image_pdfimage_print
image_pdfimage_print

Unmotivierte Schüler, schlechte Testergebnisse und Unzufriedenheit mit den eigenen Unterrichtsplanungen. Dies sind nur einige von vielen negativen Ergebnissen einer fehlenden Selbstreflexion einer Lehrperson. Aber wieso genau ist der Prozess der Reflexion so wichtig für Lehrpersonen?

Selbstreflexion beschreibt den Vorgang des Analysierens und Nachdenkens über die eigene Person. Hierbei beschäftigt man sich vor allem mit dem eigenen Handeln, Denken und Fühlen. Man hinterfragt bereits getroffene Entscheidungen und deren Folgen. All das mit dem Ziel sich selbst besser kennenzulernen. Folglich resultiert regelmäßiges aktives Feedback in Selbstregulation und dem Übernehmen von Eigenverantwortung in Bezug auf die eigenen Denk- und Handlungsmotive. All diese Fähigkeiten helfen der Lehrperson dabei mit pädagogischen Konflikten und Interaktionen besser umgehen zu können. Außerdem hilft das Nachdenken über die eigene Person und die inneren Abläufe dabei sich neue Kompetenzen anzueignen, welche für den Schulalltag erforderlich sind. (Organisation, Toleranz, Vorbereitung, Innovativität, etc.)

Wie schon zuvor erwähnt hilft Selbstreflexion einer Lehrperson dabei, mit verschiedenen Situationen im Schulalltag umzugehen. Unter anderem ist sie auch förderlich bei der Unterrichtsplanung und -gestaltung. Durch das aktive Nachdenken über die eignen Handlungsmotive und deren Ergebnisse kann eine Lehrperson zu dem Schluss kommen, dass eine Änderung der Lehrmethoden erforderlich ist, um die gewünschten Leistungen der Schüler*inne zu erzielen. Außerdem erleichtert es der Lehrperson sich wiederholende Konfliktmuster zu identifizieren und sie zu vermeiden, was weiterführend zu einem besseren Klassenklima und einem angenehmeren Lernumfeld führt. Vor allem in Stresssituationen ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion entscheidend. Stress verleitet viele Lehrperson dazu in alte Verhaltensmuster zu fallen und schnell wird aus einem methodisch abwechslungsreichen und motivierenden Unterricht ein Lehrervortrag. Um dieser Minderung der Unterrichtsqualität entgegenzuwirken sollte Selbstreflexion zu einer Priorität im Leben einer jeden Lehrperson werden.

 

 

Mögliche Diskussionsfragen:

  • Sollte ein Leitfaden zur Selbstreflexion an Universitäten während der Lehrer*innenbildung unterrichtet werden?
  • Sollten Lehrer*innen ihr Wissen über Selbstreflexion an Schüler*innen weitergeben?

 

image_pdfimage_print

Leitfragen:
Was ändert sich trotz vieler Veränderungen nie?
Wie bleibt das System im Rahmen der Veränderung trotzdem gleich?
Was bedeutet das für mich als angehende Lehrerin?

Das österreichische Schulwesen nahm seinen Anfang mit der Schulreform von 1774 unter Maria Theresia. Seitdem gab es eine öffentliche Staatsschule und eine sechsjährige Schulpflicht. Schule war nun Staatsangelegenheit und lag nicht mehr ausschließlich in den Händen der Kirche. Gemäß der „Allgemeinen Schulordnung“ von Felbiger wurden drei Arten von Elementarschulen eingerichtet: die Normalschulen, die Hauptschulen oder auch Bürgerschulen, welche es in größeren Städten gab, sowie die Trivialschulen, die man in kleineren Orten fand. Seitdem befand sich das System Schule in einem stetigen Prozess, der nicht immer ohne Protest voranschritt. Besonders im bäuerlichen Milieu betrachtete man den Unterricht oft als unnötig und zu ausführlich. Obwohl der Wille nach Bildung da war, stand der Schulpflicht auf praktischer Seite entgegen, dass die Kinder als Arbeitskräfte auf dem Feld fehlten. Auch der Einwand, dass all das gelehrte Wissen unnütz sei, um ein Feld bestellen zu können, stand sicherlich mehrfach im Raum. 1869 folgte das Reichsvolksschulgesetz. Das Pflichtschulwesen hatte damit eine einheitliche Basis und die Schulpflicht erhöhte sich von sechs auf acht Jahre. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlängerte man die Schulpflicht dann auf neun Jahre. Kreisky forderte 1970 Neuerungen. Stichworte waren u.a. die Gesamtschule, Ganztagsschule und die Akademisierung der gesamten LehrerInnenbildung.

Die Diskussion um eine Gesamtschule gibt es folglich schon sehr lange und ist keine Innovation unserer Zeit. Auch das ständige Hin und Her zwischen Reformgedanken und konservativem Bewusstsein für Traditionen bzw. dem Wunsch, dass gewisse Dinge sich nicht verändern, zieht sich durch die gesamte Entwicklung. Jeder Änderungswunsch ist auch abhängig von der gerade amtierenden Partei. Wie Maria Theresia schon sagte, ist Schule ein politicum.

Was heute also wie ein klar gezeichneter Weg scheint, war ein langer und auch durchwachsener Prozess. Seit seinen Anfängen hat das Schulwesen in Österreich etliche Veränderungen durchlebt. Die Einführung der Neuen Mittelschule, welche die Hauptschulen ablöste, begann beispielsweise im Jahr 2009. Abgeschlossen war dieser Prozess aber erst 2017/18.

Obwohl sich also viel verändert hat, bleibt doch gleich, dass keine Idee von heute auf morgen verwirklicht werden kann, dass alles, was neu ist zunächst vielerorts mit kritischem Blick begutachtet wird und dass Ideen, auch wenn sie immer wieder aufgeworfen werden, trotzdem nicht sofort einen geeigneten Nährboden finden müssen.

Ein Blick in die Vergangenheit ist stets wichtig, weil er hilft die Gegenwart besser zu verstehen. Maja Göpel schrieb in der Publikation Mensch und Verhalten, dass Theorie Praxis macht. So ist es wohl auch mit der Schule.

Unser Blick auf die Theorie der Schulbildung, also darauf, wie wir die Jugend bilden und damit auch erziehen, prägt die ganze Gesellschaft. Daher stellt sich die Frage, ob eine fixierte Theorie immer der beste Lösungsweg ist. Besonders anschaulich wird das, wenn man sich die aktuellen Bedingungen unter der Corona-Pandemie ansieht. Der normale Schulalltag hat sich massiv verändert. Virtuelles lernen und Online-Unterricht sind an der Tagesordnung. Einer Lehrperson stellen sich nun ganz neue  Fragen. Wie motiviert man seine SchülerInnen aus der Entfernung sich weiterhin für das Lernen zu begeistern und eigenständig zu arbeiten? Gibt es Möglichkeiten gemeinsames Arbeiten interessant zu gestalten, obwohl Distanz das vorherrschende Motto ist? Und vor Allem, was für einen Einfluss wird die immer stärker zunehmende Digitalisierung auf unser Schulwesen noch haben?

Für mich als angehende Lehrerin ist durch den Blick auf die Vergangenheit vor allem klar geworden, dass Veränderungen nicht immer gleich akzeptiert werden, der Wunsch nach Neuerung und Verbesserung aber schon immer da war und nie vergehen wird. Der Blick auf die Gegenwart zeigt deutlich, dass man sich darauf einstellen muss, anpassungsfähig zu sein und umdenken zu können und dass auch der Blick in die Zukunft ein wichtiger Bestandteil des Bildungswesens ist. Wenn sich meine SchülerInnen stetig weiterentwickeln, muss auch ich als Lehrperson bereit sein mich weiterzubilden, das aktuelle System kritisch zu hinterfragen und herauszufinden, ob es noch zeitgemäß ist und die Bedürfnisse meiner Klasse erfüllt.

image_pdfimage_print

Privilegien während Corona?!
Widerspruch oder doch untrennbar miteinander verbunden?
_____________________________________________________________________

 

Corona ist seit mittlerweile einem ganzen Jahr das vorherrschende Thema – nicht nur in Österreich, sondern fast weltweit. Es hat uns allen Seiten aufgezeigt, die wir sonst nie und nimmer geglaubt hätten, dass sie existieren. Von heute auf morgen drehte sich die Welt anders als sonst und wir mussten auf vieles, das uns liebgeworden ist und als selbstverständlich galt, plötzlich verzichten. Niemand wusste, was genau auf uns zukommt und noch zukommen wird. Wir sitzen seit Corona also alle wahrlich im selben Boot. Anfangs wuchs die Menschlichkeit und Nächstenliebe innerhalb unseres Landes, doch dies sollte nur von kurzer Dauer sein. Doch schnell wurde ein Gegeneinander und eine Distanz allen und jeden gegenüber daraus. Menschen, die schon vor Corona am Abgrund der Gesellschaft standen, waren nun noch in weitere Ferne gerückt inklusive aller ihrer Bedürfnisse, Rechte etc. Die wenigsten scherte es, wie es den Obdachlosen im Lockdown ging, wie hart deren sowieso schon tagtäglicher Überlebenskampf ist oder wie diese Personen durch diese schwierige Zeit kommen. Anstatt froh zu sein, dass wir ein Dach über dem Kopf haben und genug zu essen, wurde die Stimme im Kopf laut, die sagt, wie klein unsere Wohnung doch ist oder wie sinnlos das Leben ohne Spaß und Vergnügen in der Freizeit ist. Wie schlimm wir es doch erwischt haben, immer nur Zuhause sein zu müssen und nicht tun und lassen zu können, was und wann immer wir das möchten. Ob Flüchtlinge in Moria fast verhungern oder kein sauberes Wasser haben, rückte noch mehr in den Hintergrund, denn die einzig entscheidende Frage, die sich stellte, war wie so oft: „Hauptsache mir selber geht es gut, ich muss auf mich selber und meine Familie achten. Ich kann nicht auch noch auf Andere Rücksicht nehmen. Wie soll das auch noch gehen? Wir haben gerade alle genug eigene Probleme, sollen sich doch andere um die Flüchtlinge kümmern!“ Egoismus pur, der leider durch Corona noch verstärkt wurde und die Politik tat ihr übriges, auch kein schlechtes Gewissen aufkommen zu lassen. Doch gerade diese Krise sollte uns alle endlich mehr zusammenschweißen und uns endlich mehr füreinander einstehen lassen und vieles, das bis hierhin normal erschien, zu hinterfragen und endlich Handlungen zu setzen. Warum sind weiße Menschen privilegiert und Dunkelhäutige nicht? Wieso gibt es so viel Leid auf dieser Welt, obwohl es für alle genug zu trinken und essen gäbe? Wieso ist Bildung nicht für jeden zugänglich? Warum haben die, die schon alles haben, nie genug? Warum gibt es immer noch so viel Ungleichheit auf der Welt? Wäre es nicht viel schöner, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen und unsere Lebenszeit nutzen, um anderen zu helfen und dadurch so viel für uns selbst zurückbekommen? Es wäre dann viel ruhiger auf der Welt und man hätte weniger Angst vor Situationen, die man nicht beeinflussen kann und die unerwartet das Leben auf den Kopf stellen. Es könnte so schön sein – doch das ist es leider nicht….

image_pdfimage_print

Als eine von vier Mädchen habe ich mich mit elf Jahren im Werkunterricht unter zwanzig Burschen zunächst falsch am Platz gefühlt. In der Schule konnten wir es uns damals aussuchen, ob wir textiles oder technisches Werken besuchen wollten und da mein Opa zu Hause eine große Werkstatt hatte, wollte ich natürlich lernen, wie ich ihm beim Holz Verarbeiten helfen kann. Die restlichen Mädchen in meiner Klasse hatten sich allerdings für textiles Werken entschieden, denn „Technisches Werken ist doch was für Burschen!“ – nicht nur von Mitschüler*innen, sondern auch von Lehrkräften habe ich dies mehrmals zu hören bekommen.

Aber woher kommt das? Warum sind Geschlechtsstereotype in unserer westlichen und, ich möchte doch behaupten, relativ aufgeklärten Gesellschaft immer noch so präsent? Um diese Fragen zu klären, muss zunächst deutlich gemacht werden, was mit Geschlechtsstereotype im Allgemeinen gemeint ist und wie diese überhaupt entstehen. In ihrem Werk „Gender-Sprache-Stereotype: Geschlechtersensibilität im Alltag und Unterricht“ (2020) schreibt Prof. Dr. Hilke Elsen dazu folgendes:

Geschlechtsstereotype setzen sich aus Informationen zu Person, Aussehen, Kleidung, Verhalten und Interessen (Freizeit, Spiele), Charakterzügen, Beruf, Namen und sprachlichem Verhalten zusammen. Sie werden in einem komplexen Netzwerk miteinander assoziiert und im Laufe des Lebens unterschiedlich gewichtet. […] Die Kinder nehmen andere in ihrem Verhalten und Aussehen wahr und erhalten Reaktionen auf eigenes Aussehen und Verhalten: Je mehr Frauen mit langen Haaren und Kleidern auftreten, desto stärker wird die Korrelation für das Konzept ‚Frau‘. Je häufiger und stärker ein Junge reglementiert wird, wenn er einmal einen Rock anziehen möchte, desto stärker wird die Korrelation ,Mann‘ – ‚kein Rock. (S.109)

Geschlechtsstereotype sind also kulturabhängig und werden großteils erlernt. Allseits bekannte Auffassungen wie etwa „Mädchen sind sprachbegabter als Burschen, dafür sind diese handwerklich geschickter“ werden in der Regel aber auch nicht hinterfragt, sondern blindlinks angenommen und weitervermittelt. Aber steckt man die Schüler*innen somit nicht direkt in eine Schublade? Meiner Meinung nach ist dies sehr wohl der Fall. Auch Elsen (2020, S. 110) findet, dass obwohl vermutet wird, dass Kinder (bedingt durch Hormone und Gehirnstruktur) bis zu einem gewissen Grad ein vorgefertigtes, geschlechtsspezifisches Denken haben, das „soziale Umfeld“ eine wesentliche Rolle spielt. Sie meint: „[…] das soziale Umfeld lenkt von Anfang an das Augenmerk auf entsprechende Sollvorgaben. Kinder lernen in der Familie im Alter von wenigen Monaten, was von ihnen erwartet wird.“ (Elsen, 2020, S.110)

Also bereits vom Elternhaus aus werden häufig geschlechtsstereotypische Werte vermittelt. Elsen (2020, S. 110) führt hierbei das Spielen mit Puppen an, welches stereotypisch Mädchen zugeschrieben wird. Ein weiteres Beispiel dafür sind sogenannte „Baby showers“, also Partys auf denen werdende Eltern das Geschlecht ihres Babys bekannt geben. Diese sind momentan stark im Trend und ein hervorragendes Beispiel, wie Kinder bereits vor ihrer Geburt an geschlechtsspezifische Vorurteile gebunden werden. Um das jeweilige Geschlecht bekannt zu geben, werden nämlich meist die Farben rosa und blau verwendet, wobei rosa für ein Mädchen und blau für einen Jungen steht. Diese zwei Farben sind in unserer Gesellschaft heutzutage, aufgrund der starken Konnotation, quasi ein Symbol für die zwei traditionellen Geschlechter geworden. Selbst in Schulbüchern finden sich, neben anderen geschlechtsstereotypischen Äußerungen, Beispielen und Abbildungen, immer wieder diese zwei Farben als Kennzeichnung für die Geschlechter Frau und Mann. Dass ein Junge aber beispielsweise rosa lieber mögen kann als blau, scheint dabei egal zu sein. Aus Erfahrung kann ich leider sagen, dass so ein Junge in der Schule dafür vermutlich schräg angeschaut oder womöglich sogar dafür gemobbt würde. Der Grund dafür wäre einzig und allein, dass er nicht der Geschlechtsstereotype entspricht.

In der Schule ist hinsichtlich des Themas also offensichtlich noch reichlich Aufklärungsbedarf und Veränderung nötig. Die Personen, welche in diesem Bereich (neben den Eltern und Kindergartenpädagog*innen) viel Einfluss haben und folglich auch etwas bewirken können sind die Lehrkräfte. Aufgrund dessen ist es ausschlaggebend, dass im Unterricht diese Geschlechtsstereotype direkt angesprochen und auch besprochen werden. Zudem sehe ich es als Lehrauftrag einer jeden Lehrperson, die im Unterricht verwendete Sprache dahingehend anzupassen, dass Geschlechtsstereotype (zumindest weitgehend) vermieden werden. „Denn Kinder nehmen Stereotype anders wahr als Erwachsene, sie können die Verallgemeinerungen und Verzerrungen noch nicht erkennen und binden die Stereotype aktiv in ihre Wirklichkeitskonstruktionen ein. Sie konstruieren Geschlecht anhand der Geschlechtsstereotype und Verhaltenstypisierungen.“ (Elsen, 2020, S. 110) Was die Kinder also im Schulalltag an Geschlechtsstereotypen hören und lernen, nehmen sie in der Regel ohne weiteres Hinterfragen auf und halten es für wahr. Auch Studien (Hilliard und Liben, 2010 und Liben, 2001) an Volksschulkindern haben gezeigt, dass dies der Fall ist. Im Vergleich zu den Kontrollgruppen, haben die Kinder der Versuchsgruppen ein stark verändertes, geschlechtsstereotypes Verhalten aufgewiesen, nachdem diese einige Wochen lang im Unterricht mit Geschlechtsstereotypen konfrontiert wurden. (Elsen, 2020, S. 110)

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Geschlechtsstereotype leider immer noch der Regel angehören. Im Alltag zu Hause und auch im Schullalltag ist dies der Fall und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder dabei keine Chance haben, objektiv zu bleiben da sie nicht erkennen können, dass Geschlechtsstereotype bloß Vorurteile sind und nicht der Realität entsprechen. Es ist daher also der Auftrag der Eltern und vor allem auch der Pädagogen im Bildungsbereich, dieses Thema aktiv anzugehen, die Schüler*innen aufzuklären und mit ihnen darüber zu diskutieren. Denn um nochmals auf die anfängliche Frage, weshalb Geschlechtsstereotype in unserer heutigen Gesellschaft immer noch so präsent sind, zurückzukommen: es liegt an unserer Gesellschaft selbst. Trotzdem wir relativ aufgeklärt sind in unserem westlichen Lebensstil, gibt es immer noch verankerte Annahmen und Prinzipien, die zwar längst überholt sind, jedoch weitervermittelt und praktiziert werden. Aber wollen wir den jüngeren Generationen nicht doch lieber zeigen, dass ihnen die Welt offen steht? Dass sie die Farben mögen können, die sie wollen, dass sie den Beruf ausüben können, den sie wollen und dass sie sein können, wie und wer sie wollen – alles, ohne dabei aufgrund veralteter Geschlechtsstereotype verurteilt, sondern im Gegenteil, in ihren Vorhaben bekräftigt zu werden?

 

Bibliographie:

Elsen, H. (2020). Gender-Sprache-Stereotype: Geschlechtersensibilität in Alltag und Unterricht. Tübingen: utb GmbH.

image_pdfimage_print

Mit der Schulreform von 1774 wurde unter Maria Theresia die Schulpflicht von 6 bis 13 Jahren eingeführt. Damit wurde der Grundstein gelegt für das staatliche Schulwesen in Österreich. Nach Josef II. in der Zeit der Reaktion nach dem Wiener Kongress kam es zu keinen nennenswerten Reformen.

Im 19. Jahrhundert wurde das Gymnasium neu organisiert, die Lehrer*innenausbildung weiterentwickelt und spezialisiert und die Grundbildung gesichert. Nach der Zäsur des Ersten Weltkriegs und den darauffolgenden gesellschaftspolitischen Umwälzungen vertrat Reformpolitiker Otto Glöckel die Idee der Gesamtschule. Jedoch fand er keinen Zuspruch in der Gesellschaft, es gab viel Widerstand gegen das Konzept Gesamtschule. Dies sollte sich als bildungspolitische Tendenz erweisen für die österreichische Geschichte im 20. und 21. Jahrhundert.

Nach einem mühsamen und langen Weg entstand 1962 ein neues Schulorganisationsgesetz, das zwischen ÖVP und SPÖ ausgehandelt wurde. Aus späterer Sicht sicherte dies jedoch eher den Jetzt-Zustand und war kein Wegbereiter für weiter Reformen.

In den 70er-Jahren unter Kreisky sah dies anders aus. Gekennzeichnet durch eine hohe Reformbereitschaft wurden Schritte gesetzt, die eine Gesamt- und Ganztagsschule hervorzuheben versuchten. Stattdessen manifestierte sich eine Trennung in AHS und Hauptschule mit Leistungsgruppen. Die Gesamtschule scheiterte nämlich am Widerstand der konservativen Fraktion.

Wirft man einen Blick ins 21. Jahrhundert, fällt auf, dass eine frühe Selektion immer noch durchs Schulsystem perpetuiert wird. Während die Hauptschulen – oder die Mittelschulen, oder die Neuen Mittelschulen – zwar am Papier Veränderungen durchlaufen, bleibt die Grundidee dieselbe. Die versuchte Einführung der Gesamtschule durch die Hintertür passierte nicht, auch und vor allem aufgrund von politischem Widerstand.

Betrachtet man nun diese Entwicklung in Österreich, erkennt man ein Festhalten an Kontinuität und ein Ablehnen von tatsächlicher Reform im Bezug aufs Schulsystem. Die Teilung in unterschiedliche Schularten ist stark gebunden an aktuelle politische Präferenzen. Während diese Trennung in AHS und (N)MS zwar Vorteile in sich trägt, werden die Nachteile nach wie vor ignoriert. Brennpunktschulen, fast immer Hauptschulen, werden Sammelstelle für Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch schwächeren Schichten. Aufstiegschancen für solche Schüler*innen werden viel zu oft aufgrund ihrer Schulbildung vereitelt. Durch die frühe Selektion der Lernenden wird in gewisser Hinsicht auch gegen Diversität gearbeitet; so entstehen Vorurteile gegenüber der jeweils anderen Gruppe und zwischen den Schüler*innen entsteht kein Diskurs. Die Gesamtschul-Diskussion ist öffentlich verstummt.

Während also die diversen Schulreformen – beginnend im 18. Jahrhundert – als Reaktion der realpolitischen Begebenheiten ihrer Zeit passierten, befinden wir uns in der heutigen Schulsystemdebatte an einem Nullpunkt. Andere europäische Länder, unter anderem als Reaktion auf schlechte PISA-Ergebnisse, brachten langfristige bildungspolitische Änderungen hervor mit positiven Nachwirkungen. In Österreich scheint man allerdings zu beschäftigt zu sein mit den Um- und Neubenennung der Hauptschulen, um auf bildungswissenschaftliche Erkenntnisse einzugehen und das Schulsystem zu reflektieren.

image_pdfimage_print

In der Soziologie wird die Institution Schule als eine Einrichtung betrachtet, die zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beiträgt. Die Bildungsinstitutionen übernehmen schulische Sozialisationsprozesse, welche zu einer generationsbedingten Reproduktion der Gesellschaft führen.

Schule fördert nicht nur Eigenschaften, sondern auch Fähigkeiten die gesellschaftlich anerkannt sind. “Somit kommt der Schule als Institution, die Funktion der Normierung zu und der wirtschaftliche Aspekt steht im Mittelpunkt. Die Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die für die konkrete Arbeit erforderlich sind, wird als Qualifizierungsfunktion bezeichnet.” (Auer, 2015, S. 55). Diese Funktion des Bildungssystems ist für das Berufs- und Beschäftigungssystem notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben (vgl. Auer, 2015, S. 53-54).

Die Allokationsfunktion und Selektionsfunktion

Allokationsfunktion und Selektionsfunktion, beide dieser Funktionen beziehen sich auf die Sozialstruktur der Gesellschaft. Vor allem das Bildungssystem trägt dazu bei, junge Menschen auf die berufliche Tätigkeit vorzubereiten. Die berufliche Position ist sehr entscheidend, denn die soziale Position eines Individuums in der Gesellschaft hängt stark von dieser ab. Das Bildungssystem führt Personen je nach der jeweiligen Qualifizierung zu niedrigen oder hohen beruflichen Positionen. Die berufliche Position wiederum wird durch unterschiedliche Schulabschlüsse bestimmt und führt letztendlich zu Macht und Prestige, und damit verbundenen Lebenschancen. Obwohl grundsätzlich verschiedene Bildungswege offenstehen, können Kinder aus unteren sozialen Schichten schwer zu höherer Bildung gelangen (vgl. Auer, 2015, S. 55-56)!

Integrations- und Legitimationsfunktion

Das Schulsystem macht gesellschaftliche Integration möglich. In der Schule werden gezielte Werte, Normen und Weltsichten vermittelt, die zur Stabilisierung des politischen Systems dienen. 

Das Bildungssystem trägt auch einen großen Beitrag zur Friedenssicherung und zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Schüler und Schülerinnen sollen das Gefühl haben ein wichtiger Teil der Gesellschaft zu sein und sich auch für das Gemeinwohl verantwortlich zu fühlen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Schule soziale Integration möglich macht.

Eine weitere Funktion des Bildungssystems ist das Verstehen und die Zustimmung des politischen Regelsystems. Schüler und Schülerinnen lernen die Regelungen des Schulsystem und akzeptieren sie. Dadurch werden diese Regelungen als legitim anerkannt und das gesamte System wird gestärkt und verstanden (vgl. Auer, 2015, S. 56).

Meritokratie als schulische Leitkultur

„Meritokratie lat.: meritum, das Verdienst; griech.: kratein, für herrschen“ (Becker & Hadjar, 2009, zitiert nach Auer, 2015, S.57)  beschreibt eine Herrschaftsordnung einer Gesellschaft, in der eine Zuordnung zu einem gesellschaftlichen Status, und die damit verbundenen Vorzüge oder Nachteile, sich nach den Verdiensten der Person richten.

Das Bildungssystem ist ein solches System indem „Ungleichheit [als] funktionalistische Notwendigkeit moderner Gesellschaften“ gesehen wird. Dabei werden durch das meritokratische Leitmotiv, das besser bekannt ist als “Meritokratische Triade” (Becker & Hadjar, 2009, zitiert nach Auer, 2015, S. 58), legitime und illegitime Einflüsse genannt, die diese Ungleichheit verdeutlichen. Es besagt, dass man je nach Ausbildungsgrad eine entsprechende berufliche Stellung und somit auch verschiedene Einkommensklassen rechtfertigt. Jedoch ist dabei wichtig, dass weder die soziale Herkunft noch das Geschlecht, ein legitimer Einfluss für die soziale Ungleichheiten sind. 

Meritokratische Legitimationsprinzip

Die natürliche Fundierung sozialer Ungleichheit begründet Bildungsunterschiede als Resultat von Intelligenz- und Begabungsunterschieden. Außerdem wird versucht den Anteil der Faktoren biologischer und sozialer Voraussetzungen zu eruieren, die sie hervorrufen können. Das Schulsystem kann die individuelle genetische Ausstattung nicht vollends ausgleichen. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass Intelligenz und Leistungskategorien soziale Konstrukte sind und zukünftig durchaus andere Denkansätze entstehen könnten.

Die Darstellung von Ungleichheit in österreichischen Schulen, die mit der Hierarchisierung der Berufspositionen und der damit verbundenen sozialen und ökonomischen Anerkennung im Einklang steht, wird als notwendig erachtet. Außerdem wird die Ungleichheit partikularistisch definiert, sodass Ungleichheit als individuelles Problem bestimmt werden kann. Außerdem sind organisierte Bildungsprozesse nötig, um Kompetenzen zur Verfügung zu stellen und diese mit Zertifikaten zu vermitteln, die als Qualifikationsnachweis gelten. Vor allem die persönliche Leistung steht bei Lehrern*Innen für die Leistungsbeurteilung im Vordergrund (vgl. Auer, 2015, S. 59-62).

Literaturverweis

Auer, A. (2015). Selektionsmechanismen im österreichischen Bildungssystem : zur Durchlässigkeit beim Übergang von der Primarstufe zur Sekundarstufe I. JKU, Linz, 52-63. 

Christina Grill, Lea Sali, Anica Keskic

image_pdfimage_print

Die dicke Schicht der Vorurteile, die jeder kennt, aber nicht anerkennen will.

Jeder kennt unausgesprochenen Vorurteile, welche sich in unserer Gesellschaft verfestigt haben. Sei es, dass Arbeitslose einen geringeren Stellenwert in der Gesellschaft haben oder auch, dass Schulabbrecher und SchülerInnen die danach eine Lehre machen, trotzdem von oben belächelt werden. Mit genau dieser Thematik beschäftigt sich Anna Mayr in ihrem Buch „Die Elenden“.

Zunächst beschreibt Mayr eine Situation, die den meisten Menschen womöglich gut vertraut ist. Sie unterhält sich mit einem Arbeitskollegen über ihre Kindheit bzw. über den Ort, in dem sie aufgewachsen ist. Da dieses Viertel als besonders zwielichtig gilt, hat ihr Kollege sogleich damit begonnen sich über die Menschen die dort Leben lustig zu machen, bzw. ging er sofort davon aus, dass Frau Mayr auf der guten Seite mit den Einfamilienhäusern gewohnt habe und nicht auf der Seite der Plattenbauten, die für Feldversuche von SoziologiestudentInnen genutzt wurden. Mayr beschreibt solch ein Verhalten als empörend, da sie sich einerseits zu den Menschen der Plattenbauten, die praktisch ihre Nachbarn waren, aber auch andererseits mit ihrem Kollegen, mit dem sie täglich zusammenarbeitet, zugehörig fühlt.

Ebenso erging es ihr bei der Frage „Warum ihre Eltern arbeitslos seien?“. Mayr erklärt daraufhin, dass ein Leben nun mal nicht vollständig planbar ist. Denn wäre es möglich ein Leben vollständig zu planen, so würde man zu Beginn seiner Reise einen Fragebogen bekommen, bei dem man ankreuzen kann, was man später einmal werden will. Daraufhin bekommt man eine Karte in die Hand gedrückt, auf der genau erklärt wird, wann man wo abzubiegen hat, um seinen Traum zu erreichen. Nur leider ist es nicht so einfach und es hilft auch nicht das System als Sündenbock darzustellen, denn sobald mehrere Menschen eine Gruppe bilden, wird jedes Individuum instinktiv eine Rolle im Gesamtgefüge einnehmen. Daraus schließt Mayr, dass es keine freien Entscheidung oder eigene Wege zu gehen gibt.

Ein anderer Kollege macht sich kurz vor den Landtagswahlen, über die dummen, ungebildeten und faulen NichtwählerInnen lustig. Für ihn ist es unverständlich nicht wählen zu gehen, da wir in einer Demokratie leben und man dadurch seine Stimme verfallen lässt. Allerdings ist dies nur eine Ansichtsweise, denn es gibt genug Gründe nicht wählen zu gehen und außerdem sind NichtwählerInnen noch lange nicht dumm oder faul, nur weil sie nicht wählen gehen. Mayr hat sich durch diese Aussage ebenfalls provoziert gefühlt, einerseits da ihr Eltern gute Gründe hatten, nicht an dieser Wahl teilzunehmen und andererseits da ihr schon von klein auf eingetrichtert wurde gegen Pauschalisierungen vorzugehen. Deswegen verfasste sie einen Text für eine Zeitschrift, in der sie ihre Gründe und Ansichten über Nichtwähler preisgibt und damit versuchte ein Vorurteil aufzuheben. Allerdings gelang ihr das nicht so ganz. Durch ihren Text hat sie sich praktisch den Menschen unterworfen, die einen Beweis brauchen damit sie anerkennen, dass deren Vorurteile falsch sind.

All diese Vorurteile basieren auf Gesellschaftlichen Rollen beziehungsweise der Herkunft eines einzelnen. Wer in einer reichen Gegend geboren und aufgewachsen ist und immer etwas Geld beiseite hat, wird wohl bei einem Fehlschlag nicht so tief fallen, wie jemand der in einem eher armen Viertel aufgewachsen ist und wenig Geld zur Verfügung hat. Man könnte meinen Geld regiert die Welt, aber nicht alles was man sich wünscht, kann mit Geld erkauft werden.

Ebenso gibt es Stereotypen über die man lieber nicht reden will. Wie zum Beispiel das Preisevergleichen im Supermarkt. Kauft man die billigsten Äpfel, um Geld zu sparen, oder doch die um ein paar Cent mehr, weil sie einem besser schmecken oder sogar die Äpfel, die mir zwar nicht schmecken aber dafür Bio sind. Es gibt in der Gesellschaft immer besser und schlechtere anerkannte Wahlmöglichkeiten. So werden Bioproduktkäufer stets in den Himmel gelobt, da sie ja auf die Herstellung des Produktes achtgeben und demnach gute Menschen seien müssen. Anders ist es bei den Billigproduktkäufern, welche nur die billigsten Produkte und auch nur die, die sie für ihr tägliches Leben brauchen, kaufen. Also sind das schlechte Menschen da sie auch Eier aus Käfighaltung kaufen würden, wenn diese nur billig genug sind. Doch die wahren Gründe will keiner erfragen. Warum kaufen diese Menschen nur billige Produkte? Vielleicht weil sie beim Einkauf von Lebensmittel sparen wollen/müssen und sich eher die Frage stellen „Was brauche ich Wirklich?“ und nicht „Was kann ich mir alles kaufen?“.

Chancengleichheit und Vorurteile sind mittlerweile fundamentale Grundbausteine für das soziale Zusammenleben untereinander. Über Jahrhunderte hinweg haben sich viele Vorurteile und Stereotypen gebildet und wie auch schon Mayr erklärte, liegt es an jedem einzelnen von uns diese Vorurteile abzulegen und Urteilsfrei voranzuschreiten. Somit gibt Mayr zwar einen Einblick in die Gründe warum Menschen unter diesem Vorurteilen leiden und erzeugt so bei den LeserInnen ein Verständnis der Probleme. Jedoch kennt auch sie keinen Lösungsweg bzw. keine universelle Lösung wie der/die LeserIn selbst seine/ihre Vorurteile ablegen kann.