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Lehramtsstudierenden wird während der Ausbildung immer wieder vermittelt, wie wichtig es ist einen differenzierten und kompetenzorientierten Unterricht zu gestalten. Die Fachdidaktik in verschiedensten Fächern stützt sich auf die Annahme, dass Schüler_innen bessere Leistungen erbringen können, wenn der Unterricht sich nach ihren Anforderungen anpasst. Ein individualisierter Unterricht scheint also effektiver. Neben einem differenzierten Unterricht, gibt eine dementsprechende Leistungsbeurteilung den Schüler_innen eine Möglichkeit ihr Lernverhalten und ihre Persönlichkeit ausreichend zu entwickeln.

Nun stellt sich aber die Frage: Welchen Sinn hat es, die Schüler_innen individuell zu unterrichten und so die volle Leistung ausschöpfen, wenn diese dann am Ende wieder abstrakt als Ziffernnote kategorisiert wird. Diese Ziffernnote gibt nämlich meist kaum einen Hinweis zur erbrachten Leistung. Obwohl ein differenzierter Unterricht angepriesen wird, gibt es unzureichend Möglichkeiten differenzierte Leistungsbeurteilung durchzuführen.

Ein Hauptproblem scheint die Auslegung unseres Schulsystems auf die Selektion. Unser Bildungssystem fokussiert sich auf die inhaltliche Vermittlung von Fachwissen und auf die erbrachte Leistung der Schüler_innen. Dabei werden kooperative Leistungen, autonom erbrachte Leistungen und soziale Kompetenzen meist vollständig ignoriert.

Dies wird mir vor allem bewusst, wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke. Ich maturierte im Sommer 2014. Obwohl die Einführung der Zentralmatura kurzfristig um ein Jahr verschoben wurde, entschied sich unsere Schule für einen Schulversuch. So war es uns möglich doch die Zentralmatura anzutreten. Diese Entscheidung wurde hauptsächlich von uns Schülerinnen getroffen, denn uns war klar: Eine Matura nach altem Format wäre ein zu großes Risiko. Ein Risiko deshalb, weil die „alte Matura“ fremd zu sein schien. Vier Jahre lang wurden wir auf die Zentralmatura trainiert. Wir kannten kein anderes Format. Diese Entscheidung war also ergebnisorientiert. Wir wussten, dass wir gute Abschlussnoten benötigen würden, um in der Zukunft voran zu kommen.

Wenn ich mich bei einer Ausbildungsstätte oder Berufsstelle bewerbe, die ein Zeugnis verlangt, dann wird die Ziffer betrachtet. Eine Ziffer, die meine Zukunft bestimmt. Dieser Gedanke wird bereits Volksschülern eingeprägt. Wenn es um die Zulassung zu einem Gymnasium- oder Mittelschulplatzes geht, dann zählt jede Notenziffer. Umso niedriger, umso besser. Auch ich musste diese Tatsache früh lernen. Ich konnte mein Wunschgymnasium nicht besuchen, da ich in einem Fach nicht die Bestnote, sondern ein „Gut“ erreicht habe.

Hiermit stelle ich mir die Frage: Welchen Sinn hat es, erbrachte Leistungen der Schüler_innen auf eine Ziffer zu reduzieren? Ist es nicht viel aussagekräftiger eine Leistungsbeschreibung zu erhalten? So weiß ich sowohl als Schüler_in als auch als Elternteil, welche Kompetenzen verbessert werden sollten. Ein „Gut“ eines Kindes ist meist nicht mit dem „Gut“ eines anderen Kindes zu vergleichen. Während ein/eine Schüler_in diese Note aufgrund von „mangelndem“ Fachwissen oder Schulleistung vergeben wird, kann ein/eine andere/r Schüler_in dieselbe Note aufgrund von fehlender Mitarbeit im Unterricht erhalten. Schule wird leider immer mehr zum Wettbewerb. Kinder und Jugendliche vergleichen ihre Jahreszeugnisse und es entsteht so ein Leistungsdruck. Wenn mit den Schüler_innen nicht ausreichen kommuniziert wird, weshalb eine bestimmte Note eingetragen wurde, kann es oft sein, dass an der falschen Stelle gearbeitet wird. Wenn die „mangelnde“ Leistung nicht verbessert wird, aufgrund fehlender oder unzureichender Kommunikation, entsteht oft ein Frustgefühl und die Schüler__innen können das Interesse am Unterricht verlieren.

Dies ist meiner Meinung nach Grund genug, eine differenzierte Leistungsbeurteilung verpflichtend einzuführen. Auch wenn dies mit Umsetzungsschwierigkeiten verbunden sein mag, ist die Entwicklung der Schüler_innen in den Mittelpunkt zu stellen.

Autor: Laura Garnitschnig

Quelle:
Scholz, I. (2010). Pädagogische Differenzierung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht