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Critical Whiteness (im Deutschen zumeist „Kritische Weißseinsforschung“) ist eine Forschungsrichtung, in der die – in der Regel implizite – Normsetzung des „Weiß-Seins“ problematisiert wird. Weiß-Sein  ist dabei nicht biologistisch definiert, sondern wird als wirkmächtige Kategorie betrachtet, wonach das davon Abweichende (z.B. „Schwarz“) als Anderes gesetzt ist.

Rassismusforschung fokussiert in der Regel stärker auf die Auswirkungen rassifizierender Zuschreibungen, etwa für die von Diskriminierung Betroffenen, bzw. auf deren Strategien des Widerstandes. Critical Whiteness hingegen rücken die Frage nach dem Selbstverständlichen, der Norm in den Vordergrund. Es wird gefragt, welche Strukturen diese Norm hervorbringen und reproduzieren, sowie danach, wer in welcher Weise von Rassismen profitiert. „Weiß-Sein“ wird folglich explizit zum Thema der Reflexion, damit sollen unsichtbare Privilegien sichtbar gemacht werden und Angehörige der dominanten Gruppe darüber ein kritisches Bewusstsein entwickeln, um Veränderungen einzuleiten.

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RaSsiSmUs

Rassismus zu thematisieren ist historisch bedingt moralisch aufgeladen. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges gilt kategorisch „Rassismus darf es nicht mehr geben“. Doch trotzdem wird Rassismus noch heute unter anderem in Schulmaterialien reproduziert. Studien belegen eine institutionelle Diskriminierung im Bildungssystem Schule sowie rassistische Diskriminierungen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt.

Als soziale Kategorie hat Diskriminierung reale Auswirkungen auf viele Menschen. Noch immer ist Rassismus in unseren Wissenssystemen, kollektivem Wissen über „Andere“, unseren Institutionen und gesellschaftlichen Strukturen verankert. Die Bereitschaft sich wirklich diversitätssensibel zu verhalten und diskriminierende Strukturen und Handlungsweisen abzubauen, setzt also viel voraus: Eine Auseinandersetzung damit, Wissen darüber und eine grundsätzliche Haltung dagegen um Handlungsweisen zu entwickeln.

Grundsätzlich gibt es zwei Erfahrungswelten, die betrachten werden sollten: Die Welt derer, die relativ frei in ihren Zugängen sind, als „normal“ wahrgenommen werden, wenig abwertenden Zuschreibungen und Diskriminierungen ausgesetzt sind und die Welt der Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft, sexueller Orientierung, Behinderung oder Religion als „anders“ markiert leben. Sie machen oft ganz andere Erfahrungen in allen Lebensbereichen. Laut einee repräsentativen Studie der Antidiskriminierungsstelle 2015 haben 31% der Befragten in den letzten drei Jahren Diskriminierungen nach den Merkmalen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erlebt, jedoch unternahmen 40% davon nichts dagegen, weil sie sich keine Verbesserung erhofften.

Die Auswirkungen von strukturellem Rassismus und die regelhafte Erfahrung von Diskriminierung auf individueller Ebene sind nicht wirkungslos. Im Gegenteil: Von Kindesbeinen an im Kindergarten, in der Schule, Studium, im Beruf und im Alltag zum „Anderen“ gemacht zu werden, Vorurteilen und Abwertungen ausgesetzt zu sein. Zu erleben, dass man „Mensch zweiter Klasse“ ist oder aufgrund „zugeschriebener Eigenschaften“ gewisse Zugänge verschlossen bleiben, macht wütend und mindert die Möglichkeit sich und sein Potenzial zu erkennen. Es beeinflusst massiv die Selbsteinschätzung in der Gesellschaft etwas zu erreichen zu können. Für Jugendliche und Kinder bleibt oft das Gefühl von Minderwertigkeit und gegebenenfalls Selbstablehnung als eine schwere Last, zusätzlich gegenüber diskriminierenden Erwachsenen bestehen zu müssen.

Es genügt nicht die eigenen Vorurteile als „Wissen“ zu verstehen und zu behaupten soziale Kategorien hätten heute keine Relevanz. Klasse, Herkunft und Geschlechterunterschiede sowie falsche Konstrukte wie „Rasse“ und Zuschreibungen zu bestimmten Religionen sind jahrhundertealte Verhältnisse, die fest in unsere Denk- und Handlungsweisen eingewoben sind. Sie haben vielfach auch Auswirkungen auf Arbeitsbeziehungen und Solidarität.

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Während der heute immer wieder auftauchenden Diskussion der Leistungsbeurteilung, stellte sich mir die Frage: „Wie kam es eigentlich zu der heutigen Leistungsbeurteilung durch Ziffern?“. Auch wenn diese Ziffernnoten heute oft als „veraltet“ bezeichnet werden, liegt deren Einführung verhältnismäßig gar nicht allzu lange zurück. Die ersten Ziffernnoten wurden im späten 19. Jahrhundert eingeführt. Der Gedanke hinter dieser Einführung ist recht einleuchtend. Durch die Vergabe von neutralen Ziffernnoten sollte eine uneingeschränkt faire Zulassung zum Studium ermöglicht werden. Herkunft sollte keinen Einfluss mehr auf diese Zulassung haben, sondern nur mehr die Leistung des Bewerbers oder der Bewerberin.

Doch ist eine Eins („Sehr gut“) wirklich objektiver als ein „Fortschritte sind zu erhoffen“, wie bereits 1830 von Pädagogen in der Schulnachricht vermerkt wurde? Ich behaupte nicht. Als ehemalige Schülerin weiß ich, dass ein und derselbe Aufsatz von verschiedensten Lehrpersonen anders gewertet werden kann. Wenn ich an meine persönliche Schulgeschichte denke, erinnere ich mich an meinen Englisch Unterricht. Im Maturajahr wurde uns die Aufgabe gestellt, einen „opinion Essay“ zu verfassen. Zwei der 18 Schülerinnen erhielten eine positive Note auf deren Text. Die restlichen Aufsätze wurden nach der Einleitung durchgestrichen und mit „F – no comment“ benotet. Da wir nun mit der Angst leben mussten, diese Textart zur, damals neuen, Zentralmatura als Aufgabe gestellt zu bekommen, äußerten wir den Wunsch uns noch genauer mit der Materie zu beschäftigen. Unsere Lehrperson hatte aber „keine Zeit“ dafür, denn der Lehrplan musste durchgearbeitet werden. Ohne Hilfe der Lehrperson mussten wir uns nun mit dieser Textart auseinandersetzen. Als wir diese dann tatsächlich bei der Matura verfassen mussten, war meine Überraschung groß, als ich zum ersten Mal eine zwei auf meinen Essay erhielt. Ich bin mir sicher, dass dies mehr an dem Wissen der Lehrperson lag, dass eine zweite Person die Arbeit kontrollieren würde.

Durch diese subjektive Leistungsbewertung der meisten Lehrpersonen und dem Leistungsdruck aufgrund des Konkurrenz-Verhaltens innerhalb der Klasse, bin ich der Meinung, dass die Schule verändert werden muss. Durch Recherche in einem anderen Fach, stoß ich auf das in Schweden praktizierte Schulsystem. Eine Schule ohne Noten. Zumindest bis ins 7. Schuljahr. Nun stellt sich mir die Frage: „Ist eine Schule ohne Noten möglich?“.

In Deutschland wird dies bereits erforscht. Es gibt bereits einige Projekte, in denen Klassen einen individualisierten, selbstständigen Unterricht führen. In diesen Unterrichtsformen führen die Kinder ein sogenanntes Logbuch und halten so ihren Lernfortschritt fest. Durch dieses Logbuch werden die Kinder zur selbstständigen Kontrolle und Einschätzung ihrer Lernfortschritte geleitet und können so ihre Ressourcen ausschöpfen. Am Ende der Woche erhalten die Schüler und Schülerinnen eine schriftliche Rückmeldung was sie verbessern sollten aber auch welche Leistungen in der Woche erfolgreich erbracht wurden.

Ich bin der Meinung, dass dieses Schulmodell in irgendeiner Form die Zukunft darstellen sollte. Ich denke, dass durch individualisierten Unterricht und selbstständige Mitgestaltung des Unterrichts der Lernenden ein Schulsystem entsteht, von welchem sowohl Lernende als auch Lehrende profitieren können.

 

Literaturverzeichnis

Gries, J., Lindenau, M., Maaz, Kai und Waleschkowski, U. (2005) Bildungssysteme in Europa. Kurzdarstellung. Berlin: ISIS. Institut für Sozialforschung, Informatik & Soziale Arbeit. www.schulzbinzweb.de/stadtelternrat-wunstorf/Dokumente/Themen/IGS/Bildungssysteme_Europa.pdf (16.05.2020)

Mens, F. (2009). Die ideale Schule. Schule ohne Noten – funktioniert das? Geo Wissen (11/09). Verfügbar unter: https://www.geo.de/magazine/geo-wissen/5989-rtkl-die-ideale-schule-schule-ohne-noten-funktioniert-das (03.06.2020)

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Geschlecht ist die zentrale Achse der Differenz(-ierung) nicht nur in der Gesellschaft, aber auch in der Schule.

Warum? 

1. Weil Geschlecht, genauso wie die anderen zwei Kategorien sozialer Ungleichheit – social class und race (soziale and ethnische Herkünfte) –zur sozialen Ungleichheit beiträgt, indem es „die Möglichkeiten des Zugangs zu Ressourcen, Macht und Rechten [beeinflusst].

[…] Geschlecht ist eine Kategorie, anhand derer sich Ungleichheiten formen und Hierarchisierungen entwickeln, die wiederum grundlegend Strukturen, Wahrnehmungen und Verhalten prägen, so auch in der Schule” (Bartsch/Wedl, S.10): ein Teufelskreis, der schwer, aber trotzdem zu durchbrechen ist. 

2. Weil Schule ein wichtiger Teil der Gesellschaft ist: in der Schule wird die Zwei-Geschlechter-Ordnung nicht nur alltäglich erlernt und hergestellt (durch die inkompetente Thematisierung von Geschlecht), sondern auch zugespitzt.

Schule ist kein geschlechtsneutraler Raum (so wie unsere Gesellschaft). Schule ist eine Bühne, wo das konstante “Spiel der Geschlechter” stattfindet (so wie in unserer Gesellschaft üblich).

3. Weil Schule ein spezifischer Sozialisationsort ist, wo aktiv in den Prozess der Herstellung von Zwei-Geschlechter-Ordnung eingegriffen werden kann, um die Thematisierung von Geschlecht kompetent zu steuern, und somit die Geschlechtergleichheit in unserer Gesellschaft ein Stück nach vorne zu bringen (Bartsch/Wedl, S.9).

Die „Zwei-Geschlechter-Ordnung“ ist kein gesellschaftliches Modell, das unserer Gesellschaft inhärent ist, sondern es hat sich in dem europäischen Raum erst mit dem 18. Jahrhundert durchgesetzt, d.h. es ist veränderbar und ausgestaltbar (Bartsch/Wedl, S.15).

Idealerweise soll Familie der erste Ort sein, wo Geschlechterdemokratie, d.h. Geschlechtergleichheit beigebracht werden soll. In der Familie werden Geschlechterverhältnisse durch zwischenmenschliche Interaktionen erlernt, d.h. Kinder lernen durch das Beobachten, z.B. wie ihre Eltern sich ausdrücken, verhalten und miteinander umgehen, sowie mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft, u.a. Nonkonformisten, oder wie sie sich die Haushaltsaufgaben teilen (geschlechtsneutral oder geschlechtsspezifisch), wie sie mit Geschlechterstereotypen umgehen und Geschlechterrollen verstehen, etc.

Realität sieht aber etwas anders aus, wenn Kriminalitätsstatistiken in Betracht gezogen werden.

Eine von drei Frauen in Europa hat in ihrem Leben schon mindestens einmal Gewalt erfahren, auch in Österreich. Die Täter sind meist männliche Familienmitglieder, der Tatort das Zuhause. Dazu gehören körperliche und psychische Gewalt, sexuelle Übergriffe und Tötung.”

“Insgesamt hat die Zahl der Gewalttaten durch den Partner [in Deutschland] jedoch zugenommen – von 113.965 in 2017 auf 114.393 weibliche Opfer von häuslicher Gewalt im Jahr 2018 […]. Daneben gab es 26.000 Männer, die von ihren Frauen oder Ex-Partnerinnen bedroht, genötigt oder verletzt wurden.”

“Ebenso wurden 2018 18.526 Opfer familiärer Gewalt von den Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen betreut. 84% der unterstützten KlientInnen waren Frauen und Mädchen, 91% der Gefährder waren männlich”

Das sind nicht einfach tragische Zahlen. Das sind Zahlen, die viel über Geschlechterordnung in unserer Gesellschaft vermitteln (zu bedenken ist, dass die Zahlen nur den sichtbaren Teil des Eisbergs “Häuslicher Gewalt” zeigen und zwar in demokratischen und wohlhabenden EU-Ländern wie Deutschland und Österreich).

Wie bereits gesagt, Schule ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft, wo das “Spiel der Geschlechter” gleichermaßen stattfindet und zwar nach den Mustern, die Kinder in ihren Familien (unbewusst) erlernen. Das heißt, es soll nicht davon ausgegangen werden (wie es oft der Fall ist), dass primär durch die elterliche Erziehung das Verständnis für die Gleichstellung von Frauen und Männern und das Reduzieren von Geschlechterstereotypen stattfindet. Es soll davon ausgegangen werden, dass die Schule der einzige Sozialisationsort für viele Kinder sein könnte, wo das Gefühl für Geschlechtergleichheit erzeugt werden kann und zwar durch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema. Das heißt, alle Lehrkräfte (fachunabhängig) sollen im Stande sein das Thematisieren von Geschlecht kompetent anhand der Kenntnisse der Gender Studies durchzuführen, und nicht „auf der Basis des Alltagsverständnisses, […] die vorhandenen Geschlechterverhältnisse [nicht nur (re-)produzieren], sondern [durch geschlechterdifferenzierendes Handeln, häufig unbewusstes, verstärken] (Bartsch/Wedl, S.12).

„Eine Thematisierung von Geschlecht in der Schule ist unerlässlich,“ postulieren Bartsch und Wedl, Herausgeberinnen von Teaching Gender, und nennen drei Hauptgründe: „(1) weil [Geschlecht] eine wirkmächtige (unbewusste) Konstruktionsweise ist, (2) aufgrund seiner Funktion als gesellschaftlich wirksame soziale Ungleichheitskategorie, (3) aufgrund der subjektiven Relevanz von Geschlecht für SchülerInnen und seiner Funktion als Identifizierungskategorie.“ Sie warnen aber, dass „nicht jede Thematisierung zum Abbau von Geschlechterstereotypen und normierenden Geschlechterzuweisungen [die Kinder in der Familie und Gesellschaft beobachten und unbewusst erlernen] beiträgt“ (Bartsch/Wedl, S.16).

Im Gegenteil: die Lehrkräfte, die sich nicht wissenschaftlich, reflektierend und kritisch mit der Problematik der Geschlechterdifferenzierung in der Schule auseinandersetzen, tragen zur „Dramatisierung der Differenz,“ d.h. Hervorhebung, in verschiedenen Unterrichtspraktiken alltäglich bei, „z.B.

  • die Ansprache als StellvertreterIn eines Geschlechts im Sinne einer Platzanweisung (»du als Mädchen/Junge, …«),
  • die Homogenisierung von Geschlechtergruppen (die Mädchen und die Jungen),
  • die Gruppen(ein)teilungen anhand des Geschlechts bzw. die explizite geschlechterhomogene Gruppenarbeit in Form von Jungen- bzw. Mädchenarbeit
  • Lob für geschlechtsadäquates Verhalten,
  • die Abfrage von Stereotypen, ohne diese kritisch aufzulösen,
  • ein Protektionismus für Mädchen, gekoppelt mit einem verallgemeinerten Verdacht auf Machtpositionen auf Seiten der Jungen,
  • geschlechtliche Zuweisungen von Verhalten, Kompetenzen, Eigenschaften oder
    Aktivitäten, und viel mehr“ (Bartsch/Wedl, S.17).

Das sind Beispiele, die aus mehreren empirischen Studien hervorgehen, u.a. aus Studien von Budde/Blasse 2014, Faulstich-Wieland 2005, Thiessen/Tremel.

Trotz der Gefahr der Dramatisierung sind Wissenschaftler zur Erkenntnis gekommen, dass es Situationen gibt, wo sie äußerst sinnvoll ist, z.B.:

  • „wenn Geschlechterbilder Barrieren für die Entwicklung individueller Vielfalt bilden,
  • wenn es zu Diskriminierung von Teilnehmenden bzw. Menschen aus deren Umfeld kommt, die sich nicht geschlechternormenkonform verhalten,
  • wenn ich [als Lehrkraft] Teilnehmenden Wissen zugänglich machen möchte, mit dem sie eigene Probleme oder auch Privilegien in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext stellen und damit auch politisiert bearbeiten können, anstatt alles individualisiert auf eigenes Versagen bzw. eigene Talentiertheit zu schieben oder das Erleben zu naturalisieren,
  • wenn ich Teilnehmende dazu befähigen möchte, eigene diskriminierende bzw. gewalttätige Verhaltensweisen oder die Verinnerlichung selbstschädigender Normen zu erkennen und abzubauen bzw. Wehrhaftigkeit gegenüber solchen zu entwickeln.“ (Bartsch/Wedl, S.19).

Jedoch kann, wie bereits erwähnt, die kompetente Thematisierung von Geschlecht nicht auf Basis des Alltagswissens von Lehrkräften passieren, sondern sie erfordert „eine große Flexibilität und Gender-Kompetenz,“ die auf den Erkenntnissen der Gender Studies aufgebaut werden soll (Bartsch/Wedl, S.20).

Quellen:

Bartsch, Annette/Wedl, Juliette (2015) Zum Reflektierten Umgang mit Geschlecht im Schulunterricht und in der Lehramtsausbildung, in: Bartsch, Annette/Wedl, Juliette (Hrsg.) Teaching Gender? Transkript Verlag: Bielefeld, 9-31.