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Gendern im Alltag

Verfasserin: Hannah Staudinger

„Gendern“ ist ja ein Begriff, der uns schon über Jahre hinweg begleitet. Man unterhält sich über gendergerechte Sprache, die Gender-Pay-Gap oder warum es in bestimmten Berufssparten weniger Frauen und mehr Männer gibt und dass man Frauenquoten einführen und erfüllen muss. Doch was merken wir davon im Alltag?

Es heißt ja immer Gleichberechtigung der Geschlechter, Gleichberechtigung von Mann und Frau, und zwar in allen Lebenslagen. Nun gut… über das Thema alle Lebenslagen kann man noch einmal diskutieren, wenn man zum Thema Grundwehrdient/ Zivildienst kommt, der ja für die Männer immer noch verpflichtend, für uns Frauen allerdings nur eine freiwillige Station unseres Lebenslaufs darstellt.

Doch von dem mal abgesehen, ich will damit nicht sagen, dass es kein valider Diskussionspunkt sei, aber ich möchte mich auf andere Dinge fokussieren. Und zwar Dinge aus dem Alltag. Wie gesagt, begleitet uns Gendern ja tagein tagaus. Beginnen wir mit der Sprache. Ich finde es gut, dass in der Sprache gegendert wird, um wirklich alle Leute anzusprechen, egal welches Geschlecht sie haben, obwohl die Änderung der Bundeshymne aus meiner Sicht nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
Gendern in der Sprache hat sich gerade in den letzten Jahren und Monaten extrem weiterentwickelt. Es gibt viele kritische Stimmen, die sich dann bei Fernsehmoderatoren und -moderatorinnen aufregen, weil das ja für so viel Chaos sorgt, wenn man die männliche und die weibliche Form spricht. Spricht man nämlich nur die weibliche Form, sei dies für Männer übertrieben diskriminierend. Dass man jahrhundertelang nur die männliche Form für beide Geschlechter verwendete, ist hier natürlich nebensächlich.

Grundsätzlich tut sich in der Sprache schon mal viel, was uns einen großen Schritt hin zu gendergerechtem Miteinander bringt. Doch es gibt noch so viele andere Punkte, die im Zuge dessen angesprochen werden müssen.

Von Dingen wie Gender-Pay-Gap und Frauenquoten mal ganz abgesehen. Haben Sie Werbungen im TV schon mal mit einem kritischen Auge begutachtet? Wenn ja, dann wird Ihnen wohl aufgefallen sein, dass immer noch geschlechterspezifische Klischees bzw. Rollen in Werbungen thematisiert werden. Nehmen wir z.B. Autowerbungen. In wie vielen Autowerbungen sitzen Frauen am Steuer und in wie vielen Männern? Ich würde mal sagen 10 zu 90… Anderes Beispiel wäre, um keine Markennamen zu nennen, die Werbung eines bestimmten Ladens, dessen Slogan „weil ich ein Mädchen bin“ lautet. Wäre doch ok, wenn man auch Männer in der Werbung sehen würde. Tut man das? Eher selten. Und wenn doch, dann weil der Mann irgendwas für die Frau besorgt, z.B. für den Valentinstag, Muttertag oder was auch immer so ansteht. Uns wird das „typische“ Bild von Frau und Mann schon im Kindesalter vermittelt. Natürlich bekommen wir auch die Verhaltensweisen unserer Mitmenschen mit und beginnen diese zu kopieren, doch spätestens, wenn wir als Kinder zu fernsehen beginnen und mit Werbungen konfrontiert werden, dann entwickeln sich diese Rollenbilder. Doch mal abseits von Werbung, die uns vielleicht verärgert, warum muss ich als Frau immer noch Angst haben, wenn ich im Dunkeln alleine nach Hause laufe? Warum muss ich mich als Frau immer noch unwohl fühlen, wenn ich in der Stadt an einer Gruppe Jungs vorbeigehe? Warum wird einem als Frau immer noch hinterhergepfiffen? Warum werde ich als Frau für das verurteilt, was ich anziehe und vielleicht auch noch beschimpft?

Warum sind Frauen so oft Opfer von häuslicher Gewalt? Warum werden Frauen bis heute missbraucht und das in unserem Land, in Österreich? Warum ist die Menstruation immer noch ein Tabuthema, obwohl sie uns Frauen seit Anbeginn der Zeit begleitet und in manchen Kulturen sogar als etwas Heiliges gesehen wird?

Wie man sieht: Baustellen über Baustellen, egal wo man hinsieht… Und unsere geringste Sorge ist wirklich, dass in der Bundeshymne Söhne und Töchter erwähnt werden?

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             13. April 2021, eine düstere Wolke verbreitet sich über dem deutschsprachigen Internet. Frauen vereinen sich auf Instagram, Twitter und Facebook und lassen ihrem Zorn freien Lauf. Grund für die ganze Aufregung ist eine Folge von „Die Höhle der Löwen“, eine Investment-Show, welche am Abend des Vortags ausgestrahlt wurde. Dort stellten zwei Männer ein von ihnen entwickeltes Produkt vor, genannt „Pinky Gloves“. Es handelt sich hierbei um einen pinkfarbenen Einweghandschuh, welcher verwendet werden soll, um hygienisch Tampons einzuführen, zu entfernen und zu entsorgen. Nach dem zu erwartenden Aufruhr sind die Pinkys ganz schnell wieder vom Markt verschwunden, der Investor der Sendung hat sein Angebot zurückgezogen und das Start-up existiert in seiner damaligen Form nicht mehr. Es wurde wieder still, auch um die Menstruation, die gleichzeitig viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Also wird sie wieder zum Tabu-Thema? Bitte nicht!

            Schon als Kind wurde mir von der Öffentlichkeit einiges zur Monatsblutung gelehrt. Erstens, die Menstruation ist Frauensache. Den ersten Aufklärungsunterricht hatte ich in der vierten Klasse Volksschule, also mit etwa 10 Jahren. Zuerst haben wir mit der ganzen Klasse gemeinsam einen kinderfreundlich-animierten Film gesehen, bis unsere Lehrerin die Klasse in Jungs und Mädchen aufgeteilt hat. Als wir Mädchen unter uns waren, sprach sie mit uns über die Periode. Damals habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, mittlerweile frage ich mich, wieso man uns dafür von dem männlichen Kollegen trennen musste. Sollte es nicht auch für sie wichtig sein, wie der weibliche Körper funktioniert? Auch wenn wir noch sehr jung waren, gibt es meiner Meinung nach keine Altersuntergrenze um zu lernen, dass im Körper der Frau und des Mannes verschiedene Vorgänge passieren.

            Im Gymnasium wurde die Menstruation nach und nach ein Thema, jedoch rein unter den Mädchen, auch wenn es wenig um die tiefere Materie ging, sondern wer sie schon hat und wer noch nicht. Jedoch wurde darüber immer mit Vorsicht gesprochen, meist nur getuschelt und geflüstert, im Schutz der Mädchentoilette, als würde man über etwas Verbotenes reden. Das führt mich zum zweiten Punkt, nämlich dass die Periode etwas ist, wofür ich mich schämen soll. Aber ist dem immer noch so? Musste ich mich überhaupt jemals dafür schämen? Ich bin in einem Haushalt mit einem Mann, meinem Vater, und zwei anderen Frauen, meiner Mutter und meiner Schwester, aufgewachsen. Die Monatsblutung war bei uns kein Tabu, es wurde offen darüber gesprochen. Menstruationsprodukte standen in Bad und Toilette offen rum. Dennoch war es in der Öffentlichkeit plötzlich anders, man schmuggelt im Jackenärmel heimlich das Tampon aufs Klo oder öffnet die Packung der Binde im Schneckentempo, nur um das Knistern des Plastiks zu verringern, sogar mit künstlichem Husten wurden die Geräusche überdeckt. Aber wieso das Ganze? Jahre später bin ich mir immer noch nicht sicher, wieso wir Frauen in Anwesenheit von Männern einen Eiertanz rund um die Menstruation aufführen. Diese Einstellung wurde uns allen von klein auf vermittelt. Scham in Verbindung mit der Monatsblutung ist uns allen, Frauen sowie Männern, durch kulturelle, gesellschaftliche und auch religiöse Einflüssen anerzogen worden. Männer fühlen sich oft unwohl, wenn Frauen in ihrer Gegenwart über die Periode sprechen. Offensichtlich meine ich damit nicht alle Männer, ich selbst habe viele im engeren Umfeld, die mit einem solchen Gesprächsthema keinerlei Probleme haben. Leider stellen sie aber nicht die Mehrheit dar, oft scheinen Männer die Tatsache, dass Frauen monatlich ihre Blutung bekommen, ignorieren oder beschönigen zu wollen. Na immerhin ist es auch nicht ihr Problem, oder?

            Diese Einstellung ist wohl auch der Grund für all die Scham, Tabus und Stigmata im Zusammenhang mit unserer Periode. Männer haben zwar das Stigma geschaffen, aber wir Frauen sind die, die kämpfen, es aus der Welt zu schaffen. Viele Kampagnen und Diskussionen verfolgen dieses Ziel, jedoch vergessen sie dabei einen wichtigen Punkt, nämlich Männer in die Unterhaltungen miteinzubeziehen. Vielleicht ist nun endlich die Zeit bekommen, das Schamgefühl und die Stigmata der Männer zu bekämpfen. Laut einer Studie vom Aufklärungsprojekt „Ready for Red“ ist für jugendliche Männer die Schule der wichtigste Aufklärungsort für die Menstruation, jedoch wird dort über das Thema nur bedürftig geredet.

            Um das nachträglich zu kompensieren habe ich es mir selbst zur Aufgabe gemacht, offener über meine Periode zu sprechen. Ich möchte meine Beschwerden während der Menstruation nicht mehr umschreiben beziehungsweise sogar komplett unter den Teppich kehren, sondern ehrlich ansprechen, warum es mir gerade nicht gut geht. Um zur Enttabuisierung beizutragen, muss man dabei helfen, zu desensibilisieren, auch wenn es einem selbst am Anfang unangenehm ist. Je offener wir Frauen über unsere Periode sprechen, desto eher können wir ohne Scham menstruieren.

Autorin:

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Michael Kimmel versucht in seinem Vortrag die Problematik vom nicht vorhandenen Bewusstsein für Gender Equality humorvoll zu thematisieren und gibt uns einen interessanten Einblick in die Materie. Er bringt zum Ausdruck, dass es, wie es schon der Name des Vortrags vorweg nimmt, auch für Männer gut ist, wenn Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau herrscht. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir die von ihm erwähnte Studie wonach die Bevölkerung in den Ländern mit der höchsten Gender Equality auch die Länder mit der glücklichsten Bevölkerung sind. Und wer könnte das nicht wollen? Scheinbar viele, da ein Großteil der Bevölkerung die Problematik von nicht vorhandener Gender Equality entweder verleugnet oder es ihnen schlicht weg egal ist, dass dieses Thema noch immer ein Problem darstellt . Keineswegs haben wir die Missstände beseitigt die die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft. Kimmel erzählt in dem Video von einer Situation die ziemlich gut unsere Gesellschaft widerspiegelt. Er erzählt von 4 weißen Männern, die sich darüber aufregten, dass eine schwarze Frau ihren Job gestohlen habe. Kimmel hob besonders eines hervor, nämlich dass die Männer davon sprachen, dass die Frauen ihnen „Ihren“ Job weggenommen haben, was impliziert, dass die Jobs ohnehin ihnen gehören müssten. Genau dieses Denken prangert Kimmel an und regt zum Nachdenken an. Wie kann es sein, dass man als Mann davon ausgeht für den Job sowieso besser geeignet oder qualifizierter zu sein? Meiner Ansicht nach ist dies das Ergebnis der Jahrhunderte langen Unterdrückung der Frau in unserer Gesellschaft. Viele Männer können oder wollen es nicht verstehen, dass ihre Besitzansprüche, ob bewusst oder unbewusst daher rühren, dass Frauen nie die Chance hatten sich endlich zu beweisen. Über Generationen hinweg  wurde so das Bild der Frau geprägt, die den Haushalt macht, sich um den Nachwuchs kümmert und keine Karriere macht. Da nun auch Frauen endlich immer mehr eingegliedert sind, fühlen sich manche Männer dadurch wahrscheinlich in ihrer Männlichkeit bedroht. Daher rührt die Ablehnung der Gleichberechtigung und die äußerst fragwürdige Haltung der Thematik gegenüber. Die Meinung, aufgrund seines Y-Chromosoms besser für einen Job geeignet zu sein, hat in unserer modernen Gesellschaft keinen Platz mehr. Ich bin zuversichtlich, dass dieses Denken nach und nach ausstirbt und es binnen weniger Generationen kein solches Denken mehr geben wird. Dies würde uns allen gut tun.

Falls ich euer Interesse für dieses Thema geweckt haben sollte, klickt auf den Link zu Michael Kimmels Vortrag. Seine humorvolle Herangehensweise habe ich besonders toll gefunden, die auch in dem hauptsächlich weiblichen Publikum gut ankam. Die Mischung aus ernster Thematik und humorvoller Umgang damit ist meiner Meinung nach auch ein guter Weg um Leute anzusprechen die sich zu diesem Thema vielleicht keinen Vortrag anhören würden. Ich freue mich über Kommentare und weiterführende Gedanken zu diesem Thema.

Anbei der Link zu besagtem Vortrag:

https://www.ted.com/talks/michael_kimmel_why_gender_equality_is_good_for_everyone_men_included