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Einführung in die Wertevermittlung im Unterricht

Verfasst von Lena Lesslhumer & Sarah Hammelmüller

In unserem letzten Artikel ging es um die Probleme die Stereotypen und subjektive Vorurteile mit sich bringen. Gerade deshalb muss diese hohe zwischenmenschliche Mauer bestmöglich überwunden werden. Aber wo fängt man an? Welche Maßnahmen können gesetzt werden und ist es überhaupt möglich einen menschlichen Grundwert zu erlernen?

Zu Beginn muss erwähnt werden, dass es in diesem Artikel um Werte geht, die eine allgemeingültige, also kulturunabhängige und oftmals zeitlose Beständigkeit aufweisen. So beschäftigen wir uns in diesem Artikel als Erstes näher mit dem Begriff der Toleranz (vgl. Steinherr 2017:56).

Toleranz bedeutet, „aus Menschenliebe bewusst ein Fehlverhalten, das einem selbst nachteilig werden kann, [zu dulden]“. Es bedeutet aber auch, Merkmale der Mitmenschen, die man selbst als negativ betrachtet, zu akzeptieren. Denn nur weil diese nicht dem eigenen Ideal entsprechen, gelten sie nicht als allgemein schlecht oder falsch.

Dennoch verurteilen gerade jüngere Personen andere vorschnell, da sie selbst noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität sind und dazu neigen, das von der Norm abweichende abzustempeln, da sie die Vorgänge innerhalb der Gesellschaft noch nicht hinterfragt haben. (vgl. Steinherr 2017:184f)

Die Ursache dafür, dass Menschen eine geringe Toleranz anderen gegenüber aufweisen kann also zu einem großen Teil darin gesehen werden, dass sie quasi zu beschäftigt mit sich selbst sind und so die Andersartigkeit an Plausibilität verliert.

Wird also im Unterricht konkret gefordert, sich mit den Ansichten der anderen auseinanderzusetzen, können die Gründe, warum sich beispielsweise jemand in dieser Art und Weise verhält, sichtbar gemacht werden.

Sobald man versucht, diese vorher unerklärlichen Dinge nachzuvollziehen, entsteht Toleranz und aus ihr kann Akzeptanz entstehen. Egal ob man das Verhalten des anderen für gutheißt oder nicht, toleriert man es, schützt man den Willen des Gegenübers und hierin liegt die Essenz dieses Wertes. (vgl. Steinherr 2017:187) Wie Sie vielleicht schon vermutet haben, kann Toleranz also grundsätzlich mit den richtigen „Werkzeugen“ aufgebaut werden.

Konkrete Anregungen für das Erlernen von Toleranz im Unterricht bietet das Buch von Eva Steinherr, das Grundlage für diesen Artikel war, nämlich Werte im Unterricht: Empathie, Gerechtigkeit und Toleranz leben. Beispielsweise kann eine Geschichte zu einem bestimmten Thema (über Rassismus, Mobbing, Gender, Ausgrenzung, …) mit den Schüler*innen gelesen werden. Andere Quellen wie Bilder, Filme oder Zitate können auch herangezogen werden. Danach folgt ein offenes Gespräch in Kleingruppen oder im Plenum, die Lehrperson kann dazu Leitfragen für Anregungen auf die Tafel schreiben. Wichtig dabei ist die freie Meinungsäußerung sowie das Akzeptieren und Zuhören der Anderen.

Ein weiterer wichtiger Begriff, der oftmals aufgrund der Vielschichtigkeit des Wortes und der subjektiven Auffassung einer selbst falsch interpretiert wird, ist der Ausdruck Empathie. Laut dem Duden wird Empathie als Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen (Dudenredaktion (o. J.): „Empathie“ auf Duden online. Online unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Empathie (26.05.2021). Gerade im Schulalltag ist es wichtig den Schüler*innen ein klares Bild von Empathie zu vermitteln, um die Inklusion im Klassenzimmer zu stärken. Denn genau hier entstehen die ersten Konflikte und emotionalen Erfahrungen mit Personen außerhalb der Familie. Somit ist es unabdingbar genannte Werte den Schüler*innen näherzubringen.

Es ist von Bedeutung, dass Schüler*innen lernen sich in andere Personen hineinversetzen zu können und ein offenes Ohr oder Hilfe anbieten zu können. Die Herausforderung, gerade bei jungen Menschen, besteht darin sich selbst zuerst wertschätzen zu lernen, um später jemand anderen besser beiseite zu stehen. (vgl. Steinherr 2017:134)

Auch für diesen Begriff bietet die Autorin Eva Steinherr gute Vorschläge, um den Umgang mit Empathie zu erleichtern. Angefangen von Rollenspielen mit Themen bezogen auf den Alltag der Schüler*innen sowie gemeinsamer Nachbesprechung im Plenum, bis zum Analysieren von Texten, Zitaten, Bildern und Filme. Mit gezielter Fragestellung, welche zum Nachdenken anregen soll, werden diese dann gemeinsam in der Klasse besprochen. (vgl. Steinherr 2017:139)

Das Schulsystem hat sehr wichtige Aufgaben, dazu zählt nicht nur die Bildung von Wissen und Fähigkeiten, sondern auch die Werteerziehung. Dabei soll eine gemeinsame Basis im Zusammenleben erlernt werden, welche besonders die Inklusion aller Menschen anzielt. Werte wie Toleranz und Empathie spielen dabei eine ganz große Rolle. Um den Schüler*innen die Bedeutung erklärter Begriffe näherzubringen ist es wichtig als Lehrkraft davor über die Brisanz nachzudenken, zu reflektieren und vor allem dann auch wie ein Vorbild zu agieren.

 

Quellenverzeichnis:

Dudenredaktion (o. J.): „Toleranz“ auf Duden online. Online unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Toleranz (26.05.2021).

Dudenredaktion (o. J.): „Empathie“ auf Duden online. Online unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Empathie (26.05.2021).

Steinherr, E. (2017). Werte im Unterricht. Empathie, Gerechtigkeit und Toleranz leben. Kohlhammer Verlag: Stuttgart S. 122–146 & S. 184–197.

Verfasst von Lena Lesslhumer & Sarah Hammelmüller

In einem Schuljahr war Geschichte und politische Bildung mein Lieblingsfach und im nächsten war ich froh, wenn die Schulglocke das Ende der Stunde ankündigte. Meinen Schulkolleginnen ging es dabei ähnlich. Der ausschlaggebende Unterschied zum Vorjahr? Der neue Geschichte-Lehrer, mit ihm fiel mein Interesse und gleichzeitig mein Lernerfolg für mein einstiges Lieblingsfach in den Keller. Lehrkräfte befinden sich im ständigen Kontakt mit anderen Individuen, man könnte fast sagen der Beruf des Lehrers ist ein Beziehungsberuf. Aber hängt guter Unterricht tatsächlich nur von der Lehrperson ab? Und, ist eine gute Lehrerinnen-Schüler*innen-Beziehung wirklich eine Voraussetzung für einen gelingenden und spannenden Unterricht?

Laut dem Artikel Die Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung für die Lern- und Leistungsmotivation von Schülern von Dölf Looser sind die zwei Faktoren, nämlich schulisches Lernen und qualitativ wertvolle Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung eng miteinander verbunden. Besonders wenn die Lern- sowie die Leistungsmotivation dadurch beeinflusst werden. (Looser, 2017, Seite 5). Genau diese erwähnten Werte werden am besten mit der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan gefördert. Im Prinzip hat jede Person drei grundlegende psychologische Bedürfnisse: (Deci / Ryan, 1993, Seite 229):

Das Bedürfnis nach Eingebundenheit oder sozialer Zugehörigkeit, das Bedürfnis nach Kompetenz oder Wirksamkeit und das Bedürfnis nach Autonomie oder Selbstbestimmung.

Mit dem gezielten Einsatz der Theorie von Lehrkräften steigert es nicht nur die Lern- und Motivationswerte, sondern auch die Beziehung zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen.

Dennoch ist gerade diese Beziehung, die von so zentraler Bedeutung ist, oftmals schon von vorneherein mit Vorurteilen belastet.

Hierzu fällt mir sofort ein weiteres Beispiel aus der eigenen Schulzeit ein. Jedoch auf der Seite der Vorurteile, die Schüler*innen gegenüber Lehrer*innen haben und so scheint es mir, dass diese weitaus weniger oft in dem Kontext dieser komplexen zwischenmenschlichen Beziehung genannt wird.

In den Sommerferien ging unsere damalige Spanisch-Lehrerin in Karenz, weshalb wir pünktlich zu Schulbeginn eine neue Lehrperson begrüßen dürften. Doch es kam anders. Als wir voller Neugierde auf „den*die neue*n“ warteten, wurde unsere Vorfreude mit dem Öffnen der Klassenzimmertür zerstört: Es stand kein*e Junglehrer*in im Klassenzimmer, sondern genau die, vor der die Schwester eines Mitschülers schon gewarnt hatte. Laut Erzählungen war sie „der Horror“, man würde in der Stunde nichts lernen, und ihre Schularbeiten seien so schwierig, man bräuchte es nicht mal probieren sich darauf vorzubereiten, weil es „bestenfalls, wenn du richtig gut bist, ein 3er wird“. Aber einen 4er gäbe sie dir, weil sie keine Nachschularbeit schreiben wollen würde.

Nach einer kurzen Schockstarre, in der es in unserer Klasse mucksmäuschenstill war, begannen die ersten zu tuscheln. Wir waren uns alle in unserer Unsicherheit einig, wussten nicht genau, was wir jetzt „davon“ halten sollten. Würden wir es mit „der“ überhaupt bis zur 5. Klasse schaffen?

Hier sei kurz erwähnt, dass wir eine relativ gute Klassendynamik aufwiesen und für unser Alter teilweise schon sehr reflektiert handeln konnten. So berief unsere Klassensprecherin eine „Intervention“ ein, in der wir gemeinsam beschlossen, dieser Lehrerin eine Chance zu geben.

Und nein, das war kein Zuckerschlecken. Vor allem dann nicht, wenn mal etwas schief ging, man nicht die Note bekam, die man sich erhofft hatte. Dann musste man sich nämlich aktiv an der Nase nehmen, und sich selbst eingestehen: „Das hat nichts mit ihrer Lehrqualität zu tun.“ Natürlich, war sie nicht perfekt, aber welcher Mensch ist das schon? Wir sind die restlichen drei Jahre unseres Schüler*innen-Daseins sehr gut mit dieser Lehrkraft ausgekommen, weil wir ihr eine Chance gegeben haben und ich denke, das wusste sie und deshalb hat sie sie auch genutzt.

Noch heute denke ich oft an dieses Beispiel zurück, um mich daran zu erinnern, mir zuerst selbst ein Bild meines Gegenübers bzw. seines Verhaltens zu machen, bevor ich entscheide welche Gefühle ich ihr*ihm entgegenbringe. Denn wenn wir nicht aufpassen, wird unsere voreingenommene Haltung zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

Was sollte man also aus diesen Zeilen mitnehmen: Eine Chance ist besser als keine. Außerdem ist klar, dass Vorurteile, jede einzelne zwischenmenschliche Beziehung beeinflussen. Egal, ob es um generelle Stereotypen oder aber um subjektive Vorurteile geht, durch sie entsteht in gewisser Weise eine Mauer zwischen den Menschen und es ist klar, dass es eine gewisse Anstrengung kostet, diese zu überwinden. Aber kann man „Chancen geben“ lernen? Wie schwierig ist es, sich eine offene Haltung „anzueignen“? Oder geht es hier um Persönlichkeitsmerkmale, die nur schwer zu ändern sind? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in unserem nächsten Artikel auf dem Grund.

Literaturverzeichnis:

Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39 (2), S. 229.

Looser, Dölf (2017). Die Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung für die Lern- und Leistungsmotivation von Schülern, Erziehungskompetente Lehrer aus der Perspektive der Selbstbestimmungs- und Erziehungsstiltheorie. in Lehren & lernen 43 (3), S. 3–10.

Linguizismus

Verfasst von Lena Lesslhumer & Sarah Hammelmüller

Kinder mit andere Erstsprache als Deutsch sind schon lange nicht mehr nur in den Großstädten auffindbar. Die Sprachenvielfalt gehört in den österreichischen Schulen schon längst zum Alltag. Denn Fakt ist, mehr als die Hälfte der in Wien lebenden Schüler*innen haben eine andere Muttersprache als Deutsch, das ist die Realität.

Oftmals ist es so, dass Kinder und Jugendliche im Elternhaus und in ihrer Freizeit in ihrer Muttersprache reden, aber im Schulalltag auf Deutsch „umswitchen“. Häufig hat das zur Folge, dass sie ihre Muttersprache nur noch mangelhaft beherrschen und Deutsch nur spärlich anwenden können. Liegt es am Schulsystem selbst, an den Lehrkräften oder doch an der Unterstützung zu Hause?

Ein großes Problem stellt die alltägliche Diskriminierung der Schüler*innen dar. Kein Schultag vergeht, an dem ein*e Schüler*in nicht aufgrund seines*ihres Nachnamens, der anderen Aussprache oder des etwas anderen Aussehens diskriminiert wird. Diese Art von Ausgrenzung wird auch als Form von Rassismus bezeichnet und wird Linguizismus genannt.

Mir stellt sich immer wieder die Frage, wie wir als angehenden Lehrer*innen diese Probleme, welche zunehmend relevanter werden, bekämpfen können. Nicht zuletzt deshalb, weil man sich auch selbst hin und wieder dabei ertappt, ungewollt in genau diesen Kategorien zu denken und sich unbewusst schon im Vorhinein, ohne tatsächliche Fakten zu haben, ein Bild von einem anderen Menschen zu machen. Gerade hier ist es von Nöten, immer wieder die eigenen Meinungen diesbezüglich zu reflektieren und so in puncto Aussagen oder Verhalten größtmögliche Objektivität gegenüber anderen zu gewährleisten.

Des Weiteren soll, wie es Melisa Erkurt in ihrem Buch „Generation haram: Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben“ im Kapitel „Wieso können Sie so gut Deutsch?“ erfasst, das generelle Problem der Mehrsprachigkeit bereits im Kindergarten thematisiert werden.

Um die Sprachentwicklung geeignet für alle Kinder zu fördern, ist der ständige Kontakt mit der Sprache Voraussetzung, Bilder- sowie Hörbücher begünstigen das Lernen. In Ausnahmefällen sollte immer ein Logopäde zur Verfügung stehen. Des Weiteren sollte man nicht gegen, sondern mit Hilfe der Muttersprache die Sprachentwicklung fördern.

Aber wie bereits erwähnt, ist nicht nur die Fähigkeit des Sprachgebrauchs, sondern die allgegenwärtige Diskriminierung eine große Problematik.

Nach Deutsch sind Türkisch und Serbisch in Österreich die meist gesprochenen Sprachen. Jedoch fällt das kaum jemanden auf. Die Diskriminierung beziehungsweise das Zurechtweisen, dass in Österreich ohne Ausnahme Deutsch gesprochen wird beginnt bereits am Schulhof. Es kommt nicht selten vor, dass Schüler*innen von Lehrkräften oder Mitschüler*innen ermahnt werden gefälligst Deutsch zu sprechen.

In Bezug auf die Diskriminierung sei auch erwähnt, dass besonders das Sprechen von nicht romanischen Sprachen als verpönt gilt oder oft als Nachteil für das Erlernen von anderen Sprachen wahrgenommen wird, was natürlich absolut nicht stimmen kann.

Bricht man die Mehrsprachigkeit herunter so fällt auf, dass jede*r einzelne, egal ob mit Migrationshintergrund oder nicht, tagtäglich unterschiedliche Sprachen nutzt: Innerhalb der Familie wird im Dialekt gesprochen, unterhält man sich über technische Phänomene so kommt man um Termini aus dem Englischen nicht herum. Holt man sich in der Mittagspause etwas zu Essen bestellt man einen Kebap, abends genießt man Spaghetti Bolognese.

Auch wenn es so mancher vielleicht möchte während sieer sich auf Traditionen besinnt, man kann Mehrsprachigkeit nicht entfliehen. Nutzen wir sie als Chance nicht nur unsere Sprache, sondern auch unser Denken weiterzuentwickeln.