchtbaren Lösung beitragen (vgl. Eisner, 2009).

© Mag. Dr. Josef Eisner, 2010

Kein Stress vor dem Altern

Zitat: Salbzurger Nachrichten (2009), Gesünder Leben (Beilage vom 9. September)

Wer glaubt, gegen das Altern ankämpfen zu müssen, bekommt Stress. Kreativ zu altern, heißt hingegen, nach den eigenen Kraftressourcen zu suchen. Dazu muss man sich bewegen, von etwas bewegt sein und auch andere bewegen können. (Franziska Lipp)

CoertSN

Der deutsche Psycholo­ge Kurt Wirsing hat AgingArt entwickelt:

Eine Methode, die Menschen in der zweiten Lebenshälfte dabei helfen soll, starke Visionen zu entwickeln und an Gestaltungs­kraft zu gewinnen.

SN: Was bedeutet AgingArt?

Wirsing: AgingArt meint die Kunst des Alterns und das da­mit verbundene psychologische Handwerkszeug, um die He­rausforderungen dieses ganz normalen Lebensprozesses zu meistern. Altern ist keine behandlungsbedürfiige Krank­heit, gegen die man zu Felde ziehen müsste. Es bringt aber krisenhafte Lebensphasen und Übergänge mit sich, die jeden Menschen in seinem Selbstbild erschüttern können.

Insofern ist Altern nicht ohne Risiko und Neben­wirkungen und man tut gut daran, für seine seelische Fitness zu sorgen.

SN: Mit welchen Anliegen kommen die Menschen zu Ihnen?

Wirsing: Sie kommen haupt­sächlich mit privater und beruf­licher Verunsicherung und sind auf der Suche nach Orientie­rung. Sie stellen Bilanzierungs­und Sinnfragen nach den eige­nen Träumen und Plänen, nach Erwartungen und Selbstbe­stimmung. Oft begleitet von Schlafstörungen, Herz- Kreis­lauf-Problemen mit Bluthoch­druck, Gedächtnis- und Kon­zentrationsstörungen, Leis­tungsabfall im Job, Libido- und Potenzprobleme, depressiven Verstimmungen oder Burn-out­Symptomen.

SN: Worin liegt die Schwierigkeit desAlterns?

Wirsing: Wer meint, Älterwer­den sei etwas, wogegen man an­kämpfen müsse, bekommt Stress.

Eine große Schwierig­keit des Älterwerdens liegt da­rin, dass wir mit jeder Ent­scheidung und jeder Wahl im Lebensfluss mögliche Alterna­tiven aussortieren müssen. Ge­rade im Beruf wird das bisher Erreichte und Nichterreichte, das Ende beruflicher Karriere­chancen, besonders deutlich.

SN: Wie meistert man diese Situation am besten?

Wirsing: Es ist nie zu spät, sei­nen eigenen Lebensentwurf zu wagen. Kreativ altern heißt, nach den eigenen Kraftressour­cen zu suchen. Dazu muss man sich bewegen, von etwas be­wegt sein und auch andere be­wegen können. Sich herausbe­wegen aus der Komfortzone der eingeschliffenen Lebens­muster, neugierig sein und neue Erfahrungen wagen. Etwas tun, was man noch nie getan hat. Mächtige Verbündete von AgingArt sind die Lust, die Kreativität, die Neugier und der Humor. Und Stress vermin­dern, weil der die Kreativität hemmt und den Alterungspro­zess beschleunigt.

„Was fehlt, ist eine neue Alterskultur“

SN: Leben wir in einer altersfeindlichen“ Gesellschaft und Kultur?

Wirsing: Was fehlt, ist eine neue Alterskultur, die den Menschen Orientierung bietet, wie die statistisch gewonnenen Le­bensjahre zu füllen sind.

Lebensbejahend wäre ein vielfältiges Altersbild, das einer bunten Mischung von Le­bensstilen alter Menschen ge­sellschaftliche Anerkennung ermöglicht. Nicht nur das vor­herrschende Altersbild der als Marktzielgruppe umworbenen Best-Ager.

SN: Warum fällt es den Menschen so schwer, gelassen alt zu werden?

Wirsing: Gelassen alt zu wer­den, braucht die Fähigkeit zu Wehmut. Und Mut verlangt es, die Prozesse des eigenen AI­terns anzuerkennen, darin ein­zuwilligen und seinen eigenen Weg zu gehen. Gestaltungskraft gewinnt der Mensch, der etwas sein lassen kann. Eine große Herausforderung .

SN: Was lernen Klienten mit AgingArt?

Wirsing: Sie erhalten einen stär­kenden Blick auf die ganze Le­bensspanne, finden ihre psychi­schen Kraftquellen und können kraftvolle Visionen für die Zu­kunft entwickeln. Sie erhalten aber auch Informationen, wie Stress, hormonelle Abläufe und Alterungsprozesse zusammen­hängen und was sie an Gestal­tungskraft selbst in der Hand haben.

Fitness für die Seele