Studie: Ältere Arbeitnehmer wieder mehr gefragt

Ältere Arbeitnehmer wieder mehr gefragt

Arbeitnehmer über 50 sind nach einer Studie der Bundesagentur für Arbeit wieder mehr gefragt. Waren im März 2005 in der Gruppe der 50- bis 54-Jährigen noch 2.891.576 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, so stieg deren Zahl bis März 2009 auf 3.282.800.

Bei den 55- bis 59-Jährigen ist die Entwicklung noch positiver: Waren es hier im März 2005 noch 1.961.270 Beschäftigte, zählte die Bundesagentur vier Jahre später 2.564.524 Beschäftigte. Ein Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ist auch bei den 60- bis 64-Jährigen zu verzeichnen: Waren es im März 2005 genau 779.255, wurden im März dieses Jahres 958.978 registriert.

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Zitat verfügbar unter: http://www.haufe.de/SID61.Eo1drktJ1I4/personal/newsDetails?newsID=1258389348.63 [Datum des Zugriffs: 10.01.2010]

Vorbehalte gegen ältere Arbeitnehmer

Doch noch viele Vorbehalte gegen ältere Arbeitnehmer

Die meisten Arbeitgeber halten ältere Mitarbeiter nicht für weniger produktiv oder weniger motiviert, belegt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Aber immerhin 25 Prozent der Befragten geben an, über 50-Jährige hätten eine geringere Leistungsbereitschaft.

Erst vor einer Woche hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit aktuellen Zahlen belegt, dass Arbeitnehmer über 50 wieder mehr gefragt seien. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Gruppe der 50- bis 54-Jährigen sei seit März 2005 von 2.891.576 auf 3.282.800 im März 2009 gestiegen, so die BA.

Wie das IW nun in einer Studie über das Image älterer Beschäftigter ermittelte, gibt es aber trotzdem noch Vorbehalte gegenüber älteren Mitarbeitern. So sind 27 Prozent der Befragten der Ansicht, Ältere schafften weniger, weil sie mit dem Arbeitstempo nicht mehr mithalten könnten. Um die Daten der Studie über das Image älterer Beschäftigter zu erheben, hat das IW 1.350 Personalleiter, Geschäftsführer und Unternehmern in der Industrie befragt.

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Zitat verfügbar unter: http://www.haufe.de/personal/newsDetails?newsID=1259068103.04&d_start:int=9&topic=Personalmanagement&topicView=HR-Management&printPage=true [Datum des Zugriffs: 10.01.2010]

Ältere Mitarbeiter fördern und fordern

Wussten Sie, dass heute schon fast jeder zweite Arbeitnehmer unter die Kategorie „älterer Mitarbeiter“ fällt? Und die Tendenz ist steigend. Dieser demografische Wandel hat gerade im Handwerk tief greifende Auswirkungen: Nachwuchskräfte werden knapper, die Gruppe der „mittelalten“ Erwerbspersonen, also der etwa 30- bis 45-Jährigen, die derzeit die Kernbelegschaften ausmachen, nimmt ab, das Schwergewicht wird sich in Richtung der über 50-Jährigen verlagern. Sie sollten sich daher auf diese Entwicklung einstellen und versuchen, das Beste daraus zu machen für Ihr Unternehmen.

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Zitat verfügbar unter: http://www.lgh.de/1/lgh-webseite/management-center-handwerk/thema-des-monats/juni-2006-aeltere-mitarbeiter-foerdern-und-fordern.html [Datum des Zugriffs: 10.01.2010]

Chancen der aktuellen Demographie

 

Zwölf Vorschläge, wie die demographische Chance genutzt werden kann

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrug bei der Geburt die Lebenserwartung der Frauen in Deutschland 48 und die der Männer 45 Jahre. Heute liegt sie bei 82 und 77 Jahren. Die demographische Entwicklung hat das Leben der Menschen im Durchschnitt erheblich verlängert. Gleichzeitig erreicht man das höhere Alter auch bei besserer Gesundheit. Und der Trend setzt sich fort: Zukünftige Generationen werden noch länger und gesünder leben.

Dieser demographische Wandel birgt demographische Chancen:

  • für die Gestaltungsmöglichkeiten des Einzelnen,
  • für die Entwicklung von Unternehmen und Arbeitswelt sowie
  • für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft.

Kurz: Der Gewinn an Lebenszeit stellt ein noch unausgeschöpftes Fortschrittspotenzial dar. Um dieses Potenzial zu nutzen, bedarf es allerdings des Muts und des Willens zur Veränderung. Insbesondere überkommene institutionelle, kulturelle und soziale Ordnungen, aber auch lange gewachsene Gewohnheiten müssen überdacht und angepasst werden. Jeder Einzelne ist genauso gefordert wie Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes.

Für den Einzelnen bedeutet dies …

  1. … die Möglichkeiten eines neuen Altersbildes zu erkennen und zu nutzen.
    Wann ist ein Mensch alt? Mit 60? Mit 65? Oder doch erst mit 75 oder 80? Tatsache ist: Das kalendarische Alter ist eine rein rechnerische Größe. Keine Lebensphase ist so individuell wie das Alter. Denn das Spektrum von Fähigkeiten in einer Gruppe von Gleichaltrigen wird zunehmend breiter. Der Stempel „Alt“, der Älteren von der Gesellschaft verpasst wird, taugt für die persönliche Entwicklung und Lebensgestaltung nicht mehr. Ein 60- Jähriger ist heute so fit wie ein 55-Jähriger der vorherigen Generation. Wenn wir uns von überkommenen Altersbildern lösen, haben wir die Chance auf ein vielfältigeres, zufriedeneres und erfüllteres Leben.
  2. … sich so oft wie möglich weiterzubilden.
    Die Voraussetzungen für ein erfülltes und produktives Leben im Alter entwickeln und erneuern wir im Verlauf unseres gesamten Lebens. Dies gilt besonders für die Weiterentwicklung unserer Kenntnisse und Fähigkeiten – Stichwort „Lebenslanges Lernen“. Nur wer die Ausbildungsphase vor dem Eintritt ins Berufsleben immer wieder durch Bildungsphasen während seines gesamten Berufslebens ergänzt, kann die eigene Entwicklung im Verlauf eines abwechslungsreichen Berufslebens befördern und sich auch in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt behaupten. Statt „fünf Tage im Jahr“ sollten „fünf Jahre im Leben“ zum Richtwert bei der Gestaltung individueller Weiterbildungsbiografien werden. Denn ein Zusammenhang ist wissenschaftlich erwiesen: Wer lernt, lebt länger.
  3. … sich von einseitigen Erwerbsbildern zu lösen.
    Ruheständler wollen ihre Zeit nicht nur mit Ausruhen verbringen. Es gibt in den älteren Generationen ein starkes Bedürfnis, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Zugleich ist die verstärkte Erwerbsbeteiligung dieser Gruppe aus volkswirtschaftlichen Gründen unerlässlich. Die vielfach vorhandene Bereitschaft der älteren Generationen, sich an der gesellschaftlichen Wertschöpfung zu beteiligen, sollte genutzt werden. Beispielsweise durch einen gesonderten Arbeitsmarkt, der so genannte „zweite Karrieren“ in nicht angestammten Arbeitsbereichen oder Branchen und mit veränderten Arbeitszeiten ermöglicht.
  4. … die Mitverantwortung für die eigene Gesundheit zu stärken. Alter braucht Vorbereitung: Die Aussicht auf ein längeres Leben sollte so früh wie möglich in die persönliche Lebensgestaltung einfließen. Nur wer seine Gesundheit erhält, kann das längere Leben umfassend nutzen. Der Gesetzgeber sollte Bürgerinnen und Bürger deshalb bei der frühzeitigen Vorsorge unterstützen – etwa durch breit angelegte und möglichst früh einsetzende Bildungsprogramme und eine Stärkung der präventiven Medizin.

Für Unternehmen und Tarifparteien folgt daraus …

  1. … ältere Menschen länger zu beschäftigen – und neu einzustellen.
    Ältere Menschen können mit ihrer Erfahrung, ihrem Wissensschatz und ihrer sozialen Kompetenz maßgeblich zum Erfolg eines Unternehmens beitragen. Allerdings wird dieses Potenzial viel zu selten genutzt. Stigmatisierung und Fehlurteile versperren älteren Menschen allzu oft den Zugang zum Arbeitsmarkt. Fakt ist aber: Ein Rückgang in der Produktivität Älterer bis 65 Jahre lässt sich bisher in Untersuchungen nicht belegen.
  2. … die Arbeitsorganisation zu optimieren.
    Mit zunehmendem Alter lassen bestimmte Fähigkeiten nach, andere wiederum nehmen zu – Arbeitnehmer haben nicht nur unterschiedliche, sondern auch sich verändernde Leistungs- und Qualifikationsprofile. Um Mitarbeiter möglichst produktiv einzusetzen, müssen die Stärken und Schwächen verschiedener Altersgruppen bei der Arbeitsorganisation berücksichtigt werden. Die Kunst der Arbeitsteilung besteht gerade darin, Menschen diejenigen Aufgaben zuzuordnen, die sie im Zusammenspiel mit anderen Menschen – auch anderen Alters – am besten erfüllen können.
  3. … Tätigkeitswechsel zu erleichtern.
    Ältere Arbeitnehmer sind leistungsfähig. Leider werden Menschen zu selten dort eingesetzt, wo ihre Fähigkeiten am besten zum Zuge kommen. Um die Produktivitätsreserven älterer Arbeitnehmergenerationen zu aktivieren, müssen Tätigkeitswechsel erleichtert werden.
  4. … kontinuierlich in die Qualifikation der Mitarbeiter zu investieren.
    Die Gleichung ist einfach: Ein Betrieb, der unter den Bedingungen des demographischen Wandels Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität bewahren will, muss die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität seiner Mitarbeiter erhalten. Dies gelingt vor allem durch kontinuierliche Investitionen in Qualifikation und Kompetenzentwicklung aller Beschäftigten. Lernfähigkeit ist eben keine Frage des Alters – und die Weiterbildung der Mitarbeiter eine zentrale Voraussetzung zur nachhaltigen Nutzung von Arbeitskraft. Bislang wird dieser Erkenntniszusammenhang noch zu selten in die Tat umgesetzt– gesetzgeberische Anreize für neue berufliche Chancen auch nach Vollendung des 50. Lebensjahres könnten die Situation verbessern.

Für Gesetzgeber, Verwaltungen, Medien und Verbände bedeutet das …

  1. … aktiv auf die Revision eines negativ geprägten Altersbildes hinzuwirken.
    Altern ist keine Krankheit. Tatsächlich bleiben wir länger gesund, in den letzten Jahren hat die Dauer der hochaltrigen Krankheits- und Abhängigkeitsphase abgenommen – und eben nicht zugenommen. Die Gesellschaft als Ganzes ist dazu aufgefordert, das einseitig negativ geprägte Altersbild zu revidieren.
  2. … das Konzept des streng dreigliedrigen Lebenslaufes zu überdenken.
    Die Zeit der Ausbildung fällt in die Jugend, die Berufstätigkeit prägt das Leben der Erwachsenen, und im Alter genießen wir den Ruhestand. Diese herkömmliche Dreiteilung prägt leider noch immer unsere Auffassung von einem typischen und idealen Lebensweg. Sie lässt die Möglichkeiten, die der demographische Wandel bietet, unberücksichtigt. Menschen werden aufgrund ihres Alters auf Rollen festgelegt und damit wird ihr Spielraum – auch ihr Leistungsspielraum – begrenzt. Wenn wir dagegen dieses unter den gegebenen demographischen Umständen zukunfts- und entwicklungsfeindliche Modell auflockern, lassen sich individuelle und gesellschaftliche Potenziale besser nutzen.
  3. … neue Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Partizipation zu schaffen.
    37 Prozent der 60- bis 69-Jährigen engagieren sich bereits heute zivilgesellschaftlich. Und weitere 25 Prozent – zwei Millionen Menschen – wollen es tun, wenn sich ihnen passende Gelegenheiten eröffnen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diese Möglichkeiten zu schaffen. Denn die bessere gesellschaftliche Teilhabe älterer Generationen schafft Mehrwert – für die Älteren selbst und für die Gesellschaft als Ganzes.
  4. … den Generationenvertrag zu erneuern.
    Der Krieg der Generationen fällt aus: Die Produktivität der gewonnenen Jahre bietet auch einer Gesellschaft mit alternder Bevölkerung die Chance auf Wachstum und Wohlstand. Die Nutzung dieses Potenzials geht nicht auf Kosten der jüngeren Generation. Vielmehr kann es nur einer Gesellschaft für alle Lebensalter gelingen, den demographischen Wandel in eine Chance zu verwandeln. Eine notwendige Erneuerung des Generationenvertrags ist daher möglich, ohne dessen unbestrittene Errungenschaften in Frage zu stellen. Dazu bedarf es einer entsprechend ausgerichteten Arbeits-, Beschäftigungs- und Gesundheitspolitik.

Zitat verfügbar unter: http://www.altern-in-deutschland.de/de/empfehlungen/12_punkte_papier.html [Datum des Zugriffs: 26.10.09]

Arbeiten im Alter

Opa darf’s nicht lassen …

Die Deutschen sollen auch nach ihrem 65. Lebensjahr noch arbeiten. Das fordern Wissenschaftler. Sie haben untersucht, dass das die Sozialsysteme stützt und neue Jobs für Jüngere schafft. Von Tina Groll

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… und Oma darf es auch nicht lassen. Seniorin mit Notebook: Wer wenig Angst vor Neuem hat, hält sich bis ins hohe Alter fit

Die Alten nehmen den Jungen die Arbeitsplätze weg. Wenn Ursula Staudinger diesen Satz hört, verzieht sich das Gesicht der Psychologieprofessorin. „Das ist eine Legende. Die Zukunft der Gesellschaft gehört den Alten“, sagt die Altersforscherin. Staudinger ist die Leiterin des Center for Lifelong Learning and Institutional Development an der Bremer Jacobs University. „Es stimmt nicht, dass Arbeit ein begrenztes Gut ist. Es stimmt nicht, dass die Alten früh in den Ruhestand gehen müssen, weil sie sonst den Jungen die Arbeitsplätze wegnehmen“, sagt sie. Und überhaupt: „Altern ist eine Momentaufnahme.“ Eine klare Definition, ab wann jemand alt ist, gibt es nicht. Nach Ansicht der Forscherin trifft der Begriff „50plus“ als Beschreibung der „Alten“ nicht. Die heutigen 50- bis 65-Jährigen seien viel jünger als die Generation ihrer Eltern. Und was genau heißt jung? Gesünder, fitter, aktiver, flexibler, offener für Neues. „Die Vorstellung, dass Alter ab einem bestimmten Lebensjahr beginnt, ist eine soziale Konstruktion„, erklärt Ursula Staudinger.

Dennoch gibt es in Deutschland immer mehr alte Menschen und immer weniger Junge, und das hat Auswirkungen auf die Entwicklung der Gesellschaft und die Volkswirtschaft. Wer jedoch befürchtet, dass es zu weniger Innovationen, Wachstum und steigenden Kosten für Gesundheit und soziale Sicherung kommen wird, der irrt, behauptet Staudinger. Die 50-Jährige war Schülerin des bekannten Altersforschers Paul B. Baltes und sie möchte, dass die Unternehmen ihre Personentwicklung grundlegend verändern. Staudinger sagt, dass die meisten sogar bis zu einem Alter von über 70 Jahren arbeiten können. Und es besser auch täten. Gerade weil die Sozialsysteme gestützt werden müssen, weil die Unternehmen auf die Erfahrungen der Alten nicht verzichten können, um innovativ zu sein und auch, weil der Einsatz der Senioren angeblich neue Arbeitsplätze schafft.

  • Projekt „Altern in Deutschland“
  • Die Jacobs Foundation
  • Die Ergebnisse

In dem interdisziplinär angelegten Forschungsprojekt arbeiteten von 2006 bis 2008 knapp 30 Mitglieder aus den Disziplinen Psychologie, Rechts- und Geschichtswissenschaft, Geografie, Neurologie, Ingenieurswesen, Epidemiologie, Ökonomie, Medizin, Soziologie und Philosophie zusammen. Zudem wurden die Wissenschaftler von Vertretern aus der Wirtschaft beraten.

Ziel der Wissenschaftler war es, die Chancen und die Probleme einer alternden Gesellschaft zu untersuchen – mit besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitsgesellschaft.

Die Jacobs Foundation

Finanziert wurde das Projekt von der Schweizer Jacobs Foundation, welche auch die Jacobs University mit Sitz in Bremen fördert. Die Stiftung hatte bereits im Jahr 2004 ein ein Modellprojekt unter Beteiligung von Akteuren aus Wissenschaft, Politik und Industrie angeregt. Bekannt ist die Stiftung für ihre Förderung von Forschungsprojekten zum Thema Jugend sowie alternde Gesellschaft.

Die Ergebnisse

Die Wissenschaftler haben einige Legenden über das Alter ausgemacht und sie widerlegt. Zum einen spricht sich die Akademiengruppe dafür aus, das 65. Lebensjahr nicht mehr als  kalendarische Altersgrenze ansehen, weil die meisten Menschen auch jenseits der 65 viele Jahre ein aktives und selbstbestimmtes Leben führen können.

Auch sage das kalendarische Alter eines Menschen wenig über seine Entwicklung aus. Ist bei der Entwicklung von Kindern das Alter noch entscheidend, spielt es im Erwachsenenalter kaum eine Rolle. Ein gut trainierter 70-Jähriger kann leistungsfähiger als ein schlecht trainierter 50-Jähriger sein, ein 70-Jähriger kann aber auch aussehen wie ein 90-Jähriger. Alte Menschen können ebensoviel lernen wie Jüngere. Entscheidend sind die Vorbildung und das Training. Auch sind Ältere genauso produktiv wie Jüngere.

Was die Erwerbstätigkeit angeht, konnten die Wissenschaftler feststellen, dass Volkswirtschaften mit alternder Bevölkerung auch ein hohes Wachstum erwirtschaften können und dass sich eine hohe Beschäftigung Älterer positiv auf die Beschäftigung der Jüngeren auswirkt.

Abschied nehmen muss man der Akademiengruppe zufolge auch von der Legende, dass die steigende Lebenserwartung mehr Krankheit und Pflege bedeutet. Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, sei in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Insgesamt sei auch keine Alterspolitik nötig, sondern eine Umstrukturierung der Gesellschaft zum Wohle aller: Die Arbeitwelt müsste reorganisiert werden, auch das Bildungssystem, das künftig auf lebenslanges Lernen ausgerichtet ist sowie das Gesundheits- und Sozialsystem.

Die Thesen klingen steil. Belege dafür entstanden in der Akademiengruppe „Altern in Deutschland“, einem Projekt der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Die Wissenschaftler haben sich mit den Herausforderungen des demografischen Wandels beschäftigt und sich die Frage gestellt, wie die Arbeitsgesellschaft umgebaut werden müsste, um den Fachkräftemangel aufzufangen und zu verhindern, dass immer weniger Beschäftigte immer mehr Leistungsbezieher finanzieren müssen, die eigentlich fit und in der Lage sind zu arbeiten.

Statistisch hat jeder Senior bei Renteneintritt eine Lebenserwartung von 18 Jahren, für das Jahr 2050 werden es 25 Jahre sein – um 1900 waren die Ruheständler nach Renteneintritt durchschnittlich nur acht Jahre noch am Leben. „Wir können uns das nicht leisten“, stellt Axel Börsch-Supan, Professor am Mannheim Research Institute for the Economics of Aging, fest.

Er hat sich mit den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der älter werdenden Gesellschaft auseinandergesetzt. „Entscheidend ist, dass wir unseren Lebensstandard halten. Dafür ist die Produktivität wichtig“, sagt er. Letztere nehme entgegen der vorherrschenden Meinung im Alter jedoch nicht ab. „Ältere Beschäftigte sind vielleicht weniger körperlich kräftig und reaktionsschnell, aber sie haben mehr Erfahrungen, soziale Fertigkeiten und Alltagskompetenz. Wir leben in einer Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft, in der vor allem diese Kompetenzen gefragt sind“, sagt Börsch-Supan. Seinen Untersuchungen zufolge liegt die Produktivität sogar erst im Alter zwischen 50 bis 60 Jahren am höchsten.

Börsch-Supan hat zahlreiche Betrieben aus der Automobilbranche untersucht und dort die Wertschöpfung der Mitarbeiter präzise gemessen. Bei der Arbeit am Fließband kommt es sowohl auf körperliche als auch auf Erfahrungen basierende Fähigkeiten an. Alle Untersuchen zeigten: Die älteren Mitarbeiter machen nicht mehr Fehler als die jüngeren. „Außerdem sind die Älteren auch nicht häufiger krank. Vor allem nicht an Montagen und Freitagen. Wenn sie aber krank sind, dann fehlen sie länger“, erklärt der Altersforscher. Auch unterscheiden sich jüngere und ältere Mitarbeiter nicht darin, wie häufig sie Vorschläge für Verbesserungen und Innovationen in ihren Betrieben machen.

Ein Problem dagegen sieht Börsch-Supan in den Arbeitsstunden, die pro Kopf der Bevölkerung geleistet werden. „Das ist unser Strukturproblem. Mit der Zahl steigender Rentner und weniger Arbeitnehmer sinken die Arbeitsstunden pro Kopf und damit die Erwerbsquote, die wichtig für den Lebensstandard ist“, erklärt er und zieht einen Vergleich zu Dänemark heran. Dort ist die Erwerbsquote höher, weil die Jungen im Durchschnitt zwei Jahre früher als in Deutschland in den Arbeitsmarkt eintreten, zudem steigen die Dänen später aus der Erwerbsarbeit aus. Auch ist die Erwerbstätigkeit der Frauen deutlich höher, da es bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder gibt. „Man muss nur Kleinigkeiten ändern, dann hätte es eine große Wirkung“, behauptet der Experte.

In Zeiten von hoher Jugendarbeitslosigkeit und steigenden Arbeitslosenzahlen stellt sich die berechtigte Frage, ob diese Rechnung aufgeht.

Dass die Älteren den Jungen die Jobs wegnehmen, sieht Börsch-Supan nicht bestätigt. Zum einen sind die jüngeren Mitarbeiter für Unternehmen günstiger, zum anderen ist die Arbeitslosigkeit der Älteren höher: Sie finden altersbedingt viel schwieriger eine neue Anstellung. Ursache dafür sind ist das sogenannte Prinzip der Senioritätsentlohnung: Die Gehälter steigen mit den Berufsjahren. Noch viel problematischer findet Börsch-Supan die Frühverrentung: „Ältere werden subventioniert, damit sie aus der Erwerbsarbeit aussteigen. Das schlägt auf die Arbeitskosten. Die Unternehmen haben weniger Geld, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Viele Stellen werden gar nicht mehr mit Jüngeren wiederbesetzt.“ Zudem zeigen Untersuchungen, dass in Ländern, in denen die Frühverrentung hoch ist – beispielsweise in Italien oder Frankreich –, auch die Arbeitslosigkeit der Jüngeren hoch ist.

Auch eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg und der Geneva Association, einer von der Versicherungswirtschaft getragenen Forschungseinrichtung, kommt zu dem Ergebnis, dass Arbeiten jenseits des gesetzlichen Rentenalters positive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft hat. Zu der von den Wissenschaftlern bezeichneten „Silver Workers“ zählen in Deutschland schon heute etwa 400.000 Personen, die trotz Ruhestand erwerbstätig sind. Viele von ihnen arbeiten auf freiberuflicher Basis oder in speziellen Teilzeitmodellen weiter. Andere schaffen neue Jobs, weil sie sich noch einmal selbstständig machen und Mitarbeiter einstellen.

Thomas Zwick, Professor an der Munich School of Management, hat sich die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen von Beschäftigung von Älteren angesehen. Auch er glaubt, dass die These, dass mehr ältere Arbeitnehmer mehr Beschäftigungsverhältnisse bedeuten, aufgehen könnte. Voraussetzung dafür ist, dass die Strukturen geändert werden. Statt mit dem Alter steigende Löhne schlägt er eine alternative betriebliche Entlohnung vor: Individuelle Modelle, die sich nach Leistung richten und ein „systematisches Altersmanagement“. Gemeint sind individuelle Altersteilzeitlösungen, bei denen die Beschäftigten und ihre Unternehmen individuell aushandeln können, wer wie lange und wie viel arbeitet. Insgesamt würden auch die Jüngeren davon profitieren, weil auch sie die flexible Teilzeitlösungen in Anspruch nehmen könnten. Entlastet wären alle, weil es mehr Beitragszahler gebe.

Den Experten geht es um einen „lateralen Karrierebegriff“, erklärt Ursula Staudinger. „Nicht nur Erwerbsarbeit, auch Familienarbeit und ehrenamtliches Engagement gehören dazu. Ein langes, produktives Leben führen zu können hat einen umfassenden Arbeits- und Gesundheitsschutz zur Grundlage. Darum fordern die Wissenschaftler Politik und Wirtschaft auf, schon frühzeitig mit Vorsorge zu beginnen. Unternehmen müssen in den Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiter investieren – schon bei den Auszubildenden. Zudem sollen Anreize für Weiterbildungsmaßnahmen geschaffen werden. Lebenslanges Lernen heißt die Devise. Ältere müssen motiviert werden, sich fortzubilden. Die Motivation haben sie, wenn sie auch die Aussicht darauf haben, dass ihnen neu gelerntes Wissen nützlich ist und sie es auch anwenden müssen. Das heißt: Schluss mit Frühverrentung, Anhebung des gesetzlichen Rentenalters, vielfältiger Einsatz von Arbeitnehmern. Wer 30 Jahre auf dem Bau geschuftet hat, kann vielleicht nicht bis über 70 Jahre körperlich arbeiten, wohl aber in flexibleren Arbeitszeitmodellen beispielsweise Bürotätigkeiten verrichten. Auf diese muss der Beschäftigte aber vorbereitet werden.

Die Altersforscher empfehlen der Wirtschaft auch eine bessere Durchmischung von Abteilungen – mit jungen und älteren Mitarbeitern, die in gemischten Teams arbeiten. So können Alte und Junge besser voneinander lernen.

Zitat verfügbar unter: http://www.zeit.de/karriere/2009-10/65plus?page=1 [Datum des Zugriffs: 22.10.09]

Senioren und Arbeit

Senioren an die Arbeit

Wir Europäer kriegen kaum noch Kinder. Auf die Dauer gefährdet das unseren Wohlstand. Aber es gibt einen Ausweg.

In den letzten dreissig Jahren ist Westeuropa wirtschaftlich hinter die Vereinigten Staaten zurückgefallen. Seit 1980 liegt der Anstieg des US-Bruttoinlandsprodukts im Jahresschnitt um 0,8 Prozent über dem der EU-15-Mitgliedsstaaten. Die Gründe für die Verlangsamung des Wachstums sind vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu suchen. Doch auch demografische Trends spielen eine Rolle. Die Bevölkerung Westeuropas wird bekanntlich immer älter, die Geburtenrate liegt deutlich unter der zur Bestandserhaltung erforderlichen Zahl.

Doch die wirtschaftlichen Folgen dieser demografischen Entwicklung sind gar nicht mal düster. Denn die alternde Bevölkerung ist bemerkenswert gesund. Deshalb können die Westeuropäer länger im Berufsleben bleiben als früher. Sogar länger als ihre Altersgenossen in Amerika.

Aus dem gesunden älterwerden lassen sich ökonomische Vorteile ziehen. Dafür müssten die Westeuropäer aber ihren Lebensstil ändern. Wenn sie in den nächsten Jahren weiterhin ihren hohen Lebensstandard geniessen wollen, müssen sie sich der neuen demografischen Situation stellen. Sonst werden langsames Wachstum, Stagnation oder sogar ein Niedergang die Folge sein.

Seniorenheim Westeuropa

2005 lebten in Westeuropa 100 Millionen mehr als in den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2030 werden es nur noch 35 Millionen mehr sein. Während die US-Bevölkerung bis dahin um etwa 65 Millionen anwachsen wird, wird die Bevölkerung Westeuropas faktisch stagnieren. Auch die Altersstrukturen werden sich verändern. 2005 gab es in praktisch allen Altersgruppen mehr Westeuropäer als Amerikaner, in der Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen waren es 37 Prozent mehr. Im Jahr 2030 wird es in dieser Altersgruppe fast so viele Amerikaner wie Westeuropäer geben, und bei den unter 30-Jährigen wird es deutlich mehr Amerikaner geben.

Westeuropa schlägt die Vereinigten Staaten nur in der Altersgruppe 80 plus. Schon 2005 war Westeuropa merklich grauer: Das mittlere Alter lag bei etwa 40 Jahren, gegenüber 36 Jahren in den Vereinigten Staaten. Und während das mittlere Alter der Westeuropäer bis 2030 um durchschnittlich zwei Tage pro Woche steigen und im Jahr 2030 bei knapp 47 Jahren liegen wird, wird das mittlere Alter der Amerikaner dann bei 39 Jahren liegen – deutlich unter der westeuropäischen Marke von heute. 2030 wird ein Viertel der Westeuropäer 65 Jahre oder älter sein, und es wird etwa doppelt so viele Senioren wie Kinder (unter 15 Jahren) geben. In den USA werden 2030 weniger als ein Fünftel der Einwohner Senioren sein, und die Zahl der Kinder wird weiterhin über derjenigen der Senioren liegen.

Ebenso interessant sind Trends innerhalb der Erwerbsbevölkerung. In Westeuropa wird der Anteil der Personen im «wirtschaftlich aktiven Alter» (nach allgemeiner Definition 15- bis 64-Jährige) in den nächsten Jahrzehnten sinken. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts der USA wird die Erwerbsbevölkerung in Westeuropa zwischen 2010 und 2030 um mehr als 20 Millionen (über 8 Prozent) zurückgehen. In den Vereinigten Staaten wird diese Gruppe, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ebenfalls zurückgehen wird, im selben Zeitraum um mehr als 20 Millionen anwachsen.

Verschärfend kommt hinzu, dass sich die demografische Struktur der Erwerbsbevölkerung in Westeuropa in einer Weise verändern wird, die für die Produktivität der Region nichts Gutes verheisst. Neuerungen, Erfindungen und technologische Durchbrüche entfallen vor allem auf die Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen. Die überwältigende Mehrheit der Nobelpreisträger in den Bereichen Physik, Chemie, Medizin und Wirtschaftswissenschaften und die meisten namhaften Patentinhaber haben ihre grössten Leistungen in dieser Lebensphase erbracht. Die Zahl der 30- bis 44-jährigen Westeuropäer wird bis 2030 um 20 Prozent sinken – von 91 Millionen auf 72 Millionen. Obwohl der Lebensmittelpunkt von Wissensproduzenten im Internet-Zeitalter vermutlich nicht mehr so entscheidend ist, so spielt dieser Faktor auch weiterhin eine Rolle, weil auch in Zukunft alltägliche Verbesserungen direkt am Arbeitsplatz gefragt sein werden.

Keine Geburtenpolitik

All diese bevorstehenden demografischen Entwicklungen werden dem Streben der Westeuropäer nach einem fortgesetzten Wirtschaftswachstum im Wege stehen. Schönreden wird daran nicht viel ändern – ebenso wenig praktische Schritte, die heute schon beschlossen werden. Selbst mit konzertierten politischen Massnahmen wäre die Chance ausserordentlich gering, die Trends umkehren oder auch nur verlangsamen zu können.

Nach Angaben der Brüsseler Statistikbehörde Eurostat erreichte die Sterbeziffer in Westeuropa im Jahr 2005 fast schon die Geburtenrate. Der Zeitpunkt, an dem die Sterbeziffer die Geburtenrate übersteigt, ist in Westeuropa nahe – manchen Schätzungen zufolge könnte das schon 2007 der Fall sein.

Die meisten Prognosen deuten darauf hin, dass die Bevölkerung Westeuropas durch Zuwanderung bis 2030 netto ungefähr auf dem gleichen Stand bleiben wird. Offizielle Zahlen aus Amerika und der EU gehen von einer Nettoeinwanderung nach Westeuropa bis 2030 von jährlich etwa 700 000 Personen aus (etwas weniger als in den letzten zehn Jahren). Wegen des fortbestehenden Missverhältnisses von Geburten und Todesfällen würden aber selbst diese Zuwanderer den unausweichlichen Bevölkerungsrückgang nur aufschieben.

Auch wenn diese Prognosen nur Prognosen sind, die man zerpflücken und anzweifeln kann, so zeigen sie doch, wie stabil einige demografische Trends sein werden. Man nehme nur die Geburtenrate in Westeuropa.

2004 lag die Fertilität aller gebärfähigen Frauen in der EU-15 um 12 Prozent unter derjenigen von Frauen des Jahrgangs 1965, die also kurz vor Erreichen des vierzigsten Lebensjahrs standen. Diese Diskrepanz könnte unter anderem darauf verweisen, dass westeuropäische Frauen den Zeitpunkt ihrer Mutterschaft immer weiter hinausschieben. Da in den letzten Jahrzehnten der Anteil von unter 50-jährigen Frauen, die heiraten, dramatisch gesunken und der Anteil der verheirateten Frauen, die sich scheiden lassen, dramatisch gestiegen ist, wird die durchschnittliche westeuropäische Familie tendenziell kleiner werden als noch vor ein, zwei Jahrzehnten. überdies ist es sehr schwierig und kostspielig, durch staatliche Anreize eine dauerhafte und signifikante Steigerung der Geburtenrate zu erreichen. Entsprechende Massnahmen haben langfristig meist sehr wenig bewirkt. Zwei französische Wissenschaftler haben kürzlich dargelegt, dass die Fruchtbarkeitsrate in Frankreich durch staatliche Förderung in Milliardenhöhe nur um 0,1 Geburten pro Frau (gerechnet auf die gesamte Lebenszeit) erhöht würde.

Auch hinsichtlich der Zuwanderung hat Westeuropa weniger Optionen, als man zunächst annehmen würde. Einerseits wäre eine signifikante Verringerung der Nettozuwanderung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten töricht, da Bevölkerungsrückgang und überalterung durch die Einwanderer verlangsamt werden. Ohne Einwanderung würde laut Eurostat die Gesamtbevölkerungszahl der EU-15 im Jahr 2030 um etwa 27 Millionen unter den gegenwärtigen Prognosen liegen, und fast 20 Millionen dieses Verlustes wären Berufstätige. Andererseits könnte eine Zunahme der Einwanderung problematisch sein, da Westeuropa noch keine allgemein praktikable Formel entwickelt hat, wie man aus allen Einwanderern loyale und produktive Staatsbürger macht. Die vielen Erfolgsgeschichten von Immigranten sollen damit keineswegs geleugnet werden. Auch wenn in den Medien wenig darüber berichtet wird, wie entschlossen die allermeisten Einwanderer um Integration in ihre neue Heimat bemüht sind.

Alt, aber sehr gesund

Westeuropa hat jedoch einen eindeutigen, riesigen demografischen Vorteil gegenüber den Vereinigten Staaten: Seine Bevölkerung ist zwar relativ alt, aber auch bemerkenswert gesund. So gesund wie noch nie zuvor.

Dieser Faktor ist wichtig für die Konkurrenzfähigkeit, da Wachstum heutzutage eher auf menschlichen als auf natürlichen Ressourcen beruht. Gesundheit verbessert nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit, sie erleichtert auch den Erwerb von Wissen und Kompetenzen, die sich im Informationszeitalter bezahlt machen. Man kann sagen: Gesundheit gleich Wohlstand.

Wenngleich Mortalitätsraten nicht unbedingt auf mangelhafte Gesundheit der Lebenden hinweisen, so ist Langlebigkeit in der Regel ein guter Indikator der allgemeinen Gesundheit und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Population. Jedes zusätzliche Jahr Lebenserwartung entspricht einer Steigerung des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts um etwa 7 Prozent. Dieses Verhältnis zwischen Gesundheit und ökonomischem Potenzial ist äusserst komplex, aber die positive Korrelation ist in vielen Ländern zu einem bestimmten Zeitpunkt, aber auch in einem Land über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet worden.

Für die Westeuropäer sind Langlebigkeit und Gesundheit genau die Faktoren, die ihnen einen Vorteil gegenüber der übrigen Welt (einschliesslich der Vereinigten Staaten) verschaffen. Die Lebenserwartung in den USA liegt etwa ein Jahr unter derjenigen in Westeuropa und drei bis vier Jahre unter derjenigen in den reichsten (und gesündesten) Ländern Westeuropas, etwa Norwegen und der Schweiz. 2003 lag die Lebenserwartung amerikanischer Männer bei 74,8 Jahren, verglichen mit 76,0 Jahren in der EU-15; bei Amerikanerinnen betrug die Lebenserwartung 80,1 Jahre, bei Westeuropäerinnen 81,7 Jahre. In Westeuropa hatten nur portugiesische Männer und Däninnen eine geringere Lebenserwartung als ihre amerikanischen Geschlechtsgenossen.

Ihre Gesundheit verschafft den Westeuropäern wichtige Wettbewerbsvorteile. Nach den neuesten verfügbaren Daten hatte ein 20-jähriger Amerikaner im Jahr 2002 ein 18-prozentiges Risiko, seinen 65. Geburtstag nicht zu erleben – bei einem gleichaltrigen Deutschen lag dieses Risiko bei 14 Prozent, bei einem gleichaltrigen Italiener bei 12 Prozent. Solche Unterschiede in der Lebenserwartung wirken sich positiv auf das Wirtschaftspotenzial eines Landes aus, nicht zuletzt, weil Langlebigkeit die Kosten-Nutzen-Rechnung bezüglich einer eventuellen höheren Schulbildung entscheidend beeinflusst: Die Aussicht, länger zu leben, ermutigt eher zu Investitionen in Bildung und trägt daher zu höherer Produktivität bei.

Ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil eines gesunden Alterns besteht darin, dass in einer Gesellschaft leistungsfähigere Senioren leben. Der Gewinn besteht nun nicht darin, Urgrosseltern zur Arbeit zu schicken, sondern vor allem in einer grösseren Leistungsfähigkeit von Menschen in den Fünfzigern und Sechzigern. Die Generation der Westeuropäer, die gegenwärtig zwischen 50 und 74 Jahre alt sind, ist körperlich fitter und besser ausgebildet, als es Generationen dieser Altersgruppe in Westeuropa je waren. Im Laufe des nächsten Vierteljahrhunderts werden sich Gesundheit und Bildungsstand ähnlicher Kohorten noch weiter verbessern – bei gleichzeitiger Verbesserung der allgemeinen Arbeitsbedingungen in der westeuropäischen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. All das dürfte zu einer wachsenden wirtschaftlichen Aktivität unter älteren Westeuropäern beitragen.

Westeuropa muss sich also fragen, wie es die Chancen, die sich aus einem gesunden Altern und einer längeren Lebensarbeitszeit ergeben, wahrnehmen will. Vermutlich wird man die Berufstätigen dazu anhalten, länger zu arbeiten – die heutige Generation bis in die Sechziger, spätere Generationen vielleicht sogar bis in die Siebziger. Daraus würde sich ein Anstieg der allgemeinen Kaufkraft ergeben, die Gesellschaft würde wohlhabender, es ergäben sich mehr Möglichkeiten, Geld zu sparen und anzulegen, was langfristig wiederum das Wachstum beschleunigen würde. überdies sind die Alternativen wenig attraktiv. Ohne verlängerte Lebensarbeitszeit müssten, um ein ausgeglichenes Verhältnis von Einkommen und Konsum zu erreichen, entweder Konsum oder Sparen oder Investitionen eingeschränkt werden, oder die älteren müssten ihre Lebenserwartung zurückschrauben. Das Potenzial der Gesundheitsexplosion in Europa vollständig zu nutzen – das ist der Schlüssel zu einer weiteren Stärkung von Wohlstand und Entwicklung dieser Region.

Fertig mit der Dolce Vita

In den letzten dreissig Jahren haben Westeuropäer ihre gestiegene Lebenserwartung – und noch viel mehr – ausschliesslich unter dem Aspekt der Freizeit gesehen. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter ist gesunken. In Frankreich stieg zwischen 1960 und der Jahrtausendwende die Lebenserwartung von Männern um etwa acht Jahre, während das Renteneintrittsalter um etwa sieben Jahre zurückging. Zugegeben, Frankreich ist ein Extrembeispiel, aber der ultimative lange Urlaub – das Rentenalter – ist überall in Westeuropa sehr viel länger geworden. Nie zuvor sind ältere Europäer so gesund gewesen, und nie zuvor haben sie so wenig gearbeitet. Nach Angaben der OECD stieg die erwartete durchschnittliche Rentenbezugsdauer in Deutschland zwischen 1970 und 2004 um etwa neun und in Spanien um etwa zehn Jahre. In einigen westeuropäischen Ländern verdoppelte sich die Dauer des Rentnerdaseins.

Mit dieser deutlichen Steigerung der Rentenbezugsdauer geht eine deutliche Zunahme der Zahl derjenigen einher, die vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) stand 2005 in Griechenland nur die Hälfte aller Endfünfziger im Erwerbsleben. In österreich war 2004 nicht einmal jeder achte 60-Jährige noch berufstätig. In Dänemark tauchen über 66-Jährige gar nicht mehr in der Arbeitsstatistik auf. Grund für die enorme Verlängerung des Ruhestands ist nicht nur die bessere gesundheitliche Verfassung der älteren, sondern auch der viel zu frühzeitige Ausstieg vieler älterer aus dem Berufsleben.

In Westeuropa kommt dieser Trend zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Laut Prognosen der OECD wird – bei Fortdauer anderer Trends – die Zahl der Erwerbstätigen in der EU zwischen 2000 und 2030 jährlich um etwa 0,2 Prozent zurückgehen, und die Kohorte der über 50-Jährigen wird der einzige wachsende Arbeitskräftepool sein. Während die Zahl der Westeuropäer in der Altersgruppe 15 bis 49 zwischen 2005 und 2030 um etwa 16 Prozent zurückgehen wird, dürfte die Altersgruppe 55 bis 64 um fast 25 Prozent, die Altersgruppe 65 bis 74 um knapp 40 Prozent anwachsen. Wenn es Westeuropa nur gelänge, einen Teil der älteren wieder in den Arbeitsmarkt zurückzuholen, könnte der gegenwärtig rückläufige Trend der Beschäftigtenzahl nicht nur aufgehalten, sondern sogar umgekehrt werden. Würden ältere Westeuropäer so lange arbeiten wie ihre wirtschaftlich aktivsten Altersgenossen in OECD-Staaten (zum Beispiel Japan) das bereits tun, würde die Zahl der Beschäftigten in Europa sogar steigen. 2030 könnte sie dann sogar um 26 Prozent über der gegenwärtig avisierten Zahl liegen.

An dieser Tatsache kommt Westeuropa nicht vorbei, wenn es seinen Wohlstand und seine Konkurrenzfähigkeit wahren will. Eine solche Expansion des Arbeitskräfteangebots hätte grossen Einfluss auf das westeuropäische Wirtschaftswachstum in den nächsten Dekaden. Es könnte den Unterschied zwischen Stagnation und Aufschwung bedeuten. Gewiss, manche ältere Arbeitnehmer könnten es nicht in jedem Fall mit ihren jüngeren Kollegen aufnehmen, zumal in Jobs, in denen es auf Kooperation, rasche Auffassungsgabe und technisches Knowhow ankommt. Trotzdem können ältere Bürger einen wesentlichen Beitrag zu Wohlstand und Konkurrenzfähigkeit ihrer Gesellschaften leisten. Wenn sie ihre Gesundheit als zusätzlichen Aktivposten einbrächten, wäre das ein Gewinn für sie selbst, für die jüngeren und die noch ungeborenen Europäer.

Länger leben im Wohlstand

ältere Leute zu veranlassen, im Erwerbsleben zu bleiben, ist naheliegend und unabdingbar. Aber es wäre nur ein Schritt auf einem langen, gewundenen Weg. In den meisten westeuropäischen Staaten ist es teuer für Arbeitgeber, Arbeitskräfte zu entlassen und neue Mitarbeiter einzustellen. Besonders schwierig ist die Situation für potenzielle älte re Arbeitnehmer. Sie gelten als Profitkiller, da ihnen vertraglich Leistungen zustehen, deren Wert weit über ihrer eigenen Produktivität liegt. Dass viele ältere Europäer vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, hat nicht zuletzt mit der Steuerbelastung und anderen abschreckenden Bestimmungen zu tun. In weiten Teilen Westeuropas müssen Beschäftigte über 50, die weiterarbeiten wollen, deutliche Einkommenseinbussen hinnehmen. In Portugal sind 50 Prozent des Altersruhegelds zu versteuern, in Frankreich über 50 Prozent, in Belgien über 60 Prozent, in Luxemburg unglaubliche 85 Prozent.

Auch glauben viele Westeuropäer, ausgehend von einer Art Nullsummentheorie, dass ein Arbeitsplatz, der einem älteren Arbeitnehmer angeboten wird, einem jungen weggenommen wird. Sie übersehen dabei, dass jede produktive Tätigkeit mehr Wohlstand, mehr Nachfrage und mehr Jobs generiert. Wenn Westeuropa von der steigenden Zahl älterer Arbeitnehmer profitieren will, müssen die Arbeitsmärkte deutlich flexibler und wirtschaftlich attraktiver werden, als sie es heute sind. Bei weniger komplizierten Vorschriften und geringeren Lohnnebenkosten wäre es für potenzielle Arbeitgeber attraktiver und weniger riskant, Arbeitskräfte, auch ältere, einzustellen. Im Rahmen einer umfassenden Rationalisierung des westeuropäischen Arbeitsmarkts wäre es auch vernünftig, zu einem Rentensystem zu kommen, das eine höhere Eigenbeteiligung bei der Altersversorgung vorsieht.

Im Bildungssektor steht Westeuropa vor einer qualitativ neuen Herausforderung – trotz überalterung muss das technische Leistungsniveau gesteigert werden. Obwohl die Region vermutlich bald die bestausgebildeten älteren Arbeitnehmer haben wird, die sie je hatte, dürfen Kenntnisse und Fähigkeiten in einer sich rasant weiterentwickelnden Wissensgesellschaft nicht stagnieren. Sinnvoll wären gezielte Strategien zur ständigen Verbesserung der Qualifikation aller Arbeitnehmer, also auch der älteren.

Investieren in die Gesundheit

Und schliesslich das Thema Gesundheit. Die medizinische Versorgung verschlingt schon jetzt einen Grossteil der gesellschaftlichen Kosten in Westeuropa. Bei deutlich steigender Lebenserwartung werden auch diese Aufwendungen ansteigen, vielleicht sogar noch schneller als bislang. Die verbreitete Sorge, die medizinische Versorgung sei bald nicht mehr finanzierbar, ist jedoch unangebracht. In Wirtschaften, die in erster Linie auf menschlichen Ressourcen und Humankapital basieren, müssen die Aufwendungen im Gesundheitswesen als Investition und unter dem Aspekt des ökonomischen Werts der Gesundheit betrachtet werden. Der Gesundheitssektor und die medizinische Forschung sollten als Stützen einer Wirtschaft gesehen werden, die zunehmend auf eine gesunde Erwerbsbevölkerung angewiesen ist. Westeuropa muss auch weiter in diesen Bereich investieren, wenn es seinen Vorteil nicht einbüssen will.

In der Medizin, wie in anderen Wirtschaftsbereichen, könnte durch Förderung von Forschung und Innovation ein Qualitätsniveau gesichert werden, das auch später bezahlbar bleibt. Mehr Investitionen im Gesundheitssektor zu fordern heisst aber nicht, automatisch jede politische Entscheidung, jedes Projekt, jede Massnahme zu billigen. Jedes einzelne Element muss für sich beurteilt werden. Angesichts der Wettbewerbsvorteile, die sich aus dem guten Gesundheitszustand der älteren Westeuropäer ergeben, wird man aber erkennen müssen, dass Investitionen im Gesundheitssektor ausserordentlich lohnend sein können.

Wird Westeuropa in den nächsten Jahrzehnten immer mehr Terrain verlieren? Der demografische Druck ist zweifellos gross, und ohne fantasievolle Antworten wird die Zukunft des Kontinents eher düster aussehen. Westeuropa steht nicht zwangsläufig vor einem relativen wirtschaftlichen Niedergang. Die Bevölkerung wird zwar zunehmend älter, aber der Kontinent muss kein grandioses Seniorenheim oder ein kultiviertes, aber verblassendes Freiluftmuseum werden. Es gibt eine Alternative.

Zitat verfügbar unter:  http://dasmagazin.ch/index.php/senioren-an-die-arbeit/ [Datum des Zugriffs: 20.10.09]

10.06.2007 von Nicholas Eberstadt und Hans Gr.

Hundert Jahre lang leben

Zitat verfügbar unter: http://www.forumgesundheit.at/portal/index.html [15.10.09]

100 Jahre lang leben

100 Jahre lang leben Immer mehr Menschen werden 100 Jahre alt. Selbst 110, 120 Jahre alt zu werden, ist bei wachsenden hygienischen und medizinischen Standards kein unerreichbares Ziel mehr. Aus naturwissenschaftlicher Sicht stellt sich die Frage, ob es eine Höchstdauer gibt, ein absolutes Alterslimit, oder ob wir eines Tages als Konsequenz biomedizinischer Entwicklungen auch viel älter werden können.

Im römischen Imperium ist der Mensch im Schnitt 22 Jahre alt geworden, im Mittelalter 33 und zu Beginn des 19. Jahrhunderts 49 Jahre. Heute wird der Mensch im Durchschnitt 70 bis 80 Jahre alt. „Ein heute in Mitteleuropa geborenes Baby hat eine 50 zu 50 Chance, 100 Jahre alt zu werden“, sagt Markus Hengstschläger, Universitätsprofessor für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien.

Dieser rasante Anstieg an Lebensjahren wirft die Frage auf, ob es ein Höchstmaß an möglicher Lebenszeit überhaupt gibt. „Ein solcher Rahmen, wonach der Mensch nur eine bestimmte Anzahl an Lebensjahren erreichen kann, existiert meiner Meinung nach nicht. Der Mensch von morgen wird noch länger leben als der Mensch von heute. Auch wenn es immer schwieriger werden dürfte, die maximale Lebenszeit immer weiter auszudehnen“, sagt Hengstschläger.

Alterskrankheiten als logische Folge

Altern ist mit einer ansteigenden Wahrscheinlichkeit für das Auftreten typischer Krankheiten und damit mit dem Sterberisiko verbunden. Zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr dominieren Krebserkrankungen als häufigste Todesursachen, ab dem 70. Lebensjahr Herz-Kreislauf-Krankheiten. Und da diese Krankheiten ebenso wie die Demenzkrankeiten typische Alterskrankheiten sind, ist ihre Zahl angesichts einer immer höheren Lebenserwartung stetig im Steigen.

Länger jung oder länger alt

Es stellt sich die Frage, ob wir heute langsamer altern und damit länger jung bleiben oder ob wir lediglich im Alter länger am Leben bleiben. „Beides ist der Fall. Die moderne Medizin verlangsamt die Alterung und damit die Anfälligkeit für Krankheiten. Man wird also langsamer alt. Andererseits wird man auch länger alt sein, es kommen quasi ein paar Jahre gegen Lebensende noch dazu“, so Hengstschläger. Hauptziel sei es, länger jung zu bleiben, anstatt gleich schnell zu altern.

Endlich oder unendlich?

Eine Reihe neuer Ansätze in der Humanmedizin wird künftig zu einem gesünderen und daher auch längeren Leben des Menschen beitragen: Stammzellentherapien, Transplantationsmedizin, Herstellung ganzer Organe im Labor, Gendiagnostik, Gentherapie, künstliche Implantate und Nanotechnologie. Manche Genforscher haben bereits viel weiterreichende Visionen. Sie träumen von einem unendlichen Leben, in dem alle Alterungsprozesse des Körpers gebremst werden können.

Hengstschläger glaubt zwar nicht, dass alles, was derzeit gedacht wird, auch machbar ist. Er geht aber davon aus, dass die Forschung noch in den Kinderschuhen steckt und in Zukunft vieles möglich sein wird, das heute noch nicht einmal angedacht wird. Der Meinung der so genannten Immortalisten, die meinen, dass der Mensch in Zukunft gar unendlich leben wird, schließt sich der Genetiker nicht an: „Der Mensch ist einfach zu komplex, als dass man alle Eventualitäten berücksichtigen könnte, die letztendlich zum Tod führen können.“

Der eigene Beitrag entscheidet

In Einem aber sind sich alle Experten einig: Lebensverlängerung funktioniert nur, wenn der Einzelne entscheidend dazu beiträgt. Schon heute könne jeder Mensch bis zu 14 Jahre Leben „herausholen“, indem er die längst bekannten Ratschläge wie nicht rauchen, wenig trinken, moderat bewegen, ausreichend schlafen und gesund ernähren befolgt. „Gesund ernähren, aber nicht hungern“, sagt Hengstschläger zur Diskussion, ob eine Kalorienreduktion das Leben des Menschen verlängern könnte. Bei Versuchen mit Mäusen gelang eine Steigerung von 50 Prozent an Lebenszeit bei einer Kalorienreduktion von 20 Prozent. Ob sich eine Kalorienreduktion auch beim Menschen lebensverlängernd auswirken würde, sei noch nicht bewiesen. „Klar ist aber, dass Fettleibigkeit die Lebenserwartung reduziert“, sagt Hengstschläger.

Ein weiterer oft diskutierter Punkt ist, ob Rotwein eine lebensverlängernde Wirkung hat. „In Maßen genossen, ja“, meint Hengstschläger. Aber die im Rotwein enthaltenen antioxidativen Wirkstoffe sind ebenso in Karotten, Brokkoli, Fisch oder grünem Tee enthalten. Man sei also nicht auf Rotwein angewiesen. Unstrittig ist die positive Wirkung moderater Bewegung. Sie bekämpft die schädlichen freien Radikale in den Zellen des Körpers. „Bewegung bietet einen erhöhten Schutz gegen Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, sagt Hengstschläger.

In seinem neuen Buch „Endlich unendlich“ berichtet der Humangenetiker auch von der Wichtigkeit des richtigen Schlafrhythmus. Man solle nicht ignorieren, ob man ein Morgen- oder Abendmensch ist. Erste Forschungen deuten nämlich darauf hin, dass ein falscher Schlafrhythmus zellulären Stress entstehen lässt. Das führt zur Entstehung von freien Radikalen und das lässt uns schneller altern.

Altern als zellulärer Prozess

Der menschliche Körper besteht aus unzähligen Zellen. Sie leben unterschiedlich lange und werden beim Absterben durch neue Zellen ersetzt. Die meisten Zellen können sich aber nur begrenzt teilen. Mit fortschreitendem Lebensalter funktioniert die Regeneration und Instandhaltung des Körpers immer schlechter, Zellen sterben ab, ohne ersetzt zu werden oder sie mutieren und lösen Krankheiten aus.

Je älter man wird, umso schlechter funktioniert auch die Regeneration körperlicher Defekte. Forscher stellen sich die Frage: Wo setzt man in Zukunft an? Wartet man, bis Organe defekt sind und versucht man – wie heute üblich – diese im Krankheitsfall zu behandeln? Oder beginnt man nicht schon viel früher und achtet darauf, so lange wie möglich den Körper eines 30-Jährigen aufrechtzuerhalten. „Darauf kommt es letztlich an. Dann habe ich zum Beispiel ein wirklich wirksames Mittel gegen ein im Alter höheres Krebsrisiko“, sagt Hengstschläger. Ein Beispiel wie Medizin von Morgen aussehen könnte: „Organe austauschen, bevor sie geschädigt sind, um Altersschäden vorzubeugen“, wirft Hengstschläger einen Blick in die Zukunft.

Dr. Thomas Hartl

100 Jahre lang leben

Forever Young

Zitat verfügbaer unter: http://tv.orf.at/groups/magazin/pool/newtonyoung [15.10.09]

FOREVER YOUNG

Der Unterschied zwischen blühender Jugend und dem Alter liegt in unseren Zellen. Ein junger Körper erneuert ständig Haut, Knochen oder Organe. Im Alter hören die Zellen auf, sich zu teilen, können Schäden nicht mehr reparieren und der Organismus wird anfällig für Krankheiten. Können Wissenschafter diesen Prozess bremsen?

Markus Hengstschläger, Humangenetiker, Universität Wien: „Wenn jetzt ein Mensch in Österreich geboren wird, hat er eine eins-zu-eins-Chance, hundert Jahre alt zu werden.“
Vor einem Jahrhundert lag die Lebenserwartung noch bei 49 Jahren. Durch bessere Ernährung und die Medizin können wir heute schon 80 werden. Humangenetiker wie der Wiener Markus Hengstschläger sind überzeugt, dass diese Lebensspanne des Menschen noch deutlich ansteigen kann. Der Fortschritt in der Stammzellen- und Gentechnikforschung soll das möglich machen und die biologische Altersgrenze des Menschen von maximal 115 Jahren bei weitem überschreiten. Denn man wird Gendefekte reparieren und altersschwache Organe mit Stammzellen wieder auffrischen können. Lebensgewohnheiten, Umwelteinflüsse und Ernährung haben natürlich starken Einfluss, die Gene markieren nur das bestenfalls Erreichbare. Wer nicht auf seine Gesundheit achtet, wird auch das Altern schwerer ausbremsen können.
Markus Hengstschläger: „Faktum ist, wir haben das Altern schon lange aufgehalten. Wenn wir einen heute sechzigjährigen vergleichen mit einem Sechzigjährigen vor zwei-, dreihundert Jahren, dann sind die beiden zwar gleich lang auf diesem Planeten gewesen, sind aber biologisch nicht gleich alt. Ein heute Sechzigjähriger ist wesentlich jünger, als ein Sechzigjähriger vor dreihundert Jahren. Er ist fitter, er ist gesünder, er ist vitaler, er ist geistig und körperlich auf einem ganz anderen Niveau. Bei der Haut, den Zähnen, er ist ganz anders ernährt, er ist ganz anders versorgt worden in seinem Leben. Und wenn wir die beiden nebeneinander stellen, dann würde ich sagen, ein heute 60jähriger ist biologisch so alt, wie der damals 50jährige.“
Dass natürliche Lebensgrenzen verlängerbar sind, haben Forscher an der Fruchtfliege bewiesen. Ihr Dasein von 50 Tagen kann ein einziges mutiertes Gen, das, vereinfacht gesagt, den Stoffwechsel verlangsamt, auf 100 Tage verdoppeln. Und das bei bester Gesundheit und Vermehrungsfähigkeit. Ähnliche Gene fanden Wissenschafter in Fadenwürmern. 21 Tage ist ihre Lebensspanne. Experimente mit sogenannten DAF-Genen verlängern ihr Leben bis zum Dreifachen. Das lässt sich zwar nicht direkt auf den Menschen übertragen, aber auch wir haben DAF-Gene im Erbgut.
Altersgene lassen sich auch in Säugetieren steuern. Bei Mäusen wurde gezeigt, dass nur ein mutiertes Gen ihr Leben schon um 20 Prozent verlängert. Sogar die Alterserscheinungen selbst, wie Muskelabbau, lassen sich an Mäusen experimentell schon reparieren.
Über Viren als Transportmittel kann ein verändertes Gen Wachstum und Teilung von Muskelzellen anregen. Etwa 25 Prozent mehr Muskelgewebe entwickelten die Versuchsmäuse. Noch ist es schwierig, die Manipulation gezielt auf Muskelzellen zu beschränken und keine anderen Zellen dabei zu schädigen. Doch ist so ein Eingriff in die Natur jemals beim Menschen denkbar?
Markus Hengstschläger: „Heute zu diskutieren und zu sagen, na wär’s nicht klüger, es nicht doch der Natur zu überlassen – das ist passee bereits. Es gibt nichts mehr, was wir der Natur überlassen. Würden wir alles der Natur überlassen, hätten wir eine durchschnittliche Lebenserwartung von 20 Jahren. Würden wir’s der Natur überlassen, würden wir an einer bakteriellen Infektion sterben, oder an einer Blinddarmentzündung. Das heißt, das Thema ist erledigt, und dabei schreibe ich der Gentechnologie, oder der Stammzellforschung nicht irgendeinen besonderen Stellenwert zu. Nicht einen, den nicht schon die Organtransplantation hatte, das Penizillin hatte, etc. Einfach weil ich glaube, das sind nun mal – klar – Eingriffe in die Natur, Eingriffe, die sozusagen Fortschritt repräsentieren, und das tut man halt, ob es nun Medikamente sind, ob es ein chirurgischer Eingriff ist, oder ob es eines Tages mit Stammzellen oder mit Gentherapie ist.“
Etwa 30.000 Gene hat der Mensch, je zur Hälfte von Vater und Mutter. Etliche davon bestimmen die biologische Uhr, wie wir altern, und wann wir sterben. 50 Mal kann sich eine Zelle teilen, dann beginnt sie zu altern. Nur Stammzellen, aus denen jede beliebige Körperzelle entstehen kann, behalten die Fähigkeit, sich unbegrenzt zu teilen.
Solche Stammzellen, die auch in Erwachsenen noch vorhanden sind, werden künftig zur Bekämpfung von Alterserscheinungen eingesetzt werden. Den Lebenszyklus normaler Zellen bestimmen Telomere, ein Fortsatz an den Enden der Chromosome. Bei jeder Zellteilung werden sie kürzer. Sind sie aufgebraucht, ist die Zellteilung blockiert.
Der bisher ältester Mensch war Jeanne Calmont. Sie erreichte das Rekordalter von 122 Jahren, verbrieft durch ihre Geburtsurkunde, und starb 1997. In den Erbanlagen von besonders alten Menschen könnte die Antwort liegen, warum bei ihnen körperlicher Verfall und Krankheiten viel später auftreten. Denn in manchen Regionen der Erde werden die Menschen signifikant älter, wie auf Sardinien. Dort leben dreimal häufiger Hundertjährige, als in der übrigen westlichen Welt.
Noch mehr Superalte leben in der japanischen Inselprovinz Okinawa. Neben einem kargen, aber stressfreien Leben, und kalorienarmer Kost haben die rüstigen Japaner noch etwas mit den Sarden gemeinsam: eine bestimmte Genvariante tritt gehäuft auf, die das Immunsystem verbessert.
Markus Hengstschläger: „Altern kann man ja nicht in dem Sinn stoppen. Man kann nicht sagen, der altert nicht. Man kann nur den Alterungsprozess verlangsamen. Der 100jährige wird dann so fit sein, wie der 90jährige, das heißt, der 90jährige ist trotzdem alt. Irgendwann ist der Punkt erreicht, auch wenn man das biologische Altern verlangsamt hat, wo es nicht mehr so sichtbar ist. Weil ob jetzt jemand 120 oder 130 ist, er wird auf jeden Fall alt sein.“
Ab dreißig beginnt der Körper merkbar abzubauen, das wird in Zukunft nicht anders sein, auch wenn die Wissenschaft Verbesserungen verspricht. Der Mensch als reparable Maschine, die regelmäßig zum Service muss. Dann werden wir zwar kaum länger jung bleiben, aber deutlich fitter länger alt sein.

Das dritte Alter

Irgendwann zwischen vierzig und fünfzig tritt man in ein Grenzland ein, wo ein Hauch von Wehmut herrscht. Man ist schon lange nicht mehr jung, aber auch nicht richtig alt, man weiß, wo man gewesen ist, aber nicht, in welche Richtung es weitergehen wird. Alte Wahrheiten scheinen überholt. Man muss vieles neu bedenken, durch neues ersetzen und bislang unbekannte Gefühle durchleben. Denn nun muss man das zu Stande bringen, was man immer „später“ tun wollte. Jetzt ist dieses „später“ da. Jetzt hat man die Chance, entweder seine Träume zu verwirklichen oder sie endgültig fahren zu lassen. Sonst wird es zu spät. Das Leben ist eine Direktübertragung. Man kann nicht auf „rewind“ drücken und zurückspulen, wenn etwas Wichtiges fehlt. Die Uhr bleibt nicht stehen – hohe Erwartungen müssen heruntergeschraubt und manche Hoffnung aufgegeben werden.  Mitten im sprudelnden Leben, wenn die Sonne noch hoch steht, erahnt man schon mit einem leichten Schauder die nahende kühle Abendbrise.

Alles fließt, sagt Heraklit: Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.

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Seinem Alter zu begegnen bedeutet, dass man den Mut hat, das Fremde zuzulassen. Man befindet sich an einer Schwelle, die beides markiert: Ende und Neuanfang. Das Älterwerden hat beide Möglichkeiten in sich: Wachstum und Stillstand. Dabei ist es wichtig, unsere verlorene Jugend zu betrauern aber dann ins Neue weiterzugehen und unser Expertentum zu genießen.

Probleme entstehen erst dann, wenn wir versuchen, den Nachmittag des Lebens nach dem Muster des Vormittags zu leben. Die Reife kommt nicht von allein und manchmal tut sie weh. Andererseits sind wir vielleicht erst in reiferen Jahren wirklich dazu fähig, ganz und gar diejenigen zu sein, die wir ursprünglich sein sollten/wollten.

C.G. Jung, der berühmte Psychoanalytiker, meinte, dass die zweite Lebenshälfte voller Entwicklungsmöglichkeiten stecke. Die wichtigsten Lebensaufgaben sind ihm zufolge:

  • Der Wirklichkeit des Alters und des Todes ins Auge zu schauen und im Idealfall zu erkennen, dass sich Leben und Tod bedingen.
  • Sein Leben zusammenzufassen und darüber zu reflektieren.
  • Seine Schlüsse daraus zu ziehen und sich zu entscheiden, wie man den Rest seines Lebens verbringen möchte.
  • Das Vergangene zuzulassen.
  • Seine eigene authentische Art zu finden.
  • Den Sinn in seinem Leben zu finden.
  • Seine kreativen Fähigkeiten zu entdecken und zu bejahen.

Es gibt vieles, das wir nicht verstehen und nicht kontrollieren können, und wenn wir Glück haben, erkennen wir im dritten Alter unseren wahren Wert und lernen Demut angesichts des Großartigen im Leben.

Wenn wir wollen, können wir uns zeit unseres Lebens weiterentwickeln. Dabei geht es nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, ganz zu sein.

Autor: Mag.a Maria B. Eisner, Jobvitalitaet, (c) 2007 (nach einem Text aus: Das Leben ist ein langer Fluss, Tudor-Sandahl, P. 2007)

Zukunftsthema Productive Aging

Zitat

Verfügbar unter: http://www.leaders-circle.at/productive-aging.html [Datum des Zugriffs: 24.09.09]

Wie sorglos und unbedacht viele Firmen mit den Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer derzeit noch umgehen, wird spätestens dann deutlich, wenn man die Maßnahmen und Resultate derjenigen Unternehmen betrachtet, die sich diesem Thema bereits aktiv gestellt haben.

Ein Blick auf die Zahlen macht klar, worum es geht: Im Jahr 2003 war [erg.d.d.Bolgautor] in Österreich der Anteil der Über-45-Jährigen im Arbeitsleben erstmals größer sein als der Anteil der Unter-30-Jährigen. Und dieser Anteil älterer Erwerbspersonen wird ab diesem Zeitpunkt jährlich zunehmen. Diese Entwicklung trifft auf eine Personalplanung der Betriebe, die nach wie vor stark jugendzentriert ist und sie trifft auf einige Annahmen in Bezug auf ältere Erwerbstätige, die zwar im Management weit verbreitet, aber dennoch nicht richtig sind:

Was vermindert sich im Alter?

Die erste falsche Annahme heißt: Alter bedeutet Abbau. Daraus folgt der Fehlschluss: Ältere Mitarbeiter sind weniger produktiv. Das aber, meint Dr. Rudolf Karazman vom Institut für betriebliche Gesundheitsförderung  (IBG) sei nur die eine Hälfte der Wahrheit. „Richtig ist, dass das körperliche Leistungsvermögen mit dem Alter tendenziell abnimmt. Wenn dann ältere Mitarbeiter auf jugendliche Arbeitsorganisationen treffen – d.h. die körperlichen Anforderungen an den Einzelnen auch bei zunehmendem Alter gleichbleiben – dann wird diese Nicht-Anpassung auf Seite der Organisation ab einer gewissen Schwelle zu Überforderungsreaktionen auf körperlicher Ebene führen und Krankheiten begünstigen. Nur – im psychischen Bereich gibt es mit dem Alter keinen Abbau und im geistig sozialen Bereich sogar eine deutliche Zunahme. Das ist der entscheidende Punkt, der nur allzu oft nicht gesehen wird.“

Krankheitsursache: Unterforderung

Die zweite Annahme heißt: Arbeit macht krank. Und der damit verbundene Fehlschluss: Ältere Mitarbeiter sind daher öfter krank. Dr. Karazman: „Das denken sowohl viele Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, als auch Gewerkschafter und Arbeitsmediziner. Allerdings stimmt das in dieser Form nicht. Die Krankheitsraten steigen nämlich weit weniger aus dem Grund von körperlicher Überforderung als vielmehr aufgrund geistiger Unterforderung. Ältere Arbeitnehmer werden vor allem deswegen krank, weil nichts mehr auf sie wartet. Weil sie sich links liegen gelassen fühlen, weil man sie als „zum alten Eisen gehörig“ abwertet, weil ihnen die Bereicherung, die Stimulierung, die Herausforderung, das Wachstum und Lernen fehlen.

Das Entscheidende ist zu verstehen, dass Arbeit selbst geundheitserzeugend sein kann, aber eben nur dann, wenn sie auch sinnstiftend ist. Um es krass zu formulieren: Die häufigste Ursache für Demotivierung, innere Pensionierung und Krankenstände sind fehlende Erwartungen auf Seiten des Managements. Und nicht das Alter per se.“ Ein Indiz unter vielen, welches für viele Unternehmen typisch sein dürfte: In einer österreichischen Bank waren im Untersuchungszeitraum zwar über die Hälfte der Mitarbeiter über 40 Jahre, auf diese Gruppe entfielen aber nur 10% der Weiterbildungsausgaben (ohne die Ausgaben für Führungskräfte).

Nicht weniger produktiv, sondern anders!

Diese Grundhaltung „Ältere sind weniger produktiv“ erleben viele ältere Mitarbeiter im Arbeitsprozess dann in Form eines Verlusts an sozialer Einbeziehung in Aufgaben, Strukturen, Teams, letztlich als Verlust der sozialen Integration. Dieses sukzessive „Hinausbröseln“, sei es durch körperliche Überforderung oder durch geistige Unterforderung – ich gehöre nicht mehr dazu, bekomme keine Aufgaben mehr, werde nirgends mehr hingeschickt – führt, so Dr. Karazman, letztlich zur „teuersten Art der Arbeitszeitverkürzung überhaupt, nämlich zu Krankenständen und Frühpensionierung.“

Es geht aber auch anders. Gefragt ist eine Veränderung der Arbeitswelt in die Richtung, „dass wir mit der Schwere zurückgehen und mit der Schwierigkeit hinauf, bei  Forcierung der sozialen Einbeziehung.“ Beispiele dafür gibt es bereits.

Beispiel: Stadtwerke München

Weniger als 5% der Fahrer im öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland erreichen die gesetzlich vorgesehene Altersgrenze von 63 Jahren. Das heißt, ca. 95% scheiden aus gesundheitlichen Gründen vorher aus dem Fahrdienst aus, was aber nicht heißt, dass diese Personen gleich in Pension gehen können, sondern es bedeutet ihre Versetzung in den Innendienst und damit auf niedriger bewertete Stellen. Das wiederum wirft nicht nur für die Fahrer erhebliche soziale und wirtschaftliche Probleme auf, sondern auch für das Unternehmen.

1993 beschlossen die Stadtwerke München, sich dieses Problems anzunehmen. Zusammen mit dem „Gesundheitspark der Volkshochschule München“ entwickelte man ein einjähriges Programm zur Verbesserung der körperlichen und seelischen Gesundheit der Fahrer, das vom IBG wissenschaftlich begleitet und evaluiert wurde. Von 250 Fahrern, die an der Maßnahme teilnehmen wollten, wurden für das erste Programm 96 Personen ausgewählt und während eines Jahres für insgesamt 20 Tage dienstfreigestellt. Bevorzugt wurden die ältesten Fahrer mit den meisten Dienstjahren. In diesen 20 Tagen absolvierten sie ein Programm, bestehend aus fünf Bausteinen mit Bewegungs- und Entspannungsübungen, Stressbewältigungstraining, Gruppengesprächen und Ernährungsberatung. Dominierte am Anfang noch große Skepsis, so waren die Ergebnisse am Ende des Programms um so eindeutiger:

  • Das personalwirtschaftliche Ergebnis war ein Rückgang der Fahruntauglichkeit um 80% in dieser Präventivgruppe
  • Die Fahrer dieses Gruppe bleiben 2,5 Jahre länger im Arbeitsleben als ihre Kollegen
  • Der Rückgang in den Krankenständen betrug jährlich und nachhaltig 4-5 Tage/Fahrer.
  • Die Unfallrate in der Präventivgruppe wurde massiv reduziert.
  • Der Anteil von Fahrer mit normalem Blutdruck stieg von 65% auf 77%.
  • Auf die Frage „Wenn Sie wählen könnten, hätten Sie lieber 20 arbeitsfreie Tage oder 20 Tage mit Gesundheitsförderungsprogramm?“ antworteten nach 10 Gruppentagen knapp 80% der Fahrer: freie Tage mit Programm.
  • Mehr als die Hälfte der Teilnehmer berichteten von positiven Veränderungen auch im Privatleben
  • Insgesamt kam es bei den Teilnehmern zu einer Zunahme an Sinn-Erleben, Lebensqualität und Gesundheit.

Beispiel: KAV Wien

Im Krankenanstaltenverbund der Stadt Wien begannen Anfang 2000 die Vorbereitungen zu dem Projekt „meisterhafte Pflegekunst“. Der Hintergrund: So wie viele andere Berufe auhc ist der Pflegeberuf ein sogenannter „gleichbleibender Beruf“, d.h. die Arbeit bleibt über das ganze Berufsleben unverändert und spiegelt den Prozess des Älterwerdens – mehr Routine und Erfahrung einerseits, höhere körperliche Belastung andererseits – nicht wieder. Die Konsequenz daraus war: Nur 9% des Pflegepersonals ist nach 26 Dienstjahren noch im Unternehmen. Bei einem Durchschnittsalter von 20 Jahren beim Arbeitseintritt haben also mit Mitte Vierzig bereits 90% des Pflegepersonals die Organisation verlassen. Noch dazu wechseln 85% der Krankenschwestern mit spätestens 35 Jahren aus dem patientennahen Pflegedienst in Leitungsfunktionen oder die Lehre. Alles in allem kommt es zu einem enormen Abfluss an Erfahrung in der direkten Patientenbetreuung.

Um hier gegenzusteuern ist nun geplant, eine Art Fachkarriere mit den drei Stufen Novizin, Expertin, Meisterin zu etablieren sowie neue, flexiblere Regelungen in Bezug auf Nachtdienste und Verkürzung der Wochenarbeitszeit einzuführen.

Welch eine Verschwendung

Mit dem Älterwerden wächst der Wunsch nach Einbeziehung, Information, Einsicht und herausfordernden Aufgaben. Die älteren Mitarbeiter haben unheimlich viel Know-how und sie wollen, dass das abgeholt wird. Wird das nicht abgeholt „implodieren“ die Leute. Das erscheint dann als Demotivation und schlägt sich in Krankheiten nieder. Entgegen der landläufigen Meinung ist aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht die Gesundheit die Grundlage von Produktivität, sondern die Produktivität (im Sinne von „etwas aus mir herausführen, bewältigen“) ist sowohl die Grundlage von Gesundheit als auch von Leistung. D.h. Krankheit entsteht erst da, wo Produktivität chronisch behindert wird, etwa durch eine autoritäre Kultur, Lärm, schlechte Luft, überfordernde Arbeitsbedingungen, vergiftetes Klima im Unternehmen, mangelhafte Stimulierung oder Ausbildung. Insofern sollte es nicht mehr sonderlich verwundern, dass speziell die „Luxusprojekte“ zum productive aging einen bereits in mehreren Studien nachgewiesenen 5 – 20fachen Return on Investment bringen!

Autor: Peter Wagner, 11.2000