Außerschulische Bildung bezieht sich auf die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen außerhalb des Unterrichts und hier ablaufender Bildungs-, Erziehungs, und Sozialisationsprozesse. Sie findet in der Kinder- und Jugendhilfe, in Nebenschulen, wie zum Beispiel kommerzieller Nachhilfe oder Musikschulen, sowie auch in der Familie, mit Freunden und in der Freizeitgestaltung statt.
In diesen Kontexten wird indirekt und direkt eine Vielzahl kognitiver und nicht-kognitiver Fertigkeiten und Kompetenzen vermittelt, die auch für schulische Bildungsprozesse relevant sind. Dazu gehören zum Beispiel das Erlangen von Selbstständigkeit, der Erwerb von Sozialkompetenzen, der Aufbau von Lernmotivation, sowie das Erleben und Ausleben von Kreativität. So wird unter anderem davon ausgegangen, dass sich das Erlernen eines Instrumentes neben der Vermittlung von musikalischen Kompetenzen auch positiv auf die kindliche Persönlichkeitsentwicklung auswirkt und darüber hinaus andere, für die schulische Bildung relevante Kompetenzen, wie Zielstrebigkeit, Ehrgeiz oder Selbstkontrolle vermittelt.
Das Thema soziale Ungleichheit in der schulischen Bildung wird seit längerem in aller Ausführlichkeit diskutiert und untersucht. Die Bildungsforschung hat sich bisher allerdings wenig mit dem Beitrag außerschulischer Bildung für die Reproduktion sozialer Ungleichheit und die Bedeutung außerschulischer Bildung für die Bildungsbiografie benachteiligter Kinder und Jugendlicher befasst.
Die wenigen empirischen Studien in diesem Bereich verweisen auf einen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, außerschulischer Bildung und schulischem Bildungserfolg. Sie lassen vermuten, dass sich hier Prozesse einer Verstärkung sozialer Bildungsungleichheiten vollziehen:
So wird in den meisten Untersuchungen deutlich, dass der Zugang zu unterschiedlichen Bildungsräumen sehr stark durch familiale Faktoren, wie soziale, kulturelle, ökonomische sowie zeitliche Ressourcen der Herkunftsfamilie determiniert wird. So sind etwa Kinder und Jugendliche aus Familien mit hohem sozialem Status vergleichsweise häufiger in organisierte Freizeitangebote eingebunden. Gründe hierfür sind zu allererst darin zu sehen, dass eine Teilnahme an organisierten Freizeitaktivitäten, wie etwa Musikschulen, Vereinen oder Sprachkursen abhängig ist von den finanziellen Ressourcen der Kinder und Jugendlichen bzw. ihrer Herkunftsfamilien sowie dem Stellenwert, den Eltern solchen Beschäftigungen beimessen.
Es handelt sich damit letztendlich um eine doppelte Benachteiligung von Kindern aus unteren sozialen Schichten und mit Migrationshintergrund: Neben ihrer Benachteiligung in der Schule haben sie einen deutlich eingeschränkteren Zugang zu institutionalisierten außerschulischen Bildungsangeboten, wie zum Beispiel durch Mitgliedschaft in Vereinen oder kulturelle Freizeitaktivitäten. Damit wird nicht nur ihr Kompetenzerwerb in der Schule, sondern auch außerhalb der Schule behindert.
Außerschulische Bildung verstärkt soziale Ungleichheiten in der (schulischen) Bildung, wenn der Zugang dazu durch sozioökonomische Ressourcenunterschiede in der Familie begrenzt wird. Eine gezielte Förderung bzw. der Ausbau von außerschulischen Bildungsangeboten für Kinder aus bildungsfernen Schichten und mit Migrationshintergrund könnte daher ein wichtiger Schritt zu mehr Chancengleichheit im Erwerb von Kompetenzen und dem Abbau von Bildungsarmut sein.
Außerschulische Bildungsangebote bieten ein hohes Potenzial für die Kompensation primärer Herkunftseffekte, da sie die kognitive und soziale Entwicklung benachteiligter Kinder durch Anregung und Erfahrungen fördern könnten. Ein Beispiel dafür ist das Modellprojekt „Jedem Kind ein Instrument“, das in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen (Ruhrgebiet) derzeit läuft. Es soll Kinder – insbesondere auch aus sozial unteren Schichten – bereits in der Grundschule über den Musikunterricht und das kostenlose Bereitstellen eines Instrumentes an Kultur und kulturelles Lernen heranführen.
Der Erfolg solcher Maßnahmen bzw. deren Bildungsrelevanz kann bisher nicht abgeschätzt werden. Es gibt zwar mittlerweile einige Projekte, die sich mit der Erforschung des Kompetenzerwerbs außerhalb der Schule befassen. Die Befunde dazu liegen jedoch noch nicht vor. Zudem sind solche empirischen (evaluativen) Untersuchungen bisher eher die Ausnahme. Ein erheblicher Forschungsbedarf besteht hinsichtlich des tatsächlichen Kompetenzerwerbs in informellen und nicht-formalen Lernumwelten sowie der Wechselwirkungen zwischen außerschulisch erworbenen Kompetenzen und formalen Bildungsprozessen.