Wirtschaft beeinflusst alle Sphären des Lebens. Die Gesellschaft richtet sich aus nach ihr und ändert sich entsprechend der vorherrschenden Wirtschaftsform. Seit der industriellen Revolution, der tiefgehenden Globalisierung der Welt und dem Wirken von Ökonomen wie Adam Smith hat der Liberalismus die wirtschaftliche Vormachtstellung eingenommen – zumindest in der westlichen Welt. Arbeit rückt in den Mittelpunkt und gilt als Maßstab des Werts von Gütern. Freier Handel und das Nichteingreifen des Staates sollen zu Wohlstand für alle führen.
Zwar haben sich die Prinzipien im 20. Jahrhundert gewandelt – unter anderem durch die Ideen der Chicagoer Schule – und einer neuen (eher negativen) Konnotation vom Begriff des Liberalismus, jedoch bleibt die Grundidee bestehen. Neoliberalistische Ideen beeinflussen die Politik, und damit auch die Bildungspolitik. Was bedeutet dies nun konkret?
Wirtschaftliche Interessen haben eine starke Wirkungsmacht, auch im Bildungssystem. Effizienz, Kompetenz, Standardisierung. Das Wettbewerbsdenken und die Orientierung am Arbeitsmarkt ist auch im Bildungssystem angekommen, seien es die Bildungsstandards, die standardisierte Reifeprüfung oder das Bologna-System an den Universitäten. Auch die neue UG-Novelle geht in die gleiche Richtung. Studierende sollen scheinbar so schnell wie möglich ihren Titel bekommen, um erfolgreich und nahtlos in die Arbeitswelt einzutauchen. Die wirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung seien dahingestellt. Die folgenden Gedankengänge beziehen sich eher auf die Folgen auf Ebene der Student*innen. Dieser Druck, deutlich erkennbar durch die geringe Anzahl an Toleranzsemestern oder die Anhebung der Mindest-ECTS müssen Auswirkungen haben. Man hat das Gefühl, sein Studium so schnell wie möglich abzuschließen müssen, koste es was es wolle. Von allen Seiten bekommt man suggeriert, schnell studieren zu müssen, um dann noch schneller eine Anstellung zu finden. Selbstzweifel oder fehlende Produktivität werden nicht gern gesehen. In einer beschleunigten Gesellschaft – auch dies hat sich durch die Pandemie nicht verändert – bleibt scheinbar keine Zeit für ein gemütliches Studium inklusive Selbstfindungsphase. Ist dies eine wünschenswerte Entwicklung?
Spannender Ansatz und spannende Frage!
Bei Toleranzsemester stimme ich voll und ganz zu,
die derzeitige Handhabung scheint mir auch mangelhaft zu sein.
Die Mindestzahl an ECTS, die erreicht werden sollte festzusetzen und einzufordern finde ich hingegen sehr sinnvoll, um auch als Motivation zu dienen nicht einfach vor sich hin zu bummeln, sondern ein gewisses Quantum an Ernsthaftigkeit an den Tag zu legen.
Persönliche Reifung und Entwicklung erlebe ich mehr im außer-universitären Bereich durch Freundeskreis und Mitstudenten in der Freizeit, wo Raum für persönliche Beziehungen möglich ist. Ohne Input hilft auch eine längere Studierdauer nichts um menschlich zu reifen.
Interessant und wie ich meine, plausible Argumente. Wäre schön, wenn Sie diese Ausführungen noch weiter fundieren wollten.