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Das österreichische Schulsystem ist uns wohl allen bekannt. Mit durchschnittlich sechs Jahren kommt man nach mindestens einem Pflichtjahr im Kindergarten in die Volksschule. Dort bleibt man vier Jahre und danach wird das erste Mal aufgeteilt – „bessere“ („leistungsstärkere“) Schüler*innen kommen ins Gymnasium, „schlechtere“ in die Mittelschule. Nach weiteren vier Jahren folgt die nächste Unterteilung – das Kind muss hier eigentlich schon eine Idee für sein weiteres Leben besitzen. Je nach Berufswunsch wird in verschiedene Schulformen oder Bildungswege aufgeteilt.

Wie dieses Bildungssystem bei uns entstanden ist, haben wir ja schon im Rahmen des Seminars gehört, seit der Einführung der Schulpflicht unter Maria Theresia und später Johann Ignaz von Felbiger gab es eine Dreiteilung der Schule in Normal-, Haupt- und Trivialschulen. Diese Segmentierung wurde weiter vorangetrieben und 1918 wurde eine mehr oder weniger bis heute gültige Schulreform unter Otto Glöckel umgesetzt. 1962 gab es eine erste Schulnovelle, in der die Schulpflicht auf neun Jahre verlängert wurde und 1974 wurde mit der zweiten Schulnovelle das noch heute gültige Schulunterrichtsgesetz (SchUG) veröffentlicht. Trotz einer relativ frühen Einführung einer Unterrichtspflicht und einer angeblich sehr guten (Schul-)Bildung, sind aber etwaige Ergebnisse der österreichischen Schüler*innen bei PISA Studien, die zu internationalen Vergleichszwecken herangezogen werden, nicht so positiv, wie es sich von Politik, Bildungsdirektion, etc. erwünscht wird. Stattdessen befindet sich Österreich im globalen Vergleich eher im Mittelfeld. Es stellt sich also die Frage: Läuft hier etwas falsch?

Finnland hingegen schneidet bei PISA Studien immer sehr gut ab. Was also machen die Finnen in ihrem Bildungssystem anders? In Finnland enthält die Grundschulbildung neun Jahre, anstatt der in Österreich üblichen vier. Die Schüler*innen sind also länger in einer einzigen Schule, an der auch Muttersprachenunterricht für schwedische und dänische Minderheiten angeboten wird. Dieses Modell einer Gesamtschule wurde in Finnland mit einer Schulreform 1972-1977 eingeführt, zuvor war das Schulsystem zweigliedrig, also ähnlich segregiert wie in Österreich. Finnische Schüler*innen werden heutzutage also erst im Alter von 16 Jahren voneinander getrennt und können dann in verschiedene Schulen weitergehen. Der Fokus dieser Schulen liegt auf einem praxisbezogenen Unterricht und es gibt spezielle Schulungen für Lehrpersonen, um mit der Herausforderung umgehen zu können, dass unterschiedlich leistungsstarke Schüler*innen an derselben Schule sind.

Hier ein grafischer Vergleich des österreichischen (links) und finnischen (rechts) Bildungssystems:

        

Dieses gemeinschaftliche, praxisorientierte System in Finnland scheint besser zu funktionieren als das differenzierte, segregierte System österreichischer Schulen. Das kann man nicht zuletzt an den Ergebnissen der PISA-Studien erkennen, aber auch an der Häufigkeit von Kompetenzarmut der Schüler*innen. Bruneforth et al. (2012) stellen das eindrucksvoll (und erschreckend) in einer Grafik dar: Finnische Schüler*innen weisen wesentlich geringere Kompetenzarmut (insgesamt 12 %) auf als österreichische (insgesamt 38 %). Im Folgenden nochmals die Grafik, die in der Lehrveranstaltung bereits gezeigt wurde:

Spannend ist hier jedoch anzusehen, wie in der österreichischen Bildungspolitik mit diesem Thema des Bildungssystems umgegangen wird. Es wird immer wieder davon gesprochen, man müsse international vergleichbar sein, man müsse Chancen- und Bildungsgerechtigkeit und -gleichheit für jeden schaffen. Dennoch sind alle genannten (Reform-)Ideen, die dahingehend argumentiert werden, bei genauerem Hinschauen eigentlich ein Schritt in die genau entgegengesetzte Richtung und die Bevölkerung wird als zu engstirnig betrachtet, um diese (offensichtliche) Tatsache zu erkennen. Die Mittelschulen beispielsweise, so wie sie heute in Österreich existieren, ohne Leistungsklassen, aber mit Lehrerteams, die leistungsstärkere und -schwächere Schüler*innen teilen und getrennt unterrichten, bestärken doch erneut eine weitere Segregation der Kinder. Es wird jahrelang über eine Gesamtschule gesprochen, es ist wissenschaftlich bewiesen, dass diese Form der Schule einen Nutzen hat, auch am finnischen Schulsystem ist das nur allzu deutlich erkennbar, dennoch wird sie in Österreich nicht eingeführt. Stattdessen beharrt man weiterhin auf einem hierarchischen, autoritären und segmentierten System, welches durch Differenzierung geprägt ist und aus historischen Zeiten stammt. Und dann wird fleißig philosophiert, warum denn die Schüler*innen in Österreich weiterhin Lücken in ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten aufweisen (Stichwort Kompetenzarmut), und warum sie im internationalen Vergleich trotz „Maßnahmen“ nicht besser abschneiden. Was soll man da noch dazu sagen..

 

(verfasst von Elena Schüssling)

 

Bildquellen:

Bruneforth, M., et al. (2012). Chancengleichheit und garantiertes Bildungsminimum in Österreich. In: B. Herzog-Punzenberger (Hrsg.). Nationaler Bildungsbericht 2012. Band 2. Fokussierte Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen. S. 187-226. Leykam: Graz.

Graf, T. (2004). Schultypen in Österreich (Schulsystem). Zugriff unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Schulsystem_oesterreich.svg (07.12.2021).

Pekkarinen, T., Uusitalo, R., Pekkala, S. (2006). Education policy and intergenerational income mobility: Evidence from the Finnish comprehensive school reform. In: Journal of Public Economics. Vol. 93, S. 965-973. Abgeändert nach: Athene-Aachen. Zugriff unter: https://www.athene-aachen.de/Wissen/Schulsystem-Finnland/ (07.12.2021).

 

Schule und Bildung befindet sich in Österreich seit Einführung der Schulpflicht durch Maria Theresia im Jahr 1774 im konstanten Wandel und Reformzwang. Als Spielball politischer Ideologien und Machtkämpfe werden Systeme, oft auch unabhängig ihrer wissenschaftlich-pädagogischen Relevanz, aufrechterhalten oder neu ausprobiert; das Ideal der bestmöglichen Bildung für Kinder und Jugendliche kommt da leider oft zu kurz. Dabei sind Reformationen des Schulsystems im Gedanken nichts Schlechtes.

 

Historisch betrachtet war auch Maria Theresia vom Gedanken der Aufklärung, vernunftorientiertes, rationales Denken, inspiriert. Sie erkannte, dass die Träger eines Staates die Bevölkerung ist und Machtstellung auch nur mithilfe einer gebildeten Bevölkerung ausginge. Um auch Preußen nachzukommen, welche eine allgemeine Schulpflicht seit 1763 hatten, unterzeichnete die Kaiserin die Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt und Trivialschulen in sämtlichen Kayserlichen Königlichen Erbländern. Ihr Thronfolger Josef II. baute vor allem Schulen und reformierte das System weiter. Nach einer Zusammenkunft mit der russischen Zarin Katharina II. ließ diese das österreichische Schulmodell im gesamten russischen Reich einführen.

 

Ebenfalls wichtige Eckdaten in der österreichischen Schulhistorie sind das Jahr 1868 und 1869. In ersterem wurde die erste Mittelschule für Mädchen eröffnet, ein Jahr später folgte eine Öffnung der Bürgerschulen ebendiese. Ebenfalls wurde 1869 das Reichsvolksschulgesetz eingeführt, welches das bisherige Schulsystem stark reformierte. Beispielsweise wurde die Schulpflicht von sechs auf acht Jahre ausgeweitet und die Klassengröße auf maximal 80 Schülerinnen und Schüler reduziert. Aus heutiger Sicht unvorstellbar, solch große Klassen. Diese Reduzierung war eine Konsequenz aus einer militärischen Niederlage des österreichischen Heers, welches eine zu hohe Analphabetenquote aufwies. Auch wurde der Kirche jegliche Bildungspflicht entzogen, was für die Betreuung der Schülerinnen und Schüler alleinig den Staat verantwortlich machte. 1892 wurde das erste Mädchengymnasium gegründet, 1901 durften diese philosophische und medizinische Universitäten besuchen.

 

In der Ersten Republik sorgte vor allem sozialdemokratischer Unterrichtsminister Otto Glöckl für Reformen. Er sorgte dafür, dass schulorganisatorische Entscheidungsgewalt nicht mehr bei Bürokraten, sondern bei pädagogischen Fachleuten liegt und führte eine dafür verantwortliche Schulreformkommission ein. 1919 wurden gemischtgeschlechtliche Schulen zugelassen. Glöckl selbst war sein Leben lang ein Verfechter der Gesamtschule. Weitere progressive Schulreformationsideen wurden aber durch den aufkommenden austrofaschistischen Ständestaat und den nachfolgenden Nationalsozialismus nicht umsetzbar. Im Nationalsozialismus war Geschlechtertrennung wieder Pflicht, Mädchenbildung wurde begrenzt, da die Mutterschaft das höchste anzustrebende Ziel war.

 

In der Zweiten Republik wurde die Schulpflicht auf neun Jahre ausgeweitet. Zur LehrerInnenbildung wurden pädagogische Akademien gegründet. Geschlechtertrennungen in Werk- und Turnunterricht wurden gesetzlich abgeschafft. Auch integrative Schulangebote, für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung, werden seit 1989 ausgebaut und (je nach Regierung mal mehr, mal weniger) gefördert. Ebenfalls wurde das Angebot an weiterführenden Schulen mit ihren verschiedenen Ausprägungen stark ausgebaut, was zu einer Verdoppelung an Lehrpersonen in Österreich zwischen 1970 und 2000 führte.

Beschäftigt man sich etwas mit der Schulgeschichte Österreichs so fällt auf, dass in den letzten 100 Jahren nur in ganz kleinen Schritten Veränderung passierte, doch grundlegende Erneuerungen ausblieben. Was hielt und hält also die Weiterentwicklung des Schulsystems in Österreich so auf?

Bereits Johann Friedrich Herbart (1776-1841) kritisierte den Staat als Schulträger in seinen „Pädagogischen Briefen“ (1832) da dieser nur die Interessen verfolgt die Menschen in brauchbare Staatsbürger zu formen. Ebenso kritisierte er die Elitenbildung die durch Selektion erfolgt.  

Die Forderung einer „demokratisierten Schule“ die Bildungsprivilegien abschaffen sollte gab es seither immer wieder. Eine Einheitsschule, die die Gleichstellung, die Freiheit und die gleichen Rechte der Menschen betonen soll. Schule als „Abbild der natürlichen Gesellschaft“. Eine Selektion der Gesellschaft die immer noch durchgeführt wird. Eine Forderung die es bis jetzt immer noch gibt.

Interessant dabei zu sehen ist, dass Wissenschaft und Politik in zwei sehr unterschiedliche Richtungen dachten, immer noch denken, und auch voranschritten und -schreiten. Die Politik änderte im letzten Jahrhundert nur Kleinigkeiten, eher unwesentliches, aber nicht Grundlegendes.

Wissenschaftliche Erkenntnisse die immer wieder veröffentlicht und dargelegt wurden, blieben nur Feststellungen, die jedoch von der Politik nicht aufgegriffen und umgesetzt wurden. Denkweisen, die die Politik in der Zeit des Nationalsozialismus mit der Begründung von „ideologischen Differenzen“, sogar verbot. Dies betraf unter anderem die Forderung, dass empirisch-wissenschaftlich erschließbare Bedürfnisse sich dem Kind anpassen müssten. Die Schüler sollten durch intrinsische Motivation tätig werden, kritisch denken und sich frei ausdrücken lernen. Es wurde von Pädagogen und Psychologen als ein wesentlicher Schritt für die Charakter- und Persönlichkeitsbildung angesehen. Diese Selbsttätigkeit fand später auch eine zentrale Stellung in den österreichischen Lehrplänen.

Die „Einheitsschulbewegung“ (L. Lang, Die Einheitsschule, 1916) die die Gleichstellung und die Freiheit der Menschen betonen soll, die auch mit gleichen Rechten geboren wurden, blieb aus. L. Lang kritisierte in seinem Buch zudem, dass eine gemeinsame Volksschule vom 6.-11. Lebensjahr zu kurz ist um die besonderen Veranlagungen und „Eigenarten“ der Schüler erkennen zu können und fordert einen Ausbau der Volksschule bis zum Ende der Schulpflicht. Waldorf-Schulen und Montessori-Schulen, die wohl bekanntesten Schulmodelle in unserer Gegend, entwickelten sich in dieser Zeit. Alternative Schulformen die nach wie vor bestehen, aber auch umstritten sind.

Klar zu sehen ist also, dass von der Politik her scheinbar eine andere Intention ausgeht. Ein am „gemeinsamen Strang ziehen“ von der Politik mit Wissenschaftlern, Pädagogen und Psychologen wäre sehr wünschenswert. Schulversuche sollten vorangetrieben, über eine grundlegende Veränderung des Schulsystems sollte angedacht werden. Lernmethoden die motivieren, Überdenken der Notengebung, Inklusion statt Ausgrenzung, gleiche Rechte und Chancen auf Bildung und vieles mehr stehen berechtigt im Kritikpunkt.

Ja, es ist schon provokant zu behaupten, dass jemand, der nicht ins Gymnasium geht, dumm ist, noch dazu ironisch, wenn man bedenkt, dass ich selbst nicht im Gymnasium war. Dennoch vermittelt der Text mit viel Nachdruck das Bild, dass man seine Kinder doch bitte besser ins Gymnasium schickt, denn in der Mittelschule kann aus ihnen ja kaum was werden. Aber wie weit stimmt diese „These“ denn nun wirklich und muss ich mein Kind zu seinem Glück (aufs Gymnasium) zwingen?

 

Ganz kritisch betrachtet nennt der Text mehrere Punkte, die „schuld“ daran sind, weshalb das Gymnasium von vermeintlich schlaueren Kindern, als die Mittelschule besucht wird. Oder sind die Kinder nicht wirklich schlauer, sondern haben einfach nur bessere Chancen weiterzukommen?

 

Eltern und Sprache

Anscheinend hängt die schulische Zukunft des einzelnen stark davon ab, welchen Bildungsabschluss die Eltern besitzen. Somit sind Talent, Intelligenz oder Fleiß quasi irrelevant, denn wenn deine Eltern beide „nur“ einen Beruf gelernt haben, brauchst du gar nicht daran denken, zu studieren geschweige denn die Matura zu machen. So gehen Kinder, deren Eltern zumindest maturiert haben eher in ein Gymnasium wohingegen Kinder, deren Eltern nur eine Lehre als höchsten Abschluss haben, eher in die Mittelschule gehen.

Die Alltagssprache gilt auch als Faktor, denn wenn diese nicht Deutsch ist, kann sich das wiederrum statistisch gesehen als Nachteil auswirken. Demnach haben Kinder, deren Eltern weniger bildungsaffin sind und/oder einen Migrationshintergrund haben, geringere Chancen auf einen Bildungsaufstieg.

               In diesen Bereich fällt auch die Thematik „Rassismus“. Das Problem mit Rassismus hat in den letzten Jahren stark durch politische Kriege und darauffolgende Flüchtlingswelle stark zugenommen. Leider müssen sich nicht nur Kinder in der Schule damit auseinandersetzen, sondern auch die Eltern werden immer wieder damit konfrontiert. Haben die Eltern einen Migrationshintergrund, kann es vor allem durch die Sprachbarriere beim Elternabend gleich mal zu unerwünschten und ungewollten Spannungen beider Seiten kommen.

 

Restschule

Obwohl den Mittelschulen meist mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, als den Gymnasien und sie trotzdem schwächere Leistungen erzielen, lässt sich auch auf weitere Faktoren zurückführen. Wie in dieser Unterüberschrift festgehalten, wird die Mittelschule öfters als „Restschule“ bezeichnet, da sie den übergebliebenen Rest der Kinder aufnimmt. Dies wird den Kindern dann auch gerne noch bewusst gemacht bzw. sind sich selbst dessen „bewusst“, dass ihre Schule und Ausbildung weniger wert sind. So gehen sie davon aus, dass aus ihnen nichts werde, dass sie für etwaige Aufgaben zu dumm seien oder sowieso zum AMS gingen.

Das allgemeine Hauptproblem der Mittelschule ist, aber nicht nur, dass sie im Vergleich zum Gymnasium wesentlich heterogener ausfällt, sondern, dass die Schülerschaft der Mittelschule heterogener ist, als das Lehrpersonal. Schüler mit vorgefertigten, festgefahrenen Meinungen, Schüler mit offener Weltanschauung, Schüler mit Migrationshintergrund, geistigen Behinderungen, sozialen Schwächen. Sie alle sollen gefördert und gefordert werden, doch da reicht das Personal vorne und hinten nicht aus und somit bleiben einige auf der Strecke.  Dabei bestätigen Experten immer wieder, dass diese Heterogenität keineswegs eine schlechte Sache ist oder zum Nachteil für Schüler werden kann, sondern alle davon nur profitieren können. Vielfalt sollte als Vorteil betrachtet werden!

 

Finanzielle Probleme

Nichte gerade fördernd für Gerechtigkeit im Klassenzimmer ist ebenso die finanzielle Lage mancher Eltern. Als ob der modernisierende Alltag allein nicht schon teuer genug sein kann, möchte die Schule den Kindern dann auch noch die Möglichkeit für Sportwochen o.ä. bieten. Aber das ist dann für eine alleinerziehende Mutter nicht mehr möglich – sie kann es sich nicht leisten und wäre auf finanzielle Unterstützung anderer Eltern oder der Schule angewiesen. Manchmal reicht aber nicht mal die aus. In anderen Fällen ist es den Eltern auch zu peinlich zuzugeben, dass sie kaum Geld haben.

Doch laut Experten, sind genau diese außerschulischen Aktivitäten, jene, die Schüler zusammenschweißen und ihnen einen vernünftiges Gemeinsam bewusst machen.

 

 

 

Resümee

Wir haben keine Gerechtigkeit in unserem Bildungssystem und das wird sich ohne wirkliche Anstrengungen der Politik auch kaum ändern. Dabei wäre es ein so wichtiger Schritt, denn, wenn das Bildungssystem gerecht wäre, könnte es Vorreiter für vieles sein.

Bildungsgleichheit: Ein für immer unerfüllt bleibender Traum?

Wie der Titel schon anprangert, sollte in diesem Artikel die Chance auf Bildungsgleichheit in österreichischen Schulen thematisiert werden.  Dabei sollten auch die Hintergründe für die derzeit herrschende Ungleichheit näher beleuchtet und mögliche Lösungsansätze aufgestellt werden.

Falls Sie, liebe Leser und Leserinnen, der Meinung sind, es herrsche doch überhaupt keine Bildungsungleichheit, dann muss ich sie leider enttäuschen. Denn an Österreichs Schulen entwickelt sich zunehmend eine Kluft zwischen leistungsstarken und -schwachen Schülern und Schülerinnen.

Nun werden Sie sich sicherlich fragen, wieso dem so ist. Die Antwort lässt sich nun jedoch nicht nur mit einem einzigen Blogeintrag erklären, da viele untereinander verknüpfte Aspekte als Ursache für diese Debatte ausfindig gemacht werden können. Dennoch wird Ihnen hier ein Einblick in die Thematik gewährt.

Gründe für Bildungsungleichheit

  • Sozioökonomischer Hintergrund
  • Kultureller Hintergrund
  • Wirtschaftliche und politische Interessen
  • Schultyp und -Struktur

Auf die oben angeführten Punkte werde ich in diesem Abschnitt genauer eingehen. Rothmüller und Schnell nennen in ihrem Artikel sozioökonomisches und kulturelles Kapital als Termini, die mir persönlich sehr am Herzen liegen. Was bedeuten diese Begriffe? Unter diesen Kapitalen versteht man die ersten zwei der oben genannten Punkte, die einerseits den bildungstechnischen Hintergrund und andererseits die kulturelle Herkunft beinhalten.

Es mag sich ein wenig realitätsfremd anhören, aber ihren sozioökonomischen Hintergrund können Kinder nicht beeinflussen, da dieser ihnen quasi als Privileg in die Wiege gelegt wurde bzw. wird. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Je gebildeter -gemessen an den Abschlüssen- die Eltern, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Kinder einen hohen (Aus)Bildungsabschluss erreichen. Das liegt einerseits daran, dass sozioökonomisch privilegiertere Eltern das österreichische Schulsystem und deren Struktur besser kennen und andererseits können sie ihre Kinder finanziell, sowie bildungstechnisch besser unterstützen. Dieser sozioökonomische Status ist zudem auch mit dem kulturellen Kapital verknüpft, da das Schulsystem ihre eigene Kultur mehr oder minder prägt und somit „andersartige“ Kulturen -ob bewusst oder unbewusst sei nun dahingestellt- exkludiert und nicht bzw. nur vereinzelt akzeptiert.

Auch die wirtschaftlichen/ politischen Interessen und der Schultyp sind Punkte, die miteinander stark verbunden sind. Denn Politiker haben formuliert, dass der Output von Schulen verbessert werden müsse. Nüchtern betrachtet zielt die Politik demnach auf Schüler und Schülerinnen als hochleistungsorientierte Endprodukte, entwickelt in Großindustrien, ab. Als ein Phänomen, das mit diesem Aspekt einhergeht, kann man die vergleichsweise höhere Zahl an Schulanmeldungen von Kindern an Schulen mit geringerem Anteil an Schüler und Schülerinnen mit niedrigem Migrationshintergrund.

Nun noch näher zum Schulsystem, bei dem ich vor allem auf die doch schnelle Segregation (also Trennung von Schulkindern), die durch das Schulsystem bzw. durch die Schulstruktur auftritt, eingehe. Mit dieser Trennung ist der Übergang von der Primarstufe in die Sekundarstufe I. Hierbei stehen die Kinder vor der Wahl: Gehen sie in eine Mittelschule oder in eine AHS?

Vor dieser Frage sind Sie vielleicht als Elternteil auch schon gestanden oder kennen im persönlichen Umfeld ähnliche Situationen.

Erstens sollte gesagt sein, dass nicht oder nur in den seltensten Fällen tatsächlich die Schulkinder eine Entscheidung treffen dürfen. Zweitens darf ich anmerken, dass durch diese Segregation der Grat der Bildungsungleichheit steigt und soziale Probleme vermehrt auftreten können, da dadurch durchaus Freundschaften zerstört werden.

Mögliche Lösungsansätze

Meiner Meinung nach muss das Schulsystem „renoviert“ werden. Dabei sollte man verstärkt auf Integration setzen und dies gegebenenfalls auch den Lehrpersonen vermitteln. Denn kulturelle „Andersartigkeit“ sollte nicht benachteiligt, sondern zum Vorteil umgemünzt werden. Von kultureller Diversität können alle Schulkinder einer Klasse profitieren, wenn jede/r SchülerIn akzeptiert sind und sich innerhalb einer Gemeinschaft bewegt. Leistungsschwächere bzw. Kinder mit sozialökonomisch schwächeren Status sollten hierbei besonders gefördert werden. Hier stellt sich mir allerdings die Frage, auf welche Weise diese Förderung stattfinden soll. Der wohl bekannteste Weg ist ein Modell eines Förderkurses, bei dem leistungsschwächere Kinder de facto vom übrigen Klassenverbund exkludiert sind. Durch diese Exklusion findet ja in einer schwachen Form eine Segregation statt, was Auswirkungen auf das Klima in der Klasse haben kann. Ein neueres Modell wäre ein altersstufenübergreifender Unterricht, der schon häufig in Schweden angewandt wird. Diese Unterrichtsform interpretiere ich persönlich als projektorientierter. Die Schüler und Schülerinnen erfahren also mehr Partizipation am Unterricht und stehen in einem Austausch zu älteren, vielleicht mehr wissenden Schulkindern. Daraus entwickeln sich im besten Fall „Peer-Buddys“ oder Lerngemeinschaften/ -freundschaften.

Weiters sehe ich die AHS Unterstufe eher skeptisch und halte diese für überflüssig. Was es gegen eine „Leistungskluft“ braucht, sind keine unterschiedlichen Schultypen der Sekundarstufe I, die um einen gewissen Status kämpfen. Vielmehr bedarf es an einem einzigen Mittelschultyp, dessen Niveau eventuell angehoben wird und (wie vorhin geschildert) auf Integration/ Inklusion baut.

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p style=“text-align: right“>Marcel Humer

Es waren einmal zwei Säuglinge, auf den ersten Blick unterschied sie bis auf das Geschlecht rein gar nichts. „Gesunde Kinder“ bekundeten die Kinderärzte den jeweiligen Eltern, die sich – erleichtert ob der ebenso glücklichen wie erwarteten Nachricht (Warum sollte gerade unser Kind NICHT gesund sein?) – nun beruhigt in das Abenteuer Elternschaft stürzen konnten. Zum Glück nicht das erste Mal, man wusste ja jetzt, worauf zu achten sei, dass schon alles seinen gewohnten Gang nehmen werde, man müsse nur stillen und wickeln und lieben. Natürlich würde das eigene Kind schon groß und stark werden und den Widrigkeiten dieser Welt trotzen, schließlich werde man es nach Kräften dabei unterstützen.

Dann krachte die Realität wie ein Meteorit in die Idylle: Der Mutter des Mädchens, einer Ärztin, fiel nach zwei Monaten auf, dass das Kleine nur mit einer Seite Massenbewegungen ausführte und mit rechts nicht nach dem ausgestreckten Finger griff. Der mütterlichen Besorgnis Folge tragend wurde das Mädchen dem Kinderarzt vorgestellt, der die Mutter entnervt „als „typisch hysterische Ärztemutter“ abtat, „die die Flöhe husten höre“, was diese nicht davon abhielt, darauf zu beharren, dass etwas nicht stimme. In Eigenregie suchte die Mutter die Neuropädiatrie auf, war ja die Frau Kollegin, da geht das. Rasch stand die Diagnose fest – schlimmer als erwartet –: Spastische Halbseitenlähmung, selbständiges Gehen mehr als ungewiss. Für die Eltern des kleinen Mädchens brach eine Welt zusammen (Warum gerade das eigene Kind?), aber diese rafften sich schnell auf. Jahre voll Therapien – dreimal die Woche plus jeden Tag die Übungen, dabei das Geschwisterkind nicht vergessen – vergingen.

Die Eltern des Buben hingegen waren Gastarbeiter, einfache Menschen, der Sprache nicht hinreichend mächtig. Deshalb wurde die niederschmetternde Diagnose – spastische Halbseitenlähmung – erst gestellt, als der Kleine mit drei Jahren immer noch nicht imstande war zu laufen. Therapien ließ man dem Buben kaum angedeihen, geübt wurde nicht, wie auch, weitere Geschwister folgten rasch und die Mutter war mit der Aufzucht aller beschäftigt.

Im privaten Kindergarten (Der Junge war auf Intervention des Jugendamtes dort.) lernten sich die Kleinkinder kennen. Zwei Kinder, geeint durch ihre Diagnose, getrennt durch ihre Herkunft.

Das Mädchen konnte vielleicht nicht ihren Freundinnen kletternd auf Bäume folgen, es hatte aber tatsächlich das Laufen und die behinderte Hand als Hilfshand einzusetzen gelernt. Der Bub hingegen schleppte sich immer noch mühsam vorwärts und der gelähmte Arm war dabei, an den Oberkörper gepresst zu versteifen.

Die Kleinkinder wurden älter und der „Ernst des Lebens“ rückte unaufhaltsam näher. Das Mädchen sollte eine Regelschule besuchen, was der Direktor der betreffenden Volksschule nach Kräften zu verweigern trachtete: „Behinderte Kinder gehören in die Sonderschule, aber nicht in meine Regelschule!“ Die Eltern, Akademiker, fackelten nicht lange und drohten mit dem Landesschulrat. Ganz plötzlich lenkte der Direktor ein und das Mädchen wurde mit 23 gesunden Kindern eingeschult. Der Bub hingegen kam – wie gewünscht – in die Sonderschule, wo er – trotz rein körperlicher Einschränkung –sein ganzes Schulleben verbleiben sollte.

Während der Volksschulzeit verschlechterte sich das Gangbild beider Kinder massiv. Durch die Spastik hatten sich die Füße fast bis zur Unkenntlichkeit verkrümmt. Die verzweifelten Eltern des Mädchens wandten sich an die Orthopädie, was man denn tun könne, keine Schuheinlage, keine Schiene helfe mehr, man könne die Schmerzen des Mädchens beim Auftreten, die stummen Tränen, das unterdrückte Wimmern, die bitterlichen Klagen am Ende des Tages nicht mehr ertragen. Die konsultierte Orthopädin empfahl den Eltern, sich einen guten Psychologen zu suchen, wenn jene nicht ertragen könnten, dass das Mädchen zeit seines Lebens auf einen Rollstuhl angewiesen sein werde. Die Mutter, die Ärztin, wandte sich in ihrem Elend hilfesuchend an Kollegen und bekam einen Orthopäden in einer anderen Stadt empfohlen, der sich auf die orthopädischen Probleme körperlich behinderter Kinder spezialisiert hatte. Dieser operierte das Mädchen in einer langwierigen Operation tatsächlich erfolgreich. Die Kleine konnte wieder schmerzfrei laufen, erst in speziellen Schuhen, später in ganz „normal“ käuflich erwerblichen. Und der Bub? Bekam einen Rollstuhl verschrieben.

Die ersten vier Schuljahre verflogen. Das Mädchen kam ins private Gymnasium, der Junge verblieb in der Sonderschule. Nach der Pflichtschulzeit wollte das Mädchen etwas „Lebenspraktischeres“ erlernen und in eine katholische HLW mit Öffentlichkeitsrecht wechseln. Beim persönlichen Anmeldungsgespräch wurde vom Direktor kundgetan: „Wir nehmen keine Behinderten.“ Beim ungläubigen Blick der Eltern plötzlich: „Außer… Welches Parteibuch haben Sie?“ Damit konnten die politisch nicht engagierten Eltern nicht dienen, sie waren mit Beruf und behindertem Kind bekanntlich ausgelastet, worauf sich der Direktor genüsslich zurücklehnte und salbungsvoll sprach: „Wäre Ihre Tochter die Tochter des Bürgermeisters, dann – ja dann – wäre ein Platz bei uns kein Problem!“ Fassungslos brachen die Eltern das Gespräch ab, aber nicht ohne die Drohung, dies an die Medien weiterzuleiten, wenn er – der Direktor – sich nicht persönlich um einen alternativen Platz an der zweiten katholischen HLW der Stadt kümmern würde. Was tatsächlich geschah und wo das Mädchen problemlos maturierte. Der Bub hingegen kam mit 15 Jahren in eine berufsfördernde Einrichtung für geistig behinderte Jugendliche.

Nach der Matura wurde das Mädchen Mutter eines Sohnes, welcher ebenfalls primär als gesund betitelt wurde. Der Bub hingegen wurde an einer Behindertenwerkstätte angestellt.

Während das einstige Mädchen zu studieren begann, wurde dem jetzigen Kleinen – wieder nach zähem Ringen – schlussendlich ADHS und Autismus attestiert.

Heute hat die inzwischen erwachsene Frau mit den gleichen Problemen wie ihre eigenen Eltern zu kämpfen: Wehrt man sich nicht beharrlich gegen vermeintliche „Obrigkeiten“ und antiquierte, aber gesellschaftlich verfestigte Ansichten, hat das eigene Kind verloren.

 

Nachwort:

Der obige Blogartikel ist leider nicht erfunden, sondern behandelt autobiographisch meine eigene Lebensgeschichte, die meines alten Kindergartenfreundes, der nie ganz aus meinem Leben verschwunden ist, und die meines eigenen psychisch behinderten Sohnes. Zeitlich ist das Beschriebene seit meiner Geburt Mitte der 1990er geschehen. Zu verorten ist es in der Stadt Salzburg.

 

von Christina Schöppl

2/3 Ergebnisse weiterführender Recherche und Gesprächen zu dem Thema Menstruation mit einem Blick auf eine die erste Befragung zum Thema Menstruation bei Jugendlichen.

 

Wie bereits im letzten Essay beschrieben, war vor allem mein Verständnis von der Menstruation im Allgemeinen, die Probleme, die bei der Monatsblutung auftreten können und auch das Verständnis des gesamten Themas und dessen Behandlung eher gering.

Das Erste, das ich lernen musste, ist, dass oftmals von menstruierenden Personen/Menschen gesprochen wird. Es geht hierbei um ein Einbeziehen von Personen, die sich dem binären Geschlechtermodell nicht unterwerfen wollen. Auch Trans* oder inter*geschlechtliche Personen sollen inkludiert werden.

Um den Blick wieder zurück auf die Schule zu bringen, würden wir gerne eine Umfrage genauer beleuchten (In diesem Teil des Blogeintrages verwenden wir wieder den Begriff „Mädchen“, da dieser auch in der Befragung verwendet wurde.). Im April und Mai 2017 hat das Internetportal www.ready-for-red.at eine Umfrage zur Menstruation an Schulen durchgeführt. Es wurden insgesamt 1109 Schüler zwischen 11 und 18 Jahren befragt, wobei 684 Mädchen und 425 Jungen an dem Online-Fragebogen (SoSci – garantiert anonyme Datenverwertung) teilnahmen. Es wurden Schulen, sowie Leiter*Innen von Jugendzentren dazu aufgerufen, die Umfrage mit den Jugendlichen durchzuführen.

Das Ergebnis war zwar zu erwarten, dennoch ist es erschreckend: 60% der Mädchen stehen ihrer Menstruation negativ gegenüber und 70% der Jungen finden das Thema sogar peinlich und nehmen dieses nicht als relevant wahr.

Weitere eklatante Probleme offenbaren sich beim Wissenstand: Natürlich sind fast 90% aller Befragten der Meinung, genug über das Thema zu wissen, aber die Hälfte aller an der Umfrage teilnehmenden Mädchen und vier von fünf Buben können nichts mit den Begriffen „Zykluslänge“ oder „Menstruationszyklus“ anfangen. Weitere Probleme entstehen bei vielen Mädchen, da sie nicht wissen, ab wann

 ein Tampon gewechselt werden muss, was natürlich zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Ein weiterer problematischer Punkt bildet die Tatsache, dass 80% aller Mädchen ihre Monatshygieneprodukte im Klo hinunterspülen, da sich direkt neben dem Klo kein Mülleimer befindet und die Scham zu groß ist, die Menstruationsprodukte in einem weiter entfernten Mülleimer zu entsorgen. Dadurch entstehen ökologische und ökonomische Probleme, da in den Kläranlagen spezielle Zerkleinerer eingebaut werden müssen. Natürlich leidet auch die Umwelt unter den platinhaltigen Toilettenartikeln.

Informationen erlangen die Schüler*Innen hauptsächlich von Zuhause (62%), teilweise aus dem Internet (32%) und zum kleinsten Teil aus der Schule (10%).

Es gibt aber auch positive Rückmeldungen: Die Menstruation gibt den Mädchen ein Gefühl des „Normalseins“. Sie fühlen sich erwachsen und wissen, dass es ein Zeichen ihrer gynäkologischen Gesundheit ist. Auch haben Jungen ein gutes Bewusstsein dafür, wie sich Regelbeschwerden äußern können und über 50% wären dazu bereit, den Betroffenen die Belastung zu erleichtern.

Im Rahmen dieses Projekts haben wir vermehrt mit Bekannten aus unterschiedlichen Altersgruppen über das Thema Menstruation gesprochen. Wir haben Kommiliton*Innen und Familienmitglieder zu deren genereller Meinung im Laufe von Gesprächen befragt. Der erkennbare Grundtenor ist, dass Menstruation eigentlich als kleines, primär unwichtiges Thema empfunden wird, aber innerhalb kürzester Zeit komplexe Gespräche entstanden sind. Für den männlichen Teil der Bevölkerung ist die Menstruation weiterhin ein mit wenig Interesse belegtes Thema. Aber keiner unserer Gesprächspartner äußerte eine Ablehnung, dieses vermeintliche Tabuthema zu besprechen. Es wird tendenziell mit wenig Beachtung gestraft, weil man selbst nicht direkt betroffen ist. Auch die meisten menstruierenden Menschen, die wir befragt hatten, waren der Meinung, dass es zwar nicht unbedingt mehr besprochen werden sollte, aber auf alle Fälle eine bessere Arbeit in der Schule geleistet werden sollte, um junge blutende Menschen auf die Situation vorzubereiten.

Ein tatsächliches Tabu wird nicht mehr empfunden, aber es wird auch nicht gerne in der Öffentlichkeit darüber gesprochen.

 

Von Christina Schöppl und Markus Lohberger

Christina Grill

Das Fach Englisch spielt in diesem Kontext eine nicht unbedeutende Rolle, denn eine Fremdsprache erfordert es, sich mit ihrer Kultur und Geschichte zu befassen. So sollen SchülerInnen beispielsweise Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der eigenen und der fremdsprachigen Lebenswelt untersuchen und erkennen. Damit geht das Gewinnen von Einsichten über andere Einstellungen,  Werte und Normen einher. Des Weiteren soll das Bewusstsein für kulturelle Vielfalt entwickelt werden und eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen und dem anderen soziokulturellen Kontext stattfinden. Bei jüngeren SchülerInnen kann dies beispielsweise im Rahmen dessen passieren, dass sie alltägliche Situationen wie z.B auf der Straße, im Geschäft, im Restaurant, im Café oder im Hotel in einem Dialog thematisieren und so erlernte sprachliche und kulturelle Besonderheiten anwenden. Darüber hinaus sollen im Englischunterricht Klischees und Vorurteile der anderen Kultur thematisiert werden und womöglich auch abgebaut werden. Somit wird die Offenheit, das Verständnis und auch die Toleranz gegenüber der anderen Lebenswirklichkeit, den fremden Normen und Wertvorstellungen von Angehörigen der fremden Kultur gestärkt. Außerdem sollen SchülerInnen im Unterricht ein „Gespür“ für kulturelle Fettnäpfchen, d.h. kommunikative Bereiche, die in Kulturen in unterschiedlicher Weise affektiv besetzt sind, entwickeln. All dies könnte in Form des Rollenhandelns in Diskussionen mit vorgegebenen Rollenbeschreibungen, kleine Inszenierungen oder Projekte, in denen interkulturelle Themen bearbeitet werden, durchgeführt werden. Durch die Übernahme von Rollen mit ungewohnten Denk- und Verhaltensmustern werden SchülerInnen dazu aufgefordert, sich mit neuen Rollen oder Weltsichten zu identifizieren, wenn sie diese auch sprachlich erfolgreich vertreten wollen.

 

Anica Keskic

Das Fach katholische Religion bietet sehr viele Möglichkeiten für Schüler und Schülerinnen sich mit dem Kulturleben zu befassen. Da katholische Religion eine sehr breit gefächerte und reiche Geschichte und Kultur hat, kann man das Interesse von Schüler und Schülerinnen leicht wecken. Das Potenzial des Religionsunterrichts ist größer als man glaubt, denn hier werden allgemeine ethische Werte vermittelt und viele verschiedene Perspektiven und Kulturen behandelt. Der Religionsunterricht ist deshalb so wertvoll, weil die Möglichkeit gegeben ist andere Kulturen kennenzulernen und dadurch sein Weltbild zu erweitern. Um das Interesse gezielt zu wecken, können Unterrichtseinheiten mit diversen Exkursionen ausgeschmückt werden, um dem Vorurteil, dass Religion altmodisch und langweilig ist, entgegenzuwirken. Vorteilhaft wäre auch die Zusammenarbeit mit dem Fach Geschichte, um Schüler und Schülerinnen Anknüpfungspunkte zu bieten und einen weiteren Blick zu ermöglichen. 

Auf den ersten Blick scheint es nicht „möglich“ zu sein, Schüler und Schülerinnen im Religionsunterricht für wirtschaftliche Lebensfragen zu begeistern. Wie schon gesagt beschäftigt sich das Fach katholische Religion sehr viel mit ethischen und moralischen Urteilen und Begründungen. In der Wirtschaft stößt man regelmäßig auf moralische Fragen, wo man sich für das eine oder für das andere entscheiden muss. Beispielsweise die Frage, ob ein Unternehmen seinen Standort in ein Billiglohnland versetzen sollte. Ist es wichtiger Kosten einzusparen oder den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Österreich weiterhin einen sicheren Job anzubieten? Genau solche moralische Urteile haben sicher auch Platz in dem Fach katholische Religion und geben Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit Wissen zu verknüpfen und ihre Urteile zu begründen.

 

Begüm Sanli

Für viele SchülerInnen ist der Deutschunterricht mit Langeweile verknüpft. Leider ist Ihnen nicht bewusst, dass der Deutschunterricht sehr fächerübergreifend ist, aber auch, dass das Wissen in den Alltag eingebaut werden kann. Doch wie kann der Deutschunterricht an das nationale und internationale Wirtschafts- und Kulturleben integriert werden? 

Man schreibt doch nicht nur Geschichten oder Gedichtsanalysen. Man schreibt auch Erörterungen und muss hin und wieder über ein Thema schriftlich sowie mündlich debattieren können. So eine Diskussion führt dazu, dass man sich kritisch mit unterschiedlichen Themen auseinandersetzen muss. Bei Vertretung einer Meinung spielen unterschiedliche Normen und Werte eine Rolle. Vertritt man bei einem Rollenspiel zum Beispiel eine Meinung, die man eigentlich gar nicht vertreten möchte, führt dies eventuell dazu, dass man die andere Ansichtsweise besser versteht. 

In Hinsicht auf das wirtschaftsleben könnten die SchülerInnen darüber diskutieren, ob es sinnvoll war, dass England die Europäische Union verlassen hat. Ein anderes Beispiel kann über die Maßnahmen zur Dämpfung der Corona Pandemie sein. 

Es ist offensichtlich, dass der Deutschunterricht viel mehr bietet, sowie an das nationale und internationale Wirtschafts- und Kulturleben integriert ist. 

 

Lea Sali

Ich habe mich gefragt, ob Geschichtsunterricht so gestaltet werden kann, dass er zu einem empathisch ausgerichteten Verstehen verschiedener Erzählstandpunkte beiträgt und sich auf dieser Grundlage ein dialogisches Geschichtsverständnis ausbilden kann. Gleichzeitig muss sich Geschichte aus Multiperspektive und weltgeschichtlicher Dimensionierung generieren. Die Schüler und Schülerinnen lernen, dass  “sinnbildende Verknüpfung zeitdifferenter Ereignisse” (Pandel, 2013 bzw. Rüsen, 2008 zitiert nach Zech, 2015, S.137) stattfinden, die als Persönlichkeitsbildungsprozesse zu verstehen sind, welche nicht mehr auf Integration in kollektiv geschlossene Identitäten, sondern auf eine offene, ständig neu zwischen Selbst- und Fremderwartung reflektierte Position abzielt (vgl. Zech, 2015, S.136).

Man kann beispielsweise die gesellschaftlich bedingten Geschlechtskonstruktionen historisch erzählen und damit die Multiperspektivität anhand der amerikanischen Standards, bezüglich der Geschlechter und deren Unterteilung,  besprechen. Dabei soll man das Thema aber nicht nur vom transkulturellen Standpunkt betrachten, sondern die regionale und globale Ebene mit einbeziehen. Wichtig ist dabei eine wertende Hierarchisierung von Lebensweisen, Weltauffassungen und Kulturen zu meiden. 

Gemäß diesem Anliegen zielt Geschichte, wenn sie den umgebenden Lebensbereich in seinen vielfältigen globalen Einbindungen und die vielschichtigen kulturellen Gegenwartsbedingungen historisch erschließt, auf die Förderung der Individuation. Diese realisiere sich gegenwärtig vor dem Hintergrund gesellschaftlicher, politischer und kultureller Herausforderungen (Interkulturalität und globale Vernetzung) und im Ringen um Menschenwürde und Humanität (Zech, 2015, S. 139).

Zech M. M. (2015). Geschichtsunterricht und Identitätsbildung im Spannungsfeld von Individualität, Kulturalität und Globalität. RoSE – Research on Steiner Education, 6(0). Abgerufen von https://www.rosejourn.com/index.php/rose/article/view/279.

Ausgehend von drei Kapiteln des Beitrags Österreich von Ferdinand Eder und Josef Thonhauser in Die Bildungssysteme Europas (Grundlagen der Schulpädagogik, Band 46) hat uns in den vergangenen Wochen das Thema Veränderung im Kontext von Schule und Schulsystem beschäftigt. Dabei haben wir uns sowohl Veränderungen in der Vergangenheit, die zum heutigen Ist-Zustand geführt haben, angesehen, als auch Überlegungen angestellt, welche Veränderungen nun passieren müssten und wie wir als angehende Lehrer*innen dazu beitragen können, dass die Schule und das Schulsystem der Zukunft funktionieren kann.

 

Veränderung und Nicht-Veränderung im historischen Kontext

(Annemarie Schaffer)

Das öffentliche österreichische Schulsystem und seine Entwicklung befinden sich seit seiner Entstehung im 18. Jahrhundert in einem Spannungsfeld zwischen – wie es Ferdinand Eder und Josef Thonhauser ausrücken – „progressiven Ideen“ und „konservative[m] bis reaktionäre[m] Festhalten am jeweiligen Status quo“. Dass das Veränderungen und Anpassungen am System erschwert und manchmal sogar verunmöglicht, ist leicht nachzuvollziehen.

Was 1770 eine wichtige und notwendige Neuerung war – nämlich, dass das Schulwesen zur Staatsangelegenheit wurde – erweist sich heutzutage oft eher als Bremsklotz für eine sinnvolle Entwicklung. Denn das von Kaiserin Maria Theresia erlassene Dekret, das Schule „allzeit [zu] ein[em] Politikum“ erklärte, mag damals die Kirche als Bildungsträger obsolet und Bildung allgemein zugänglicher gemacht haben; heute aber dient das Politikum Schule oft als Bühne oder Projektionsfläche parteipolitischer Machtkämpfe, wobei ein unvoreingenommenes Nachdenken über Nutzen und Sinn für das Schulsystem außen vor bleibt. Ein gleichzeitig präsentes und langgedientes Beispiel dafür ist die Diskussion um die Gesamtschule. Die Idee ist absolut keine neue, wie es auch ein Überblicksartikel auf der Website des Radiosenders Ö1 zeigt: Schon im 17. fordert der protestantische Theologe und Pädagoge Johann Amos Comenius eine allumfassende Bildung für alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen Stellung. In Österreich war es 1848 der Unterstaatssekretär Ernst Freiherr von Feuchtersleben, der als erster für alle Kinder zwischen elf und 14 Jahren eine gemeinsame Schule, das Progymnasium, wollte. Doch erste Versuche in diese Richtung gab es erst im rot regierten Wien der 1920er unter dem Schulratspräsidenten Otto Glöckel. Diese stießen jedoch auf breiten Widerstand und die Idee der Gesamtschule wurde zum Inhalt parteipolitischen Lagerdenkens – und ist es bis heute geblieben. Zuletzt machte sich das – wie in einem Beitrag der Tageszeitung Die Presse nachzulesen – 2017 im Zuge der damaligen Bildungsreform bemerkbar: Sozusagen als Zuckerl für die Grünen, die die damalige rot-schwarze Regierung für eine beschlussfähige Mehrheit brauchte, öffnete der damalige Gesetzesentwurf „die Tür für die Gesamtschule“ – zwar nur für Modellregionen im Burgenland und in Vorarlberg, aber immerhin. Dass dabei aber eben nicht pädagogische Überlegungen ausschlaggebend waren, sondern die Jagd nach einer Mehrheit im Parlament, ist offensichtlich und wird noch klarer im Zusammenhang mit der Aussage des damaligen Vizekanzlers Wolfgang Brandstetter (ÖVP), dass nun, die SPÖ bei der Studienplatzfinanzierung am Zug sei. Themen wie die Ganztagsschule oder die Studienplatzfinanzierung bedeuten zum Teil weitreichende Veränderungen für Schüler*innen und Studierende und sollten deshalb eigentlich nicht Gegenstände von parteipolitischem quid pro quo sein. Dass sich aber dahingehend in Österreich etwas verändert, ist unwahrscheinlich, denn Schule ist und bleibt „allzeit ein Politikum“.

Dabei fällt es den streitenden Parteien auch nicht auf, dass – um beim Beispiel der Gesamtschule zu bleiben – ihr „Streitgegenstand historisch tot ist“, wie es der Bildungsexperte Stefan Hopmann (zitiert im oben verlinkten Ö1 Artikel) ausdrückt. Denn „beide Seiten sitzen“, so Hopmann, „im Prinzip immer noch im selben Schützengraben; Die eine kämpft noch immer darum, eine gleichberechtigte Beteiligung an der Struktur der anderen zu bekommen, und die andere reagiert strukturkonservativ und sagt: Nein, wir wollen aber nicht zu viele von euch.“ Dabei sei es laut Erkenntnissen der Bildungsforschung klar, dass oberflächliche Änderungen – das heißt der Name oder das Label einer Schule – an der Situation nichts verändern. Das erläutert der Bildungsexperte folgendermaßen: „Eine wirkliche Änderung wäre ja nur dann gegeben, wenn wir tatsächlich bereit wären, denen, die weniger Bildungsressourcen zuhause haben, mehr in der Schule zu geben. Also produktive Ungleichbehandlung. Ob ich die jetzt in einer Gesamtschule mache wie die Skandinavier oder in vielen verschieden Schulformaten wie die Kanadier oder Holländer, ist egal. Die Frage ist: Bin ich bereit zur produktiven Ungleichbehandlung? Und die ist politisch schwer durchsetzbar.“

Das heißt also: Änderungen und Nicht-Änderungen im und am Schulsystem werden in Österreich wohl immer (partei-)politisch motiviert sein. Dass es dabei zu tiefenstrukturellen zeitgemäßen Änderungen kommt, scheint unwahrscheinlich, wenn man betrachtet, wie ähnlich das heutige Schulsystem dem von vor 200 Jahren in manchen Bereichen noch ist. Die meist oberflächlichen Änderungen können leicht im politischen Hick-Hack der Parteien verlorengehen oder bei einem Wechsel der Regierungsparteien wieder rückgängig gemacht werden. Als Lehrperson befindet man sich damit in einem an sich recht starren System, das aber häufig seinen Anschein wechselt. In diesem Rahmen gilt es nun, den Schüler*innen abseits von politisch motivierter Einflussnahme und in jedem von außen aufgedrückten System die bestmögliche zeitgemäße Bildung angedeihen zu lassen, damit sie in einer sich stetig verändernden Welt Fuß fassen können. So kann (sinnvolle) Änderung von innen heraus entstehen.     

 

Schulpflicht? (Samir Eghbali)

Bei Ferdinand Eder und Josef Thonhauser ist die Schulpflicht als Teil der Struktur des Bildungssystems gelistet. Sie beschreiben im dritten Kapitel, wie das österreichische Schulsystem aufgebaut ist:  vom Elementarbereich über die Sonderformen im Schulsystem bis hin zum tertiären Bildungsbereich, welcher Bildungseinrichtungen wie Hochschulen und Universitäten umfasst.

In meinem Beitrag möchte ich das Werkzeug der Schulpflicht näher betrachten und welches Problem ich dabei sehe. Das österreichische Schulsystem besteht wie z.B. das deutsche auch aus 9 Jahren Schulpflicht für alle, die sich dauernd in Österreich aufhalten. Ein wichtiger Punkt, der in einer Pandemie-Zeit (aktuell Corona) nach meiner Ansicht schwer durchzusetzen ist. Denn was bedeutet eigentlich Schulpflicht? Wird die Schulpflicht allein durch die Anwesenheit im Unterricht erfüllt oder zählen auch Mitarbeit und gute Noten? Wie überprüft man die Schulpflicht in einer Zeit, die geprägt ist von Home-Office, Homeschooling und E-Learning? Welche/r Lehrer/in kann bemerken, wenn der/die bereits im Präsenzunterricht stille Schüler/in im Online-Unterricht ebenso still ist und statt zu lernen und aufmerksam der Lehrkraft zu folgen ganz einfach seinen Hobbys nachgeht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es auch trotz einer zugeschalteten Kamera viele Möglichkeiten gibt, sich anderweitig zu beschäftigen. Und genau da kommt die Schulpflicht meines Erachtens an ihre Grenze. Man kann den Kopf von SuS zwar in die Schule zwingen, jedoch nicht die Schule in die Köpfe der SuS.

Was also tun? Die SuS aufgeben, die sich nicht integrieren? Den Gründen aus dem Weg gehen, weshalb SuS nicht in die Schule wollen, wieso sie sich weigern, mitzuarbeiten. Fast jede/r SuS war einmal in der Situation, keine Lust mehr gehabt zu haben, die Schule als überflüssig empfunden zu haben oder einfach geschwänzt zu haben, weil man etwas anderes tun wollte. Anstatt jedoch nach den Gründen gefragt zu werden, wurde man häufig nur abgemahnt, in Form von schlechten Noten, einem Vermerk im Zeugnis, einem Gespräch mit den Eltern oder im schlimmsten Fall einem Verweis.

Meiner Ansicht nach sollte, anstatt die SuS einfach nur in die Schule „zu zwingen“, den Beweggründen, wieso sie nicht gehen wollen, mehr Beachtung geschenkt werden. Natürlich zweifle ich nicht an der Zweckmäßigkeit der Schulpflicht, denn sie ist schon ein bewährtes Instrument, SuS nicht nur die Möglichkeit von Bildung zu geben, sondern diese Möglichkeit auch für jede Person, die in Österreich lebt, verbindlich zu machen. Allerdings sehe ich auch einen Weg zu einer besseren Bildung darin, es zu schaffen, dass SuS aus Einsicht oder idealerweise aus positiver Motivation heraus von sich aus zur Schule gehen wollen und nicht nur, weil sie durch die Schulpflicht dazu gezwungen werden.

 

Wann platzt die Blase des österreichischen Schulsystems?

(Denise Zacherl)

Dass das österreichische Schulsystem mit vielen Problemen zu kämpfen hat, ist definitiv nichts Neues. In der PISA- Studie fallen wir von Jahr zu Jahr immer weiter zurück, was daher auch nicht überraschend kommt. Doch woran liegt das? Wieso wird es für die meisten Schüler und Schülerinnen immer schwieriger, gute Noten nach Hause zu bringen, anstatt leichter? Mit dem heutigen Überfluss an Bildungsangeboten müsste doch für jedes Kind das passende dabei sein.

Das Schulsystem in Österreich ist geprägt von fortlaufenden Veränderungen. Von neuen Lehrplänen, besseren pädagogischen Methoden oder Modellen bis hin zur neuen bundesweiten Zentralmatura. Es wird versucht, alles neu, anders und vor allem kompetenzorientierter zu gestalten. Die Kinder sollten mehr lernen, mehr Wissen aneignen und vor allem mehr leisten. Aufgrund dieser andauernden Erneuerungen sowie Veränderungen werden die Schüler und Schülerinnen immer wieder vor neue Aufgaben gestellt.

Doch Veränderung heißt nicht automatisch gut. Diejenigen, die es am meisten betrifft, werden dabei meist übersehen. Nämlich die Schüler und Schülerinnen! Für diese heißt neu und mehr nicht immer besser, sondern viel mehr Stress, weniger Freizeit und ein viel zu hoher Druck lastet auf ihnen, denn sie müssen natürlich mit den Erneuerungen mithalten. Als Beispiel führe ich an dieser Stelle die bundesweite Zentralmatura an. Ich selbst habe vor 2 Jahren maturiert und habe diese Erfahrung miterlebt. Die Zentralmatura wurde uns vorgestellt als tolle neue Möglichkeit, unseren Abschluss zu machen.

Aber was hat das für uns bzw. für die heutigen Schüler/innen für Auswirkungen? Selbstverständlich erfordert eine neue Matura auch neue Grundkompetenzen, neue Lernmethoden und vor allem: eine neue Benotung. Dies war die größte Hürde, sowohl für unsere Klasse als auch für unsere Lehrpersonen. Denn diese konnten uns in den meisten Unterrichtsfächern nicht mehr so benoten wie früher, mussten sich strikt an die Vorgaben halten und es gab fast ausschließlich neue Aufgabenformate. Natürlich hat die Zentralmatura auch gewisse Vorteile, wie z.B., dass alle Absolvent/innen einer höheren Schule die gleichen Voraussetzungen nach ihrem Abschluss mitbringen. Meiner Meinung nach überwiegen hier jedoch ganz klar die Nachteile und speziell für die Schüler/innen selbst stellt es eine klare Veränderung ins Negative dar. Wie auch von Eder und Thonhauser in ihrem Text „Österreich“ beschrieben, wird der Abschluss dadurch eher objektiv angesehen und die individuellen Stärken der Schüler und Schülerinnen gehen damit verloren.

Das eben angesprochene Thema ist jedoch nur eine von insgesamt vier großen Problematiken, mit welchem das österreichische Schulsystem laut Eder und Thonhauser heutzutage zu kämpfen hat. Eine weitere große Hürde im Schulsystem bildet zudem der Übergang zwischen der allgemeinen Volksschule und der nächsthöheren Schulstufe. Hierbei hat ein/e Schüler/in zwei Möglichkeiten, entweder das Kind schafft es anhand ihrer schulischen Leistungen in eine AHS oder muss sich mit der Mittelschule zufriedengeben. Doch warum habe ich eben die Wörter „schaffen“ und „zufriedengeben“ im Zusammenhang mit Schulen benutzt? In unserer heutigen Gesellschaft hat sich das Gesamtbild einer AHS und einer Mittelschule (ehemals Hauptschule) so stark gewandelt, dass die AHS fast als „Elite Schule“ angesehen wird. Sozusagen nur noch für die „Besseren“ vorbehalten. Jedes Kind, welches die gewissen schulischen Voraussetzungen für die Aufnahme nicht erfüllt, hat keine andere Wahl als die Mittelschule. Durch diese Tatsache wird die Mittelschule automatisch – ob gewollt oder nicht – zu etwas schlechterem gemacht. Jegliche Versuche, die Mittelschule attraktiver und interessanter zu gestalten, blieben bislang erfolgslos.

Was hat sich allerdings so stark geändert, dass Eltern ihre Kinder lieber in einer AHS unterbringen wollen, ohne auf deren individuellen Förderungsbedarf Rücksicht zu nehmen? In diesem Punkt fließen bereits die nächsten zwei großen Problematiken mit ein, nämlich der Umgang mit besonderen Förderungen sowie die Maßnahmen von Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund.

Erstens wollen es viele Eltern schlicht und einfach nicht wahrhaben, dass ihr Kind mit dem Lehrplan einer AHS eventuell nicht mithalten kann und eine spezielle Unterstützung benötigen würde. Sie ignorieren die Tatsache, dass genau ihr Kind den schulischen Anforderungen nicht gewachsen ist. Obwohl es mittlerweile bekannt ist, dass die Mittelschule mehr Förderungen anbietet, bzw. mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder einzugehen versucht, auch weil mehr als eine Lehrkraft die Unterrichtsstunden betreut, überzeugen diese Argumente die meisten Eltern leider nicht. Zweitens werden auch öfters Kinder mit Migrationshintergrund als Einflussfaktor angesehen, das Kind lieber in eine AHS zu schicken. Die meisten Personen assoziieren Kinder mit anderer Herkunft sofort mit schlechten Deutschkenntnissen, schlechteren Leistungen und noch schlechteren Noten. Dies wird auch von der Hypothese gestärkt, dass solche Kinder in der Regel eine Mittelschule besuchen. Leider wird auch hier übersehen, dass die Herkunft allein nichts über die Intelligenz, bzw. die Fähigkeit oder dem Willen zur Leistung aussagt. Vielmehr erachte ich es als sehr wichtig, diesen Schülern und Schülerinnen die gleichen Chancen zu ermöglichen, um sie dadurch besser zu integrieren und zu fördern. Hierbei ist es auch wichtig, das Elternhaus mit einzubeziehen. Denn ohne Unterstützung zu Hause ist es für Kinder nochmals ein Stück schwerer. Doch auch hier mangelt es leider an Verständnis und auch am Willen der österreichischen Eltern.

Für mich als angehende Lehrperson heißt dies nun, in Zukunft selbst aktiv zu werden, um nicht nur meine Schüler/innen in den verschiedensten Bereichen zu unterstützen, sondern auch, dem negativen Image der Mittelschule entschieden entgegenzutreten.

 

COVID-19 – Die Pandemie als (zusätzliches) Problem des Schulsystems

(Nicole Balasoiu)

Derzeit ist schon lange bekannt, dass das österreichische Schulsystem gewisse Probleme in sich trägt, die jedoch verschiedene Wurzeln haben. Auch bei den PISA-Studien werden die Ergebnisse schlechter und schlechter. Doch warum? Das österreichische Schulsystem ist bemüht, den Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund genug Integration anzubieten. Auch für Lehrpersonen gibt es immer mehr Möglichkeiten für Weiter- und Fortbildungen. Es gibt überzentrale Veränderungen wie zum Beispiel die Zentralmatura oder die Lehrpläne, die trotzdem die Probleme nicht ganz verhindern.

Denise Zacherl hat im vorigen Absatz die Probleme behandelt, sie ausdiskutiert und das wichtigste schon erwähnt.

Hinzugefügt werden kann noch die Tatsache, dass heutzutage, in der aktuellen Covid-19-Situation, in der alle Schüler und Schülerinnen gefangen sind, Probleme dazukommen. Der Stress, der sie verfolgt, ist noch immer präsent. Sie erhalten Aufgaben und Hausübungen, müssen sich teils selbst den Schulstoff beibringen und haben dabei oft keine Unterstützung von einer Lehrperson. Der Druck wird größer. Falls die Eltern arbeitstätig sind und sich nicht zu Hause befinden, können nicht einmal sie eine Unterstützung sein.

Jede Schule und jede Schulstufe vereinbart schulintern, wie sie die Situation bewältigen, ob sie Online-Stunden organisieren, zusätzliche Hilfe und Erklärungen von der lehrenden Person anbieten oder ob sich die Schüler und Schülerinnen allein mit dem Stoff auseinandersetzen und die Aufgaben erledigen sollen. Doch müssten die Schüler und Schülerinnen nicht prioritär sein? Viele fühlen sich im Stich gelassen. Der soziale Kontakt, der ihnen fehlt, trägt dazu bei, dass sich die Situation auf sie noch anstrengender auswirkt. Dazu kommt noch, dass nicht alle Kinder die gleichen Chancen im Distance Learning haben. Damit werden die sozialen Ungleichheiten verstärkt. Am meisten betroffen sind die Kinder aus sozial schwächeren Haushalten. Daher ist auch hier eine Veränderung nötig. Platz dafür gibt es genug.

Als zukünftige Lehrperson nehme ich mir vor, selbst auch aktiv zu werden und meinen Schülern und Schülerinnen eine passende Unterstützung und Hilfe zu sein. Eine passende und engagierte Lehrperson kann in vielen Hinsichten ein Beispiel für die Kinder sein. Daher ist es wichtig, persönliche Haltung und Verhalten zu ändern, bevor man versucht die Schüler und Schülerinnen zu ändern.

Seitdem Maria Theresia im Jahr 1770 das Schulwesen per Dekret zum dauerhaften Bestand in der Politik gemacht hatte, hat sich im Bildungssystem Österreichs bei oberflächlicher Betrachtung einiges getan. Wirft man aber einen Blick auf die Grundfesten des österreichischen Schulsystems, können noch heute die Ideen, die Organisation und der Einfluss von Maria Theresia und Johann Ignaz Felbiger – ihrem „Bildungsminister“ – betrachtet werden.

Was natürlich sofort ins Auge spring, ist die Schulpflicht ab dem sechsten Lebensjahr. Über die Länge könnte man natürlich diskutieren, da die neunjährige Schulpflicht erst mit der Einführung des Schulorganisationsgesetzes 1962 Einzug hielt, aber schon zur Zeit der Erzherzogin mussten die Kinder in den Trivialschulen sechs Jahre lang einen traditionellen Unterricht besuchen. Diese Trivialschulen lassen sich auch heute noch in Österreich finden, nur unter dem Namen Volks- und Hauptschule oder eher seit den neuesten Umstrukturierungen auch Mittelschulen genannt. Zu den Trivialschulen gab es in den Städten noch die Hauptschulen, welche nicht mit gleichnamigen eben genannten Schulen gleichzusetzen sind. Am ehesten wären diese Einrichtungen für die weitere Bildung mit berufsbildenden höheren Schulen gleichzusetzen, wo die Schülerinnen und Schüler damals wie heute auf gewisse Berufe vorbereitet werden mit einem gewissen Anteil an praxisorientieren Unterricht.

Man möchte aber nicht meinen, dass bei dieser Menge an öffentlichem Schulangebot die privaten von Orden geleiteten Schulen auf der Strecke geblieben sind. Bis heute gibt es eine Vielzahl an kirchlichen Privatschulen, wobei die Kosten für das Lehrpersonal in den Einrichtungen vom Staat getragen werden.

Aber nicht nur die Schulen der Reform von 1774 lassen sich bei näherer Betrachtung im derzeitigem Bildungssystem wiederfinden. Seit damals werden die unzähligen Schulbücher vom Staat zur Verfügung gestellt, damit der Zukunft des Landes auch ja das Richtige beigebracht wird.

Bei all diesen Konstanten im österreichischen Bildungssystem stellt sich aber nun auch die Frage, was sich denn nun groß geändert habe. Eines wird sich jedenfalls seit dem Jahr 1770 nicht ändern: die ständige Frage jeder neuen Regierung, wie man denn das System Schule „besser machen“ könnte. An dieser Frage hat sich aber schon so manche Partei und auch so manche Bildungsministerin und so mancher Bildungsminister die Zähne ausgebissen. Das war aber vielleicht schon Maria Theresia klar.