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In den folgenden Zeilen sollen einige Themen zur Diversität im Kontext von Unterricht und Schule vorgestellt werden. Es handelt sich um exemplarische Statements und soll auf Aspekte dieser Thematik hinweisen.

Kappus (2017) diskutiert den Status der migrationsbedingten Heterogenität und hält einleitend folgendes fest:

Schriftzüge in unterschiedlichen Sprachen begrüßen den Besucher, Zitate an den Wänden fordern zu Toleranz und Anerkennung von Vielfalt auf, eine Landkarte zeigt die Herkunftsländer der Schülerinnen und Schüler. Mehr als fünfzehn Nationalitäten seien in der Schülerschaft vertreten, sagt die Schulleiterin mit stolzem Lächeln. Im Rahmen von Migration und Mobilität kommen Sprachen, Religionen und Kulturen „aus aller Welt“ im Klassenzimmer zusammen und stellen Schulen und Lehrpersonen vor neue Herausforderungen. Der Umgang mit migrationsbedingter Heterogenität gehört in Deutschland, Österreich und der Schweiz in vielen Schulen zum ganz normalen Schulalltag. Dennoch gelten „multikulturelle Schulen“ in den Augen vieler nach wie vor als potenzielle Problemschulen. „Ja, ja“, bestätigt die Schulleiterin unserer Schule, „multikulturellen Schulen haftet häufig noch der Geruch von ,Gettoschulen‘ an.“ Dies habe jedoch, sagt sie, kaum etwas mit der Realität zu tun. „Wir sind eine ganz normale Schule mit ganz normalen Schülern und Schülerinnen unterschiedlicher Herkunft. Das ist kein Problem, sondern eine Chance, aus der Vielfalt zu lernen.“

Migrationsbedingte Heterogenität als Herausforderung, als Chance, als Problem? Der Beitrag geht Erklärungen der „Besonderheit“ und der „Normalität“ multikultureller Schulen nach. Er zeigt auf, dass es in der Diskussion um migrationsbedingte Heterogenität niemals nur um ethnokulturelle Vielfalt und Differenz, sondern stets auch um andere gesellschaftliche Differenzkategorien, vor allem jedoch um die Vorstellung gesellschaftlicher Norm/Normalität und Zugehörigkeit geht. (Kappus 2017)

In ihrem Artikel diskutiert Kappus (2017, S. 63–75) diese Thematik unter folgenden Überschriften:

  • Von Gastarbeitern zur Ständigen Wohnbevölkerung – oder: „Wer gehört dazu?“
  • Erklärung unterschiedlichen Bildungserfolgs (Kulturelle Herkunft, Soziale Zugehörigkeit, Institutionelle Einbettung)
  • Schule und Unterricht in der Migrationsgesellschaft (Kritische Revision gesellschaftlicher Schlüsselbegriffe, Entethnisierung von Wissen, Vernetzung von Ressourcen)

Den Geschlechterbezogenen Aspekt von Heterogenität wird bei Faulstisch-Wieland (2017) besprochen. Dabei wird unter anderem von folgenden Annahmen ausgegangen:

  • Jungen verhielten sich dominant und störten dadurch den Unterricht häufiger, sie nähmen explizit Mädchen Raum und Möglichkeiten zum Lernen – deshalb profitierten vor allem Mädchen, wenn sie getrennt von Jungen lernen könnten.
  • Jungen stünden unter ständigem Zwang, „cool“ sein zu müssen, sodass sie sich insbesondere in Anwesenheit von Mädchen stereotyp, das meint eher negativ, verhielten – deshalb sei es auch für Jungen günstig, wenn sie ohne Mädchen lernen könnten.
  • Lehrkräfte hätten nur bedingt Einfluss auf diese Prozesse, beziehungsweise es koste derart viel Kraft, in koedukativen Klassen Disziplin aufrechtzuerhalten, dass vor allem die Arbeit in Mädchengruppen einer Oase der Ruhe entspräche – was allerdings die Motivation für die Übernahme von Jungengruppen nicht gerade stärkt.

(Faulstisch-Wieland 2017)

Fischer  (2017) wiederum sagt, dass die Begabtenförderung zunehmend an Bedeutung gewinnt und führt dazu einleitend aus:

Das Aufgreifen dieses Themas erfolgt nicht zuletzt im Kontext der Diskussion um die Notwendigkeit eines verbesserten Umgangs mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen. Nachdem zunächst insbesondere außerschulische Institutionen die speziellen Bedürfnisse von besonders begabten Kindern aufgegriffen haben, gerät das Erkennen und Fördern von besonderen Begabungen in den letzten Jahren stärker in den Blick von schulischen und vorschulischen Einrichtungen. Diese Erkenntnis eines vermehrten Engagements insbesondere von Grundschulen, aber auch von Sekundarschulen im deutschsprachigen Raum konnte vor allem im Europa-Gutachten (Mönks/Pflüger 2005) zur Begabtenförderung belegt werden. Hiernach werden adäquate Diagnoseansätze sowie geeignete Förderangebote zunehmend auch im schulischen Kontext oftmals schon innerhalb des „regulären“ Unterrichts angeboten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der erforderlichen Schulentwicklung im Umgang mit Heterogenität. Die Ergebnisse Deutschlands, Österreichs und der Schweiz in den internationalen Schulvergleichsstudien wie PISA (Deutsches PISA- Konsortium 2001; Prenzel et al. 2004) oder IGLU (Bos et al. 2003) zeigen eine nicht hinreichende pädagogische Diagnostik und individuelle Förderung von Kindern in ihren unterschiedlichen Lernvoraussetzungen an. In Grundschulen gelingt dieser Umgang mit heterogenen Gruppen zwar schon besser als in weiterführenden Schulen, doch auch hier erweist sich vor allem bei hochbegabten Schülerinnen und Schülern ein deutlicher Nachholbedarf insbesondere an unterrichtlichen Förderangeboten.

(Fischer 2017, S. 52)

Joller-Graf (2017) thematisiert die Binnendifferenzierung und meint,

  • Innere Differenzierung soll …
  • der Zielsetzung optimaler Förderung aller Schüler bei der Aneignung von Erkenntnissen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten dienen;
  • die Entwicklung verschiedener Persönlichkeitsdimensionen und ihre wechselseitige Beziehung anregen und unterstützen;
  • die Selbständigkeit jedes einzelnen Schülers fördern, ihn also ,das Lernen lehren‘ oder besser: ,das Lernen lernen lassen‘;
  • die Fähigkeit der Schüler zu bewusstem sozialem Lernen und in diesem Rahmen ihre Kooperationsfähigkeit entwickeln (während der herkömmliche, undifferenzierte Klassenunterricht den einzelnen Schüler, ob gewollt oder ungewollt, weitgehend isoliert).“

(Joller-Graf 2017, 122f)

Elemente Kooperativen Lernens, so wie dies auch im Rahmen des Konzeptes Cool in österreichischen Schulen angewandt wird, werden von Traub (2017) vorgestellt. Zentrale Merkmale sind dabei:

  • positive Wechselbeziehungen: Die Gruppenmitglieder sind angehalten, zusammenzuwirken, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Erledigt ein Mitglied seine Teilauf- gabe unzureichend, bekommen alle die negativen Konsequenzen zu spüren. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Gruppenmitglieder lernen durch ihr häufiges Interagieren, Situationen aus der Perspektive anderer zu sehen.
  • individuelle Verantwortlichkeit: Alle Lernenden sind dafür verantwortlich, ihre Teilaufgabe zu erledigen; sie tragen Sorge für alle zu lernenden Inhalte und Teilgebiete und streben danach, diese zu beherrschen.
  • hilfreiche Face-to-Face-Interaktion: Obgleich einzelne Aufgabenbereiche differenziert und individuell erledigt werden, sind andere im Zusammenwirken aller Gruppenmitglieder zu erarbeiten. Dabei ist nur dann mit einem Erfolg zu rechnen, wenn die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich gegenseitig anleiten und ermutigen.
  • Feedback: Lernen in Gruppen zeichnet Sich durch das Geben und Nehmen von Informationen aus. Austausch und Feedback geben den Lernenden Gelegenheit, ihr konzeptuelles Verständnis zu korrigieren und über die Klärung von Meinungsverschiedenheiten zu neuen Einsichten zu gelangen. Des Weiteren kann das Individuum sich selbst und die eigenen Lernmethoden und -techniken besser verstehen und so effektivere Lerntechniken beziehungsweise -strategien entwickeln.
  • angemessene Nutzung kooperativer Fertigkeiten: Lernende werden in ihren kooperativen Kompetenzen unterstützt. Dazu zählen ein angemessenes Führungsverhalten, Vertrauensbildung, Strategien der Entscheidungsfindung und Fertigkeiten des Konfliktmanagements.
  • Reflexion der Gruppenprozesse: Gruppenmitglieder setzen sich gemeinsame Ziele, überprüfen regelmäßig die Gruppenaktivitäten, identifizieren Veränderungen und Entwicklungen und entwerfen Strategien, um zukünftig effektiver zusammenarbeiten zu können.

(Traub 2017, S. 140)

Prinzipien für Individualisierung nennt Hofmann (k.A.) in seinen Ausführungen zum Thema Individualisierung im Unterricht. Dazu zählen folgende Empfehlungen:

  • Vereinbarungen treffen anstatt für andere entscheiden
  • Kurze Inputs – lange Übungszeiten – Selbstkontrolle fördern
  • Vereinbarungen zur Lernkultur auf Schulebene

Weitere thematische Anrisse sind in der Literaturdatenbank, welche den Student*innen zur Verfügung steht, zu finden.

(Autor: Josef Eisner)

 

Literatur

Faulstisch-Wieland (2017): Mädchen und Jungen im Unterricht. In: Alois Buholzer und Annemarie Kummer Wyss (Hg.): Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. 3. Auflage. Seelze-Velber, Zug: Klett/Kallmeyer; Klett und Balmer Verlag (Lehren lernen), S. 16–26, zuletzt geprüft am 20.04.2018.

Fischer, Christian (2017): Begabung- und Hochbegabtenförderung. In: Alois Buholzer und Annemarie Kummer Wyss (Hg.): Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. 3. Auflage. Seelze-Velber, Zug: Klett/Kallmeyer; Klett und Balmer Verlag (Lehren lernen), S. 52–60, zuletzt geprüft am 20.04.2018.

Hofmann, Franz (k.A.): „Ich kann mich als Lehrer/in nicht vierteilen“ – aber das ist auch nicht nötig. Maßnahmen zur Individualisierung im Unterricht, zuletzt geprüft am 20.04.2018.

Joller-Graf, Klaus (2017): Binnendifferenziert unterrichten. In: Alois Buholzer und Annemarie Kummer Wyss (Hg.): Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. 3. Auflage. Seelze-Velber, Zug: Klett/Kallmeyer; Klett und Balmer Verlag (Lehren lernen), S. 122–136, zuletzt geprüft am 20.04.2018.

Kappus, Elke-Nicole (2017): Umgang mit migrationsbedingter Heterogenität. In: Alois Buholzer und Annemarie Kummer Wyss (Hg.): Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. 3. Auflage. Seelze-Velber, Zug: Klett/Kallmeyer; Klett und Balmer Verlag (Lehren lernen), S. 63–75, zuletzt geprüft am 20.04.2018.

Traub, Silke (2017): Kooperativ lernen. Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. In: Alois Buholzer und Annemarie Kummer Wyss (Hg.): Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. 3. Auflage. Seelze-Velber, Zug: Klett/Kallmeyer; Klett und Balmer Verlag (Lehren lernen), 149-138, zuletzt geprüft am 20.04.2018.

 

3 thoughts on “Diversität im Unterricht – ein vielschichtiges Thema

  1. Ein sehr guter Überblick, um den Begriff „Diversität“ und den Umgang damit im schulischen Kontext einordnen zu können.

    @ Kappus (2017): Ich sehe die migrationsbedingte Heterogenität trotz der Herausforderung für Schule und Lehrkräfte als sehr große Chance, sich (selbst und auch die Schule) neu zu entdecken, sich zu öffnen, sich breiter aufzustellen und neue Erfahrungen mit vielleicht noch fremden Kulturen zu machen. Um einen solchen Austausch aber erst zu ermöglichen, muss dieser Prozess intrinsisch motiviert sein. Man darf nicht immer davon ausgehen, dass unser System und unsere Denkmuster und -ansätze die einzig wahren sind und diese von allen übernommen werden müssen. Jede Kultur hat ihren eigenen Zugang zu Erziehung, Bildung, … . Man muss bereit und offen sein, sich darauf einzulassen.

    Im Unterrichtsfach Latein kann SchülerInnen zum Beispiel die Möglichkeit geboten werden, die lateinische Grammatik mit der Grammatik der Muttersprache zu vergleichen, Parallelen und Differenzen herauszuarbeiten, um somit den Unterricht aktiv mitzugestalten – dies kommt allen zugute.

    @ Faulstisch-Wieland (2017): Als ehemaliger Gymnasiast einer bis vor kurzem seedukativ geführten Schule habe ich fast/gar keine Erkenntnis über koedukativ geführte Schulen. Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland steht in ihrem Artikel der geschlechterspezifischen Erziehung positiv gegenüber. Interessant (speziell für mich) wären diesbezüglich Fragen, wie:
    Wird in koedukativ geführten Klassen auch geschlechterspezifisch unterrichtet? – Wann ja, in welchen Fächern und in welchem Ausmaß?
    Zu welchen (pädagogischen) Herausforderungen führt koedukativer Unterricht (im Vergleich)?
    Sind unterschiedliche Lehrformen und Unterrichtsmethoden abhängig vom Klassengefüge zu verwenden?

      1. Unter Seedukation oder auch Monoedukation versteht man den nach Geschlechtern getrennten Unterricht. Das Gegenteil ist die Koedukation.

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