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Egalitäre Differenzen in der Bildung?

Eine egalitäre Differenz. Was würden Sie mit diesem Begriff assoziieren? Handelt es sich hier nicht eigentlich um eine Antithese in einem Satzgefüge?

Zur Erklärung, der Begriff Egalität wird gemäß dem Duden determiniert als „politische oder soziale Gleichheit, Gleichberechtigung“ (Dudenredaktion, o.D.). Und die Differenz trägt im Wörterbuch die Definition „Verschiedenheit“ (Dudenredaktion, o.D.). Verschiedenheit und Gleichheit gelten somit als gegensätzliche Termini. Das Prinzip der egalitären Differenz besteht allerdings nicht darin diese gegenüber voneinander existieren zu lassen sondern nebeneinander zu stellen und in der Kombination anzuwenden, vor allem im Bildungskontext im Sinne einer „Pädagogik der Vielfalt“ (Prengel, 2001, S.96). Wie genau diese Form der Erziehungslehre aussehen soll, dazu später mehr.

Nun soll nämlich darauf eingegangen werden, dass unser derzeitiges Bildungssystem offensichtlich noch nichts von dieser Initiative oder Idee gehört zu haben scheint, beziehungsweise dürfte man in der Umsetzung größtenteils gescheitert sein. Diese Chancengleichheit beziehungsweise Gleichberechtigung bei Toleranz und Wertschätzung von allen „askriptiven Faktoren“ (Schneickert, 2013, S.1) wie die Herkunft, das Geschlecht, die individuellen Orientierungen, etc., wäre optimal für ein gerechtes, effektives Bildungssystem fern von Exklusion, Diskriminierung, Wertehierarchien. Allerdings, traurig aber wahr, bestehen diese Prinzipien fern von unseren Bildungsinstituten.

Christian Schneickert beschäftigt sich in seinem Werk „Illusion der Chancengleichheit“ (2013, S.1-5) mit der Positionierung und Funktion von Universitäten und vor allem von Schulen in unserer Gesellschaft. Er verweist auf die Soziologen Pierre Bourdieu und Jean-Claude Passeron, die in diesem Sinne um 1960 bereits auf wertvolle aber erschreckende Erkenntnisse bezüglich vieler Bildungsinstitute in Europa (natürlich gibt es immer Ausnahmen!) gestoßen sind.

Diese Erkenntnisse sollen nun kurz skizziert werden. Indem die SchülerInnen nach ihren Leistungen bewertet werden, würde man davon ausgehen, dass sogenannte „Bildungs- und Leistungshierarchien“ (Schneickert, 2013, S.1) gebildet werden, allerdings werden dadurch Wertehierarchien in einem sozialen Gesellschaftssystem rekonstruiert sowie produziert. Vor allem die Abschlüsse an unterschiedlichen Schulen, die wiederum über einen gewerteten Status verfügen, ordnen denjenigen Absolventen oder diejenige Absolventin in eine bestimmte Klasse ein, wodurch je nach den dadurch erworbenen Privilegien verschiedene Berufs- und Ausbildungswege angestrebt werden können, beziehungsweise „müssen“, vorgegeben in einer gesellschaftlichen Wertehierarchie (auch hier gibt es natürlicherweise und glücklicherweise Ausnahmen!). Die Bildungsinstitutionen haben somit den Auftrag der „Legitimierung sozialer Ordnung“ (Schneickert, 2013, S.1).

Und nun fragt man sich, weswegen das Bildungssystem eigentlich so stabil in einer Gesellschaft steht und nie hinterfragt wird. Laut Schneickert (2013), beziehungsweise nach Bourdieu und Passeron, gilt in einer Gesellschaft die Grundannahme sowie Überzeugung, das Bildungswesen besteht vorzüglich aus einer Bildung und Ausbildung, nichts weiter. Diese angeführten Erkenntnisse erklären, weswegen diese „Chancengleichheit“ eine reine Annahme in der Theorie ist, jedoch in der Praxis keineswegs umgesetzt wird. (vgl. Schneickert, 2013, S.1)

Genau dies Chancengleichheit würde nun aber in einem von egalitären Differenzen geprägten Bildungssystem umgesetzt werden. Gleichberechtigung bei Wertschätzung von Vielfalt und Andersartigkeit. Die Konstruktion und Produktion einer sozial strukturierten hierarchisierten Gesellschaft hätte hier keinen Platz. Es wird hier gemäß Prengel (2001) versucht, sich der „Heterogenität“ (Prengel, 2001, S.99) anzupassen und diese zu fördern, „die sich nicht in Hierarchie-, Komparativ-, Symmetrie- oder Analogiebildungen überführen lassen“ (Prengel, 2001, S.99).

Nun stellt sich noch die Frage, wie genau dies in einer pädagogischen Situation umgesetzt werden soll. Zunächst sollte und muss eine Lehrperson im Sinne einer egalitär-differenzierten Bildung eine bestimmte Geisteshaltung einnehmen, in der sie offen für eine Andersartigkeit und die diversen „Lebens- und Lernweisen“ (Prengel, 2011, S.102) aller Individuen einer Gesellschaft ist. Auch sollte diese bestrebt sein, allen Lernenden idente Chancen beim „Zugang zu Bildungseinrichtungen“ zu verschaffen und sich ebenfalls für ihre Befähigung an gesellschaftlicher Partizipation einsetzen. Ein weiterer wichtiger Punkt wäre das Aufbringen einer Klarheit bezüglich dem „Beziehungsangebot der Pädagoginnen und Pädagogen“ (Prengel, 2001, S. 102).

All diese Grundsätze und noch viele weitere Punkte wären essentiell, um eine egalitäre Differenz in der Bildung zu erschaffen. Leider sind wir vor allem in unseren Bildungsschichten noch größtenteils weit davon entfernt, wie es uns diverse Artikel und Forschungsergebnisse beweisen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Literatur:

Dudenredaktion (Hrsg.). (o.D.) Egalität. Differenz. Zugriff unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Egalitaet. https://www.duden.de/rechtschreibung/Differenz.

Prengel, Annedore (1993): Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheit und Gleichberechtigung in Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik. Opladen: Leske + Budrich (2. Auflage 1995 )

Schneickert, Christian (2013): Illusion der Chancengleichheit. Zugriff unter: http://www.gloeb.de/index.php?title=Illusion_der_Chancengleichheit/.

 

 

Gender Pay Gap – Wird es je minimiert werden können?

Ein Artikel des Standard „Geschlechtergerechte Verteilung von Filmfördermitteln beschlossen“, datiert mit dem 21.April 2021, verfasst von Dominik Kamalzadeh, lässt wissen, dass der Aufsichtsrat des österreichischen Filminstituts (ÖFI) eine Richtlinie mit dem 1.Juli in Kraft setzen möchte, wodurch die Frauenquote, die zurzeit bei ca. 30% im beruflichen Filmsektor liegt, deutlich angehoben werden sollte. Bis 2024 sollte hier eine Gleichstellung von Männern und Frauen erreicht sein. Und wie soll dies umgesetzt werden?
Mithilfe von Fördermitteln im Zuge des „Gender-Budgetings“. Vor allem wird hier aber noch ein konkreter Plan gefordert, da nun das Modell so ausgelegt ist, dass keine Sanktionen verhängt werden, sofern das Ziel bis 2024 nicht erfüllt ist. 

Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann des Fachverbands der Film- und Musikwirtschaft, drückt nach der Bekanntgabe dieses Vorhabens aus, wie essentiell für ihn Gleichstellung sowie Diversität sind. Auch im Zuge des Festsetzens von „Gender-Budgeting“ in den beschlossenen Förderrichtlinien des ÖFI sieht er einen entscheidenden Schritt in Richtung „Gleichstellung, Chancengleichheit und Vielfalt in der Filmbranche“.

Nun, alles gut und schön. Diese Neuigkeiten lassen einen Schimmer Hoffnung für die Umsetzung der Werte Gleichstellung und Chancengleichheit durchdringen. Irgendwo muss man Initiativen setzen, um zu einem großen Ziel zu gelangen, in diesem Fall in der Filmbranche, wobei es hier auch noch an Konkretisierung fehlt. Hier sollte also nochmals betont werden, dass es nur „ein Schritt“ in Richtung Gender-Gleichheit ist, denn grundsätzlich haben wir hier noch einen langen Weg vor uns.

Wenn man nun auf der offiziellen Internet-Seite des Bundeskanzleramts den Terminus „Gender Pay-Gap“ eintippt, erfährt man unmittelbar in den ersten Sätzen: „Obwohl in den letzten Jahren Verbesserungen umgesetzt und dadurch die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede verringert werden konnten, zählt Österreich nach wie vor zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. Diese Differenz wird meist mit dem EU-Indikator Gender Pay Gap veranschaulicht. In Österreich lag der Gender Pay Gap laut Eurostat 2019 bei 19,9 Prozent, und damit deutlich über dem EU Schnitt (EU-27) von 14,1 Prozent.“

Wie wirkt das auf Sie? Was könnte diese ungerechte Verteilung von Einkommen für einen Grund haben? Wieso beziehen Männer in Österreich grundsätzlich einen höheren Lohn als Frauen?

Der besagten Internetquelle zufolge, ist ein Drittel des Gender Pay Gaps erklärbar durch Qualitäten wie „Branche, Beruf, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit und Arbeitszeitausmaß.“ Des Weiteren steht geschrieben, dass die restlichen zwei Drittel nicht statistisch auf diese Merkmale zurückzuführen sind. Ebenfalls findet sich in diesem Dokument eine Auflistung von Maßnahmen um das Gender Pay Gap deutlich zu minimieren.

Lange Rede, kurzer Sinn. Dieses Gender Pay Gap, nun vor allem in Bezug auf Österreich, ist ein Symbolstatus für unsere ungerechte, geschlechterspezifische Einkommensverteilung. Die Gründe dafür sind schwer auswertbar und können oft nicht anschaulich erklärt oder belegt werden. Ein häufig genannter Faktor wäre beispielsweise die Begründung der männlichen Überbesetzung der Führungspositionen. Frauen wären diejenigen, die grundsätzlich in Karenz gehen und aufgrund einer unterbrochenen Zugehörigkeit am Unternehmen diese Positionen nicht mehr wahrnehmen können, besser gesagt dürfen. Hier wird nämlich längerfristige Berufserfahrung und kontinuierliche Anwesenheit im Unternehmen vorausgesetzt. Das Arbeitszeitausmaß ist ebenfalls ein häufig genannter Faktor, denn Frauen könnten keine langen Arbeitszeiten realisieren, arbeiten meist in Teilzeit, da sie eine Familie haben, um die es sich „zu kümmern gilt“. Begründungen und Ausreden für diese geschlechterspezifische Einkommensverteilung scheinen kein Ende zu nehmen. Fakt ist, Frauen werden in unserer Gesellschaft immer noch aufgrund ihres Geschlechts stigmatisiert und diskriminiert, wodurch auch in vielerlei Hinsicht weniger Chancen offen stehen.

Doch vielleicht sollten wir auch die positiven Initiativen für Gendergleichheit hervorheben, die auf der Internetseite des Bundeskanzleramts angeführt sind. Zunächst steht eine Online-Plattform namens „Meine Technik“ zur Verfügung. Diese soll als „Informationsmaßnahme“ dienen, zur Erweiterung der Karriereperspektiven für Mädchen und Frauen, vor allem im „technischen und naturwissenschaftlichen“ Bereich, so steht es geschrieben. Ein weiterer angeführter Punkt: Die Realisierung von Vollzeitstellen für Frauen soll vermehrt ermöglicht werden durch den Aufbau „ausreichender und qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungs- und Pflegeplätzen“. Außerdem soll es hier noch ein kollektives EU-Projekt geben, in dem die Väter in der Erziehung ihre Rolle stärker realisieren sollten, um die Frau zu unterstützen und ihr ebenfalls mehr Chancen zu ermöglichen. Zudem gibt es Projekte wie „Frauen in Führungspositionen. Women are top!“, die gezielt versuchen, Frauen in „wirtschaftlichen Führungs- und Entscheidungspositionen“ zu sehen.

All dies klingt, wieder mal, sehr toll und hoffnungsvoll. In der Umsetzung dieser dürfte es allerdings noch Mangel geben, wie es uns die Entwicklung des Gender-Pay Gaps darstellt. Die Zukunft hält viele Möglichkeiten bereit, Schritte in Richtung Chancengleichheit und Gleichstellung von Geschlechtern zu gehen. Wir werden sehen, was passiert.

 

Erwähnte Artikel:

https://www.derstandard.at/story/2000126025858/geschlechtergerechte-verteilung-von-filmfoerdermitteln-beschlossen

https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und-gleichstellung/gleichstellung-am-arbeitsmarkt/einkommen-und-der-gender-pay-gap.html

 

 

Gibt es in Österreich die gleichen Bildungschancen für alle?
Verfasserin: Wallner Constanze 

„Es ist eine Lüge, wenn wir Flüchtlingskindern erzählen, dass sie ein Schulabschluss weiterbringt.“ So lautet die Überschrift eines Blog Artikels, der im Standard veröffentlicht wurde, vom 2.April 2021, also sehr aktuell. Eine 30-jährige Unterrichtende an einer HAK/HAS in Oberösterreich, die im Namen anonym bleiben möchte, äußert sich in ihrem Schreiben über Hoffnungen, den alltäglichen Kampf von MigrantInnen*, vor allem in Bezug auf den schulischen Kontext sowie über den Gedanken, dass Österreich eigentlich als ein solidarisches und chancenreiches Land gilt, wobei sie sich in dieser Hinsicht nicht mehr ganz gewiss ist.

Um es nun konkret darzustellen: Unter dem Pseudonym Lisa, M. beschreibt eine Lehrkraft einer Handelsschule den grundsätzlich hoffnungsvollen Beginn einer „Integrationsklasse“ im Jahr 2016. Darin, Flüchtlingskinder, die in ein Land gebracht wurden, dass ihnen fremd ist, dass ihnen Sicherheit sowie Schutz geben soll und, dass ihnen eine Chance bieten soll, ein neues, hoffnungsvolles, ordentliches Leben zu beginnen. Unterstützung war und ist also von allen Seiten notwendig. Die Alltagssorgen, die diese Kinder täglich begleiten, sind enorm. Kann ich in diesem Land dauerhaft bleiben? Werde ich meine Eltern wieder sehen? Wie soll ich mein Leben nach der Schule finanzieren? Wo werde ich als nächstes wohnen? Nicht zu vergessen, die dramatischen Erinnerungen und Erlebnisse auf dem Fluchtweg sowie „Anfeindungen als Alltagserfahrungen“, wie es Lisa M. pointiert zum Ausdruck bringt. In diesem Tumult aus Ängsten, Traumata, Sorgen oder auch Rassismus sollen diese SchülerInnen* nun noch ihren Schulalltag meistern, gut abliefern und sich in der Gesellschaft integrieren. So wird es zumindest von ihnen verlangt. 

Nichtsdestotrotz betont die Verfasserin des Blog Artikels, wie bedeutsam die Schule oft für in Österreich aufgenommene Kinder und Jugendliche ist. Sie gibt ihnen Struktur, einen täglichen Auftrag sowie ebenfalls ein gewisses Gemeinschafts- sowie Sicherheitsgefühl, einfach einen normalen Alltag in der sonst so herausfordernden Lebenslage.

Lisa M. ermutigte ihre SchülerInnen, insbesondere in dieser Klasse, hart für ihre Ziele, hart für die Bildung zu arbeiten und nie aufzugeben, denn mit einer gewissen Bildung sowie einem ordentlichen Schulabschluss würden ihnen die Türen offen stehen. Sie gibt ihnen alle Hoffnung, bringt ihnen als eigene Individuen Wertschätzung entgegen und lässt sie spüren, dass sie in diesem Land willkommen und aufgenommen sind. Trotz alldem: Negativer Asylbescheid sowie Abschiebung in ein Land, das nicht sicher ist.

Sie erinnern sich sicher noch an den Fall der zwölfjährigen Tina, die im Jänner samt ihrer Familie vom einen auf den anderen Tag nach Georgien abgeschoben wurde. Sie war ebenfalls in einer Gemeinschaft groß geworden, die ihr Stütze und Halt boten, FreundInnen, die sie auf ihrem Lebensweg begleiteten sowie sie ein Leben in einem sicheren Land führte. Die Gesetzgebung entschied sich allerdings, der kleinen Tina ein Bild von einem Österreich zu geben, dass Menschen mit Migrationshintergrund sowie Personen, die hierher flüchteten, die dringend Hilfe in unserem Land benötigen, oft einen negativen Asylbescheid gibt und daher einfach das Recht hat, diese Menschen in ein Land zurückzuschicken, das gefährlich sowie unsicher ist. Von einer chancenreichen Zukunft ganz zu schweigen. 

Hier wollen wir noch von einem chancengerechten, fairen, solidarischen Heimatland sprechen? 

Vor allem als angehende Lehrkraft einer Schule, einer allgemeinen Bildungsanstalt, ist es Gesetz und gerne auch mein Recht, alle SchülerInnen, unabhängig der Herkunft, des Geschlechts, der Hintergründe, der Hautfarbe etc., zu fördern, zu unterstützen, auf ihrem Bildungsweg zu begleiten und diese weiterzubilden. Einfach für alle dieselben Chancen anzubieten. Der §2 des österreichischen Schulorganisationsgesetzes besagt nämlich: „Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.“ Und hier steht es schwarz auf weiß geschrieben. Wird im Gesetz nun hier selektiert zwischen SchülerInnen* mit Migrationshintergrund und SchülerInnen* ohne Migrationshintergrund? Steht geschrieben, dass Menschen mit besonderen natürlichen Eigenschaften, welche es auch immer sein mögen, anders, besser oder schlechter behandelt werden sollten?

Da die Antwort hierauf ein schlichtes „Nein“ bedeutet, fragt man sich weswegen nicht alle Menschen in Österreich die gleichen Chancen erhalten dürfen? Hier vor allem auf die Ausbildung der Jugendlichen sowie Kinder bezogen. Und weswegen gibt es überhaupt im Staat Österreich eine Berechtigung und ein Gesetz dafür, Kinder und Jugendliche, inklusive deren Familien, die bereits ihren Bildungsweg für viele Jahre im „sicheren und solidarischen“ Österreich vollständig angetreten haben, Hoffnung verspüren sowie halbwegs ein normales Leben führen können, abzuschieben? Zurück ins Elend, ins Ungewisse, ins Aussichtslose.

Der Terminus „Chancengerechtigkeit“ wird laut dem Duden definiert als: „gerechte Bedingungen, Voraussetzungen für alle bei Ausbildung und gesellschaftlich-sozialer Entwicklung“. Um die traurige Wahrheit zu benennen, diese Definition wird in unserem ach so wunderschönen Heimatland nicht umgesetzt. Die Chancengerechtigkeit gilt nämlich offenbar nur für jene Menschen in Österreich, die auch in diesem Land geboren wurden (wobei dies auch nicht immer zutrifft). Diese werden ja vermutlich auch als „alle“ definiert. Der „Rest“ hat offenbar keine Definition und daher weniger Rechte und Chancen.

Erwähnter Artikel:
https://www.derstandard.at/story/2000125438031/es-ist-eine-luege-wenn-wir-fluechtlingskindern-erzaehlen-dass-ein?ref=rec

§2 des Schulorganisationsgesetzes:  https://www.jusline.at/gesetz/schog/paragraf/2

 

Faktenwissen ist von gestern! – Ein Plädoyer für ein neues Verständnis von Wissen
Verfasserin: Eva-Maria Schitter

Allem voran in Bildungsinstitutionen, insbesondere Schulen und Universitäten, besteht bis heute ein starres Verständnis darüber, was Wissen und Intelligenz ist. PISA, Bologna-Prozess, die aktuellen Novellen im Studienrecht — dies sind nur einige der bekannteren Beispiele, um zu verbildlichen, welche Bildungsideale aktuell flächenwirksam nach wie vor vorherrschend sind. Zusammenfassend könnte es überspitzt so ausgedrückt werden: Oberste Prämisse ist es, sich quantifizierbares Wissen anzueignen, das möglichst in Einklang mit der breiten Masse steht, sodass es skalenbasiert bewertbar, vergleichbar und hierarchisch eingeordnet werden kann. Positiv ausgedrückt könnte man von Gleichklang, Übereinstimmung und Harmonie sprechen. Näher an der traurigen Realität wären aber Begriffe wie Konformismus, Homogenität und Rasterdenken — eine Diktatur der Zahlen und Fakten eben. Diese Regierungsform sollte zumindest in unseren Breitengraden längst passé sein.  

Die hauptsächliche Tätigkeit von Schüler*innen für Schularbeiten und Tests sowie jene von Studierende gegen Ende des Semester, wird in Anlehnung an eine verbreitete Essstörung als Bulimie-Lernen bezeichnet, worunter das gezielte Auswendiglernen von Faktenwissen verstanden wird, damit es für die Dauer einer Prüfung, Klausur oder Schularbeit abgerufen werden kann und danach wieder aus dem Kurzzeitgedächtnis zu streichen. Was also in den Ernährungswissenschaften als grob fahrlässig seinem eigenen Körper gegenüber eingestuft wird, ist in den Erziehungswissenschaften alltägliche Usance. 

Es klingt lächerlich und traurig, feststellen zu müssen, dass diese Art zu Lernen und zu Lehren offensichtlich so tief im Bildungssystem verankert ist, dass es schlichtweg noch immer nicht gelungen ist, sie zu überwinden. Leider ist durch die oben genannten Beispiele eher Gegenteiliges der Fall. Die offensichtliche und wissenschaftlich erwiesene Tatsache, dass das Setzen auf Faktenwissen weder Alltagstauglichkeit beweist noch gegenwärtig und schon gar nicht zukünftig behilflich dafür ist, den jüngeren Generationen Toolkits mit auf den Weg zu geben, mit denen sie für Ihren Lebensalltag gewappnet sind, lässt nicht nur am gesunden Menschenverstand der führenden Persönlichkeiten in der Bildungspolitik zweifeln, sondern auch die Hoffnung verblassen für eine progressive Entwicklung, die gangbare Grundvoraussetzungen für das Bilden und Ausbilden verantwortungsvoller und selbst verantwortungsbewusster Menschen setzt.

So negativ der Status Quo klingen mag, umso proaktiver sollten wir als angehende Lehrende wirken, umso entschlossener uns den institutionellen Schwierigkeiten entgegensetzen und umso konsequenter den eigenen Handlungsspielraum nutzen, um Fähigkeiten weiterzugeben, die tatsächlich zur Formung einer Gesellschaft beitragen können, die vor dem Hintergrund kybernetischer, künstlich-intelligenter, technoider Entitäten nicht nur bestehen kann, sondern der Digitalität in den im wahrsten Sinne des Wortes menschenmöglichen Bereichen überlegen bleibt. Siri wird schneller das Datum des Mauerfalls ausfindig gemacht haben— inklusive seiner historischen Kontexte – als jeder und jede noch so begabte Studierende beginnen kann, überhaupt erst darüber nachzudenken.  

Die Pandemie ist Anlass dazu, dieses hegemoniale System nicht nur theoretisch, sondern auch operativ zu durchbrechen und uns hinzuwenden zu jenen Kompetenzen, die uns tatsächlich gegenüber den Maschinen, die lange schon Einzug in unseren Lebensalltag gehalten haben, einzigartig und unersetzlich bleiben lassen. Das nicht ganz einvernehmliche Zugeständnis der Lehrenden an den Universitäten, die Prüfungen so umzugestalten, sodass Inhalte nicht mehr auf Fakten und exakten Wortlauten hin abgefragt werden, sondern vom erlernten Wissen in angewandten Beispielen und kontextbezogen Gebrauch zu machen, ist ein erster wenn auch nicht ganz vorbehaltloser Schritt vieler Universitätsprofessor*innen und -bediensteter in eine richtigere Richtung. Tobias Mayr fasst die aktuelle Lage in seinem Standard-Artikel „Onlineprüfungen: Wissen interpretieren statt auswendig lernen“, trefflich zusammen. Abstrakten Theorien und Modellen kann auf diese Weise praxisbezogenes Verständnis eingehaucht werden, was nicht nur die Aneignung des Stoffgebietes auf einer eingängigeren Weise fördert, sondern auch die Relevanz komplizierterer Themenkomplexe für Lernende nachvollziehbarer und dadurch spannender werden lässt. Das lässt einen leisen Enthusiasmus aufkommen. Es sei zu hoffen, dass das nur der Anfang von etwas neuem Großen ist.  

Erwähnter Artikel:
https://www.derstandard.at/story/2000124649978/online-pruefungen-wissen-interpretieren-statt-analysieren

LV: Gender, Diversität und Inklusion
Artikelsammlung
Gruppe A

Thema 1
Noch steinig und schwer: Der Weg in Richtung Chancengerechtigkeit

Verfasserin: Eva-Maria Schitter

Ein ausführlich behandeltes Thema in Melisa Erkurts Buch „Generation Haram“ ist die Anforderung an Lehrende, Kindern in der Schule eine chancengleiche Grundlage für ihre Zukunft zu schaffen und zu bieten. Die gesellschaftlichen und politischen Erwartungshaltungen liegen dabei denkbar hoch und die Umsetzung unter den aktuellen Rahmenbedingungen gleichen nahezu einem Ding der Unmöglichkeit. Dementsprechender Druck lastet auf dem Lehrpersonal, zumal diese Tatsache eigentlich auch das Fundament für eine gerechte Aufteilung der Wissensressourcen und Bildungsmöglichkeiten in unserem Land bilden sollte. Um das erfolgreich zu realisieren und damit die richtigen Bedingungen für einen chancengerechten Unterricht zu schaffen, wären aber, so Erkurt, eine Vielzahl an Neuerungen und Umstrukturierungen im Bildungssystem notwendig. Das derzeitige Gerüst, auf dem Schule baut, ist nicht hinreichend dafür geschaffen, auf individuelle Schwierigkeiten einzugehen und allen Schüler*innen einen chancengleichen Weg zu ebnen. Allerdings gibt es mittlerweile Initiativen, die sich dieser Problematik angenommen haben, wovon ein Vorbild-Projekt im folgenden nähere Erläuterung finden soll.

SINDBAD ist ein junges österreichisches Unternehmen, das es seit nunmehr vier Jahren in Wien und mittlerweile auch in allen Teilen Österreichs gibt. Es dreht sich dabei um ein Mentoring-Programm, das benachteiligten oder in schwierigeren Verhältnissen lebenden Jugendlichen die Chance bietet, sich abseits der Institution Schule einen Mentor oder eine Mentorin als Begleiter*in an seine Seite zu holen, die sie bei allen herausfordernden Dingen speziell am Übergang zwischen Pflichtschule und weiterführende Ausbildung oder Lehre unterstützen und an ihrer Seite sind. Studierende oder junge Erwachsene, die sich gerne ehrenamtlich engagieren möchten, können sich als Mentor*innen bewerben und werden in Hinblick auf Leadership und ihre Aufgaben als Mentor*in geschult bevor sie mittels „Speed-Dating“ von den Schüler*innen (Mentees), die gerne einen Mentor oder eine Mentorin an ihrer Seite hätten, ausgesucht werden. Im Speziellen geht es um ein 1:1-Mentoring über die Zeitspanne eines Jahres, in dem die beiden (Mentee und Mentor*in) eine freundschaftliche Beziehung aufbauen. Die Schüler*innen finden so Rückhalt, der ihnen vielleicht im familiären Umfeld fehlt, haben eine persönliche Ansprechperson für alle schwierigen Lebensfragen und jemanden, der ihnen in Hinblick auf berufliche und schulische Möglichkeiten Hilfestellungen geben kann. Auf der anderen Seite gewinnen die Mentor*innen auch wertvolle Fähigkeiten und Kenntnisse in Hinblick auf soziale Führungskompetenzen.

Besonders vor dem Hintergrund, dass das Anforderungsprofil einer Lehrperson auch in sozialen und zwischenmenschlichen Belangen Ausmaße angenommen hat, denen wohl nur in der Theorie zu genüge Rechnung getragen werden kann, sind Projekte dieser Art eine besonders erfreuliche und wichtige Ergänzung und Erleichterung, die der Lehrperson zumindest einen Teil ihrer Aufgabe abnehmen können und diese in unterstützender Weise ergänzen.

Thema 2
Mehr Gerechtigkeit?
Verfasserinnen: Wallner Constanze, Feldkircher Lena

Was stellen Sie sich unter dem Titel „Das Ändern der Realität“ vor? Im Grunde genommen könnte sich diese Aussage auf viele verschiedene „Realitäten“ beziehen, oder denken Sie an etwas Konkretes? Falls Sie sich momentan nicht sicher sind, unter diesen Titel fällt zumindest ein Kapitel des Buches „Die Elenden“ von der Autorin Anna Mayr. Darin geht es trivial ausgedrückt um ihre Ansichten und Gedankengänge zum Thema Gerechtigkeit sowie Gleichberechtigung, vor allem in Bezug auf ihre Eltern, die sie schlicht als die „Arbeitslosen“ bezeichnet, doch aus ihrer Perspektive keineswegs negativ dargestellt. Wieso denn auch? Bedeutet „arbeitslos“ denn asozial, faul, elend oder den Staat auszubeuten, indem man Arbeitslosengeld bezieht? Welche Ansichten schweben in ihrem Kopf herum, sofern es um diesen Terminus geht?

Falls Sie sich nun fragen, worauf dieser Blogartikel hinaus will, es wird im Folgenden verraten. Nachdem wir das Kapitel „Das Ändern der Realität“ in dem Buch „Die Elenden“ von Anna Mayr gelesen hatten, entstand der Drang die Gedanken darüber niederzuschreiben und unsere Perspektive über Gerechtigkeit sowie die Realität, oft auch in Bezug auf das Kapitel der gerade erwähnten Autorin, darzustellen.

„Von außen betrachtet eine Aufstiegsgeschichte“, so beschreibt Mayr ihren Lebensweg. Als Tochter von zwei Langzeitarbeitslosen ist sie nun eine anerkannte Journalistin, von Klein weg war sie um gute Noten bemüht, zielstrebig. Dank ihrem guten Abschluss erhält sie durch Stipendien die finanziellen Mittel, die sie benötigt, um zu studieren. Sie erlebt nicht nur den finanziellen, sondern auch den sozialen Aufstieg. Dennoch fühlt sich Anna Mayr nicht zugehörig, weder zur einen, noch zur anderen Welt. Als Beispiel nennt sie eine Situation im Supermarkt, in der sie ewig hin und her überlegt ob sie die teuren, schmackhafteren Äpfel kauft, oder die günstigen. Quantität statt Qualität, oder umgekehrt. Ein innerer Konflikt, der sie täglich begleitet und sie spüren lässt, dass sie sich in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft fremd und unsicher fühlt.

Die Schriftstellerin berichtet zunächst über ein Gespräch mit einem Arbeitskollegen, der unwissend eine mit Vorurteilen beladene Aussage über das Herkunftsviertel der Schreiberin trifft, wodurch sofort zum Ausdruck kommt, dass die beiden Schlagwörter Gerechtigkeit und Diskriminierung, aufgrund von Lebenseigenschaften, die die Gesellschaft als Defizit bezeichnet, das Kapitel prägen. Natürlich stellt man nun fest, dass diese beiden Ausdrücke nicht zusammenpassen und wir schlicht und einfach in einer Gesellschaft leben, wo genau diese Gegenpole nebeneinander existieren. Immer wieder setzen sich Menschen für die Gleichberechtigung ein, für Chancengleichheit, für die Unterstützung armer Menschen und für das Wohl der Gesellschaft. Andererseits ertappen sich viele Menschen, vor allem diejenigen, die unter trockenem Dach leben und finanziell abgesichert sind, dabei, wie sie die Straßenseite wechseln, wenn ein Obdachloser oder eine Obdachlose entgegenkommt oder wie sehr sie über ihr Leben plötzlich glücklich sind, wenn diese hören, wie hoch die Arbeitslosenzahl liegt. Die Wahrheit ist, jeder oder jede hat solch eine Reaktion in irgendeiner Weise schon mal erlebt, sei es auf der einen oder anderen Seite.

Wenn wir vom Thema Gerechtigkeit sprechen, müssen wir auch betonen, dass wir uns in einem unbewussten Wertesystem befinden, aus dem es nur schwer zu entkommen scheint. Beispielsweise erwähnt Anna Mayr in ihrem Buch, dass ihr Vater eine Arbeit vollbringt, die sporadisch erfolgt und von eigentlich so gut wie keinem Menschen wertgeschätzt wird, da diese in einer Wertehierarchie relativ weit unten liegt und als unbedeutend eingestuft wird. So werden beispielsweise auch die Berufsklassen Reinigungskraft und Anwalt oder Anwältin verglichen und hier meist dasselbe Wertesystem angewandt, wenn oft auch unbewusst. Sei es der Beruf oder die Gegend in der man wohnt, die Gesellschaft bewertet und teilt das Gegenüber unbewusst in eine soziale Kategorie ein. Natürlich soll diese Feststellung kein Vorwurf oder dergleichen an alle Mitglieder in einer Gesellschaft sein, da es auch einige Menschen gibt, die genau auf dieses „Schubladendenken“ verzichten. Doch versetzen Sie sich nun selbst in eine Situation, in der Sie von einem früheren Schulkollegen oder einer früheren Schulkollegin hören, der oder die arbeitslos geworden ist. Wie würden Sie reagieren?

Der Punkt ist, dass es grundsätzlich kein Verbrechen ist, eventuell negative Gedanken an solchen Neuigkeiten zu hegen, doch die Chance eines Umdenkens ist immer gegeben. Umdenken in Richtung Verständnis, Empathie, Gleichbehandlung. Natürlich musste ein Anwalt oder eine Anwältin ewig studieren, um einen derartigen Beruf ausüben zu können und sich in einem ruhigen Viertel ein schönes Haus leisten zu können, doch im Grunde genommen sagt dies nichts über die Art und Weise aus, wie ein Mensch behandelt werden soll. Aber wie soll dieser oder diese denn nun behandelt werden? Die Antwort darauf ist: Einfach wertschätzend, nicht herablassend und mit Respekt, weil jedes Individuum ein Recht auf Gleichberechtigung hat, unabhängig von der Herkunft, der Beschäftigung, dem Alter, dem Aussehen und so weiter.

Die in einer Gesellschaft entstandenen sozialen Klassen sind im Grunde genommen nichts weiter als die Selektion in „gut“ und „schlecht“, aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, die zum Gegenteil von Gerechtigkeit, Chancengleichheit etc. führen. Werte, die in einer Demokratie eigentlich ganz vorne stehen sollten, es aber in vielen Hinsichten nicht tun. Wir leben in einem System, in einer „Gemeinschaft“, die uns gewissermaßen in eine bestimmte Richtung lenkt, die wir oft nicht beeinflussen können. Beispielsweise die in Anna Mayrs Buch erwähnten Soziologiestudenten und Studentinnen, die als „Forschungsprojekt“ in ein „Armenviertel“ fahren, um dort die Zustände zu beobachten. Wobei hier das eigentlich objektive Verb „beobachten“ nicht verwendet werden kann, da sich die Studenten und Studentinnen oft, hier soll nicht verallgemeinert werden, als bedeutsamer, gebildeter und einfach wohlhabender betrachten, und sich dementsprechend verhalten.

Worauf wir nun letztendlich hinaus wollen? In dieser Welt und in jedem Individuum gibt es die Chance auf Gleichberechtigung und Wertschätzung des Gegenübers. Indem Anna Mayr in dem Kapitel „Das Ändern der Realität“ viele Situationen nennt, in denen Vorurteile über „Arbeitslosigkeit“ getätigt wurden oder in denen ihr Herkunfts Viertel als abschreckendes Beispiel galt/gilt oder auch diese in denen sie berichtet, dass sie nun keiner oder keine mehr schlechter behandeln würde wegen ihrem erreichten Status, demonstriert sie die Problematik eines Wertesystems in unserer Gesellschaft, in dem es gilt, umzudenken. Das heißt einfach Verständnis zu haben, im Sinne von “nicht Einmischen” in das Leben anderer sowie deren Lebensweisen zu akzeptieren, ohne zu werten. Das eigene Leben ist bedeutsam und so ist auch jedes andere Leben gleich bedeutsam sowie alle Menschen auf dieser Erde die gleichen Chancen erhalten sollten, werden diese genutzt oder eben auch nicht. Leider sind wir von den Werten der Gleichberechtigung und Gerechtigkeit noch weit entfernt, doch zumindest im kleinen Kreis könnte das Bemühen darum schon mal beginnen.

Thema 3
Die traurige Notwendigkeit des Genderns
Verfasserin: Anna Untersberger

Inspiriert durch unsere erste Lehrveranstaltungseinheit würde ich sehr gerne noch einmal das heiß diskutierte Thema „Gender“ aufgreifen. „Gender“ ist natürlich eine breitgefächerte Angelegenheit und spricht eine gesamtgesellschaftliche Problematik an, die in der Wirtschaft, der Politik, im Privaten, dem Sozialwesen und überall sonst relevant ist. Gerade deshalb, um aus dem Blogartikel keinen ewig langen Aufsatz zu machen, erscheint es mir sinnvoll, mich auf einen Gesichtspunkt zu fokussieren: die genderneutrale Sprache.

In meiner Freizeit habe ich schon so einige Debatten und Dokumentationen zum Thema genderneutraler Sprache mit großem Interesse verfolgt. Dabei ist mir besonders aufgefallen, dass es zwei sehr interessante Ansichten dazu gibt, wie wir unsere Sprache genderneutral gestalten können. Diese zwei Lösungsansätze verfolgen exakt das gleiche Ziel, allerdings auf extrem verschiedenen, ja sogar gegensätzlichen Wegen, deren Gegenüberstellung das Thema meines Artikels sein soll.

Der erste Weg hin zu einer Gleichstellung aller Geschlechter in geschriebener sowie in gesprochener Sprache ist das allbekannte „Gendern“, indem Wörter sowohl in weiblicher als auch männlicher Form geschrieben/gesprochen werden und darüber hinaus beispielsweise mit dem Gendersternchen auch all jene miteinbezogen werden, die sich nicht eindeutig als Mann oder Frau identifizieren (Bsp: Lehrer*innen). Ich bin mir sicher, dass jeder der diesen Artikel liest schon ein kleiner Spezialist auf diesem Gebiet ist, deshalb will ich gar nicht so lange von etwas erzählen, das ohnehin schon jeder kennt, sondern direkt übergehen zu dem zweiten etwas abstrakten Lösungsweg.

Als abstrakt bezeichne ich dieses Konzept deshalb, weil es durchaus nachvollziehbar und in sich schlüssig ist, allerdings vielmehr utopisches Gedankengut darstellt. Der Grundgedanke hierbei ist, dass das permanente Verweisen auf Geschlechter bewusst außen vor gelassen wird und der Fokus mehr auf das Bezeichnete gelegt werden soll, anstatt das Bezeichnete mit einem Geschlecht zu verbinden. Dieser Lösungsweg fordert also keine Veränderung der Sprache, dafür aber eine grundlegende Veränderung der Denkweise unserer Gesellschaft. Menschen, die diesen Lösungsweg unterstützen, betonen immer wieder, dass es nicht nötig sei zu Gendern, wenn sich alle darauf einigen würden anzuerkennen, dass alle Begriffe neutral behandelt werden sollen ohne sich ein Geschlecht dazu vorzustellen.

Ich persönlich habe lange über diese Argumentation nachgedacht und abgewogen wie standhaft sie ist. Dabei bin ich zu meinem eigenen Erstaunen zu dem Schluss gekommen, dass ich, ohne mir darüber bewusst zu sein nach diesem Konzept gelebt habe und lebe. Als weibliche Person habe ich mich noch nie als „Studentin“ bezeichnet, stattdessen gesagt „Ich bin Student“, um damit einfach meine Tätigkeit des Studierens auszudrücken. Ebenso denke ich zum Beispiel bei den Begriffen „Lehrer“ oder „Eisverkäufer“ nicht an eine männliche Person sondern einfach an jemanden, dessen Beruf ebendieser ist.

Leider ist dieses Denkverhalten in der Gesellschaft nicht vorhanden und diese Ansicht deshalb auch nicht allgemein anwendbar. Es bleibt eine Wunschvorstellung. Vor allem die Historie zeigt uns, dass das Weibliche dem Männlichen immer untergeordnet war und sich dementsprechend die Sprache entwickelt und verfestigt hat. So kam es, dass männliche Begriffe das Weibliche mit einschließen, aber nicht umgekehrt. Genau um diese männlich dominierte Struktur aufzubrechen, braucht es die Zwischenstufe des Genderns.