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Bildung als „Infrastruktur“

Bei Fend, H. (20082) zeigt sich, dass sich unsere Gesellschaft durch drei Subsysteme charakterisieren lässt:

  • Politisches System (hier findet einerseits die Regulierung des gemeinschaftlichen Zusammenlebens statt, andererseits werden Entscheidungsprozesse organisiert sowie Rahmenbedingungen für andere Subsysteme gesetzt)
  • Wirtschaftssystem (organisiert in gesellschaftlicher Dimension die Arbeit, produziert lebenswichtige Güter und verteilt sie)
  • Bildungssystem (hier werden gesellschaftlich benötigte Qualifikationen und mentale Infrastrukturen hergestellt)

Bei Betrachtung des letztgenannten Punktes fällt die Formulierung „mentale Infrastrukturen“ auf. Dem Duden ist hierbei folgende Definition von „Infrastruktur“ zu entnehmen:

„Notwendiger, wirtschaftlicher und organisatorischer Unterbau als Voraussetzung für die Versorgung und die Nutzung eines bestimmten Gebiets für die gesamte Wirtschaft eines Landes“.

Diese Begrifflichkeit steht hier meiner Meinung nach sehr anschaulich für eine funktionelle Engführung des Bildungsbegriffs – Bildung als stark zweckgebundenes System: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand eine Sichtweise auf das Bildungssystem, die sich dadurch auszeichnete, dass sich gegenüber einer ganzheitlichen Bildung des Menschen im Medium herausragender abendländischer Kulturwerke eine ökonomische Betrachtungsweise durchsetzte. Schule und Lernen wurden so Instrumente für eine möglichst effektive Erzeugung von Qualifikationen, die von zentraler Bedeutung für das Wirtschaftssystem hinsichtlich der Behauptung im internationalen Wettstreit der Volkswirtschaften sind.

Die enge Beziehung zwischen Erziehungssystem und dem ökonomischen System einer Gesellschaft zeigt folgende Visualisierung der bereits angesprochenen gesellschaftlichen Subsysteme:

 

Standardisierung – eine neue Notwendigkeit, die aus der Verschränkung von Wirtschaft mit Bildung resultiert

Anhand der obigen Grafik stellt sich der Sachverhalt sehr eingängig dar: Sowohl das ökonomische System, als auch das Erziehungssystem werden in ihren Freiheiten von durch das politische System gesetzten Rahmenbedingungen reglementiert und es ist erkennbar, dass Bildungssysteme in den modernen Gesellschaften eng im Austausch mit den anderen Subsystemen stehen. Betrachtet man die Achse zwischen Erziehungs- und ökonomischem System genauer, so zeigt sich eine fundamentale Abhängigkeit: Hinsichtlich der Wandlung von einer ganzheitlicher Bildung hin zur konkreten Erzeugung von Qualifikationen in den Schulen wird deutlich, dass durch den intensiven Austausch von Qualifikationen mit finanzieller Sicherung seitens der Wirtschaft sich eine neue Notwendigkeit einstellt: Der Input an finanziellen Mitteln erfordert im Zuge einer Qualitätssicherung die Überprüfung der Rendite und damit des Outputs an Leistungen und Qualifikationen!

Aus diesem Sachverhalt heraus kann man die jüngere Entwicklung von Standardisierung und Kompetenzorientierung in einen wirtschaftlichen Kontext setzen. Die Überprüfbarkeit von Bildung wird zum Hauptmerkmal des Umgangs mit Schulentwicklung. Hier kommen die Standards und die Kompetenzmodelle ins Spiel:

Die Standards:

Standards (die „Lebensretter“ des Bildungssystems nach dem „PISA-Schock“) haben drei zentrale Anforderungen: Erfüllbarkeit, Möglichkeit zur Beschränkung (zB. zeitliche Begrenzung des Lernens, welche Inhalte werden ein- bzw. ausgeschlossen, etc.) sowie die Überprüfbarkeit. Dies ermöglicht eine exakte inhaltliche Festlegung im Sinne wirtschaftlicher Qualifikationsanforderungen sowie Kontrolle und Vergleichbarkeit (und damit das Entstehen von Wettbewerbsbedingungen).

Die Kompetenzmodelle:

Im Zusammenhang mit Standardisierungsprozesse und Überprüfbarkeit spielen die „Kompetenzmodelle“ eine wichtige Rolle: Ihre Schlüsselfunktion ist die Bereitstellung der Grundlage für eine Operationalisierung, mit deren Hilfe der Output des Bildungssystems schließlich empirisch überprüft werden kann. Beschäftigt man sich beispielsweise näher mit den Inhalten von Curricula an der Uni, so kann man in den einzelnen Modulbeschreibungen unter „Learning Outcomes“ exakt diese strenge Ausrichtung der Bildungskonzeption hin zur Überprüfbarkeit ihrer Inhalte ablesen – es finden sich fast ausschließlich Formulierungen wie „Die Studierenden können …“, „Die Studierenden kennen …“, „Die Studierenden sind bereit … zu …“, deren Umsetzung seitens der Studierenden in Beurteilungsverfahren gut zu erheben sind. Dazu sind Angaben über den dafür veranschlagten Arbeitsaufwand mit angeführt.

Diese beinahe an industrielle Prozessoptimierung erinnernde Entwicklung hin in Richtung Normierung und Effizienzsteigerung hat ihren Grund eventuell in einer gleichartigen Entwicklung der Gesellschaftsstrukturen: Menschliche Gesellschaften haben sich im Laufe der Vergangenheit immer stärker ausdifferenziert und ihre Subsysteme haben sich immer stärker miteinander verflochten. Dadurch sind sie zu äußerst effizienten Instrumenten der Existenzbewältigung geworden. Dieser Drang nach Effizienz macht sich auf diese Weise auch in unserem Bildungssystem bemerkbar. Dabei muss man aber differenzieren: Auch das Bildungssystem soll effizient arbeiten – doch wie verträgt sich eine übermäßig aus der Wirtschaft erwachsenden Effizienzvorstellung mit mit dem Anspruch, Bildung für jeden Menschen und seinen Bedürfnissen entsprechend bereitzustellen? Welche Schranken bietet uns letztlich unser eigenes Menschsein, das sich in letzter Instanz gegen die Eingliederung des Menschen in eine von der Wirtschaft diktierten Produktionskette stellen muss – will es nicht zum bloßen Produkt verkommen.

Viele Fragen stellen sich, nur wenige können wohl eindeutig beantwortet werden. Mit dem nächsten und damit letzten Beitrag dieser Reihe soll aber zumindest versucht werden, all diese Aspekte zu einem Faden zu verbinden, unsere kurze, textliche Reise zu reflektieren und in einem zusammenfassenden Ende zu beschließen.

 

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Literatur (sämtlicher Artikel dieser Reihe):

Bohnsack, F. (2008). Schule – Verlust oder Stärkung der Person? Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Fend, H. (20082). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Grimm G. (2011). Uniformierung und (Sozial-)Disziplinierung als pädagogisch-bildungs-politische Leitprinzipien bei der Grundlegung des öffentlich-staatlichen Pflichtschulwesens in Österreich im 18. Jahrhundert. In S. Sting, & V. Wakounig (Hrsg.), Bildung zwischen Standardisierung, Ausgrenzung und Anerkennung von Diversität, Band 12. (S. 101-113). Wien: LIT Verlag.

Klein, R. (2010). Fest-Stellungen: zur Entsorgung von Reflexivität durch Kultur- und Bildungsstandards. In S. Dungs (Hrsg.), & R. Klein, Standardisierung der Bildung. Zwischen Subjekt und Kultur. (S. 29-54). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Oelkers, J. (2003). Wie man Schule entwickelt. Eine bildungspolitische Analyse nach PISA. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.

Tauscher, A. (1968). Die Stellung des Lehrers in der Gesellschaft von heute oder Die Begegnung von Wirtschaft und Schule. In Sozial- und Wirtschaftskundliche Schriftenreihe, Heft 5. Wien: Sparkassenverlag Gesellschaft m.b.H.

Winter, F. (2006). Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen. In J. Bennack, A. Kaiser, & R. Winkel (Hrsg.), Grundlagen der Schulpädagogik, Band 49. Stuttgard: Schneider Verlag.

Jeder von uns wurde während der Schulzeit schon mal gehänselt oder von Mitschülern beschimpft. Aber ab wann spricht man von Mobbing?

Mobbing kommt vom englischen Wort „to mob“, was soviel heißt wie anpöbeln. Damit etwas als Mobbing eingestuft wird, muss es dauerhaft, systematisch und zielgerichtet gegen einzelne Schüler ausgerichtet sein. Typisch für Mobbing ist: Beschimpfen, Tyrannisieren, Ausgrenzen, Erpressen, Drohen, Isolieren und körperliche Gewalt. Eine einzelne Auseinandersetzung (auch über kürzere Zeiträume), sei diese verbal oder physisch, bezeichnet man demzufolge nicht als Mobbing.

Warum wird überhaupt gemobbt? Bei Mobbing versucht der/die Täter/Täterin sich selbst groß zu machen. Am Besten funktioniert das indem man andere kleiner macht oder bessere ausgrenzt.

Neben den TäterInnen gibt es auch immer Personen, seien dies MitschülerInnen oder LehrerInnen, die dem Mobbing stillschweigend zusehen, wegsehen oder es verharmlosen. Nur durch dieses Verhalten wird Mobbing überhaupt ermöglicht.

Mobbing hat zumeist nicht mit den Betroffenen zu tun. Die meisten suchen die Schuld zuerst immer bei sich selbst. Aber!: Es kann jeden und jede treffen. Mobbing kann viele Hintergründe haben, die meisten sind bei den TäterInnen und dem Umgang mit dem Thema an der Schule (manchmal auch Arbeitsplatz) zu suchen. Wenn man Personen auf Mobbing anspricht, sagen die meisten „Es ist doch nur Spaß!“. Aber Mobbing ist kein Spaß, es verletzt Menschen. Die Betroffenen wollen nicht mehr in die Schule gehen, haben Angst und fühlen sich ausgeschlossen.

Welche Tipps kann man also Lehrern und Lehrerinnen, Schülerinnen und Schülern geben?

In der Familie darüber reden.

Vielleicht war eines der Geschwister des Kindes auch Opfer. Man sollte auf diese Möglichkeit auf jeden Fall Wert legen.

Petzen.

Sobald mehrere gegen einen stehen, was bei Mobbing sehr oft der Fall ist, braucht man Unterstützung. Als Lehrperson muss im Unterricht Aufklärungsarbeit geleistet werden und man muss das Klassenklima im Auge behalten. Sollte man das Gefühl haben, ein Schüler oder eine Schülerin wird auf Dauer von den anderen ausgegrenzt, beleidigt oder körperlich angegriffen, muss man die ganze Klasse aufmerksam machen. Oftmals bessert sich die Lage, wenn LehrerInnen SchülerInnen zur Rede stellen.

VertrauenslehrerInnen, SchulpsychologInnen.

In jeder Schule sollte es VertrauenslehrerInnen geben. Solche sind dafür ausgebildet, SchülerInnen in Not zu helfen und diese zu unterstützen. Auch SchulpsychologInnen können oftmals gut helfen. Der schwierige Teil dabei ist meist jedoch, den Psychologen oder die Psychologin (vor allem in Österreich) bei den SchülerInnen als etwas normales dazustellen.

Es gibt noch viele weitere Punkte, welche Mobbing entgegenwirken können. Aber diese möchte ich als Diskussion in den Kommentaren erfahren.

 

Literatur

Olweus D. (1994) Bullying at School. In: Huesmann L.R. (eds) Aggressive Behavior. The Plenum Series in Social/Clinical Psychology. Springer, Boston, MA

Katharine A. RimesSandhya ShivakumarGreg UssherDan BakerQazi RahmanElizabeth West. (2018) Psychosocial Factors Associated With Suicide Attempts, Ideation, and Future Risk in Lesbian, Gay, and Bisexual Youth. Crisis 0:0, 1-10.

Series: „13 Reasons Why“ Netflix Original (https://www.netflix.com/at/) (soll keine Werbung sein und ich muss ehrlich sagen ich weiß nicht wie man eine Serie richtig zitiert, aber in der wird auf das Thema gut eingegangen)

Die Institution Schule gilt in der Geschlechterforschung als wichtige Dimension. Faulstich-Wieland (2012) zeigen durch Langzeitstudien und Unterrichtsbeobachtungen deutlich auf, dass Schule auch heute noch zur hierarchischen Geschlechterdifferenzierung beiträgt. Denn sowohl die Lehrpersonen als auch die Schüler und Schülerinnen sind in sogenannte alltägliche doing-gender-Prozesse, also die gesellschaftliche, soziale und kulturelle Konstruktion von Geschlecht und Geschlechterrollen im Alltag, involviert, auch ohne sich dessen aktiv bewusst zu sein.

Somit ist es von Bedeutung, die Dimension Geschlecht im schulischen Kontext keinesfalls auszublenden und Konstruktionsprozesse von Geschlecht, in welche auch die Schule maßgeblich eingebunden ist, aufzudecken, um eine unreflektierte Reproduktion zu verhindern. Hierfür wird der Auf- und Ausbau von Genderkompetenz als wichtiger Schritt für die Professionalisierung des Lehrberufs genannt. Es geht unter anderem um ein Verständnis für Geschlechterverhältnisse und –rollen und die Veränderbarkeit dieser sowie gezielt darauf zu achten, Geschlechterdifferenzen nicht zu reproduzieren und gleichzeitig eine Sensibilität bei den Schülern und Schülerinnen zu schaffen. Genderkompetenz stellt in diesem Sinne gerade für Lehrpersonen eine wichtige Schlüsselqualifikation dar und trägt somit auch maßgeblich zum Gender-Mainstreaming bei (Faulstich-Wieland/Horstkemper 2012: 25-38). Wichter Ansatzpunkt in diesem Zusammenhang für die Umsetzung bzw. das Leben von Geschlechtergerechtigkeit ist in meinen Augen das Verwenden einer geschlechtergerechten Sprache. Darauf werde ich in meiner künftigen Tätigkeit als Lehrerin auch besonderen Wert legen.

Auch Geschlechtergerechtigkeit in und durch Bildung stellt ein zentrales Konzept in der Geschlechterforschung dar. Geschlechtergerechtigkeit in und durch Bildung soll sowohl Frauen als auch Männern sozialen Anschluss und gesellschaftliche Integration ermöglichen. Zur Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit im Unterricht wird ein Dreischritt, der aus den Teilen der Dramatisierung, Reflexion und Entdramatisierung besteht, vorgeschlagen. Über die Entwicklung von Sensibilität für Geschlechterdifferenzen und eine reflektierte Ergründung dieser Differenzen soll als Ziel die Entdramatisierung bzw. Relativierung von Geschlechterdifferenzen erreicht werden (Kampshoff/Wiepecke 2012: 1-8).

Auch wenn gerade erst vor Kurzem mit der Streichung des fächerübergreifenden Unterrichtsprinzips Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern von Seiten der österreichischen Regierung ein Zeichen in die entgegengesetzte Richtung gesetzt wurde, (Vgl. https://www.profil.at/meinung/ elfriede-hammerl-sexismus-10155214)lassen sich auf den Seiten des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung zahlreiche Verweise auf die Wichtigkeit dieses Unterrichtsprinzips sowie ausgearbeitete Unterrichtsbeispiele und Materialen zu dieser Thematik finden https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/uek/gender_pb_25743.pdf?61ecjh . Im Mittelpunkt stehen die Geschlechterverhältnisse und deren Bedingungsfaktoren und Veränderbarkeiten sowie das Entwickeln von Haltungen, die der Geschlechtergerechtigkeit und dem Abbau von geschlechtshierarchischer Rollennormen dienlich sind. So wird beispielsweise eine „Gendersafari“ vorgestellt, bei der die Schüler und Schülerinnen genderstereotype Produkte sowie die Rollenbilder in der Werbung unter die Lupe nehmen. In meinen Augen bieten diese Beispiele interessante Anknüpfungspunkte für alle Fächer. Ich kann mir gut vorstellen, das ein oder andere Beispiel in meinem künftigen Unterricht einzusetzen.

Literatur:

Faulstich-Wieland, H. / Horstkemper, M. (2012): Schule und Genderforschung. In: M. Kampshoff / C. Wiepcke (Hrsg.): Handbuch Geschlechterforschung und Fachdidaktik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 25-38.

Hammerl, Elfriede (2018): Brauch ma net. <https://www.profil.at/meinung/ elfriede-hammerl-sexismus-10155214> (30.06.2018).

Kampshoff, M. / Wiepcke, C. (2012): Einleitung: Zur Bedeutung der Geschlechterforschung in der Fachdidaktik. In M. Kampshoff / C. Wiepcke (Hrsg.): Handbuch Geschlechterforschung und Fachdidaktik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 1-8.

<https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/uek/gender_pb_25743.pdf?61ecjh> (30.06.2018)

 

Bei Schülern gibt es viele unterschiedliche Persönlichkeits- und Leistungsmerkmale. Eines davon ist die sexuelle Orientierung. In meinem Beitrag ging es um eben jene und wie man damit in der Schule umgeht.

„Homosexualität ist eine Lebensweise, die in unserer Gesellschaft noch nicht als selbstverständlich wahrgenommen wird. Ein wesentlicher Kernpunkt für eine Verbesserung der Integration von Homosexuellen in der Gesellschaft ist die frühe Auseinandersetzung der Jugendlichen mit dem Thema Homosexualität. Die Schule, mitverantwortlich für die Erziehung der Jugendlichen, hat die Aufgabe, sich nicht nur auf die Vermittlung von fachlichem Wissen zu beschränken, sondern die Jugendlichen auch zu unterstützen und zu begleiten, damit sie einerseits eine eigene Persönlichkeit, Identität und eigenes Selbstvertrauen entwickeln, und andererseits Offenheit, Toleranz und Respekt gegenüber Menschen mit anderen Meinungen und Lebensweisen zeigen können.“ (Gfeller 2006)

 

Wie sieht es eigentlich in der jüngeren Geschichte mit dem Thema aus? Bis 1991 (!!) wurde Homosexualität von der WHO als Krankheit, als psychische Störung angesehen. Es wurden Chemo- und Hormontherapien verordnet, Psychotherapien versucht und sogar Menschen sterilisiert. Auch wurde die „Krankheit“ mit Elektroschocks und in Extremfällen sogar mit einer Lobotomie (Gehirnteile, welche für Krankheiten verantwortlich gemacht werden, werden operativ entfernt) behandelt. (Sagl 2004, S.8-9)

Nach mehreren Jahren erfolglosen Behandelns kam man zu dem Schluss, dass alle diese Methoden nichts an der sexuellen Orientierung der Menschen änderten. Psychiater wiesen darauf hin, dass es keine Krankheit sei und es eine Reihe von Gründen gibt, Homosexualität von der Liste der Krankheiten zu streichen. Abgesehen von ihrer sexuellen Orientierung unterscheiden sich Homosexuelle psychologisch als auch körperlich nicht von anderen Menschen. (Rauchfleisch 1996, S.14)

Zurück zur Schule. Der schwierigste Part für junge Homosexuelle (auch für homosexuelle Lehrer (Pacholleck 2010)) ist das sogenannte „Coming-Out“. Der Begriff an sich lässt so manchen schon die Stirn runzeln. Rauskommen woher? Warum muss ich von irgendwo rauskommen? Im deutschen verwendet man auch die Phrasen „sich outen“ oder „comingout“ (Website „www.dict.cc“). Alleine eine solche Bezeichnung wirkt finde ich schon diskriminierend und hat auf jeden Fall Diskussionsbedarf.

Psychologisch wird das Coming-Out in zwei Schritte geteilt: Das innere Coming-Out und das Äußere Coming-Out. (Sagl 2004, S. 41)

Das innere Coming-Out bezieht sich in erster Linie auf Selbstakzeptanz, welche Informationen zur Verfügung stehen (Ob Fragen wie: Ist das Normal? Bin ich anders? Was ist dieses Gefühl? beantwortet werden) und die Einstellung der Eltern an. Haben die Eltern einen eher unkonventionellen Lebensstil, fällt es den Jugendlichen oft leichter sich selbst zu akzeptieren. Auch die Schule muss dazu beitragen, verschiedene Minderheitsgruppen, wie in diesem Fall Homosexuelle, nicht als Außenseiter sonder auf eine positive Art und Weise darzustellen. (Rauchfleisch 1996, S.77-81) Je mehr Abneigung und Angst gegenüber gleichgeschlechtlicher Lebensart im Umfeld besteht, desto langsamer und schmerzhaft ist der Prozess der Selbstakzeptanz. (Sagl 2004, S. 41)

Das Äußere Coming-Out stellt die soziale Dimension dar. Also wie man mit seinem Umfeld interagiert, nachdem es für einen selbst klar ist, dass man homosexuell ist. Dazu müssen sich Jugendliche ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit präsentieren. Zu dieser Phase gehört auch die Partnersuche. Der Mut, seine sexuelle Orientierung bekannt zu geben, hängt von der inneren Coming-Out Phase und dem sozialen Umfeld ab. Meistens beginnt das äußere Coming-Out in der Familie, vorausgesetzt es gibt eine tolerante Eltern-Kind-Beziehung. Ist dies nicht möglich, muss unbedingt im näheren sozialen Umfeld Akzeptanz und Toleranz gefunden werden. Man brauch dann die Unterstützung von Kollegen und Kolleginnen, Lehrern und Lehrerinnen. Lokale homosexuelle Beratungsstellen und Organisationen (z.B. HOSI in Salzburg „http://www.hosi.or.at/“) bieten oft auch die nötige Unterstützung in dieser wichtigen Phase des Lebens. Auch homosexuelle Treffen und Nachtclubs bieten die nötigen Peer-Groups. (Rauchfleisch 1996, S. 81-85)

Die Welt von Homosexuellen ist oft von Vorurteilen und Diskriminierung geprägt. Diese verzerrten und meist ohne Hintergrund bestehenden stereotypischen Ansichten gegenüber Homosexuellen verhindern zu einem sehr großen Anteil ihre Integration und Stellung in der Gesellschaft. Diese Bild wird bereits in der Schule von Schülern und Schülerinnen aufgefasst und verbreitet. Schwule Männer seien weiblich, lesbische Frauen fühlen sich als Mann hört man immer wieder. Jemanden als „Schwuchtel“ zu bezeichnen wird als schlimme Beleidigung aufgefasst.  (Rauchfleisch 1996, S. 27)

Auch rechtlich werden Homosexuelle diskriminiert. Bis in die 70er Jahre wurde gleichgeschlechtliche Liebe verfolgt und durch diskriminierende Gesetzgebung aus der Gesellschaft ausgeschlossen und strafrechtlich verurteilt. 1971 wurde Homosexualität entkriminalisiert. Erst etwa 40 Jahre später, nämlich im Jahre 2010, ist es möglich eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft einzutragen (in Österreich). (https://derstandard.at/1313024358356/Oesterreich-40-Jahre-Straffreiheit-fuer-Homosexuelle)

Zurück zur Schule:

Aufklärungsarbeit und Akzeptanz in der Schule muss bei den Lehrpersonen beginnen. Und genau da liegt das Problem. In der Ausbildung wird das Thema nur in den wenigsten Fällen angesprochen und zwar mit folgender Begründung: „Die meisten Leute wissen sowieso etwas darüber“. (Podiumsdiskussion 2005) Folglich wird das Thema in der Schule nur behandelt, wenn es einen konkreten Fall dazu in der Klasse gibt und auch dann nicht sehr genau, da man als Lehrperson zumeist keine Ahnung hat, wie man damit umgeht (womöglich steht man dem Thema selbst nicht offen gegenüber). Die Nicht-Inklusion dieses Themas an den Schulen macht es homosexuellen Jugendlichen nicht gerade leichter. Die meisten wollen kein öffentliches Coming-Out aus Angst diskriminiert und ausgeschlossen zu werden. Auch viele schwule oder lesbische Lehrer wagen es aus demselbem Grund nicht. Wenn in der Klasse kein Interesse besteht, wird das Thema nur sehr peripher im Biologieunterricht angeschnitten (wenn man Glück hat). (Pacholleck 2010)

 

Literatur:

  • Gfeller, Nicole. Homosexualität: Weiterhin ein tabuisiertes Thema in der Schule? [Diplomarbeit PDF]. Abgerufen am, 25 06, 2018, von https://www.abq.ch/downloads/wissenschaft/gfeller,%202006.pdf
  • Sagl, Matthias (2004): Homosexualität und Schule. Wien: Diplomarbeit.
  • Rauchfleisch, Udo (1996): Schwule, Lesben, Bisexuelle: Lebensweisen, Vorurteile,
    Einsichten. 2. überarbeitete Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Podiumsdiskussion (2005): Gleichgeschlechtliche Liebe – kEin Thema für die
    Schule?. Bern: Mediensaal Kornhausforum.
  • Pacholleck, Felix. (2010, 21 06). Homosexualität in der Schule: Coming out, ja oder nein? [Beitragsartikel]. Abgerufen am, 25 06, 2018, von http://fudder.de/homosexualitaet-in-der-schule-coming-out-ja-oder-nein–120810990.html

Wertpluralismus erfordert Diskurs und Offenheit. Doch nach welchem Wertesystem richten sich Regeln innerhalb der Schule?

Im letzten Beitrag habe ich das Thema Wertdiskurs angesprochen und das dieser wichtig dafür ist, dass sich SuS in der Klasse verstanden und wohlfühlen. Allerdings kann es vorkommen, dass es mehr oder weniger große Differenzen zwischen Wertvorstellungen von Lehrenden und SuS bzw. deren Eltern kommt.

Zusammenleben erfordert gewisse Regeln. Diese Regeln sowie das Erziehungsverhalten von Lehrpersonen entstehen auf Grundlage des jeweiligen Wertesystems (Sturm et. al. 2013). Im Falle unseres Schulsystems sind dies humanistische, säkulare, demokratische Werte, die sich auch in der Gesetzgebung (vgl. Verfassung, Menschenrechtscharta…) wiederfinden. Konkrete Werte wie z.B. Chancengleichheit, Weltoffenheit, Akzeptanz, Menschenwürde uvm.sind auch im allgemeinen Teil des österreichischen Lehrplans festgehalten. Schulintern gibt es auch Regelwerke wie die Schulordnung, nach welchen man sich richten sollte.

Nun wissen wir ja bereits, dass in der Klasse viele verschiedene Vorstellungen von Werten, Moral etc. existieren. Die Schwierigkeit besteht darin, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Im Kontext des Wertdiskurses sollte all das Platz finden, was den Mitmenschen auf wertschätzende Weise begegnet. Das heißt dort, wo andere auf welche Art auch immer diskriminiert werden, ist eine Grenze zu setzen.
Mit dem Eintritt in die Schule verpflichten sich SuS und vor allem deren Eltern, die Regeln und Werte der Schule, denen die oben genannten Gesetzeswerken zugrunde liegen, zu akzeptieren. Es geht nicht darum, dass sie sich dem Gesetz unterwerfen müssen, sonders darum, dass ein Miteinander nur mit gewissen Spielregeln möglich ist.
Der positive Umgang miteinander ist nicht nur für eine funktionierende Schule essentiell, sondern generell für das Zusammenleben in einer Sozietät und das sollte den SuS demensprechend vermittelt werden.

 

Literatur:

Lehrplan AHS allgemeiner Teil Ober- und Unterstufe. URL: https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/uek/medien_lp_ahs_25725.pdf?61ebv5. [Zugriff 26.07.2018]

Sturm, C., Gläser, E., Naurath, E., u.a. (2013). Fächerübergreifende und fachspezifische Werte-Bildung.(E. Naurath, M. Blasberg-Kuhnke, R. Mokrosch, u.a., Hrsg.) Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

 

Plurale Wertvorstellungen im Unterricht TEIL 1

Wertpluralität allgemein – Offenheit und Reflexion als Grundlage für den Wertdiskurs

Innerhalb des Klassenzimmers existieren viele Formen von Diversität. Eine davon ist z.B. die Diversität in Bezug auf Wertvorstellungen.

„Werte“ sind konstruiert und individuell ausgeprägt. Als „Werte“ gelten z.B. Ideale für ein erfülltes Leben, Ziele für die Zukunft oder auch Maßstäbe zur Beurteilung von Verhalten oder Situationen (Sturm et. al. 2013). Beeinflusst durch kulturelle und soziale Herkunft sowie durch verschiedene Erfahrungen eignet sich im Laufe des Lebens ein/e jede/r sein eigenes Moral- bzw.  Werteverständnis an. Kinder und Jugendliche orientieren sich besonders an Vorbildern aus ihrem sozialen Umfeld z.B. an ihren Eltern, Familienmitgliedern oder auch an Personen in ihrer peer group.
Das heißt, Werte sind etwas sehr Persönliches und (für das jeweilige Individuum) Selbstverständliches.
Gerade weil unsere eigenen Wertvorstellungen für uns selbst derart normal und selbstverständlich scheinen, ist es von Bedeutung, uns der Pluralität von Werten bewusst zu sein. Werte sind zudem sehr emotional besetzt. Trifft man mit seinen Wertvorstellungen auf Unverständnis, kann dies einschüchternd und sogar verletzend wirken.

So unterschiedlich die Vorgeschichten sind, die SuS in den Unterricht mitbringen, so verschieden sind auch ihre Wertvorstellungen. Wichtig ist, dass die Lehrperson diese Heterogenität berücksichtigt. Es zeigt den SuS, dass sie von der Lehrperson nicht nur wahr- sondern auch ernst genommen werden. Darüber hinaus hilft es der Lehrperson dabei, die SuS dort abzuholen, wo sie gerade stehen, wenn sie über die Prioritäten der SuS Bescheid weiß.

Grundlage für einen erfolgreichen Umgang mit Werte-Heterogenität ist die Auseinandersetzung der Lehrperson mit ihren eigenen Wertvorstellungen und dahingehenden Bedürfnissen. Außerdem sollten Lehrende auch Normen und Werte der eigenen Gesellschaft bzw. Kultur und Unterschiede zu anderen Kulturkreisen kennen.
Geht die Lehrperson offen mit verschiedenen Wertvorstellungen um, entsteht ein Klima, das Diskursmöglichkeiten eröffnet. Durch diese Vorbildhaltung und die Option zur Diskussion in der Klasse ist es für SuS besser möglich, den Wertpluralismus innerhalb der Klasse wahrzunehmen und einander mit Verständnis zu begegnen (Mokrosch & Regenbogen 2009). Generell ist ein entspanntes, diskursfreundliches Klima die beste Voraussetzung, mit heterogenen Strukturen umzugehen und aus ihnen zu schöpfen.

 

Literatur:

Mokrosch, R., & Regenbogen, A. (2009). Werte-Erziehung und Schule. Ein Handbuch für Unterrichende.(R. Mokrosch, Hrsg.) Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.

Sturm, C., Gläser, E., Naurath, E., u.a. (2013). Fächerübergreifende und fachspezifische Werte-Bildung.(E. Naurath, M. Blasberg-Kuhnke, R. Mokrosch, u.a., Hrsg.) Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

 

In den 60er- und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Diskussionen um das Bildungswesen laut, die eine kritische Wende in der Betrachtungsweise von Bildungssystemen einläuteten: Diese wurden nun kritisch im Lichte des Kapitalismus betrachtet. Demnach hatte das Schulsystem für die Gesellschaft primär drei Bedeutungen:

  • Der Staat finanziert die Herstellung von für das kapitalistische Wirtschaftssystem wichtigen Qualifikationen, deren Herstellung für das „Kapital“ aber finanziell zu aufwendig wäre und daher in das Schulsystem verlegt wird.
  • Schulsysteme lehren das Akzeptieren sowohl von Herrschaftsverhältnissen als auch insbesondere der Produktionsverhältnisse einer kapitalistischen Gesellschaft.
  • Schulsysteme dienen der Reproduktion der Klassengesellschaft

Gerade die letzten zwei Punkte sind im Hinblick auf die Vergangenheit des Schulsystems durchaus berechtigt.

Der sich über viele Schuljahre intensivierende Haupteffekt dieser schulischen Beeinflussung wurde ganz wesentlich im Generieren von Haltungen und Einstellungen ausgemacht, die eben von Nöten waren, um unter industriellen und kapitalistischen Produktionsbedingungen ein angepasstes Verhalten zu erzeugen. Hinzu kommt die schulische Beeinflussung bezüglich arbeitsmarktgerechter Qualifikationen sowie das Selektieren und soziale Schichten der Heranwachsenden.

Wie bildungsbezogenes Denken zu jener Zeit geleitet ist durch wirtschaftliche Vorstellungen zeigt ein kleiner Auszug aus einem Heft einer Schriftenreihe, das 1968 erschienen ist (somit genau in die betreffene Zeit passt) und die Begegnung von Schule und Wirtschaft thematisiert :

Es wird deutlich, wie eng verwoben hier Bildung und Wirtschaft gesehen werden. Auch fällt der Einzug von Wirtschaftssprache in den Bildungsbereich auf, wenn zum Beispiel von „Bildungskapital“ gesprochen wird – ein Umstand, der häufig beobachtet werden kann und uns auch im nächsten Artikel begegnen wird. Dann wird es nämlich ganz konkret um die Frage gehen, wie weit Wirtschaft mit Bildung in Abhängigkeit steht und welche Zusammenhänge und Bedingungen sich aus einer solchen Konstellation ergeben.

 

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Literatur (sämtlicher Artikel dieser Reihe):

Bohnsack, F. (2008). Schule – Verlust oder Stärkung der Person? Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Fend, H. (20082). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Grimm G. (2011). Uniformierung und (Sozial-)Disziplinierung als pädagogisch-bildungs-politische Leitprinzipien bei der Grundlegung des öffentlich-staatlichen Pflichtschulwesens in Österreich im 18. Jahrhundert. In S. Sting, & V. Wakounig (Hrsg.), Bildung zwischen Standardisierung, Ausgrenzung und Anerkennung von Diversität, Band 12. (S. 101-113). Wien: LIT Verlag.

Klein, R. (2010). Fest-Stellungen: zur Entsorgung von Reflexivität durch Kultur- und Bildungsstandards. In S. Dungs (Hrsg.), & R. Klein, Standardisierung der Bildung. Zwischen Subjekt und Kultur. (S. 29-54). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Oelkers, J. (2003). Wie man Schule entwickelt. Eine bildungspolitische Analyse nach PISA. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.

Tauscher, A. (1968). Die Stellung des Lehrers in der Gesellschaft von heute oder Die Begegnung von Wirtschaft und Schule. In Sozial- und Wirtschaftskundliche Schriftenreihe, Heft 5. Wien: Sparkassenverlag Gesellschaft m.b.H.

Winter, F. (2006). Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen. In J. Bennack, A. Kaiser, & R. Winkel (Hrsg.), Grundlagen der Schulpädagogik, Band 49. Stuttgard: Schneider Verlag.

Die sexuelle Identität meint die Befindlichkeit des eigenen Geschlechts. Also wie wir uns selbst sehen und wie wir von den Mitmenschen wahrgenommen werden wollen. Die Identität setzt sich aus den folgenden Faktoren zusammen:

  1. Biologisches Geschlecht (dem Körper): Dieses gliedert sich in genetisch chromosomales, gondadales, hormonelles und morphologisches Geschlecht. Das Genetische Geschlecht wird durch die unterschiedlichen Chromosomensätze (XX und XY) bestimmt. Das Gonadales Geschlecht zeichnet sich durch das Vorhandensein von Eierstöcken und/oder Hoden aus. Der Hormonspiegel gibt Auskunft über das hormonelle Geschlecht und die inneren/äußeren Geschlechtsmerkmale wie Penis, Vagina, Gebärmutter über das morphologische Geschlecht.
  2. Psychisches Geschlecht: meint die innere Überzeugung, als was man sich selbst fühlt. Muss nicht männlich oder weiblich sein, kann auch dazwischen sein.
  3. Soziales Geschlecht: beinhaltet die Werte, wie sich ein Mädchen oder Junge verhalten „soll“. Dies ist jedoch von Kultur zu Kultur unterschiedlich.
  4. Sexuelle Orientierung: Darunter versteht man das Begehren einer Person hinsichtlich des Geschlechts einer Partnerin/eines Partners für Liebe, Sex und Verbundenheit.

 

http://www.respekt.gerede-dresden.de/2008.php?page=200801

Grundsätzlich ist es wichtig, dass eine neutrale Sprach angewandt wird und bei den unterrichtlichen Ausführungen „die Vielfalt der Sexualität“ respektiert wird. Vor allem im Sexualunterricht ist es wichtig einen klaren formalen Rahmen fürs das Unterrichtsgeschehen festzulegen (z.B. Jeder darf ausreden, keiner muss reden, niemand soll sich über Aussagen oder Fragen lustig machen). Ebenso ist es wichtig, auf verschiedene sexuelle Identitäten einzugehen, damit es „normalisiert“ wird.

o.V. „Sexuelle Identität“, in: Internetseite Lust und Frust, 01.07 2017
https://www.lustundfrust.ch/jugendliche/sexuelle-identitaet

Das Leistungsprinzip

Wie bereits am Ende des vorhergehenden Artikels angesprochen, erfüllt das Bildungswesen hinsichtlich der Sozialisation von heranwachsenden Menschen eine ganz wesentliche Funktion. In diesem Zusammenhang sei die sogenannte Leistungsideologie bzw. das Leistungsprinzip erwähnt. Grundlage hierfür ist es, ein Bild einer Leistungsgesellschaft zu vermitteln, der nach es erforderlich ist, im Gegenzug zum Bezug wichtiger Güter Leistungen zu erbringen. Die schulische Leistungsbeurteilung erfüllt hier eine wesentliche Rolle der Einprägung dieser Sichtweise in die Köpfe der Jugendlichen. Grundsätzlich ist die Durchsetzung des Leistungsprinzip ein durchaus sehr wertvoller Sieg der Demokratie über die früheren feudalen Privilegien. Doch abgesehen davon kann man die Leistungsideologie durchaus auch kritisch betrachten: Denn in ihrem Sinne soll Schule die Anerkennung von Besitzverteilungen und Machtverhältnisse sicherstellen. Dies gelingt mit folgender, der Leistungsideologie entspringender, Argumentation: „Ungleichheit ist das Ergebnis individuell unterschiedlicher Anstrengung“. Das bedeutet, dass demnach jeder gleichermaßen Chancen auf Erfolg hat und diese lediglich durch die eigene Bereitschaft zur Anstrengung zur Entfaltung bringen kann. Somit hätte jemand, der den sozialen Aufstieg nicht schafft, sich das seiner eigenen mangelnden Leistungsbereitschaft zuzuschreiben. Dass dieses Leistungsprinzip im Sinne einer inklusiven Gesellschaft nicht fair ist, liegt auf der Hand: Nicht jeder Mensch verfügt über die gleichen Startvoraussetzungen und Anstrengung wird nicht in allen gesellschaftlichen Gruppierungen gleich mit Erfolg „entlohnt“. Zudem kommt, dass in der Gesellschaft auch noch andere Prinzipien Anwendung finden:

  • Bekannheitsprinzip (Hier besteht eine Bevorzugung durch direkte bzw. indirekte Beziehung zu den Auswählenden)
  • Ideologieprinzip (Parteizugehörigkeit und/oder Gesinnungsnähe als Auswahlkriterium)
  • Anciennitätsprinzip (Vorziehen altgedienter Personen)
  • Sozialprinzip (Bevorzugung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen bei ansonsten gleicher Qualifikation)

Mit dem Etablieren des Leistungsprinzips in Bildungsinstitutionen könnte man diese gewissermaßen als Herrschaftsinstrument im Dienste der Interessen einer kapitalistischen Gesellschaft sehen, das den in ihr mächtigen Gruppen in die Karten spielt, indem es die materielle Ungleichheit zwischen den Menschen auf diese Weise legitimiert.

In der Schule findet das Leistungsprinzip in der Vergabe von Schulnoten symbolisch Anwendung. Problematisch ist, gerade auch hinsichtlich des Themas „Diversität und Inklusion“, dass hier im Endeffekt Menschen als Summe ihrer Effizienz gesehen werden und Leistung zu einem Hauptkriterium in der Feststellung des Wertes eines Menschen wird.

Leistungszielorientierung vs. Lernzielorientierung

Hinsichtlich eines Schulalltags, der sich zunehmend stärker auf SchülerInnenleistung fokussiert, zeigt sich, dass eine leistungszielorientiere Haltung seitens der SchülerInnen mit extrinsischer Motivation einhergeht, da Handlungen aufgrund positiver Folgen (Belohnung, beispielsweise durch das Notensystem) oder auch Vermeidung von Bestrafung (Konsequenzen schlechter Benotung) vollzogen werden. Dies steht im Gegensatz zu einer Lernzielorientierung, bei der die SchülerInnen eher um der Sache selbst willen aufgabenorientiert und intrinsisch motiviert arbeiten. Letztere Einstellung zeichnet eine nachhaltige und menschliche Herangehensweise in der Bildungsarbeit aus. Sie weist bei den Kindern auch signifikant höhere Lernraten auf, als bei Leistungszielorientierung. Dennoch tritt Leistungszielorientierung bei mehr als der Hälfte aller Schüler, nämlich zu 53,4% auf. Eine Aufgabenorientierung findet sich zu nur 13,7%!

Als Lehrkraft wird es demnach wichtig sein, Gegenerfahrungen zur üblichen Leistungskontrolle anzubieten, um damit einen menschlicheren, motivationsförderlichen und langfristigeren Zugang zum Lernen zu schaffen. Vielleicht sollte sich in den einzelnen Fächernd der Fokus ein wenig verschieben: Nicht nur darauf schauen, wie man das Fach am besten vermittelt und die Effizienz dieser Vermittlung erhebt, sondern vielmehr die Frage stellen, was man mit dem Fach dazu beitragen kann, dass es dem Schüler, der Schülerin bei seiner/ihrer Menschwerdung hilft! So geschieht Lernen letztlich nicht für die Note, sondern für wesentlich höhere Werte – wenn wir die Persönlichkeitsbildung der Einzelnen in all unseren Handlungen als Lehrperson im Blick haben.

In den folgenden Beiträgen werden wir uns dem Spannungsfeld von Schule und Wirtschaft widmen, dem schlussendlich auch die aktuelle Debatte über Standardisierung und Vereinheitlichung entspringt.

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Literatur (sämtlicher Artikel dieser Reihe):

Bohnsack, F. (2008). Schule – Verlust oder Stärkung der Person? Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Fend, H. (20082). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Grimm G. (2011). Uniformierung und (Sozial-)Disziplinierung als pädagogisch-bildungs-politische Leitprinzipien bei der Grundlegung des öffentlich-staatlichen Pflichtschulwesens in Österreich im 18. Jahrhundert. In S. Sting, & V. Wakounig (Hrsg.), Bildung zwischen Standardisierung, Ausgrenzung und Anerkennung von Diversität, Band 12. (S. 101-113). Wien: LIT Verlag.

Klein, R. (2010). Fest-Stellungen: zur Entsorgung von Reflexivität durch Kultur- und Bildungsstandards. In S. Dungs (Hrsg.), & R. Klein, Standardisierung der Bildung. Zwischen Subjekt und Kultur. (S. 29-54). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Oelkers, J. (2003). Wie man Schule entwickelt. Eine bildungspolitische Analyse nach PISA. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.

Tauscher, A. (1968). Die Stellung des Lehrers in der Gesellschaft von heute oder Die Begegnung von Wirtschaft und Schule. In. Sozial- und Wirtschaftskundliche Schriftenreihe, Heft 5. Wien: Sparkassenverlag Gesellschaft m.b.H.

Winter, F. (2006). Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen. In J. Bennack, A. Kaiser, & R. Winkel (Hrsg.), Grundlagen der Schulpädagogik, Band 49. Stuttgard: Schneider Verlag.

Kooperatives Lernen ist eine besondere Form des gemeinsamen Lernens. Es handelt sich um „eine Interaktionsform, bei der die beteiligten Personen gemeinsam und in wechselseitigem Austausch Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben.“ (Traub 2017, S. 139)

Kooperatives Lernen geht dabei weit über traditionelle Gruppenarbeiten hinaus. Im Mittelpunkt von kooperativ strukturiertem Unterricht steht nämlich der aktive, konstruktive und vor allem soziale Prozess des Lernens. Im Zuge dessen erwerben die Teammitglieder gemeinsam kognitive und soziale Kompetenzen (Konrad/Traub 2010, S. 5).

Grundstrukturierung: (Vgl. Brüning/Saum 2007)

Kooperatives Lernen lässt sich grob in einem Dreischritt strukturieren. Dieser bildet gewissermaßen das Herz dieser Unterrichtsorganisationsform:

  1. THINK (Einzelarbeit, individuelle Auseinandersetzung mit Sachverhalt, Vorwissen aktivieren)
  2. PAIR (Austausch mit Partner/n, gemeinsames Erarbeiten, wechselseitiges Lehren)
  3. SHARE (Vorstellen im Plenum, Ergebnissicherung)
    (Nach: Brüning/Saum 2007)

Beim kooperativen Lernen werden also Situationen geschaffen, in denen die Schüler und Schülerinnen sowohl alleine arbeiten und ihr Vorwissen aktiveren als auch mit anderen Schülern und Schülerinnen in den Austausch treten und sich gegenseitig Lerninhalte vermitteln. Dieser strukturierte Wechsel der Sozialformen soll alle Lernenden bestmöglich aktivieren und die soziale Kompetenz ausbauen.

Basiselemente: (Vgl. Traub 2017, S. 140)

  • Direkte und förderliche Interaktionen: treten in den Phasen der Gruppenarbeiten auf. Die Lernenden treten in Interaktion, um sich gemeinsam etwas zu erarbeiten.
  • Individuelle Verantwortung: Jedes Gruppenmitglied ist für seine Teilaufgabe verantwortlich und trägt damit zum Erfolg der ganzen Gruppe bei.
  • Positive Abhängigkeiten: Das Gruppenziel wird nur dann erreicht, wenn sich jedes Gruppenmitglied konstruktiv und erfolgreich beteiligt.
  • Soziale Kompetenzen: Kooperatives Lernen erfordert soziale Kompetenzen von den Schülern und Schülerinnen und fördert diese gleichzeitig.
  • Reflexion und Evaluation: Die Gruppen reflektieren ihren individuellen sowie gemeinsamen Lernprozess.

Unterstützungsmaßnahmen – Aufgaben der Lehrperson:

An kooperatives Lernen müssen die Schüler und Schülerinnen erst herangeführt werden. Dies ist Aufgabe der Lehrperson. Im Mittelpunkt steht hierbei die Strukturierung des Austausches in den Gruppen, das Schaffen von Regeln für das Arbeiten in Gruppen sowie die Vermittlung von Feedbackregeln und Lernstrategien. Während der kooperativen Arbeitsphasen sind die Lehrenden BeobachterInnen, ModeratorInnen, Coachs und BegleiterInnen des Lernprozesses der Schüler und Schülerinnen (Pauli/Reusser 2000).

Kooperation von Lehrenden:

Nicht nur die Kooperation von Lernenden, sondern auch die Kooperation von Lehrenden gilt als überaus gewinnbringend. Kooperatives Lehren meint die Zusammenarbeit von Lehrkräften in Teams. Die Zusammenarbeit kann hierbei auf den verschiedensten Ebenen der Schule und des Unterrichts stattfinden. Die Lehrendenteams haben die Möglichkeit, sowohl fachspezifisch als auch fächerübergreifend den Unterricht gemeinsam zu planen, durchzuführen und anschließend auszuwerten. In Teamarbeit können sie so Unterricht positiv weiterentwickeln. Auch auf Ebene der Schulentwicklung und –organisation bietet sich Kooperation von Lehrenden an. (Kummer Wyss 2017)

COOL – Cooperatives Offenes Lernen:

Im Zusammenhang mit kooperativem Lernen und Unterrichten lässt sich als österreichisches Beispiel der Umsetzung das Schul- und Unterrichtsentwicklungsprojekt COOL (Cooperatives Offenes Lernen) nennen. Den Ausgangspunkt nahm es an der HTL in Steyr. Mittlerweile arbeiten diverse Schulen sowohl in der Sekundarstufe 1 als auch in der Sekundarstufe 2 damit. Im Fokus steht basierend auf den Prinzipien des Daltonplans ein von mehr Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Kooperation getragenes Lernen und Lehren. So kooperieren die Lehrenden in Teams und erstellen Material sowie Stundenentwürfe gemeinsam. Bis zu 50 Prozent der Wochenstunden können als sogenannte COOL-Stunden durchgeführt werden, in denen die Lernenden an einem schriftlichen Arbeitsplan arbeiten und dabei selbst entscheiden, wann, wie und mit wem sie die Aufgaben erledigen. Der Lehrperson kommt in diesen Unterrichtsphasen die Rolle als ModeratorIn, Coach sowie BegleiterIn zu.

Literatur:

Brüning, Ludgar/ Tobias Saum (2007): Kooperatives Lernen im Unterrichtsalltag. Überblick und Praxishinweise. In: E[LAAN] Magazin für Lehramtsanwärter/-innen 35, S. 3-8.

Kummer Wyss, Annemarie (2017): Kooperativ unterrichten. In: Alois Buholzer/ Annemarie Kummer Wyss (Hrsg.): Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. 3. Auflage. Seelze-Velber, Zug: Klett/Kallmeyer; Klett und Balmer Verlag (Lehren lernen), S. 151-160.

Pauli, Christine/ Kurt Reusser (2000): Zur Rolle der Lehrperson beim kooperativen Lernen. In: Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften 22 (3), S. 421-442.

Traub, Silke (2017): Kooperativ lernen. Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. In: Alois Buholzer/ Annemarie Kummer Wyss (Hrsg.): Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. 3. Auflage. Seelze-Velber, Zug: Klett/Kallmeyer; Klett und Balmer Verlag (Lehren lernen), S. 138-149.

<https://www.cooltrainers.at/> (24.06.2018)