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Verfasst von Diana Marie Thunhart und Julia Hirner

Im Vergleich zum letzten Jahrtausend gibt es heutzutage viele verschiedene Ansätze, wie an das Thema Inklusion im Bereich der Schulen herangegangen wird und werden kann. Vor allem in den letzten Jahren gab es auch immer wieder Innovativen und Schulversuche. Themen wie etwa das „Team Teaching“ waren dabei Zentrum vieler Debatten. In diesem Artikel möchten wir uns jedoch weniger auf allgemeine Schulkonzepte fokussieren, sondern vielmehr auf die Möglichkeiten der Lehrpersonen eingehen, Kindern und Jugendliche Inklusion näherzubringen. Aber auch Herausforderungen, die das Thema mit sich bringt, sowie bedenkliche Outputs von Statistiken haben wir in unsere Überlegungen mit einbezogen. 

Doch was ist mit dem Fachterminus Inklusion überhaupt gemeint? Inklusion bedeutet, dass niemand, aus welchen Gründen auch immer (oftmals Hautfarbe, Herkunft, Glaubensbekenntnis, Beeinträchtigung etc.) ausgeschlossen werden darf. Jeder Mensch ist einzigartig und das ist gut so! Wie langweilig wäre das Leben denn, wenn wir alle gleich wären? Alle haben von Geburt an verschiedene Rechte, die in der allgemeinen Erklärung für Menschenrecht festgeschrieben sind. Beispiele dafür sind: Freiheit, Gleichheit, Verbot der Diskriminierung, Recht auf Bildung usw. Jeder muss gleichermaßen an Ausflügen und Veranstaltungen teilnehmen können und es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden wie z.B. die Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer*innen und gehbehinderte Kinder und Jugendliche. Inklusion ist im gesamten Leben wichtig, nicht nur in der Schule. Doch leider sieht die Realität ganz anders aus – es gibt Hass gegen bestimmte Personengruppen oder Glaubensgemeinschaften, Dunkelhäutige Menschen werden immer noch diskriminiert und als kriminell abgestempelt, Mädchen/Frauen werden unterdrückt usw. Es muss also noch viel getan werden – doch gemeinsam können wir das schaffen und die Welt zu einem Ort machen, an dem jeder und jede gerne wohnt und so sein kann, wie er/sie ist!

Kinder sind von Natur aus neugierig und unvoreingenommen, sie urteilen nicht, sondern betrachten alles und jede/n ganz genau und stellen viele Fragen. Leider werden sie durch ihre Eltern, das Umfeld generell sowie das System Schule und auch diverse Medien beeinflusst und ihnen wird suggeriert, wer oder was richtig bzw. falsch ist. Nach und nach „erlernen“ sie so die negativen Glaubenssätze und Vorstellungen, die in unserer Welt herrschen und sie passen sich an, um dazuzugehören und gemocht zu werden. So werden sie nach und nach zu den Erwachsenen, die wir uns nicht wünschen sollten. Sie verlieren im Laufe der Zeit ihre kindliche Neugier und die Fähigkeit, keinen zu verurteilen, obwohl dies für eine Änderung der vorherrschenden Gegebenheiten so wichtig wäre. Doch ohne es wirklich zu merken, sind sie bereits im Kreislauf gefangen, der keine Sicht nach rechts oder links zulässt, wenn man nicht selber in den Mittelpunkt geraten möchte. Umso wichtiger ist es, als Elternteile bzw. als Lehrperson darauf zu achten, Vorurteile, Mobbing und Ausgrenzung immer wieder zu thematisieren und sie dadurch zu entstigmatisieren. 

Eine gute Basis dabei liefern beispielsweise Bücher und Gedichte, die genau solche Themen aufgreifen, wie z.B. „Der Rabe, der anders war“. In diesem Buch geht es um eine Gruppe von schwarzen Raben, die sich durch ihren enormen Zusammenhalt auszeichnen, bis sie eines Tages einen Raben entdecken, der so gar nicht zu ihnen passt – denn er ist ganz bunt. Auch von anderen Vögeln wie den Tauben, den Möwen, den Spatzen und der Eule wird er beäugt und als nicht erwünscht abgestempelt. Einzig der Nebel ist ihm wohlgestimmt und plötzlich ändert sich alles. Genau mit solchen Texten kann bereits jungen Kindern bewusst gemacht und aufgezeigt werden, dass niemand besser oder schlechter ist, wir sind alles Menschen, die es wert sind, auf dieser Erde zu sein und gut behandelt werden wollen und sollen.

Der Einsatz von Kinderbüchern, die Inklusion in eine kindgerechte Geschichte einbetten, ist also auch im Unterricht eine kluge Wahl, um Schüler*innen an das Thema heranzuführen. Dabei ist es jedoch wichtig, dass sich alle Kinder beziehungsweise Jugendlichen einer Schulklasse gemeinsam mit dem Thema beschäftigen sollten, nicht nur jene mit Sonderpädagogischem Förderbedarf. Ansonsten ist der unerwünschte Fall nämlich nicht auszuschließen, dass aus falsch praktizierter Inklusion plötzlich Exklusion wird. Geschieht dies, werden Schüler*innen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf wieder extra herausgehoben und mit einem Sonderstatus behaftet, welche sie wiederum vom Rest der Klasse abspaltet. Experten raten außerdem, dass inklusiver Unterricht so bald wie möglich stattfindet. Denn je jünger die Kinder sind, desto eher nehmen sie auch solch komplexeren Inhalte leicht auf und halten die Inklusions-Thematik für „selbstverständlich“. Je älter die Kinder sind, desto vorgefertigter sind ihre Meinungen und desto mehr sind sie bereits von ihrem Umfeld beeinflusst worden – was hinsichtlich der Thematik positiv oder aber auch negativ sein kann. (Werning, 2014, S.616)

Zu bedenken gibt jedoch, dass, statistisch gesehen, in der Grundstufe viel mehr Fokus auf Inklusion liegt als in höheren Bildungsstufen. Dies liegt beispielsweise daran, dass die Homogenität (welche durch Alter, Interessen, usw. erreicht wird) viel mehr gegeben ist als in höheren Bildungseinrichtungen. Dabei reicht allein der Schritt von der vierten Klasse Volksschule auf die erste Klasse Sekundarstufe I aus, um enorme Heterogenität zu erzeugen. Dies ist zwar einerseits wünschenswert, da sich die Persönlichkeit und somit auch die Interessen und Denkweisen der Kinder und Jugendlichen herauskristallisieren – in unserem reglementierten Schulsystem lässt solch eine heterogene Zusammenstellung jedoch kaum Spielraum für das Eingehen auf Einzelne, sprich auch nicht für eingehende, inklusive Pädagogik. Weitere Ursachen dafür sind beispielsweise auch der „verstärkte Fokus am Unterrichtsstoff“, die „vorgegebene Leistungsmessung“, die „fehlende Kooperationszeit“ und noch einige weitere, wie Werning (2014, S.614) schreibt. Als Grund dafür äußert der Autor: „Inklusiver Unterricht stößt da an Grenzen, wo die Aspekte der Individualisierung und Differenzierung, der integrierten Förderung und der individualisierten Bewertung nicht umgesetzt werden (können).“ (Werning, 2014, S.614) Daher ist vor allem die Einstellung der Lehrperson, welche den Unterricht gestaltet, essenziell, um so auch ‘älteren’ Lerner*innen den Sinn für inklusives Denken mitzugeben.

Alles in allem ist Inklusion also ein Thema, welches uns im Alltag sowie im Schulalltag stets begleitet und deshalb auch Kindern von klein auf mitgegeben werden sollte. Dabei gibt es viele „vorgefertigte“ Systeme, die im Unterricht angewandt werden können, aber wie sich zeigt, sind auch diese fehlerhaft. Wie so oft liegt es also an den Pädagog*innen, Kindern und Jugendlichen Inklusion (beispielsweise anhand von Literatur) zu vermitteln. Wir als Lehrperson können also auch, oder eher vor allem, in diesem Bereich eine Menge bewirken und selbst wenn es uns nicht immer möglich sein wird, sollten wir es zumindest versuchen.

 

Bibliographie:

Werning, R. (2014). Stichwort: Schulische Inklusion. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 17 (4), 601-623. Wiesbaden: Springer. doi 10.1007/s11618-014-0581-7.

Als eine von vier Mädchen habe ich mich mit elf Jahren im Werkunterricht unter zwanzig Burschen zunächst falsch am Platz gefühlt. In der Schule konnten wir es uns damals aussuchen, ob wir textiles oder technisches Werken besuchen wollten und da mein Opa zu Hause eine große Werkstatt hatte, wollte ich natürlich lernen, wie ich ihm beim Holz Verarbeiten helfen kann. Die restlichen Mädchen in meiner Klasse hatten sich allerdings für textiles Werken entschieden, denn „Technisches Werken ist doch was für Burschen!“ – nicht nur von Mitschüler*innen, sondern auch von Lehrkräften habe ich dies mehrmals zu hören bekommen.

Aber woher kommt das? Warum sind Geschlechtsstereotype in unserer westlichen und, ich möchte doch behaupten, relativ aufgeklärten Gesellschaft immer noch so präsent? Um diese Fragen zu klären, muss zunächst deutlich gemacht werden, was mit Geschlechtsstereotype im Allgemeinen gemeint ist und wie diese überhaupt entstehen. In ihrem Werk „Gender-Sprache-Stereotype: Geschlechtersensibilität im Alltag und Unterricht“ (2020) schreibt Prof. Dr. Hilke Elsen dazu folgendes:

Geschlechtsstereotype setzen sich aus Informationen zu Person, Aussehen, Kleidung, Verhalten und Interessen (Freizeit, Spiele), Charakterzügen, Beruf, Namen und sprachlichem Verhalten zusammen. Sie werden in einem komplexen Netzwerk miteinander assoziiert und im Laufe des Lebens unterschiedlich gewichtet. […] Die Kinder nehmen andere in ihrem Verhalten und Aussehen wahr und erhalten Reaktionen auf eigenes Aussehen und Verhalten: Je mehr Frauen mit langen Haaren und Kleidern auftreten, desto stärker wird die Korrelation für das Konzept ‚Frau‘. Je häufiger und stärker ein Junge reglementiert wird, wenn er einmal einen Rock anziehen möchte, desto stärker wird die Korrelation ,Mann‘ – ‚kein Rock. (S.109)

Geschlechtsstereotype sind also kulturabhängig und werden großteils erlernt. Allseits bekannte Auffassungen wie etwa „Mädchen sind sprachbegabter als Burschen, dafür sind diese handwerklich geschickter“ werden in der Regel aber auch nicht hinterfragt, sondern blindlinks angenommen und weitervermittelt. Aber steckt man die Schüler*innen somit nicht direkt in eine Schublade? Meiner Meinung nach ist dies sehr wohl der Fall. Auch Elsen (2020, S. 110) findet, dass obwohl vermutet wird, dass Kinder (bedingt durch Hormone und Gehirnstruktur) bis zu einem gewissen Grad ein vorgefertigtes, geschlechtsspezifisches Denken haben, das „soziale Umfeld“ eine wesentliche Rolle spielt. Sie meint: „[…] das soziale Umfeld lenkt von Anfang an das Augenmerk auf entsprechende Sollvorgaben. Kinder lernen in der Familie im Alter von wenigen Monaten, was von ihnen erwartet wird.“ (Elsen, 2020, S.110)

Also bereits vom Elternhaus aus werden häufig geschlechtsstereotypische Werte vermittelt. Elsen (2020, S. 110) führt hierbei das Spielen mit Puppen an, welches stereotypisch Mädchen zugeschrieben wird. Ein weiteres Beispiel dafür sind sogenannte „Baby showers“, also Partys auf denen werdende Eltern das Geschlecht ihres Babys bekannt geben. Diese sind momentan stark im Trend und ein hervorragendes Beispiel, wie Kinder bereits vor ihrer Geburt an geschlechtsspezifische Vorurteile gebunden werden. Um das jeweilige Geschlecht bekannt zu geben, werden nämlich meist die Farben rosa und blau verwendet, wobei rosa für ein Mädchen und blau für einen Jungen steht. Diese zwei Farben sind in unserer Gesellschaft heutzutage, aufgrund der starken Konnotation, quasi ein Symbol für die zwei traditionellen Geschlechter geworden. Selbst in Schulbüchern finden sich, neben anderen geschlechtsstereotypischen Äußerungen, Beispielen und Abbildungen, immer wieder diese zwei Farben als Kennzeichnung für die Geschlechter Frau und Mann. Dass ein Junge aber beispielsweise rosa lieber mögen kann als blau, scheint dabei egal zu sein. Aus Erfahrung kann ich leider sagen, dass so ein Junge in der Schule dafür vermutlich schräg angeschaut oder womöglich sogar dafür gemobbt würde. Der Grund dafür wäre einzig und allein, dass er nicht der Geschlechtsstereotype entspricht.

In der Schule ist hinsichtlich des Themas also offensichtlich noch reichlich Aufklärungsbedarf und Veränderung nötig. Die Personen, welche in diesem Bereich (neben den Eltern und Kindergartenpädagog*innen) viel Einfluss haben und folglich auch etwas bewirken können sind die Lehrkräfte. Aufgrund dessen ist es ausschlaggebend, dass im Unterricht diese Geschlechtsstereotype direkt angesprochen und auch besprochen werden. Zudem sehe ich es als Lehrauftrag einer jeden Lehrperson, die im Unterricht verwendete Sprache dahingehend anzupassen, dass Geschlechtsstereotype (zumindest weitgehend) vermieden werden. „Denn Kinder nehmen Stereotype anders wahr als Erwachsene, sie können die Verallgemeinerungen und Verzerrungen noch nicht erkennen und binden die Stereotype aktiv in ihre Wirklichkeitskonstruktionen ein. Sie konstruieren Geschlecht anhand der Geschlechtsstereotype und Verhaltenstypisierungen.“ (Elsen, 2020, S. 110) Was die Kinder also im Schulalltag an Geschlechtsstereotypen hören und lernen, nehmen sie in der Regel ohne weiteres Hinterfragen auf und halten es für wahr. Auch Studien (Hilliard und Liben, 2010 und Liben, 2001) an Volksschulkindern haben gezeigt, dass dies der Fall ist. Im Vergleich zu den Kontrollgruppen, haben die Kinder der Versuchsgruppen ein stark verändertes, geschlechtsstereotypes Verhalten aufgewiesen, nachdem diese einige Wochen lang im Unterricht mit Geschlechtsstereotypen konfrontiert wurden. (Elsen, 2020, S. 110)

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Geschlechtsstereotype leider immer noch der Regel angehören. Im Alltag zu Hause und auch im Schullalltag ist dies der Fall und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder dabei keine Chance haben, objektiv zu bleiben da sie nicht erkennen können, dass Geschlechtsstereotype bloß Vorurteile sind und nicht der Realität entsprechen. Es ist daher also der Auftrag der Eltern und vor allem auch der Pädagogen im Bildungsbereich, dieses Thema aktiv anzugehen, die Schüler*innen aufzuklären und mit ihnen darüber zu diskutieren. Denn um nochmals auf die anfängliche Frage, weshalb Geschlechtsstereotype in unserer heutigen Gesellschaft immer noch so präsent sind, zurückzukommen: es liegt an unserer Gesellschaft selbst. Trotzdem wir relativ aufgeklärt sind in unserem westlichen Lebensstil, gibt es immer noch verankerte Annahmen und Prinzipien, die zwar längst überholt sind, jedoch weitervermittelt und praktiziert werden. Aber wollen wir den jüngeren Generationen nicht doch lieber zeigen, dass ihnen die Welt offen steht? Dass sie die Farben mögen können, die sie wollen, dass sie den Beruf ausüben können, den sie wollen und dass sie sein können, wie und wer sie wollen – alles, ohne dabei aufgrund veralteter Geschlechtsstereotype verurteilt, sondern im Gegenteil, in ihren Vorhaben bekräftigt zu werden?

 

Bibliographie:

Elsen, H. (2020). Gender-Sprache-Stereotype: Geschlechtersensibilität in Alltag und Unterricht. Tübingen: utb GmbH.