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Ich kann mich an viele Ereignisse aus meiner Kindheit erinnern, besonders an die, die mich emotional berührt oder getroffen haben. Es gibt auch Ereignisse, die einem auf den ersten Blick ganz unbedeutsam vorkommen, aber sich trotzdem ganz stark in die Erinnerung eingeprägt haben. Dann frage ich mich oft wieso, bzw. was dem jeweiligen Ereignis die Kraft zum Beeindrucken gab und manchmal bekomme ich sogar eine Antwort auf ganz unerwartete Weise, wie zum Beispiel beim Lesen dieses Absatzes in Teaching Gender:

„Ebenso werden […] Spielzeuge farblich getrennt und von Stereotypen gelenkt nach Geschlechtern angeboten. Konstruktionsspielzeug, welches noch in den 1970er-Jahren unisex bunt war, wird von der gleichen Firma heute geschlechtergetrennt vertrieben: technische Baukästen […] zum Konstruieren und Umbauen für Jungen, dagegen rosa gehaltene Ensembles für Mädchen, mit vorgegebenen Figuren und fertigen Bauteilen, die – im Vergleich zu den Bausätzen – kaum für andere Konstruktionen verwendet werden können. Damit verbunden sind Rollenangebote, die angeblich typische weibliche Lebenssituationen darstellen: in Familie, in helfenden Berufen, als Prinzessin,“ etc. (Bartsch/Wedl, S.14).

Vor 20 Jahren ging ich mit meinem etwas älteren Cousin zu einem Spielzeugstand auf dem großen Markt, um das hartverdiente Geld für ein paar Spielzeuge auszugeben. (Keine Sorge, wir waren keine Opfer von Kinderarbeit)) Wir kümmerten uns nur ganz brav um die Kühe unserer Großeltern, während Oma im Krankenhaus lag.) Am Spielzeugstand gab es alles was sich ein Mädchen und ein Junge wünschen könnten: hübsche Barbies und bunte Autos… und ein paar andere Sachen, wie z.B. Sprungseile.

Ich war 10 und wollte ein Sprungseil. Mein Cousin war 14 und fest überzeugt, dass Barbies das Spielzeug für Mädchen seien. Eine Weile probierte er mich zu überreden eine Barbie, anstatt dem Seil zu nehmen (zum Glück nicht erfolgreich)).

Ich glaube, ich muss dieses real life Beispiel nicht erläutern, da jeder von uns ähnliche Erfahrungen im Leben gemacht hat. Wenn nein, dann seid ihr glückliche Kinder gewesen, die ohne Geschlechterstereotypen (zumindest in Bezug auf Spielzeuge)) aufgewachsen sind. Ich persönlich hatte nur bei meinen Cousins die Gelegenheit mit bunten Autos zu spielen.

Wie stark Geschlechterstereotypen noch immer in unserer Gesellschaft vorhanden sind und wie früh sie uns „beigebracht“ werden, zeigt sehr gut das Video Girl toys vs boy toys: The experiment – BBC Stories.

Das Geschlecht ist die zentrale Achse in unserer Gesellschaft. Sobald das Geschlechtsmerkmal des Babys im Ultraschall erkennbar ist, fangen die meisten Eltern und deren Angehörige an, geschlechterspezifische Babysachen, Klamotten und Spielzeuge in passenden Farben und Mustern zu besorgen. Von Geburt an sind „Kinder nicht einfach Mädchen oder Jungen, sondern werden es” (Bartsch/Wedl, S.10).

Wie? 

Ganz einfach: symbolisch durch Kleidung, Accessoires, Spielzeuge, Frisur … und sprachlich durch tägliche zwischenmenschliche Interaktionen (und nicht durch die geschlechterspezifischen Merkmale, weil diese eigentlich fast immer mit Kleidung bedeckt sind).

Das „Vergeschlechtlichung“ von Kinderzubehör und Spielzeugen passiert aufgrund der Annahme, dass anatomische Unterschiede der zwei Geschlechter natürliche Merkmale sind. Diese Annahme ist wissenschaftlich aber nicht bewiesen, sondern umgekehrt: „psychologische Studien [zeigen] immer wieder die Ähnlichkeit der Geschlechter auf“ (Bartsch/Wedl, S.14).

Diese Annahme basiert eigentlich auf dem gesellschaftlichen Verständnis des Geschlechtes als eine „naturhafte [biologisch eindeutig festgelegte], konstante [sich im Laufe des Lebens nicht veränderbare] und dichotome [weiblich und männlich] Kategorie“ (Bartsch/Wedl, S.15).

Aber ist es wirklich so?

Ich glaubte persönlich, dass es in Bezug auf das „biologische Geschlecht“, alias sex, tatsächlich so war bis ich den Roman Middlesex von Jeffrey Augenides aus dem Jahr 2002 gelesen habe.

Heute gebe ich auf die obige Frage ein klares „Nein.“

Laut Judith Lorber, eine Professorin der Soziologie und Frauenforschung, welche zur Entwicklung des Konzepts des Geschlechts als soziale Konstruktion maßgeblich beigetragen hat, gibt es sogar 5 sexes, wenn von Genitalien ausgegangen wird: „unzweideutig männlich, unzweideutig weiblich, hermaphroditisch, weiblich-zu-männlich transsexuell und männlich-zu-weiblich transsexuell; geht man von der Objektwahl aus, drei sexuelle Orientierungen: heterosexuell, homosexuell und bisexuell […]; geht man von der Erscheinung aus, fünf gender-Repräsentationen: weiblich, männlich, uneindeutig, als Mann gekleidete Frau, als Frau gekleideter Mann […]“ (Bartsch/Wedl, S.16).

Das sind keine Konstrukte des 21. Jahrhunderts. Ich würde mir sogar erlauben zu sagen, dass sie so alt wie die Welt sind, vielleicht nur anders benannt wurden. Zum Beispiel, wie das dritte Geschlecht berdache bei amerikanischen Ureinwohnern. Ein Berdache hatte das männliche biologische Geschlecht und homosexuelle Orientierung, aber erfüllte weibliche oder beide Geschlechterrollen und war sozial hochgeschätzt.

Die obige Kategorien erscheinen nur als zeitgenössische „Erfindungen“ oder Marotte der Mode, weil die jahrhundertelange Herrschaft von zahlreichen sozialen Normen (weil in unserer Gesellschaft alles normiert sein muss(te)) und die Zwei-Geschlechter-Ordnung, alles Nonkonforme als nicht existierend betrachtete. Das heißt aber nicht, dass wir weiter in Ignoranz leben und Kinderzubehör und Spielzeuge nach Geschlechtern kaufen und schenken sollen. Alles was laut der Norm passend ist, trägt zum Verfestigen der Geschlechterstereotypen bei, sogar so eine „unschuldige“ Annahme, dass Puppen für Mädchen und Autos für Buben die richtigen Spielzeuge sind.

Quelle:

Bartsch, Annette/Wedl, Juliette (2015) Zum Reflektierten Umgang mit Geschlecht im Schulunterricht und in der Lehramtsausbildung, in: Bartsch, Annette/Wedl, Juliette (Hrsg.) Teaching Gender? Transkript Verlag: Bielefeld, 9-31.

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Lehramtsstudierenden wird während der Ausbildung immer wieder vermittelt, wie wichtig es ist einen differenzierten und kompetenzorientierten Unterricht zu gestalten. Die Fachdidaktik in verschiedensten Fächern stützt sich auf die Annahme, dass Schüler_innen bessere Leistungen erbringen können, wenn der Unterricht sich nach ihren Anforderungen anpasst. Ein individualisierter Unterricht scheint also effektiver. Neben einem differenzierten Unterricht, gibt eine dementsprechende Leistungsbeurteilung den Schüler_innen eine Möglichkeit ihr Lernverhalten und ihre Persönlichkeit ausreichend zu entwickeln.

Nun stellt sich aber die Frage: Welchen Sinn hat es, die Schüler_innen individuell zu unterrichten und so die volle Leistung ausschöpfen, wenn diese dann am Ende wieder abstrakt als Ziffernnote kategorisiert wird. Diese Ziffernnote gibt nämlich meist kaum einen Hinweis zur erbrachten Leistung. Obwohl ein differenzierter Unterricht angepriesen wird, gibt es unzureichend Möglichkeiten differenzierte Leistungsbeurteilung durchzuführen.

Ein Hauptproblem scheint die Auslegung unseres Schulsystems auf die Selektion. Unser Bildungssystem fokussiert sich auf die inhaltliche Vermittlung von Fachwissen und auf die erbrachte Leistung der Schüler_innen. Dabei werden kooperative Leistungen, autonom erbrachte Leistungen und soziale Kompetenzen meist vollständig ignoriert.

Dies wird mir vor allem bewusst, wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke. Ich maturierte im Sommer 2014. Obwohl die Einführung der Zentralmatura kurzfristig um ein Jahr verschoben wurde, entschied sich unsere Schule für einen Schulversuch. So war es uns möglich doch die Zentralmatura anzutreten. Diese Entscheidung wurde hauptsächlich von uns Schülerinnen getroffen, denn uns war klar: Eine Matura nach altem Format wäre ein zu großes Risiko. Ein Risiko deshalb, weil die „alte Matura“ fremd zu sein schien. Vier Jahre lang wurden wir auf die Zentralmatura trainiert. Wir kannten kein anderes Format. Diese Entscheidung war also ergebnisorientiert. Wir wussten, dass wir gute Abschlussnoten benötigen würden, um in der Zukunft voran zu kommen.

Wenn ich mich bei einer Ausbildungsstätte oder Berufsstelle bewerbe, die ein Zeugnis verlangt, dann wird die Ziffer betrachtet. Eine Ziffer, die meine Zukunft bestimmt. Dieser Gedanke wird bereits Volksschülern eingeprägt. Wenn es um die Zulassung zu einem Gymnasium- oder Mittelschulplatzes geht, dann zählt jede Notenziffer. Umso niedriger, umso besser. Auch ich musste diese Tatsache früh lernen. Ich konnte mein Wunschgymnasium nicht besuchen, da ich in einem Fach nicht die Bestnote, sondern ein „Gut“ erreicht habe.

Hiermit stelle ich mir die Frage: Welchen Sinn hat es, erbrachte Leistungen der Schüler_innen auf eine Ziffer zu reduzieren? Ist es nicht viel aussagekräftiger eine Leistungsbeschreibung zu erhalten? So weiß ich sowohl als Schüler_in als auch als Elternteil, welche Kompetenzen verbessert werden sollten. Ein „Gut“ eines Kindes ist meist nicht mit dem „Gut“ eines anderen Kindes zu vergleichen. Während ein/eine Schüler_in diese Note aufgrund von „mangelndem“ Fachwissen oder Schulleistung vergeben wird, kann ein/eine andere/r Schüler_in dieselbe Note aufgrund von fehlender Mitarbeit im Unterricht erhalten. Schule wird leider immer mehr zum Wettbewerb. Kinder und Jugendliche vergleichen ihre Jahreszeugnisse und es entsteht so ein Leistungsdruck. Wenn mit den Schüler_innen nicht ausreichen kommuniziert wird, weshalb eine bestimmte Note eingetragen wurde, kann es oft sein, dass an der falschen Stelle gearbeitet wird. Wenn die „mangelnde“ Leistung nicht verbessert wird, aufgrund fehlender oder unzureichender Kommunikation, entsteht oft ein Frustgefühl und die Schüler__innen können das Interesse am Unterricht verlieren.

Dies ist meiner Meinung nach Grund genug, eine differenzierte Leistungsbeurteilung verpflichtend einzuführen. Auch wenn dies mit Umsetzungsschwierigkeiten verbunden sein mag, ist die Entwicklung der Schüler_innen in den Mittelpunkt zu stellen.

Autor: Laura Garnitschnig

Quelle:
Scholz, I. (2010). Pädagogische Differenzierung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht

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Was ist besser als ein Lehrer? Na klar, zwei Lehrer!

So einfach ist es dann leider doch nicht. Das Konzept des Team-Teachings baut auf der Kooperation zweier (oder mehrerer) Lehrpersonen auf um in vielfältiger Hinsicht den Unterricht und das soziale Umfeld im Rahmen der Klasse zu verbessern. Teamteaching öffnet viele Chancen, von welchen auch die Lernenden profitieren.

Die Lehrenden können sich gegenseitig entlasten, respektive unterstützen und somit differenzierter auf unterschiedliche Lernvoraussetzungen und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingehen. Beispielsweise können lernschwächere Schülerinnen und Schüler wirksamer in Gruppen betreut werden, ohne sie dabei abzugrenzen. Eine zweite Lehrkraft bringt den Luxus mit sich, dass heterogene Gruppen besser unterstützt werden können. Eine einzelne Lehrperson kann maximal auf eine Kleingruppe von 6-8 Lernenden eingehen ohne jemanden zu vernächlässigen oder den Fokus zu verlieren. Im Team ist es jedoch möglich eine gesamte Klasse zu betreuen und dabei Aufgabenstellungen, Hilfestellungen, Inputphasen und weitere Aufgabenbereiche effektiver aufzuteilen. Mehrere Lehrpersonen bringen ebenfalls vielfältigere Fähigkeiten (bspw. kommunikativ/sozial, fachlich etc.) ein, sodass eine Gestaltung des Unterrichts abhängig von Stärken und Schwächen der Lehrenden möglich ist.

Anfängliche Absprachen über Inhalt und Ablauf zwischen den Lehrkräften sind zwar zeitaufwändig und sollten unbedingt ausserhalb des Klassenzimmers geklärt werden, da diese von den Lernenden als Unsicherheit, Einschränkung oder auch Dominanz- bzw. Kompetenzunterschiede der Lehrenden empfunden werden können. Doch der gegenseitige Respekt anstelle von Konkurrenz und Machtkämpfen ist die optimale Basis für ein gut eingespieltes und funktionierendes Team. Auch das die angeprangerte Einzelkämpfergesellschaft in vielen Kollegien würde sich durch diese Maßnahmen auflockern. Allerdings ist Team-Teaching kein Konzept, dass entweder funktioniert oder nicht, sondern ein Prozess, welcher nur durch ständige Reflexion, offene Kommunikation und eine gut entwickelte Feedbackkultur erfolgreich durchgeführt werden kann.

 

 

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„Die Schule soll jedem Heranwachsenden dazu verhelfen, das für sie oder ihn mögliche Maximum an Kompetenzentwicklung zu erreichen.“ Dazu muss gesagt werden, dass natürlich dieses Maximum individuell zu sehen und nicht bei allen auf demselben Niveau ist.

 

Die heutige schulische Bildung hat eine Selektionsfunktion, meistens wird dieser Begriff aber vermieden und mit Begriffen wie „Auslese“ oder „Allokation“ umschrieben.

Laut Definition nach Fend versteht man unter „Allokation“ die Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf künftige Berufslaufbahnen, „Selektion“ hingegen meint den Ausschluss von gewünschten Bildungslaufbahnen. Die Verteilung erfolgt hier nicht nach den Wünschen und Interessen der Lernenden, sondern nur nach deren Leistung.

Die „leistungsbasierte Selektion“ kann als pädagogische Herausforderung betrachtet werden.

Die Forderung nach gleichen Berufs- und Aufstiegschancen für gleiche schulische Leistungen steht in einem Spannungsfeld zwischen dem Charakter und den Bedingungen des pädagogischen Handelns. Einerseits sollen Lehrpersonen ihre Schülerinnen und Schüler mit Empathie und Respekt behandeln, andererseits müssen die Lernenden auf ihre konkret erbrachte Leistung reduziert werden, damit sie „fair“ auf verschiedenste Berufslaufbahnen verteilt werden können.

Zugleich stellt diese Forderung von gleichen Berufschancen für gleiche schulische Leistungen eine weitere pädagogische Problematik dar. Damit verbunden ist nämlich die schwierige Aufgabe des exakten Leistungsvergleichs und exakten Leistungsmessung. Um die Leistung wirklich genau messen zu können, muss diese dekontextualisiert, standardisiert und quantifiziert werden. Der persönliche Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler – welcher immer als sehr bedeutend bezeichnet wird – wird hier nicht berücksichtigt.

Auch bei einer völlig standardisierten Leistungsmessung kann das Einfließen von subjektiven Einflüssen nie zur Gänze ausgeschlossen werden.

Zudem kann eine „Auslese nach Leistung“ bzw. eine „schulische Selektion nach Leistungen“ nicht als „gerecht“ im Sinne der Bildungsgerechtigkeit definiert werden.

Lernende sind rechtlich gesehen noch keine mündigen Personen. Somit haben Schulen es mit Heranwachsenden zu tun, bei denen sich deren Autonomiefähigkeit gerade erst entwickelt. Und bei dieser Autonomieentwicklung darf der entscheidende Einfluss der Schule nicht außer Acht gelassen werden. Man meint damit die Entfaltung von neuen Fähigkeiten und Fähigkeitspotentialen. Leider wird diese Ausbildung oft unterdrückt, indem dem heranwachsenden Individuum statische Fähigkeitspotentiale und Begabungen zugeschrieben werden. Und diese Zuweisung dient wiederum als Grundlage für seinen/ihren Ausschluss von verschiedenen Schulformen und Berufslaufbahnen. Laut 

schulischer Selektion gelten Fähigkeitspotentiale als schon früh festgelegt, dies ist aber nicht vereinbar mit den sozialen Anerkennungsvoraussetzungen von Bildungsprozessen insgesamt.

Da viele Schulsysteme nach Fends Schultheorie aufgebaut sind, darf diese hier nicht fehlen. Interessant ist, dass Bildung als Funktion von Schule bei Fend gar nicht vorkommt, er definiert folgenden Funktionen des Schulsystems: kulturelle Reproduktion bzw. Enkulturation, Qualifikation, Allokation, Integration und Legitimation.

Aber keine dieser Funktionen spiegelt den eigentlichen Bildungsprozess wider, wenn man Bildung als „Entwicklung einer autonomen Persönlichkeit, welche sich nicht gesellschaftlich funktionalisieren und welche sich nicht auf die Summer der Rollenzuweisungen reduzieren lässt, die die Gesellschaft an sie richtet“ sieht.  Die Schaffung von Voraussetzungen für die Persönlichkeit und die aktive Unterstützung dieser kann als übergeordnete Aufgabe der Bildungseinrichtungen betrachtet werden. Und schulische Selektion widerspricht dieser Aufgabe ganz klar (Stojanov, 2011, S. 165-174)!

 

Die gegenwärtige Schulkritik bzw. -reform möchte einen Wandel von Homogenisierung und Selektion zu individueller Förderung und Inklusion erzielen.

Kennzeichen bzw. Leitidee unseres heute noch weitverbreiteten Schulsystems ist die „Sehnsucht nach der homogenen Lerngruppe“. Die Orientierung an diesem veralteten Bild von einheitlichen Lerngruppen wird durch schulorganisatorische Maßnahmen wie Jahrgangsklassen, Rückstellungen vom Schulbesuch, frühzeitige Einordnung in Schulformen des gegliederten Schulsystems, Sitzenbleiben und Selektion in Sonderschulen deutlich.

Die Schule der Gegenwart gilt als Lektionen- und Unterrichtsschule mit folgenden Merkmalen:

  • Bildung erfolgt in homogenisierten Gruppen in einem mehrgliedrigen Schulsystem
  • der Fokus liegt auf einer Stundenabhaltung laut Lehrplan
  • das Augenmerk im Unterricht liegt auf dem Erwerb von Berechtigungen und dem Abprüfen von Leistungen
  • Schulen und Lehrpersonen sind grundsätzlich für die Erteilung von Fachunterricht zuständig
  • individuelle Förderung der Lernenden ist großteils vom persönlichen Engagement der Lehrkräfte abhängig und im System nur in wenigen Fällen vorgesehen
  • Schulen sind Selektionsagenturen

Die zuvor bereits erwähnte „Sehnsucht nach Leistungshomogenität“ oder oft auch das „Lernen im Gleichschritt“ steht im Gegensatz zu einer integrativen und individualisierten Pädagogik. Eine weitgehend selektionsfreie Schule bedarf einer Anpassung von Schule und Lehrkräften an unterschiedliche, einzigartige Schülerinnen und Schüler. Dabei ist es wichtig, dass Schulen und Lehrkräfte aktiv und produktiv mit Heterogenität umgehen – deshalb ist auch dafür zu sorgen, dass niemand zurückbleibt.

Diese „neue Schule“ kennzeichnen folgende Merkmale:

  • im Zentrum stehen die Bedürfnisse und Interessen der Lernenden – jede/r bekommt genau das, was sie/er benötigt
  • Wahrnehmung und Achtung der Schülerinnen und Schüler als ganze Person
  • Schule ist Lern- und Lebensraum zugleich
  • Heterogenität wird als Gelegenheit zum sozialen Lernen und zur Verständigung genutzt und wertgeschätzt
  • Prüfungen und Selektionsanlässe werden minimiert
  • Unterricht wird flexibler und geht auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler ein
  • Lernende haben Freiräume und arbeiten selbstständig und kooperativ an ihren Kompetenzen und erhalten Unterstützung und Begleitung seitens der Lehrkräfte

Eines aber ist klar, die Realität sieht anders aus und bedarf einer Veränderung auf allen Ebenen: auf Schulsystemebene, auf Einzelschulebene und didaktisch-methodischen Forderungen nach einer „neuen Lernkultur“. Unser derzeitiges Schulsystem gilt auf vielen Ebenen als überholt und nicht mehr zeitgemäß (Trautmann & Wischer, 2011, S. 17-19)!

Schulsysteme sind träge und setzten Neuerungen und Verbesserungen zu langsam um. Für die Etablierung einer „neuen Lernkultur“ braucht es die entsprechenden Rahmenbedingungen seitens des Gesetzgebers und der Schulbehörden. Im praktischen Schulbetrieb sind es natürlich die Lehrpersonen, die Veränderungen maßgeblich umsetzen – dazu bedarf es aber einer persönlichen Veränderungsbereitschaft und den Mut, neue Wege zu beschreiten.

      

 

Quellen:

Stojanov, K. (2011). Darf und soll die Schule selektieren? In K. Stojanov (Hrsg.), Bildungsgerechtigkeit. Rekonstruktion eines umkämpften Begriffs (S. 165-174). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Trautmann, M. & Wischer, B. (2011). Heterogenität in der Schule. Eine kritische Einführung. Wiesbaden: VS verlag für Sozialwissenschaften.

 

 

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„Wir haben Identitäten auf Zeit, dass wir uns für kurze Zeit zu etwas zugehörig fühlen, aber immer die Freiheit haben, in ein anderes Programm zu switchen, auch was uns selbst anbelangt.“ (Zitat 1)

Genau genommen verändert sich unsere Identität jeden Tag. Oftmals geschieht das unbewusst, manchmal aber bemerkt man diese innerliche oder äußerliche Erneuerung. Jeder Tag in unserem Leben ist unterschiedlich, man macht neue Erfahrungen, begegnet neuen Menschen, erhält neue Informationen. Kein Tag ist exakt gleich wie der vorherige. Durch diese Veränderungen wächst unsere Identität stetig. Johann Wolfgang von Goethe beschreibt dies in folgendem Zitat:

„Das Leben gehört dem Lebendigen an, und wer lebt, muß [sic] auf Wechsel gefasst sein.“ (Zitat 2)

Hier weist er darauf hin, dass sich nur das Lebendige verändern kann. Menschen und Tiere, Pflanzen und Blumen machen von diesen ständigen Veränderungen tagtäglich Gebrauch.

Bei den Menschen ist dieser Veränderungsprozess aber viel komplexer als bei Pflanzen oder Tieren. Ein Mensch ist beispielsweise dazu fähig, sich unterbewusst zu verändern. Eine solche Veränderung wird dabei nicht aktiv wahrgenommen, man wächst in eine Sache hinein. Dies geschieht wiederum durch die Gesellschaft, von der wir tagtäglich beeinflusst werden. Kommt es aber plötzlich zu einem unvorhergesehenen Ereignis, wie zum Beispiel zum Tod von einem Familienmitglied, wird einem sprichwörtlich der Boden unter den Füßen weggezogen, und es kommt zu einer abrupten Veränderung des Alltags. Die Wurzeln, die bereits tief im Boden verankert waren, werden mit einem Schlag herausgerissen. Dies hat Unzufriedenheit, Verzweiflung und Aussichtslosigkeit zur Folge. Die Maske, die man sich also unbemerkt, und oftmals durch den gesellschaftlichen Druck, aufgesetzt hat, verschwindet von einem Moment auf den anderen. Es kann somit nicht behauptet werden, dass Masken immer glücklich machen, obwohl sie das Leben in manchen Situationen auch durchaus positiv beeinflussen können.

Das am Beginn des Artikels angeführte Zitat behauptet, dass wir „immer die Freiheit haben, in ein anderes Programm zu switchen“. Doch dies ist, meiner Meinung nach nur in den wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern der Fall. Die Menschen, die beispielsweise in den armen und wirtschaftlich schwachen Regionen der Welt geboren werden, haben oftmals keinen Zugang zu Bildung oder sie haben aus religiösen Gründen keine Möglichkeit sich selbst und ihre Identität zu verändern.

…doch was ist das nun, die Identität? Abschließend kann man sagen, dass wir durch die ständigen Einflüsse von außen gezwungen werden uns mit unserer Identität ein Leben lang auseinanderzusetzen. Die Identität ist also keine beständige Maske, sondern muss immer wieder angepasst und erneuert werden.

Zitat 1: (Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/psychologie-die-suche-nach-der-eigenen-identitaet.1148.de.html?dram:article_id=315800)

Zitat 2: (Quelle: https://www.leadershipjournal.de/zitate-veraenderung/)

Autorin: Sonja Harrer

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Im letzten Eintrag wurde sich damit beschäftigt, ob von Seiten der Schulen der Inklusion etwas im Weg steht und am Ende stand, dass gerade durch die derzeitige Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte eigentlich nichts die Umstellung auf Inklusionsklassen behindert.

„In einem sozial-politischen Sinne wird die inklusive Schule nicht selten als Vorläufer einer inklusiven Gesellschaft angesehen.“  Ahrbeck (2016)

Dieser Auszug aus „Inklusion: eine Kritik“ deutet an, dass die Gesellschaft noch nicht bereit ist für Inklusion und das dies durch inklusive Schulen geändert werden kann. Auch eine von Knorre in Deutschland durchgeführte Online-Studie aus dem Jahr 2013 führt an, dass 41% der Befragten eine Unsicherheit im Umgang mit Menschen mit Behinderung  haben, wobei 8% davon versuchen den Kontakt mit diesen Menschen zu vermeiden. Diese Zahlen könnten in Zukunft sinken, da Inklusive Schulen den Jugendlichen die Chance biete den Umgang mit behinderten Menschen zu lernen.

Die von mir im Raum Pongau befragten Personen sprachen sich größten Teils für Inklusion in Schulen aus, besonders Eltern von schulpflichtigen Kindern sprachen sich positiv zu diesem Thema aus, da sie sich dadurch einen Anstieg der sozial Kompetenz ihrer Kinder versprechen und generell einen bessern Umgang mit behinderten Menschen. Dies spiegelt die Aussage von Ahrbeck wieder, dass durch inklusive Schulen eine Inklusive Gesellschaft entstehen kann. Auffällig war bei der Befragung die Altersgruppe bis 18, in dieser Gruppe fand sich, im Gegensatz zu den anderen Altersgruppen, nicht eine Person, welche sich gegen Inklusion in Schulen aussprach. Im Gegenteil alle waren der Meinung jeder Mensch hätte das gleiche Recht auf Bildung und soziale Strukturen, die beiden Inklusionsschüler, welche auch befragt wurden, waren sehr begeistert im normalen Schulalltag teilnehmen zu dürfen, da sie mit ihren Freunden aus der Volksschule aufsteigen durften.

Schwab (2015) meint jedoch, dass sich Schüler und Schülerinnen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf oft einsam fühlen, da sie eine geringere soziale Partizipation als ihre Mitschüler und Mitschülerinnen aufweisen, wenn sie den normalen Unterricht besuchen.

Als Fazit bleibt, soll es zu einer inklusiven Bevölkerung kommen, sollte in den Schulen der erste Schritt gemacht werden, um Menschen mit Behinderung besser in die Gesellschaft zu integrieren.

 

 

Literatur:

Ahrbeck, B. (2016). Inklusion: eine kritik. Kohlhammer Verlag.

Knorre, S. (2013). Wie steht es um die Inklusionsbereitschaft der deutschen Bevölkerung? Eine Evaluation der Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderung.

Schwab, S. (2015). Einstellung zur Integration im Zusammenhang mit sozialer Inklusion–Eine Fragebogenerhebung in österreichischen Integrations-und Regelschulklassen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 84, 66-67.