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“Es ist nur zu deinem Besten” – Wie der Druck der Eltern die schulischen Leistungen beeinflusst – und wie Eltern ihre Kinder ganz ohne Leistungsdruck unterstützen können.

Wer es einmal in unser selektives Bildungssystem geschafft hat, darf sich bekanntlich äußerst glücklich schätzen, dort zu sein. Oft ist es der Rückhalt des äußeren Umfelds, der uns dazu verhilft, auch gut in der Schule abzuschneiden und seine eigenen Talente zu entfalten. Nun stelle man sich aber folgende Situation vor: Sie sind Schüler:in einer Privatschule und zählen zu den leistungsstärksten Personen Ihrer Klasse, werden dort auch als Spitzenschüler:in anerkannt und hatten bislang die Möglichkeit, ihre Kreativität auszuleben und der Welt zu zeigen, was in Ihnen steckt. Eines schönen Vormittages jedoch klopft Ihr Klassenvorstand an die Klassentür und bittet Sie, doch bitte mit ihm/ihr mitzukommen, man hätte mit Ihnen etwas zu besprechen. Natürlich folgen Sie dieser Anweisung, schließlich haben Sie ja nichts zu befürchten, oder? Kaum vor der Tür der Direktion angekommen, erwartet Sie die Schulleitung gemeinsam mit Ihren Eltern. Sie werden von der Schule abgemeldet, hören Sie. Es sei zu Ihrem Besten, Mama und Papa hätten bereits eine AHS für Sie gefunden, in der Sie besser aufgehoben wären. Der Direktor entschuldigt sich bei Ihnen, er sagt, er hätte alles getan, um Sie doch an der Schule behalten zu können, aber Ihre Eltern wären anscheinend so schwer zu überzeugen. 

Dies ist zwar eine äußerst extreme Situation und würde sich in der realen Welt nur sehr selten abspielen, und falls doch, dann keineswegs in dieser Form. Doch dass gerade ein solcher Fall eintreten kann, zeigt die Geschichte von Nabaa Kudier, die als Jugendliche an einem Pilotprojekt der NMS Gassergasse in Wien mitgewirkt hat. Man hatte sie nach Projektabschluss auf eine Privatschule geschickt, die ihre Talente weiter fördern sollte. Nach eineinhalb Jahren jedoch meldeten ihre Eltern sie wieder von der Schule ab, und sie wechselte auf ein staatliches Gymnasium. Und das, obwohl Nabaa ja eigentlich eine gute Schülerin war, sie von der dortigen Betreuung durchaus profitieren konnte, und die Schulkosten für die Familie gänzlich wegfielen! Was war der Grund für den erzwungenen Abbruch? Am ehesten, so die Schülerin selbst, dass ihre Familie nicht damit einverstanden war, dass sie an dieser Schule größere Freiheiten hatte. Und nicht nur in dieser Hinsicht schränkten ihre Eltern ihre Lernfähigkeiten ein – sie selbst gesteht, dass ihre Lernschwierigkeiten durch diesen Druck noch weiter gesteigert wurden. Durch diesen Wiedereinstieg in den “Teufelskreis” scheiterte sie also erneut. Und durch ihr Scheitern wuchs die Angst ihrer Familie, in der österreichischen Gesellschaft nichts erreichen zu können und aus ihr ausgeschlossen zu werden- und damit wieder der Druck auf die Tochter. 

Das Beispiel von Nabaa beweist auf ein Neues, wie leistungsorientiert unsere Gesellschaft eigentlich ist. Viele Bereiche in unserem Leben orientieren sich nur mehr am Output und/oder dem Gewinn einer Tätigkeit. Das fängt in der Schule an und setzt sich im beruflichen Leben fort. Wenn wir keine Leistung erbringen, sind wir nichts wert. Im Hinblick auf die Schule ist dieses leistungsorientierte Denken aber nicht für alle Schüler:innen leistungsfördernd. Viele Kinder leiden unter großem Druck und haben so wenig intrinsische Motivation für die Schule. Auch Eltern tragen hier einen erheblichen Teil dazu bei, auch wenn sie aus ihrer Sicht nur das Beste für ihr Kind erzielen wollen. Die einen befürchten, dass die Leistungen ihres Kindes abfallen können, und schrauben die Latte höher, damit es keine Misserfolge erleiden muss; die anderen fürchten, dass durch Lehrkräfte und Unterrichtsmethoden die gesellschaftlichen Werte und Bilder, die sie ihm anerzogen haben, verloren gehen, und schicken ihr Kind dorthin, wo es am besten vor äußeren Einflüssen geschützt ist. 

Studien zeigen uns aber, dass Druck für Schüler:innen in den meisten Fällen leistungsschmälernd ist. Viele Eltern/Erziehungsberechtigte wissen nicht, dass sie mit Ihrem Verhalten einen großen Druck auf ihre Kinder und ihre Leistungen in der Schule ausüben. Oft werden „gute“ Noten mehr belohnt als „schlechte“. So wird die gut gemeinte Belohnung sehr schnell zu einer Bestrafung, wenn ein Kind einmal keinen Einser mit nach Hause bringt. Eltern erkennen oft auch gar nicht, dass sie mit ihren Worten und Forderungen ihr Kind in eine Abwärtsspirale von immer negativeren Gedanken im Kontext Schule treiben. Ist ein Kind unter Druck, zeigt sich das meistens sehr schnell. Warnsignale dafür sind zum Beispiel Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, sinkende Lernmotivation, Konzentrationsprobleme etc. Wenn Eltern oder die Erziehungsberechtigten solche Signale erkennen, sollten sie so schnell wie möglich Präventionsmaßnahmen ergreifen. Auch die Ursachen solcher Warnsignale sind entscheidend. 

Bezieht sich der Druck der Eltern auf den Lernerfolg, gibt es zum Glück Alternativen zur autoritären Kontrollausübung. Ganz wichtig ist es, das Kind ganzheitlich anzunehmen. Man soll die Stärken fördern aber auch die Schwächen akzeptieren und mit ihnen arbeiten. 

Im Folgenden finden sich nun weitere Wege, wie man Druck von der Seite der Eltern verringern kann: 

  • Freizeit: Bei vielen Kindern kommt die Freizeit viel zu kurz. Sie kommen von der Schule nach Hause, bekommen dann etwas zu Essen und müssen sich danach gleich zu den Aufgaben setzten. Das kann oft sehr lange dauern. Es ist wichtig, dass sich die Kinder zu Hause auspowern können. Es kann ihnen auch einmal langweilig sein. Aus Langeweile können sehr kreative Ideen entstehen
  • Lernmethoden verändern: Wenn Lernmethoden seit vielen Jahren die gleichen sind, kann das oft zu Langeweile beim Lernen führen. Wenn man sich neue, kreative Wege überlegt, wie ein Kind seien Aufgaben erledigt oder für einen Test/Schularbeit lernt, kann man die Motivation für Aufgaben erledigen oder Lernen wieder steigern.
  • Talente benennen und fördern: Sportliche, künstlerische oder musikalische Fähigkeiten können oft ein Grundstein für Motivation auch in der Schule sein.

Weitere Grundprinzipien sind aber zu beachten wie eine gute Eltern-Lehrer-Beziehung pflegen oder ein Lernteam mit dem Kind bilden und gemeinsam lernen. Die schulische Leistung sollte auch nicht immer das einzige Gesprächsthema, wenn es um Schule geht. Eltern sollten klar zeigen, dass sie sich auch für das Wohlgefühl ihres Kindes interessierten. Man kann zum Beispiel Fragen stellen an das Kind: was es heute gelernt hat, mit wem es in der Pause gespielt hat und was ihm an seinem Tag nicht so gut gefallen hat. Wichtig ist, dass das Kind das Gefühl hat, dass der Teil seines Lebens, den es fern von zu Hause verbringt genauso ernst ist wie die Zeit zu Hause. Eltern sollten daran denken, dass Ihr Kind vor allem das Gefühl braucht, in ihren Augen wertgeschätzt zu werden, zu wissen, dass sie es lieben und es in dem, was es tut, ermutigen. Wenn sie dem Kind helfen, ein gutes Selbstwertgefühl aufzubauen, wird es seine Chancen auf schulischen Erfolg vervielfachen…

(ein gemeinsamer Beitrag von Hannah Schusteritsch, Verena Schöller, Isabella Urschitz und Camille Durand – Redaktionsgruppe A) 

(von Annemarie Schaffer)

Ein wichtiger – wenn nicht der wichtigste – Faktor, der nun seit einigen Jahrzehnten in der westlichen Welt Politik und Gesellschaft prägt, ist die Wirtschaft bzw. das stetige Streben nach Wirtschaftswachstum. Dass davon auch Schul- und Bildungssysteme nicht unberührt bleiben, ist bei der engen Verknüpfung zwischen Schule und Gesellschaft ganz klar.

Was für einen (absurd) dominanten Platz die Wirtschaft und ihr Wachstum in unserer Gesellschaft eingenommen hat, ist mitunter an einer Einschaltung ersichtlich, die u.a. am 24. April 2021 im Lokalteil der Tageszeitung Salzburger Nachrichten im Zuge einer Kampagne einer Salzburger Oppositionspartei abgedruckt wurde. Die Überschrift dieser Einschaltung lautet: „Wirtschaft wieder leben lassen“. Unter dieser wird angeführt, dass laut einer Umfrage im November 2020 mehr als die Hälfte der gefragten Personen die Maßnahmen der Regierung und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen für das Schlimmste an der Covid-19 Pandemie erachteten. Darauffolgend heißt es weiter, dass das der stärkste Wirtschaftseinbruch seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei. Abgeschlossen wird die Einschaltung mit der fettgedruckten Frage „Ist es das wirklich wert?“. Meine Antwort darauf: Ja, ist es! Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Covid-19 Virus haben der Form von Wirtschaft, wie sie in der westlichen Welt betrieben wird, bestimmt geschadet, aber immerhin dienten sie (und dienen immer noch) dazu Menschenleben zu retten. Denn im Unterschied zur Wirtschaft – auch wenn die oben zitierte Überschrift Gegenteiliges suggerieren mag – leben Menschen tatsächlich und können infolgedessen ihr Leben durch Krankheiten wie die, die vom Covid-19 Virus ausgelöst wird, verlieren. Dass ein Rückgang der Wirtschaftsleistung das Leben der Menschen derartig negativ beeinflussen kann, zeigt uns weniger, was uns diese Einschaltung weismachen wollen zu scheint, nämlich wie schlecht die Maßnahmen gegen die Pandemie waren, sondern, dass der Wirtschaft in unserer Gesellschaft wesentlich mehr Platz und Bedeutung beigemessen wird, als es gesund für uns ist.

Ähnliches stellt auch Maja Göpel in ihrem 2020 erschienenen Buch Unsere Welt neu denken fest, wenn sie schreibt, dass sich „[n]icht nur in den sozialen Medien – aber nirgends besser als da – […] sehen [lässt], wie die Idee des Verkaufens und des Wettbewerbs in Lebensbereiche vorgedrungen ist, in denen das Gesetz von Angebot und Nachfrage zuvor intrinsischen Werten nachgelagert war.“ (Göpel 2020, 69) Dabei bezieht sie sich darauf, dass es mittlerweile Menschen geben soll, deren „Gefühl für die eigene Existenz und Präsenz“ (Göpel 2020, 69) an der Anzahl ihrer „Follower[], Likes und Freundschaftsanfragen“ (Göpel 2020, 69) hängt. Dass das für die menschliche Psyche nicht gesund sein kann, scheint mir mehr als einleuchtend zu sein. Der Mensch in der heutigen Gesellschaft aber hat sich dem herrschenden Wirtschaftssystem dermaßen unterworfen, dass man es nicht einmal als sehr übertrieben empfinden kann, wenn Göpel schreibt: „Wir sind […] alle Humankapital und müssen darauf achten, unseren Marktwert zu steigern.“ (Göpel 2020, 69) Jetzt mag man einwenden, dass das oben zitierte Beispiel Göpels ja nur für die Welt von Social Media relevant sei, aber dagegen kann mit Göpel angeführt werden, „dass das ökonomische Denken in Lebensbereiche eingewandert ist, die ursprünglich nichts mit Wirtschaft zu tun hatten. Die Fürsorge für andere Menschen, kranke, alte und Kinder, ist in diese Logik genauso eingespannt worden wie die Ausbildung, die Partnerwahl oder der eigene Körper.“  (Göpel 2020, 68)

Diese Lebensbereiche sind absolut in der realen Welt zu verorten und ihre Unterordnung unter wirtschaftliche Prinzipien führt – um Göpels Beispiel der Ausbildung herauszugreifen – zu Phänomenen wie der in einem früheren Beitrag behandelten Selektion von Schüler*innen nach Schulnoten, damit man sie als Erwachsene wirtschaftlich möglichst sinnvoll in einem Beruf(sfeld) zuordnen kann. Das heißt dann, dass Wohlergehen der Menschen ihrem eigenen wirtschaftlichen Wert untergeordnet werden. So sollte eine Gesellschaft, die aus Menschen besteht, eigentlich nicht funktionieren wollen.

Da regt es zum Nachdenken an und lässt einen auch hoffen, wenn man im Wirtschaftsteil der Salzburger Nachrichten vom 26. Mai 2020 folgende Schlagzeile liest: „Im fairen Handel gab es keine Coronakrise – im Gegenteil“ (Kretzl 2021). Dass ausgerechnet ein Wirtschaftszweig, der nicht nur auf Profit aus ist, sondern dabei auch auf das Wohl der Menschen achtet, in einer Zeit, in der so viele andere Branchen Verluste erleiden mussten, seinen Umsatz steigern konnte, sollte uns, nicht nur als angehende Lehrkräfte, sondern auch als Mitglieder unserer Gesellschaft dazu ermutigen fair zu handeln.   

Es waren einmal zwei Säuglinge, auf den ersten Blick unterschied sie bis auf das Geschlecht rein gar nichts. „Gesunde Kinder“ bekundeten die Kinderärzte den jeweiligen Eltern, die sich – erleichtert ob der ebenso glücklichen wie erwarteten Nachricht (Warum sollte gerade unser Kind NICHT gesund sein?) – nun beruhigt in das Abenteuer Elternschaft stürzen konnten. Zum Glück nicht das erste Mal, man wusste ja jetzt, worauf zu achten sei, dass schon alles seinen gewohnten Gang nehmen werde, man müsse nur stillen und wickeln und lieben. Natürlich würde das eigene Kind schon groß und stark werden und den Widrigkeiten dieser Welt trotzen, schließlich werde man es nach Kräften dabei unterstützen.

Dann krachte die Realität wie ein Meteorit in die Idylle: Der Mutter des Mädchens, einer Ärztin, fiel nach zwei Monaten auf, dass das Kleine nur mit einer Seite Massenbewegungen ausführte und mit rechts nicht nach dem ausgestreckten Finger griff. Der mütterlichen Besorgnis Folge tragend wurde das Mädchen dem Kinderarzt vorgestellt, der die Mutter entnervt „als „typisch hysterische Ärztemutter“ abtat, „die die Flöhe husten höre“, was diese nicht davon abhielt, darauf zu beharren, dass etwas nicht stimme. In Eigenregie suchte die Mutter die Neuropädiatrie auf, war ja die Frau Kollegin, da geht das. Rasch stand die Diagnose fest – schlimmer als erwartet –: Spastische Halbseitenlähmung, selbständiges Gehen mehr als ungewiss. Für die Eltern des kleinen Mädchens brach eine Welt zusammen (Warum gerade das eigene Kind?), aber diese rafften sich schnell auf. Jahre voll Therapien – dreimal die Woche plus jeden Tag die Übungen, dabei das Geschwisterkind nicht vergessen – vergingen.

Die Eltern des Buben hingegen waren Gastarbeiter, einfache Menschen, der Sprache nicht hinreichend mächtig. Deshalb wurde die niederschmetternde Diagnose – spastische Halbseitenlähmung – erst gestellt, als der Kleine mit drei Jahren immer noch nicht imstande war zu laufen. Therapien ließ man dem Buben kaum angedeihen, geübt wurde nicht, wie auch, weitere Geschwister folgten rasch und die Mutter war mit der Aufzucht aller beschäftigt.

Im privaten Kindergarten (Der Junge war auf Intervention des Jugendamtes dort.) lernten sich die Kleinkinder kennen. Zwei Kinder, geeint durch ihre Diagnose, getrennt durch ihre Herkunft.

Das Mädchen konnte vielleicht nicht ihren Freundinnen kletternd auf Bäume folgen, es hatte aber tatsächlich das Laufen und die behinderte Hand als Hilfshand einzusetzen gelernt. Der Bub hingegen schleppte sich immer noch mühsam vorwärts und der gelähmte Arm war dabei, an den Oberkörper gepresst zu versteifen.

Die Kleinkinder wurden älter und der „Ernst des Lebens“ rückte unaufhaltsam näher. Das Mädchen sollte eine Regelschule besuchen, was der Direktor der betreffenden Volksschule nach Kräften zu verweigern trachtete: „Behinderte Kinder gehören in die Sonderschule, aber nicht in meine Regelschule!“ Die Eltern, Akademiker, fackelten nicht lange und drohten mit dem Landesschulrat. Ganz plötzlich lenkte der Direktor ein und das Mädchen wurde mit 23 gesunden Kindern eingeschult. Der Bub hingegen kam – wie gewünscht – in die Sonderschule, wo er – trotz rein körperlicher Einschränkung –sein ganzes Schulleben verbleiben sollte.

Während der Volksschulzeit verschlechterte sich das Gangbild beider Kinder massiv. Durch die Spastik hatten sich die Füße fast bis zur Unkenntlichkeit verkrümmt. Die verzweifelten Eltern des Mädchens wandten sich an die Orthopädie, was man denn tun könne, keine Schuheinlage, keine Schiene helfe mehr, man könne die Schmerzen des Mädchens beim Auftreten, die stummen Tränen, das unterdrückte Wimmern, die bitterlichen Klagen am Ende des Tages nicht mehr ertragen. Die konsultierte Orthopädin empfahl den Eltern, sich einen guten Psychologen zu suchen, wenn jene nicht ertragen könnten, dass das Mädchen zeit seines Lebens auf einen Rollstuhl angewiesen sein werde. Die Mutter, die Ärztin, wandte sich in ihrem Elend hilfesuchend an Kollegen und bekam einen Orthopäden in einer anderen Stadt empfohlen, der sich auf die orthopädischen Probleme körperlich behinderter Kinder spezialisiert hatte. Dieser operierte das Mädchen in einer langwierigen Operation tatsächlich erfolgreich. Die Kleine konnte wieder schmerzfrei laufen, erst in speziellen Schuhen, später in ganz „normal“ käuflich erwerblichen. Und der Bub? Bekam einen Rollstuhl verschrieben.

Die ersten vier Schuljahre verflogen. Das Mädchen kam ins private Gymnasium, der Junge verblieb in der Sonderschule. Nach der Pflichtschulzeit wollte das Mädchen etwas „Lebenspraktischeres“ erlernen und in eine katholische HLW mit Öffentlichkeitsrecht wechseln. Beim persönlichen Anmeldungsgespräch wurde vom Direktor kundgetan: „Wir nehmen keine Behinderten.“ Beim ungläubigen Blick der Eltern plötzlich: „Außer… Welches Parteibuch haben Sie?“ Damit konnten die politisch nicht engagierten Eltern nicht dienen, sie waren mit Beruf und behindertem Kind bekanntlich ausgelastet, worauf sich der Direktor genüsslich zurücklehnte und salbungsvoll sprach: „Wäre Ihre Tochter die Tochter des Bürgermeisters, dann – ja dann – wäre ein Platz bei uns kein Problem!“ Fassungslos brachen die Eltern das Gespräch ab, aber nicht ohne die Drohung, dies an die Medien weiterzuleiten, wenn er – der Direktor – sich nicht persönlich um einen alternativen Platz an der zweiten katholischen HLW der Stadt kümmern würde. Was tatsächlich geschah und wo das Mädchen problemlos maturierte. Der Bub hingegen kam mit 15 Jahren in eine berufsfördernde Einrichtung für geistig behinderte Jugendliche.

Nach der Matura wurde das Mädchen Mutter eines Sohnes, welcher ebenfalls primär als gesund betitelt wurde. Der Bub hingegen wurde an einer Behindertenwerkstätte angestellt.

Während das einstige Mädchen zu studieren begann, wurde dem jetzigen Kleinen – wieder nach zähem Ringen – schlussendlich ADHS und Autismus attestiert.

Heute hat die inzwischen erwachsene Frau mit den gleichen Problemen wie ihre eigenen Eltern zu kämpfen: Wehrt man sich nicht beharrlich gegen vermeintliche „Obrigkeiten“ und antiquierte, aber gesellschaftlich verfestigte Ansichten, hat das eigene Kind verloren.

 

Nachwort:

Der obige Blogartikel ist leider nicht erfunden, sondern behandelt autobiographisch meine eigene Lebensgeschichte, die meines alten Kindergartenfreundes, der nie ganz aus meinem Leben verschwunden ist, und die meines eigenen psychisch behinderten Sohnes. Zeitlich ist das Beschriebene seit meiner Geburt Mitte der 1990er geschehen. Zu verorten ist es in der Stadt Salzburg.

 

von Christina Schöppl

Eine Reaktion auf den Text von Stojanov K.

Das Thema Leistungsbeurteilung und die damit eingeschlossene Leistungsfeststellung sind immer wieder Grundlage für hitzige Diskussionen. Das aktuellste Beispiel dafür ist die durch wiederkehrende Aufschreie vor allem durch die vorherrschenden Corona-Bedingungen geänderte zentrale Reifeprüfung. Damit wurde die Matura von einer Leistungsfeststellung zu einer Leistungsbeurteilung umgewandelt, weil nun auch die Noten der letzten Schulstufe zur Bestimmung der Reife hinzugezogen werden. Es stellt sich aber sowohl bei der Leistungsbeurteilung jeder Schulstufe also auch bei der zentralen Reifeprüfung die Frage, ist das alles fair?

Die Leistungsfeststellung hält den aktuellen Leistungsstand fest, während in die Leistungsbeurteilung die Leistungen eines bestimmten Zeitraums einfließen. Laut Jürgens und Lissmann (2015) erfüllt die Leistungsbeurteilung fünf Funktion: die Selektionsfunktion, die Qualifikationsfunktion, die Informationsfunktion, die Anreiz- und Sanktionsfunktion und die Entwicklungsfunktion. Alleine diese recht verschiedenen Bereiche zeigen bereits, was die Leistungsbeurteilung im Grunde mit einer Note am Semesterende oder am Jahresende aussagen sollte. Dabei könnten gewisse Funktionen ohne Probleme gemeinsam in der Leistungsbeurteilung berücksichtig werden – die Selektionsfunktion und die Qualifikationsfunktion oder die Anreiz- und Sanktionsfunktion und die Entwicklungsfunktion – aber es gibt auch sich gegenseitig ausschließende Funktionen. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler durch das Abschneiden in standardisierten Schularbeiten die Note „Befriedigend“ verdient hätte, aber für die persönliche Entwicklung die Note „Gut“ besser wäre, würden somit die Selektionsfunktion und die Entwicklungsfunktion im Gegensatz zueinanderstehen. Wenn man nun im Sinne einer fairen Leistungsbeurteilung handeln würde, würde man eine schlechtere Note hergeben, aber womöglich gleichzeitig die persönliche Entwicklung und Motivation der Schülerin oder des Schülers nicht fördern. Sollte die Selektion aufgrund von objektiven Kriterien erfolgen, kann laut Fendt von einer fairen Leistungsbeurteilung gesprochen werden.

Ein weiterer Aspekt der Leistungsbeurteilung ist die Leistungsbewertung, die auf einer von drei verschiedenen Bezugsnormen erfolgen kann. Die sachliche Bezugsnorm bezieht sich auf das Erreichen oder Nicht Erreichen von im Vorhinein festgelegten Zielen. Somit erhalten die Schülerinnen und Schüler bei der Beurteilung Aufschluss über den Leistungstand ihres Fachwissens. Die soziale Bezugsnorm bezieht sich auf einen Vergleich innerhalb einer bestimmten Gruppe – zum Beispiel eine Schule oder eine Klasse – und somit wird eine Reihenfolge innerhalb dieser Gruppe vollzogen. Da sich aber die Bewertung eines Individuums bei der Veränderung der Gruppe ebenfalls ändert, kann nur von einer relativen Sicht auf den Leistungsstand gesprochen werden. Die individuelle Bezugsnorm orientiert sich hingegen an vorhergegangenen Leistungen eines Individuums. Für die Bewertung und Beurteilung ist die Leistungssteigerung von zentraler Bedeutung, wobei kein Schluss auf die Leistungen anderer Schülerinnen und Schüler gezogen wird. Der individuellen Bezugsnorm wird auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Leistungsmotivation zugeschrieben, da sie die Lernfortschritte eines Individuums aufzeigen kann und nicht die Leistung an sich bewertet. Beim Betrachten der Bezugsnormen wird das Dilemma der Funktionen der Leistungsbeurteilung erneut sichtbar. Bei der sachlichen Bezugsnorm kann von Objektivität gesprochen werden und damit wäre diese laut Fendt für eine faire Leistungsbeurteilung vonnöten aber geht nicht auf die Entwicklung der Individuen ein.

Zusätzlich zu den Bezugsnormen muss bei der Leistungsbewertung noch entschieden werden, ob eine summative oder eine formative Leistungsbewertung stattfindet. Bei einer summativen Leistungsbewertung wird erst zum Schluss eines Lernprozesses über den Lernfortschritt Resümee gezogen, während bei einer formativen Leistungsbewertung bereits im Lernprozess der Lernfortschritt beobachtet wird und auch angepasst werden kann. Somit wäre eine summative Leistungsbeurteilung fair, aber der Lernprozess, der eine wichtige Rolle für die Entwicklung spielt, wird vernachlässigt.

Wenn man nun die Zusammenfassung wagt und nun versucht eine faire Leistungsbeurteilung zu beschreiben, kommt man auf die Begriffe Objektivität und Fachwissen, was in der Selektionsfunktion, der sachliche Bezugsnorm und der summative Leistungsbewertung zu finden ist. Damit hätte man es auch geschafft, wenn die Schule nicht für etwas anderes stehen würde. Diese Begriffe stehen dem entgegen, was die Leistungsbeurteilung eigentlich darstellen sollte, nämlich Rückmeldung über den Lernfortschritt zu geben und das auf einer individuellen Ebene. Dadurch würden die Schülerinnen und Schüler ihre Stärken und Schwächen erkennen und können daraufhin ausreichend individuell gefördert werden. Das würde auch dazu beitragen, dass man junge Menschen bildet und ausbildet, die wissen, was sie kennen und können, und somit leichter ihren Platz in der Gesellschaft finden. Natürlich hat auch die sogenannte faire Leistungsbeurteilung ihren Stellenwert – zum Beispiel in diversen Studien – aber für die persönliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler wäre eine nicht faire Leistungsbeurteilung meiner Meinung nach besser. Aber es sollte sich jede Lehrperson selbst die Frage stellen, ob man die Schülerinnen und Schüler aufgrund von Objektivität und Wissen beurteilen möchte, womit man die Leistungen vergleichbar machen würde, oder eher den Lernprozess für die Leistungsbeurteilung heranzieht, damit man die persönliche Entwicklung fördern kann.

 

Jürgens, E., & Lissmann, U. (2015). Pädagogische Diagnostik. Grundlagen und Methoden zur Leistungsbeurteilung in der Schule. Weinheim: Beltz.

Nerdel, C. (2017). Grundlagen der Naturwissenschaftsdidaktik. Kompetenzorientiert und aufgabenbasiert für die Schule und Hochschule. Berlin: Springer.

Saalfrank, W., & Kollmannsberger, M. (2017). Praxisleitfaden Lehrerhandeln. Unterrichten, Erziehen, Beraten, Leistungen beurteilen. Weinheim: Beltz.

Schlag, B. (2013). Lern- und Leistungsmotivation (4. Auflage). Wiesbaden: Springer.

Stern, T. (Hrsg.). (2010). Förderliche Leistungsbewertung (2. Auflage). Wien: Amedia.

2/3 Ergebnisse weiterführender Recherche und Gesprächen zu dem Thema Menstruation mit einem Blick auf eine die erste Befragung zum Thema Menstruation bei Jugendlichen.

 

Wie bereits im letzten Essay beschrieben, war vor allem mein Verständnis von der Menstruation im Allgemeinen, die Probleme, die bei der Monatsblutung auftreten können und auch das Verständnis des gesamten Themas und dessen Behandlung eher gering.

Das Erste, das ich lernen musste, ist, dass oftmals von menstruierenden Personen/Menschen gesprochen wird. Es geht hierbei um ein Einbeziehen von Personen, die sich dem binären Geschlechtermodell nicht unterwerfen wollen. Auch Trans* oder inter*geschlechtliche Personen sollen inkludiert werden.

Um den Blick wieder zurück auf die Schule zu bringen, würden wir gerne eine Umfrage genauer beleuchten (In diesem Teil des Blogeintrages verwenden wir wieder den Begriff „Mädchen“, da dieser auch in der Befragung verwendet wurde.). Im April und Mai 2017 hat das Internetportal www.ready-for-red.at eine Umfrage zur Menstruation an Schulen durchgeführt. Es wurden insgesamt 1109 Schüler zwischen 11 und 18 Jahren befragt, wobei 684 Mädchen und 425 Jungen an dem Online-Fragebogen (SoSci – garantiert anonyme Datenverwertung) teilnahmen. Es wurden Schulen, sowie Leiter*Innen von Jugendzentren dazu aufgerufen, die Umfrage mit den Jugendlichen durchzuführen.

Das Ergebnis war zwar zu erwarten, dennoch ist es erschreckend: 60% der Mädchen stehen ihrer Menstruation negativ gegenüber und 70% der Jungen finden das Thema sogar peinlich und nehmen dieses nicht als relevant wahr.

Weitere eklatante Probleme offenbaren sich beim Wissenstand: Natürlich sind fast 90% aller Befragten der Meinung, genug über das Thema zu wissen, aber die Hälfte aller an der Umfrage teilnehmenden Mädchen und vier von fünf Buben können nichts mit den Begriffen „Zykluslänge“ oder „Menstruationszyklus“ anfangen. Weitere Probleme entstehen bei vielen Mädchen, da sie nicht wissen, ab wann

 ein Tampon gewechselt werden muss, was natürlich zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Ein weiterer problematischer Punkt bildet die Tatsache, dass 80% aller Mädchen ihre Monatshygieneprodukte im Klo hinunterspülen, da sich direkt neben dem Klo kein Mülleimer befindet und die Scham zu groß ist, die Menstruationsprodukte in einem weiter entfernten Mülleimer zu entsorgen. Dadurch entstehen ökologische und ökonomische Probleme, da in den Kläranlagen spezielle Zerkleinerer eingebaut werden müssen. Natürlich leidet auch die Umwelt unter den platinhaltigen Toilettenartikeln.

Informationen erlangen die Schüler*Innen hauptsächlich von Zuhause (62%), teilweise aus dem Internet (32%) und zum kleinsten Teil aus der Schule (10%).

Es gibt aber auch positive Rückmeldungen: Die Menstruation gibt den Mädchen ein Gefühl des „Normalseins“. Sie fühlen sich erwachsen und wissen, dass es ein Zeichen ihrer gynäkologischen Gesundheit ist. Auch haben Jungen ein gutes Bewusstsein dafür, wie sich Regelbeschwerden äußern können und über 50% wären dazu bereit, den Betroffenen die Belastung zu erleichtern.

Im Rahmen dieses Projekts haben wir vermehrt mit Bekannten aus unterschiedlichen Altersgruppen über das Thema Menstruation gesprochen. Wir haben Kommiliton*Innen und Familienmitglieder zu deren genereller Meinung im Laufe von Gesprächen befragt. Der erkennbare Grundtenor ist, dass Menstruation eigentlich als kleines, primär unwichtiges Thema empfunden wird, aber innerhalb kürzester Zeit komplexe Gespräche entstanden sind. Für den männlichen Teil der Bevölkerung ist die Menstruation weiterhin ein mit wenig Interesse belegtes Thema. Aber keiner unserer Gesprächspartner äußerte eine Ablehnung, dieses vermeintliche Tabuthema zu besprechen. Es wird tendenziell mit wenig Beachtung gestraft, weil man selbst nicht direkt betroffen ist. Auch die meisten menstruierenden Menschen, die wir befragt hatten, waren der Meinung, dass es zwar nicht unbedingt mehr besprochen werden sollte, aber auf alle Fälle eine bessere Arbeit in der Schule geleistet werden sollte, um junge blutende Menschen auf die Situation vorzubereiten.

Ein tatsächliches Tabu wird nicht mehr empfunden, aber es wird auch nicht gerne in der Öffentlichkeit darüber gesprochen.

 

Von Christina Schöppl und Markus Lohberger

(Annemarie Schaffer)

Krassimir Stojanov stellt in einem Kapitel des 2011 erschienenen Buches Bildungsgerechtigkeit die Frage, ob Schule (anhand von Leistung) selektieren darf und soll. Eine Frage, die vor allem im Deutschland – worauf sich Stojanov hauptsächlich bezieht – in Anbetracht des numerus clausus an den Universitäten gestellt werden muss. Zwar wird das Problem der beschränkten Studienplätze in Österreich anders gehandhabt und es wird nicht durch den Notendurchschnitt des (gymnasialen) Abschlusszeugnisses, sondern durch Aufnahmeprüfungen entschieden, wer einen der begehrten Plätze z.B. im Medizinstudium bekommt, aber dennoch findet auch in Österreich z.T. schon sehr früh eine Selektion bzw. eine Verteilung der Schüler*inne statt, die sich weder nach den Begabungen noch nach den Bedürfnissen der Betroffenen richtet:

Zum einen entscheiden – was Stojanov in seinem Kapitel überzeugend als nicht angemessen darlegt – die Noten im Zeugnis der vierten Klasse Volksschule darüber, ob ein Kind für ein Gymnasium geeignet ist oder ob es doch „nur“ in die Mittelschule (früher Hauptschule) gehen darf. Zum anderen spielt auch der Wohnort der Betroffenen leider keine kleine Rolle, bei der Wahl des Schulbesuchs nach der Volksschule:

Ich bin in einem relativ kleinen Dorf nur ein paar Kilometer entfernt von der nächsten Landeshauptstadt aufgewachsen. Wir haben eine eigene Volksschule, aber für den weiteren Bildungsweg müssen die Fühler über die Ortsgrenzen hinaus ausgestreckt werden. In zwei der Nachbargemeinden gibt je eine Mittelschule, das nächste (von vielen) österreichische Gymnasium ist auch nicht viel weiter entfernt und über der nahen bayrischen Grenze gibt es auch noch eines. Die Wahl scheint also frei zu sein. So einfach ist es aber leider nicht. Als ich in der vierten Klasse Volksschule war, machten wir mit unserer Klassenlehrerin Ausflüge in die beiden oben erwähnten (damals noch) Hauptschulen. Sich über die vielen, mit dem Bus genauso gut erreichbaren Gymnasien zu informieren, lag in der Eigenverantwortung der Schüler*innen bzw. deren Eltern. Für Kinder, deren Eltern – aus welchen Gründen auch immer – keinen gesonderten Wert auf den Besuch eines Gymnasiums legten, stand ein Großteil ihrer theoretischen Möglichkeiten nicht einmal zur Debatte.

Grundsätzlich muss ein Besuch der Haupt- bzw. Mittelschule ja noch nicht heißen, dass der Bildungsweg nach der Sekundarstufe I abgeschlossen sein muss, da ja theoretisch der Übertritt in die Oberstufe eines Gymnasiums auch von dort aus möglich ist. Allerdings hat kaum jemand meiner ehemaligen Volksschulkolleg*innen, der*die nicht von vorneherein ein Gymnasium besucht hat, diesen Weg beschritten.

Ich selbst hatte das Glück, dass meine Eltern – in Kenntnis meiner Interessen und Begabungen – mich dazu ermutigten, die Aufnahmeprüfung in ein Gymnasium mit musischem Schwerpunkt zu versuchen. Anders als bei anderen Gymnasien spielten dort die Noten im Volksschulzeugnis für die Aufnahme eine eher untergeordnete Rolle. Eine schlechtere Note als ein ‚Befriedigend‘ sollte zwar dennoch nicht aufscheinen, aber wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit in anderen vergleichbaren Schulen ein ‚Gut‘ zu viel ein Ausschlusskriterium sein konnte, ist das doch bemerkenswert. Die Aufnahmeprüfung als solche war durchaus fordernd. Sie dauerte mehrere Tage und wir wurden auf unsere Eignung – nicht auf erlerntes Wissen! –  in den vier Säulen, auf denen die Schule aufbaute (Musik, Tanz, bildende Kunst, kreatives Schreiben), getestet. Allerdings passierte das auf eine durchwegs wertschätzende, freundliche und für uns auch lustige Weise, dass sogar ich, die ich ein recht schüchternes und nervöses Kind war, mit der Zeit die durch die Prüfungssituation erzeugte Anspannung vergaß.     

Die Form der Selektion, die diese Aufnahmeprüfung darstellt, war für mich auch schon in diesem jungen Alter von großem Vorteil. Ich konnte dadurch acht Jahre meiner Schulzeit in einem Umfeld verbringen, das mich in meinen Interessen und Begabungen und damit auch in meiner Persönlichkeit und meinem Selbstbewusstsein bestärkte und weiterbildete – und das bei Weitem nicht nur in den musischen Hauptfächern, sondern auch in all den „normalen“ Fächern, die eben zu einer gymnasialen Bildung dazu gehören. Dass dieses Konzept durchaus ein erfolgreiches ist, zeigt nicht nur die vergleichsweise geringe Drop-Out-Quote (in den acht Jahren, die ich an dieser Schule war, kann ich mich nicht erinnern, dass jemals zwei Klassen aufgrund einer zu geringen Anzahl an Schüler*innen zusammengelegt werden mussten), sondern auch die große Bandbreite an Karrierewegen, die allein die Kolleg*innen aus meinem Maturajahrgang eingeschlagen haben. Klar, einige blieben ihrem musischen Schwerpunkt treu und wurden Musiker*in, Schriftsteller*in, Tänzer*in oder Schauspieler*in. Andere aber schlugen ihren ganz eigenen Weg ein und gingen in die Medizin, in die Biochemie, ins Lehramt, wurden Physiotherapeut*in oder Dolmetscher*in. Das zeigt mir, dass diese Selektion nach natürlichen Begabungen (und nicht nach Leistung) zu einer freien Entwicklung der Persönlichkeit und damit zur Fähigkeit, den für sich passenden Weg zu finden, führen kann.

Natürlich besteht auch hier weiter das oben schon angeschnittene Problem der lokalen/familiären Herkunft. Kindern muss die Chance gegeben werden, die Möglichkeiten, aus denen sie wählen können, zu kennen. Da diese Chance nicht allen von Elternseite her gegeben werden kann, läge es zunächst an den Volksschulen und am Ende der Sekundarstufe I an den Mittelschulen und auch an den Gymnasien, umfassend zu informieren. Dabei wäre es schön, wenn den Schulen bzw. Eltern und Schüler*innen Hilfsmittel vergleichbar mit denen zur Berufswahl (online-Interessentests, Berufsinformationsmessen u.ä.)  an die Hand gegeben würden, die den Blick auf die mögliche schulische Laufbahn einerseits weiten und andererseits schärfen.

Der Forderung Stojanovs, dass Selektion keinesfalls aufgrund von Schulnoten passieren und der Fokus unabhängig von irgendwelchen wirtschaftlichen Faktoren vielmehr auf die Interessen, Begabungen und Bedürfnisse der Schülerinnen gesetzt werden soll, stimme ich also aufgrund meiner eigenen Erfahrung völlig zu. Seine Ansicht, dass Selektion frühestens bei 14-jährigen vorgenommen werden sollte, kann ich allerdings nicht teilen. Auch 10-jährige haben schon Interessen und Begabungen, die in einem darauf ausgelegten Umfeld gefördert werden sollten. Die Problematik, die auch Stojanov anspricht, dass Schülerinnen in diesem Altern nicht bzw. nur sehr eingeschränkt entscheidungsfähig sind, darf allerdings auch nicht ignoriert werden. Deswegen halte ich es für wichtig, dass den Schüler*innen sowohl nach der Volksschule als auch nach der Sekundarstufe I die Chance geboten wird, eine informierte Wahl zu treffen. Denn der Weg, den man mit zehn Jahren einschlägt, muss mit 14 Jahren (oder später) nicht derselbe sein und bleiben.

Abschließend möchte ich hier noch darauf hinweisen, dass beim Zusammenhang von Selektion und Schule eine Anpassung der Perspektive nicht schaden würde: Schüler*innen sollten nicht nur als Objekte – d.h. die Selektierten – des Selektionsprozesses angesehen und behandelt werden, sondern auch (zumindest in gleichem Maße) als Subjekte – also Selektierende, die den für sich am besten geeigneten (Schul-)Weg auswählen.        

Früher war es aus eigener Erfahrung eindeutig so, dass die AHS Ausbildung, zumindest in meinem Bekanntenkreis, um einiges höher angesehen war als heute. Mittlerweile konnte ich fast schon einen „Paradigmenwechsel“ im Bezug dessen Feststellen. In den Letzten Jahren rückte der Stellenwert der AHS Ausbildung deutlich dem der BHS näher. Doch woran könnte das liegen?

 

Bei meiner zeit beim Bundesheer hatte ich die Möglichkeit mit meinen Ausbildern, welche jährlich hunderte Jugendliche aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsgruppen betreuen, dazu zu befragen, und auch diese konnten eine solche Entwicklung bestätigen. Sie meinten, dass die rate an Jugendlichen, welche die Matura absolviert haben, deutlich gestiegen ist. Jedoch hat diese der größte protzenteil in einer BHS absolviert. Früher seien zwar weniger Rekruten mit Matura eingerückt und mehr mit handwerklich erlernten Lehrberufen, die „wenigen“ die jedoch eine Matura hatten absolvierten diese meist in einer AHS.

 

Meiner Meinung nach ist die AHS an sich ein gutes Konzept und natürlich das „Grund Gerüst“ des Österreichischen höherbildenden Schulsystems. Jedoch ist der nächste logische Schritt nach Absolvierung der AHS Matura ein Studium, da man sonst eigentlich keine wirkliche berufliche Ausbildung vorweisen kann. In der BHS hingegen sehe ich den großen Vorteil, dass einem ebenso wie in der AHS der Weg zu studieren offensteht, und man zusätzlich theoretisch sofort in die Wirtschaft einsteigen könnte. Wenn man schon vor Beginn der AHS weiß, welchen weg man nach der Matura einschlagen will, und schon ein Studium in Aussicht hat, ist die AHS natürlich eine perfekte Lösung. Da man sich ersten 1 Schuljahr bis zu Matura spart und 2. meiner Ansicht nach auch besser auf das Studium vorbereitet wird. Ist man sich jedoch noch unsicher, was im Alter von ungefähr 14-15 Jahren doch sehr wahrscheinlich ist, ist es bestimmt keine schlechte Idee auf die Oberstufe in der BHS zu setzen. Ich zumindest bereue es nicht neben den nun begonnen Studium noch drei ausgelernte Berufe als „Plan B“ ausüben zu können.

Wirtschaft beeinflusst alle Sphären des Lebens. Die Gesellschaft richtet sich aus nach ihr und ändert sich entsprechend der vorherrschenden Wirtschaftsform. Seit der industriellen Revolution, der tiefgehenden Globalisierung der Welt und dem Wirken von Ökonomen wie Adam Smith hat der Liberalismus die wirtschaftliche Vormachtstellung eingenommen – zumindest in der westlichen Welt. Arbeit rückt in den Mittelpunkt und gilt als Maßstab des Werts von Gütern. Freier Handel und das Nichteingreifen des Staates sollen zu Wohlstand für alle führen.

Zwar haben sich die Prinzipien im 20. Jahrhundert gewandelt – unter anderem durch die Ideen der Chicagoer Schule – und einer neuen (eher negativen) Konnotation vom Begriff des Liberalismus, jedoch bleibt die Grundidee bestehen. Neoliberalistische Ideen beeinflussen die Politik, und damit auch die Bildungspolitik. Was bedeutet dies nun konkret?

Wirtschaftliche Interessen haben eine starke Wirkungsmacht, auch im Bildungssystem. Effizienz, Kompetenz, Standardisierung. Das Wettbewerbsdenken und die Orientierung am Arbeitsmarkt ist auch im Bildungssystem angekommen, seien es die Bildungsstandards, die standardisierte Reifeprüfung oder das Bologna-System an den Universitäten. Auch die neue UG-Novelle geht in die gleiche Richtung. Studierende sollen scheinbar so schnell wie möglich ihren Titel bekommen, um erfolgreich und nahtlos in die Arbeitswelt einzutauchen. Die wirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung seien dahingestellt. Die folgenden Gedankengänge beziehen sich eher auf die Folgen auf Ebene der Student*innen. Dieser Druck, deutlich erkennbar durch die geringe Anzahl an Toleranzsemestern oder die Anhebung der Mindest-ECTS müssen Auswirkungen haben. Man hat das Gefühl, sein Studium so schnell wie möglich abzuschließen müssen, koste es was es wolle. Von allen Seiten bekommt man suggeriert, schnell studieren zu müssen, um dann noch schneller eine Anstellung zu finden. Selbstzweifel oder fehlende Produktivität werden nicht gern gesehen. In einer beschleunigten Gesellschaft – auch dies hat sich durch die Pandemie nicht verändert – bleibt scheinbar keine Zeit für ein gemütliches Studium inklusive Selbstfindungsphase. Ist dies eine wünschenswerte Entwicklung?

1/3 Ein erster Einblick in die Thematik Menstruation mit der Stellungnahme einer Frau und eines Mannes und ein Rückblick ihrer Erlebnisse in der Schule.

Menstruation. In letzter Zeit ein ausführlich besprochenes Thema, vor allem nach dem medial ausgeschlachteten „Pinky-Glove-Vorfall“. Jede Frau verbringt einen nicht unerheblichen Teil ihres Lebens menstruierend. Dabei handelt es sich um einen der alltäglichsten Zustände, die es überhaupt gibt. Von der Schule bis hin zum Ende der Berufslaufbahn findet er regelmäßig statt. Aber wird wirklich so viel darüber gesprochen? Ist er wirklich so alltäglich? Ist er tatsächlich ein normaler Bestandteil des Lebens im Blick der Allgemeinbevölkerung?

Als Mann, der fünf Jahre lang freiwillig beim Roten Kreuz aktiv gewesen ist und mehrere Jahre in der Lungenfacharztpraxis seines Vaters gearbeitet hat und somit ein für einen Laien verhältnismäßig fundiertes medizinisches Wissen besitzt, kann ich sagen, dass ich wenig über die Menstruation und den Zyklus weiß. Ja, ich weiß seit der Schule von der Monatsblutung und allen damit verbundenen Begleiterscheinungen. In der sechsten Klasse im Gymnasium habe ich im Biologieunterricht gelernt, wie die Regel abläuft. Ich habe einen Test darüber geschrieben und danach so ziemlich alles wieder vergessen. Wieso sollte ich es mir auch merken? Es betrifft mich nicht direkt. Ich bin mit vier Brüdern aufgewachsen. Meine Mutter hat nie auch nur ein Wort darüber verloren. Im – zugegeben überwiegend männlich besetzten – Freundeskreis war Menstruation ebenso kein Thema. Sollte sie das sein?

Für mich hat es eigentlich keinen Grund gegeben, auf diese Frage mit „Ja“ zu antworten. Erst der Unikurs „Gender, Diversität und Inklusion (Vielfalt) in der Schule“ in Kombination mit dem Aufschrei der weiblichen Bevölkerung haben mich dazu veranlasst, über besagte Thematik eingehender nachzudenken.

Man möchte meinen, dass in der heutigen Zeit mit ihrer aufgeklärten und tendenziell offenen Bevölkerung, in der schon viele Tabus der vergangenen Jahrhunderte – berechtigterweise – zum gesellschaftlichen Usus geworden sind, auch dieses Thema ohne vorgehaltene Hand besprochen werden sollte. Bei einer ersten Recherche ist mir aber bewusst geworden, dass dem nicht immer so ist. Bis Ende 2020 hatten Menstruationsprodukte den gleichen Steuersatz wie Kosmetika oder andere Luxusgüter. Eine Schülerin am BG Feldkirch hat 2019 als Schulsprecherin durchsetzen können, dass in ihrer Schule gratis zur Verfügung gestellt werden. In Neuseeland und in Schottland werden seit kurzem Menstruationsprodukte in Toiletten öffentlicher Einrichtungen (besonders an Schulen und an Universitäten) zur freien Entnahme bereitgestellt, mit dem Argument, sie seien für menstruierende Menschen einmal monatlich ebenso von Nöten wie Toilettenpapier, das bekanntlich überall zur Verfügung gestellt wird. Periodenarmut, die Bezeichnung für den Umstand, sich Binden, Tampons und Co. nicht leisten zu können, sondern sich mit alten Socken, zerschnittenem Stoff oder Klopapier als Einlage behelfen zu müssen, ist laut Erhebungen keine seltene Problematik bei Einkommensschwachen, wenn auch aus Scham oft totgeschwiegen. Wieso ist eine essentielle Notwendigkeit – medizinisch valide Informationen über den physischen Vorgang schon vor dem Einsetzen der Pubertät und die nötigen Produkte – in Österreich nicht für alle gleichermaßen verfügbar?

Als Frau und Mutter stellen sich mir unwillkürlich folgende Fragen: Was ist mit Mädchen, die ohne Mutter aufwachsen? Wer führt jene in die „Geheimnisse des Frauseins“ ein und erklärt in einem vertraulichen Gespräch den Umgang mit der Monatsblutung? Was ist mit denen, die einen schlechten Draht zu ihren Eltern haben oder mit Familien, die generell nicht über dergleichen zu sprechen pflegen? Die aus kulturellen Gründen das Mäntelchen des Schweigens darüber breiten möchten oder deren Mütter vielleicht Illiteraten sind, weil ihnen der Schulbesuch aus Kosten- oder anderweitigen Gründen verwehrt geblieben ist, und daher auch über physische Vorgänge nicht ausreichend Kenntnis haben? Sollte der Monatsblutung, die ja bewiesenermaßen mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung betrifft, keine größere Gewichtung in der Umsetzung des Lehrplans zukommen und das damit einhergehende gesellschaftliche Tabu nicht möglichst rasch beseitigt werden?

Ich glaube, dass in österreichischen Bildungsstätten höchst unterschiedlich mit der Thematik umgegangen wird, mal offener und mal gehemmter (mal womöglich kaum bis gar nicht?) die Heranwachsenden mit Informationen versorgt werden. An dem von mir besuchten katholischen Mädchenprivatgymnasium, ist es Gang und Gebe, dass bereits im ersten Semester der ersten Klasse ausführlicher Aufklärungsunterricht stattfindet. Insbesondere der weibliche Körper wird eingehend behandelt, während dann in der vierten Klasse die sexuelle Komponente als solche ins Blickfeld gerückt wird. Dazu werden im Rahmen von Projekten namens „Love Talks“ externe Expertinnen hinzugezogen, die Fragen beantworten, welche man als pubertierendes Mädchen seiner Lehrkraft vielleicht lieber nicht stellen möchte. In meiner Klasse hat es damals zwei Vormittage rein mit einer externen Sexualpädagogin gegeben und zwei Nachmittage gemeinsam mit einer Klasse eines ortsansässigen Burscheninternats. Diese Erfahrung habe ich als äußerst bereichernd in Erinnerung und will ich keinesfalls missen. Auch die Tatsache, dass nicht jede Schule Binden und Tampons bereitstellt, ist mir neu, weil es an meiner Schule Usus ist und eine der ersten Informationen in der ersten Klasse darstellt, die man vom Klassenvorstand/von der Klassenvorständin erhält, wo man sich diese im Bedarfsfall holen kann. Anscheinend sind katholische Privatschulen entgegen aller Unkenrufe doch fortschrittlicher als ihr Ruf.

 

von Christina Schöppl und Markus Lohberger

Dass zwischen Ausbildung und Bildung literarisch gesehen ein ziemlich kleiner Unterschied liegt wird deutlich, wenn man einmal darüber nachdenkt, wie lose wir im alltäglichen Sprachgebrauch oftmals damit umgehen. Sehr oft wurde mir bereits die Frage gestellt: „Welche Ausbildung hast du gemacht?“ und „welche Bildung hast du“, habe ich auch schon des Öfteren gehört. Beides im Kontext der Schule. Denn jeder wollte immer nur wissen welche Schule ich besucht habe. Was bietet die Schule nun an? Bildung oder Ausbildung?

Der grobe Unterschied liegt eigentlich in der Art wie man sich Wissen aneignet. Wenn man von Ausbildung spricht, wird das Wissen von einer anderen Person übermittelt. Meist in einem spezifischen Gebiet. Zum Beispiel für den Berufsalltag. Als Bildung hingegen wird oftmals das selbst erlernte Wissen bezeichnet. Jenes, welches man z.B. aus dem Lesen von Büchern oder ansehen von Dokumentationen erlangt. Die Schule wird auch oft aus als Ausbildung zur Bildung betrachtet. Sie übermittelt Grundinformationen auf die später selbständig aufgebaut werden kann. Man soll lernen, wie man lernt. Natürlich gibt es auch Einzelfälle wie z.B. eine BHS wo auch Praxisgegenstände unterrichtet werden. Diese fallen in ein Spektrum, wo beides übermittelt wird.

In den Letzten Jahren konnte ich persönlich immer mehr wahrnehmen das Ausbildung wieder mehr geschätzt wird. Handwerklich Berufe rücken wieder immer mehr in den Vordergrund. Vor allem die Lehre mit Matura welche in einer gewissen Art und Weise die Ausbildung im klassischen Sinne und Ausbildung zur Bildung kombiniert. Es ist schwer zu sagen welchen Weg man gehen möchte, denn im Endeffekt bildet man sich am besten weiter, wenn einem das Thema dem man sich widmet interessiert und Spaß macht.