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(Annemarie Schaffer)

Der folgende Beitrag entstand u.a. in der Auseinandersetzung mit einem Kapitel des Buches ‚Die Elenden‘, erschienen 2020 im Hanser Verlag.

Anna Mayr, deutsche Journalistin und als Tochter zweier Langzeitarbeitsloser mit Hartz-IV aufgewachsen, stellt darin Beobachtungen und Überlegungen zum Umgang der Gesellschaft mit „den Arbeitslosen“ an. Dabei kann das Kapitel ‚Das Ändern der Realität. Warum das Schicksal der Arbeitslosen für alle wichtig ist‘ durchaus als Plädoyer für eine unvoreingenommene und differenzierte Wahrnehmung (nicht nur) dieser Bevölkerungsgruppe gelesen werden, auch wenn Mayr selbst in ihrem Text immer wieder der (wahrscheinlich zutiefst menschlichen) Tendenz zur Pauschalisierung unterliegt. 

Ausgangspunkt aber nicht Fokus ihrer Ausführungen sind ihre eigenen Gefühle, die sie in unterschiedlichen Situationen – aber immer im Zusammenhang mit ihrer Rolle als „Aufsteigerin“ – überkommen (haben). So schreibt sie über die Traurigkeit und die Angst, die sie als Kind empfunden hat, wenn ihre Eltern nicht genug Geld für einen Schulausflug oder neue Sportkleidung hatten; sie schreibt über das Unbehagen, das sie nun als Erwachsene manchmal überkommt, wenn sie sich weder in der Welt ihrer Kindheit – die Wohnung ihrer Eltern im Plattenbau – noch in der Welt des wohlhabenden Bildungsbürgertums, in die sie „aufgestiegen“ ist, zuhause fühlt; und sie schreibt über die Wut, die manche verallgemeinerten Annahmen und Vorurteile über das Milieu ihrer Eltern in ihr aufkommen lassen.

Im Zusammenhang mit diesem Blog und der damit verbundene Lehrveranstaltung ergibt sich daraus für mich die Frage, was Schule und Unterricht dazu beitragen können, dass Menschen mit einer ähnlichen Lebensgeschichte wie Anna Mayr zumindest ein Teil dieser negativen Gefühle erspart bleiben. Dabei können die Haltung und die Einstellung, die Schüler*innen in der Schule vermittelt bzw. vorgelebt bekommen, gewiss ihren Teil dazu beitragen, dass die Erfahrung der Ausgrenzung aufgrund einer anderen – von der Gesellschaft allgemein als schlechter wahrgenommenen – sozialen Herkunft und das damit verbundene fehlende Gefühl der Zugehörigkeit möglichst klein gehalten wird. Allerdings sind für einen Ausgleich sozialer Ungleichheiten in der Schule auch und vor allem finanzielle Mittel nötig. Wenn es einem Kind nämlich, wie von Mayr beschrieben, nicht möglich ist, an einem Schulausflug teilzunehmen, weil die Familie das Geld dafür nicht aufbringen kann, hilft keine noch so unvoreingenommene und aufgeschlossene Haltung gegen die Ausgrenzung von einer gemeinsamen Erfahrung im Klassenverband. Dasselbe gilt für das zweite Beispiel, das im Text angeführt wird: Kann man sich kein passendes Sportgewand leisten, setzt man sich dadurch unfreiwillig rein optisch von seinen Klassenkamerad*innen ab, was in einem Alter, in dem der Turnunterricht für manche aufgrund von körperlichen Veränderungen ohnehin schon keine ganz unproblematische Angelegenheit ist, eine weitere psychische Belastung für eine*n Schüler*in darstellt.

Im Angesicht solcher Probleme kann eine einzelne Lehrperson allein wenig ausrichten. Da sind Klassen- und Schulgemeinschaft, Gesellschaft und Politik gefragt. Allerdings ist leider festzustellen, dass gerade in der Politik dem Voranbringen parteipolitischer Projekte höhere Priorität eingeräumt wird als der tatsächlichen Unterstützung von sozial schwächeren Kindern. Das zeigt sich beispielsweise auch in einem Interview, das die Tageszeitung Der Standard 2016 mit dem Bildungswissenschafter Stefan Hopann geführt hat. Darin geht es um die Bestrebungen der damaligen Unterrichtsministerin die Ganztagsschule in Österreich auszubauen, um der Benachteiligung sozial benachteiligter Schüler*innen entgegenzuwirken. Hopmann, der damals auch als Berater von der Regierung herangezogen worden war, kritisierte dieses Vorhaben als „hinausgeworfenes Geld“. Denn auf seinen Einwand, dass das Modell der Ganztagsschule allein nichts zur Chancengleichheit von Kindern aus sozial schwächeren Familien beitrage, vielmehr in die gezielte Einstellung von mehr pädagogischen Fachkräften investiert werden solle – was sich laut Hopmann aus empirischer Sicht viel eher zur Unterstützung dieser Schüler*innen eigne – gab ihm die damalige Unterrichtsministerin unmissverständlich zu verstehen, dass sie das nicht interessiere und dennoch daran glaube. Nun mag man zum Thema Ganztagsschule stehen, wie man will, aber wenn Politiker*innen nicht einmal gewillt sind, über Expertenmeinungen, die ihnen nicht ins Konzept passen, nachzudenken, lässt das schon an der Ernsthaftigkeit, die hinter der angeblichen Motivation steht, zweifeln.

Diesbezüglich ist also auf Politik und Staat nur wenig Verlass, zumal mit einem Wechsel der Bundesregierung auch immer der Kurs in der Bildungspolitik geändert wird. Die staatlichen Unterstützungen, die zur Verfügung stehen, sind – wie ei Blick auf die Homepage des Bildungsministeriums zeigt – zum Teil nur mit hohem bürokratischen Aufwand und dann nur eigeschränkt zugänglich. Zum Beispiel gibt es für ein- oder zweitägige Schulausflüge grundsätzlich keine finanzielle Unterstützung. Dass aber genau solche Ausflüge zu einer Belastung für Schüler*innen und deren Familien werden können, zeigt nicht nur ein Blick auf das Beispiel von Anna Mayr. Auch Ingrid Kromers Beitrag in der Fachzeitschrift Soziales Kapital (Nr. 17 (2017)) macht anhand von Aussagen interviewter Grundschullehrer*innen (vgl. S. 175f.) deutlich, dass solche Veranstaltungen und die Versorgung der Schüler*innen mit Arbeitsmaterialien oder auch mit passendem Gewand für Eltern schnell zum finanziellen Problem werden können, was dann wiederum die Ausgrenzung und Benachteiligung der betroffenen Kinder und Jugendlichen zur Folge hat, wenn nicht schul- oder klasseninterne Regelungen und Lösungen das verhindern. Vorschläge, wie solche Lösungen aussehen können, bietet sowohl Ingrid Kromers Beitrag als auch beispielsweise die Broschüre der Arbeiterkammer Oberösterreich zum Thema Schulkosten aus dem Jahr 2016 mit ihren Best-Practice-Beispielen (S. 8).      

Den meisten dieser Ansätze ist gemein, dass sie auf Schulebene stattfinden und dazu dienen Schüler*innen aus sozial benachteiligten Familien an die „Norm“ – das heißt an Schüler*innen aus einem finanziell abgesicherten Umfeld – anzupassen. Das mag zwar vordergründig helfen, einzelnen Kindern Ausgrenzungserfahrungen zu ersparen, und erfüllt damit einen wichtigen Zweck, allerdings ändert sich dabei nichts an der Tatsache, dass solche Anpassungen im Schulalltag überhaupt nötig sind. Wünschenswert wäre natürlich, dass unser System Schüler*innen, Eltern, Lehrer*innen und Schulen entlastet, indem es die Zusatzkosten, die ein Schulbesuch derzeit für alle bedeutet, verringert oder am besten ganz abschafft, sodass die Schule kein Ort mehr ist, an dem soziale Unterschiede gerade noch deutlicher gemacht werden, sondern ein Ort, an dem die Schüler*innen zumindest bis zu einem gewissen Grad vergessen können, woher sie kommen und zumindest nicht durch einem Mangel an Materialien vom Lernen und ihrer Bildung abgelenkt oder ganz ausgeschlossen werden. Einen Schritt in die richtige Richtung hat z.B. die Stadt Wien getan, die allen Pflichtschulen pro Schüler*in einen festgelegten Zuschuss ausbezahlt, der es den Schulen ermöglicht, zumindest für die Basisausstattung ihrer Schüler*innen zu sorgen (nachzulesen auf der offiziellen Homepage der Stadt Wien). Das hat zum einen den Vorteil, dass Eltern und Schüler*innen von der zeitlichen und finanziellen Belastung, die der Einkauf von Schulsachen am Schuljahresanfang bedeutet, befreit werden und zum anderen bedeutet es auch für die Lehrer*innen in den Schulen einen schnelleren und reibungsloseren Start ins Unterrichtsgeschehen, da allen Lernenden von Anfang an die notwendigen Materialien zur Verfügung stehen.

Für einen Schulbesuch in Österreich, der für dendie Einzelnen wirklich kostenlos ist, wäre es also notwendig, dass Kommunen, Länder und Staat Geld in die Hand nehmen und dieses zweckgebunden an die Schulen auszahlen. Solange das nicht der Fall ist, bleibt es weiter Sache der einzelnen Schulen, Direktorinnen und Lehrerinnen, die Ungerechtigkeiten, die in diesem System herrschen, nach Möglichkeit auszugleichen. Doch dass er es nicht schafft, seinen Kindern, die für ihre sozioökonomische Herkunft nichts können, allen einen – zumindest auf materieller Ebene – unbeschwerten Schulbesuch zu ermöglichen, ist für einen reichen Staat wie Österreich ein eindeutiges Armutszeugnis.   

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(Annemarie Schaffer)

Krassimir Stojanov stellt in einem Kapitel des 2011 erschienenen Buches Bildungsgerechtigkeit die Frage, ob Schule (anhand von Leistung) selektieren darf und soll. Eine Frage, die vor allem im Deutschland – worauf sich Stojanov hauptsächlich bezieht – in Anbetracht des numerus clausus an den Universitäten gestellt werden muss. Zwar wird das Problem der beschränkten Studienplätze in Österreich anders gehandhabt und es wird nicht durch den Notendurchschnitt des (gymnasialen) Abschlusszeugnisses, sondern durch Aufnahmeprüfungen entschieden, wer einen der begehrten Plätze z.B. im Medizinstudium bekommt, aber dennoch findet auch in Österreich z.T. schon sehr früh eine Selektion bzw. eine Verteilung der Schüler*inne statt, die sich weder nach den Begabungen noch nach den Bedürfnissen der Betroffenen richtet:

Zum einen entscheiden – was Stojanov in seinem Kapitel überzeugend als nicht angemessen darlegt – die Noten im Zeugnis der vierten Klasse Volksschule darüber, ob ein Kind für ein Gymnasium geeignet ist oder ob es doch „nur“ in die Mittelschule (früher Hauptschule) gehen darf. Zum anderen spielt auch der Wohnort der Betroffenen leider keine kleine Rolle, bei der Wahl des Schulbesuchs nach der Volksschule:

Ich bin in einem relativ kleinen Dorf nur ein paar Kilometer entfernt von der nächsten Landeshauptstadt aufgewachsen. Wir haben eine eigene Volksschule, aber für den weiteren Bildungsweg müssen die Fühler über die Ortsgrenzen hinaus ausgestreckt werden. In zwei der Nachbargemeinden gibt je eine Mittelschule, das nächste (von vielen) österreichische Gymnasium ist auch nicht viel weiter entfernt und über der nahen bayrischen Grenze gibt es auch noch eines. Die Wahl scheint also frei zu sein. So einfach ist es aber leider nicht. Als ich in der vierten Klasse Volksschule war, machten wir mit unserer Klassenlehrerin Ausflüge in die beiden oben erwähnten (damals noch) Hauptschulen. Sich über die vielen, mit dem Bus genauso gut erreichbaren Gymnasien zu informieren, lag in der Eigenverantwortung der Schüler*innen bzw. deren Eltern. Für Kinder, deren Eltern – aus welchen Gründen auch immer – keinen gesonderten Wert auf den Besuch eines Gymnasiums legten, stand ein Großteil ihrer theoretischen Möglichkeiten nicht einmal zur Debatte.

Grundsätzlich muss ein Besuch der Haupt- bzw. Mittelschule ja noch nicht heißen, dass der Bildungsweg nach der Sekundarstufe I abgeschlossen sein muss, da ja theoretisch der Übertritt in die Oberstufe eines Gymnasiums auch von dort aus möglich ist. Allerdings hat kaum jemand meiner ehemaligen Volksschulkolleg*innen, der*die nicht von vorneherein ein Gymnasium besucht hat, diesen Weg beschritten.

Ich selbst hatte das Glück, dass meine Eltern – in Kenntnis meiner Interessen und Begabungen – mich dazu ermutigten, die Aufnahmeprüfung in ein Gymnasium mit musischem Schwerpunkt zu versuchen. Anders als bei anderen Gymnasien spielten dort die Noten im Volksschulzeugnis für die Aufnahme eine eher untergeordnete Rolle. Eine schlechtere Note als ein ‚Befriedigend‘ sollte zwar dennoch nicht aufscheinen, aber wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit in anderen vergleichbaren Schulen ein ‚Gut‘ zu viel ein Ausschlusskriterium sein konnte, ist das doch bemerkenswert. Die Aufnahmeprüfung als solche war durchaus fordernd. Sie dauerte mehrere Tage und wir wurden auf unsere Eignung – nicht auf erlerntes Wissen! –  in den vier Säulen, auf denen die Schule aufbaute (Musik, Tanz, bildende Kunst, kreatives Schreiben), getestet. Allerdings passierte das auf eine durchwegs wertschätzende, freundliche und für uns auch lustige Weise, dass sogar ich, die ich ein recht schüchternes und nervöses Kind war, mit der Zeit die durch die Prüfungssituation erzeugte Anspannung vergaß.     

Die Form der Selektion, die diese Aufnahmeprüfung darstellt, war für mich auch schon in diesem jungen Alter von großem Vorteil. Ich konnte dadurch acht Jahre meiner Schulzeit in einem Umfeld verbringen, das mich in meinen Interessen und Begabungen und damit auch in meiner Persönlichkeit und meinem Selbstbewusstsein bestärkte und weiterbildete – und das bei Weitem nicht nur in den musischen Hauptfächern, sondern auch in all den „normalen“ Fächern, die eben zu einer gymnasialen Bildung dazu gehören. Dass dieses Konzept durchaus ein erfolgreiches ist, zeigt nicht nur die vergleichsweise geringe Drop-Out-Quote (in den acht Jahren, die ich an dieser Schule war, kann ich mich nicht erinnern, dass jemals zwei Klassen aufgrund einer zu geringen Anzahl an Schüler*innen zusammengelegt werden mussten), sondern auch die große Bandbreite an Karrierewegen, die allein die Kolleg*innen aus meinem Maturajahrgang eingeschlagen haben. Klar, einige blieben ihrem musischen Schwerpunkt treu und wurden Musiker*in, Schriftsteller*in, Tänzer*in oder Schauspieler*in. Andere aber schlugen ihren ganz eigenen Weg ein und gingen in die Medizin, in die Biochemie, ins Lehramt, wurden Physiotherapeut*in oder Dolmetscher*in. Das zeigt mir, dass diese Selektion nach natürlichen Begabungen (und nicht nach Leistung) zu einer freien Entwicklung der Persönlichkeit und damit zur Fähigkeit, den für sich passenden Weg zu finden, führen kann.

Natürlich besteht auch hier weiter das oben schon angeschnittene Problem der lokalen/familiären Herkunft. Kindern muss die Chance gegeben werden, die Möglichkeiten, aus denen sie wählen können, zu kennen. Da diese Chance nicht allen von Elternseite her gegeben werden kann, läge es zunächst an den Volksschulen und am Ende der Sekundarstufe I an den Mittelschulen und auch an den Gymnasien, umfassend zu informieren. Dabei wäre es schön, wenn den Schulen bzw. Eltern und Schüler*innen Hilfsmittel vergleichbar mit denen zur Berufswahl (online-Interessentests, Berufsinformationsmessen u.ä.)  an die Hand gegeben würden, die den Blick auf die mögliche schulische Laufbahn einerseits weiten und andererseits schärfen.

Der Forderung Stojanovs, dass Selektion keinesfalls aufgrund von Schulnoten passieren und der Fokus unabhängig von irgendwelchen wirtschaftlichen Faktoren vielmehr auf die Interessen, Begabungen und Bedürfnisse der Schülerinnen gesetzt werden soll, stimme ich also aufgrund meiner eigenen Erfahrung völlig zu. Seine Ansicht, dass Selektion frühestens bei 14-jährigen vorgenommen werden sollte, kann ich allerdings nicht teilen. Auch 10-jährige haben schon Interessen und Begabungen, die in einem darauf ausgelegten Umfeld gefördert werden sollten. Die Problematik, die auch Stojanov anspricht, dass Schülerinnen in diesem Altern nicht bzw. nur sehr eingeschränkt entscheidungsfähig sind, darf allerdings auch nicht ignoriert werden. Deswegen halte ich es für wichtig, dass den Schüler*innen sowohl nach der Volksschule als auch nach der Sekundarstufe I die Chance geboten wird, eine informierte Wahl zu treffen. Denn der Weg, den man mit zehn Jahren einschlägt, muss mit 14 Jahren (oder später) nicht derselbe sein und bleiben.

Abschließend möchte ich hier noch darauf hinweisen, dass beim Zusammenhang von Selektion und Schule eine Anpassung der Perspektive nicht schaden würde: Schüler*innen sollten nicht nur als Objekte – d.h. die Selektierten – des Selektionsprozesses angesehen und behandelt werden, sondern auch (zumindest in gleichem Maße) als Subjekte – also Selektierende, die den für sich am besten geeigneten (Schul-)Weg auswählen.        

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Eine Schule ohne Regeln, Vorschriften, Verboten,… klingt im ersten Moment nach einem paradiesischen Ort.

Doch würden wir unseren Kindern auch tatsächlich etwas Gutes damit tun?

Wichtig ist hier eine Klarstellung: Regeln sind nicht (ausschließlich) mit Vorschriften oder Verboten gleichzusetzen.

Regeln sind Richtlinien, Regeln sind geübte Gewohnheiten und sie sind vor allem Teil der Gesellschaft.

Für mich steht fest, dass Regeln Halt geben. Sie sind eine Art Wegweiser in meinem Leben, die mir einen sicheren Weg zeigen.

Auch in der Entwicklung spielen Grenzen und Regeln eine essentielle Rolle. Das „testen“ der Grenzen ist ein wichtiger Entwicklungsschritt. Kinder lernen hier wie weit kann ich gehen, wo ist meine persönliche Grenze und die des Gegenübers. Persönliche Grenzen sagen etwas darüber aus wer wir sind und welche Werte wir vertreten.

Wir lernen unsere eigenen Grenzen zu bestimmen, uns an Regeln zu halten und was es bedeutet sie zu brechen.

In Bezug auf die Schule, wurde ich, vor nicht allzu langer Zeit, in einem Gespräch mit folgender Aussage konfrontiert: „Aber bei Montessori, da dürfen die Kinder tun und lassen was sie wollen. Da gibt’s dann eine Kiste mit Spielzeug und jeder macht was er will.“

Auch in der Montessori-Pädagogik gibt es Regeln – klare, eindeutige Richtlinien. Es gibt aber weniger bzw. keine Regeln, wie die Kinder zB: die Spielzeuge in der Kiste zu verwenden haben. Die Montessori-Pädagogik bezieht sich viel mehr darauf, die Kinder ihrem Entdecker- und Forschergeist zu unterstützen und die eigene Motivation lernen zu wollen zu fördern.

Egal ob im schulischen Kontext, oder bei der Erziehung durch die Eltern, Regeln sind ein großer Bestandteil. Sie ermöglichen und sind sogar unumgänglich für ein harmonisches Zusammensein.

Sie erfordern einen überlegten Umgang. Wenn Regeln aufgestellt werden ist es wichtig zu beachten, dass sich vor allem Kinder überhaupt nur eine geringe Anzahl an Regeln merken können. Wenn wir sie mit einer Flut an Regeln überschütten gestaltet sich dies meist wenig zielführend. Somit ist es notwendig zu überdenken, welche Regeln unbedingt notwendig sind und auf welche ggf. verzichtet werden kann. Alles in allem muss immer das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen.

Während ich hier alles überdenke, stellt sich für mich die Frage: Wären wir in der Lage, ein geregeltes Leben zu führen, wenn wir selbst nie erfahren hätten, wie es ist Regeln einzuhalten?

 

Quellen:

duden.de

Rogge, J. (1999). Kinder brauchen Grenzen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag.

Baldini, L. (2020): Lehrerin einer neuen Zeit. Maria Montessori – Die schwerste Entscheidung ihres Lebens traf sie für das Wohl der Kinder, 4. Auflage, München: Piper Verlag. (leichte, aber interessante Kost J)

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Im Zuge einer Diskussion über die Bedeutung von Bildung und Ausbildung sind wir zu der Frage gekommen, ob jede Lehrperson fehlerfrei rechtschreiben können muss.

Bei Lehrpersonen, die Deutsch unterrichten, wird es ohnehin als selbstverständlich angesehen, dass diese die Orthographie (Rechtschreibung) beherrschen. Doch gilt dies auch für Lehrpersonen, deren Unterrichtsfach nicht Deutsch ist?

Der Klassenvorstand der 3A mit den Fächern Geographie und Sport verschickt einen Elternbrief über die geplante Wintersportwoche. In den Text haben sich einzelne Rechtschreibfehler eingeschlichen.

Für mich ist ein Text mit, wohlgemerkt, vielen Rechtschreibfehlern ein Zeugnis von schlechter Qualität. Legt man mir ein Angebot mit zahlreichen Rechtschreibfehlern vor, so beginne ich an der Qualität der zu erbringenden Leistung zu zweifeln. Dies ist mein persönliches Empfinden und mir ist bewusst, dass das Eine nicht mit dem Anderen in Zusammenhang stehen muss.

Ich bin aber grundsätzlich der Meinung, dass jede/r und jede/r der/die eine Schule besucht hat über ein Grundwissen über die Rechtschreibung verfügen sollte. Außerdem gibt es heutzutage einige Hilfsmittel (oder andere Personen), die dabei unterstützen können. Dies wäre auch mein Vorschlag für den Klassenvorstand.

Diese Anforderungen an eine Lehrperson zeigen, dass sie einem hohen gesellschaftlichen Druck Stand halten und gerecht werden müssen. Es werden Fähigkeiten und Kenntnisse vorausgesetzt, die weit über das Fachwissen hinausgehen. Es darf dabei aber nicht unbemerkt bleiben, dass Lehrpersonen als Vorbilder für SchülerInnen fungieren.

Artikel:

Auf Kriegsfuß mit der Rechtschreibung: https://www.focus.de/familie/schule/paedagogik/auf-kriegsfuss-mit-der-rechtschreibung-lehrer_id_2109955.html

So wenig achten Deutschlands Lehrer auf Rechtschreibung: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/grundschulen-so-wenig-achten-lehrer-auf-rechtschreibung-a-1167080.html

Wie Lehrer ihren Schülern besser Rechtschreibung vermitteln: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/lehrerin-wir-duerfen-rechtschreibung-nicht-mehr-als-notwendiges-uebel-sehen-a-1268706.html

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Früher war es aus eigener Erfahrung eindeutig so, dass die AHS Ausbildung, zumindest in meinem Bekanntenkreis, um einiges höher angesehen war als heute. Mittlerweile konnte ich fast schon einen „Paradigmenwechsel“ im Bezug dessen Feststellen. In den Letzten Jahren rückte der Stellenwert der AHS Ausbildung deutlich dem der BHS näher. Doch woran könnte das liegen?

 

Bei meiner zeit beim Bundesheer hatte ich die Möglichkeit mit meinen Ausbildern, welche jährlich hunderte Jugendliche aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsgruppen betreuen, dazu zu befragen, und auch diese konnten eine solche Entwicklung bestätigen. Sie meinten, dass die rate an Jugendlichen, welche die Matura absolviert haben, deutlich gestiegen ist. Jedoch hat diese der größte protzenteil in einer BHS absolviert. Früher seien zwar weniger Rekruten mit Matura eingerückt und mehr mit handwerklich erlernten Lehrberufen, die „wenigen“ die jedoch eine Matura hatten absolvierten diese meist in einer AHS.

 

Meiner Meinung nach ist die AHS an sich ein gutes Konzept und natürlich das „Grund Gerüst“ des Österreichischen höherbildenden Schulsystems. Jedoch ist der nächste logische Schritt nach Absolvierung der AHS Matura ein Studium, da man sonst eigentlich keine wirkliche berufliche Ausbildung vorweisen kann. In der BHS hingegen sehe ich den großen Vorteil, dass einem ebenso wie in der AHS der Weg zu studieren offensteht, und man zusätzlich theoretisch sofort in die Wirtschaft einsteigen könnte. Wenn man schon vor Beginn der AHS weiß, welchen weg man nach der Matura einschlagen will, und schon ein Studium in Aussicht hat, ist die AHS natürlich eine perfekte Lösung. Da man sich ersten 1 Schuljahr bis zu Matura spart und 2. meiner Ansicht nach auch besser auf das Studium vorbereitet wird. Ist man sich jedoch noch unsicher, was im Alter von ungefähr 14-15 Jahren doch sehr wahrscheinlich ist, ist es bestimmt keine schlechte Idee auf die Oberstufe in der BHS zu setzen. Ich zumindest bereue es nicht neben den nun begonnen Studium noch drei ausgelernte Berufe als „Plan B“ ausüben zu können.

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Auch im österreichischen Bildungswesen ist die Rede von Chancengleichheit, eine gerechte Grundlage für die Zukunft aller Schüler und Schülerinnen zu legen. Eine wichtige Zielsetzung für die österreichische Schule sollte die Mischung von Schulleistungen mit der familiären Herkunft oder mit dem Geschlecht vermeiden. Die Herkunft der Schüler und Schülerinnen, die Herkunft ihrer Eltern, ihre finanzielle Ausstattung oder das Geschlecht der Kinder sollten demnach die Beurteilung ihrer Leistungen und ihren Bildungsweg nicht beeinflussen. Wichtig ist, dass man der Ungleichheit, die noch immer spürbar ist, entgegenwirkt. Im Weiteren erläutere ich ein paar Beispiele, wo Ungerechtigkeit im Bildungswesen aufkommen kann und was man dagegen tun könnte.

Bereits in der 4. Schulstufe ist erkennbar, dass es zu starken Abweichungen nach sozialen Merkmalen kommt. Ein soziales Merkmal wäre das Geschlecht. Bezüglich der Lesekompetenz kann man feststellen, dass Mädchen besser als Jungs abschneiden. Damit auch die Buben bessere Leistungen erbringen, wäre eine Möglichkeit mehr Diversität in Richtung Lesestoff anzubieten, die Spannweite der Genres auszudehnen. Beliebte Genres, die Buben gerne lesen, wären Abenteuer-, Fantasy- oder Krimibücher. Eine weitere Möglichkeit sie für das Lesen zu gewinnen, wäre nicht allzu lange Bücher auszuwählen, damit sie gefesselt werden und sich nicht langweilen. 

Als nächstes komme ich zu der Bildungsherkunft der Schüler/innen, der höchsten abgeschlossenen Ausbildung der Eltern. Je mehr Ausbildung der Elternteil besitzt, desto größer ist die Chance, dass das Kind die Bildungsstandards erreicht. Dies gilt aber auch im umgekehrten Sinne. Hierbei ist es wichtig den/die Schüler/in individuell zu fördern und die Schwächen oder mögliche Lücken zu finden. Dabei soll das Kind unterstützt werden und seine Begabungen und Potentiale berücksichtigt werden.

Als dritte Chancenungleichheit kann der Migrationshintergrund sein. Es können die Kinder selbst im Ausland geboren werden oder sie haben Eltern, die beide eingewandert sind. Die damit einhergehenden mangelhaften Sprachkenntnisse sind oft Stolpersteine der Kinder auf ihrem Bildungsweg. Obwohl Mehrsprachigkeit als positiv angesehen wird, kann sie auch ein Nachteil für ein sicheres Leseverständnis sein. Eine mögliche Förderungsmöglichkeit in der Lesekompetenz wäre Zugang zu verständlichem Lesestoff verschaffen und damit auch die Leseschwachen unterstützen.

Es ist wichtig als Lehrperson aufmerksam zu sein, wo Bildungsungleichheiten entstehen können und dort wo sich die sozialen Ungleichheiten vergrößern, einen Schritt zur Verbesserung zu wagen.

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Wäre es fair Kinder und Jugendliche zu selektieren? Oder alle gleichzusetzen? Diese Fragen könnte man unumstritten mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Aber welche Begründung oder Gedanke liegen hier zugrunde?

Heutzutage hat die schulische Bildung eine gewisse Selektionsfunktion, die aber oft mit anderen Begriffen ersetzt wird, wie zum Beispiel „Auslese“ oder „Allokation“, damit sie neutraler wirkt. Kinder werden bereits im Laufe ihrer Elementarbildung geprägt und es wird ihnen ein Grundstein für ihre zukünftige Weiterbildung gelegt. Die Schule soll ein Hilfsmittel für Heranwachsende sein, damit sie das mögliche Maximum an Kompetenzentwicklung erreichen. Dies geschieht durch die Vielfalt an Fächern, Lehrpersonen und die damit verbundenen Lehrer-Schüler-Beziehungen und anderen Erfahrungen während der Schulzeit. Während dieser Laufbahn im Leben werden die Schüler und Schülerinnen für ihre erbrachte Leistungen auch benotet. Die Rückmeldungen, die sie schon mit dem Beginn der Grundschule erhalten, sollten sie stimulieren und sie dazu bewegen ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln und sich selbst herauszufordern. Nun stellen wir uns der Frage, ob die Auslese nach Leistung überzeugend ist.

Die Selektion bedeutet, dass gewisse Schüler und Schülerinnen von zukünftigen Bildungslaufbahnen ausgeschlossen werden. Die Allokation hingegen verteilt die Schüler und Schülerinnen auf zukünftige Berufslaufbahnen. Man selektiert oder verteilt eben Kinder nach ihren schulischen Leistungen auf bestimmte Laufbahnen. Ihre persönlichen Wünsche werden dabei nicht berücksichtigt. In manchen Ländern gehört die Auslese nicht zum Aufgabenbereich der Schule. Es gibt andere Methoden wie zum Beispiel Aufnahmeprüfungen oder andere Aufnahmeverfahren, die man absolvieren muss, damit man sich innerhalb einer höheren Institution weiterbilden kann. Es zeigt also, dass die Noten nicht ausschlaggebend sein müssen.

Angenommen wir möchten die Auslese „fair“ haben, dann sollte sie leistungsgerecht durchgeführt werden. Andere Merkmale wie Herkunft, Geschlecht, Aussehen, Religionen oder vieles mehr sollten nicht berücksichtigt werden. Mit anderen Wörtern sollte man die Schüler und Schülerinnen nur als Leistungsroboter ansehen. Als zukünftige Lehrpersonen haben wir zentrale pädagogische Aufgaben, darunter unseren Schülern und Schülerinnen mit Empathie, Respekt und Mitgefühl entgegenzukommen. Hinzu kommt noch, dass wir ihre persönlichen Bedürfnisse und Ängste wahrnehmen müssen und sie anerkennen sollen. Eine leistungsbasierende Auslese aber ermöglicht mir kein Wechselspiel zwischen Leistungen und Mitgefühl. Die Rolle der Lehrperson würde von einer vertrauensvollen Bezugsperson zu einer kalten Leistungsgeber/in verwandelt werden. Man würde von uns verlangen, dass wir jedes einzelne Kind auf dessen Leistungen reduzieren, damit wir ihn „fair“ auf eine Berufslaufbahn verteilen können. Und das widerspricht dem Beruf einer engagierten Lehrperson meiner Meinung nach.

Ein weiterer Punkt, welcher aus meiner Sicht gegen Selektion in der Schule spricht, wäre der individuelle Lernfortschritt, der eine „leistungsgerechte“ Allokation hindert. Kinder kommen mit sechs Jahren in die Schule. Manche fangen die 1. Klasse an, andere erst die Vorschule. In den kommenden Jahren formt sich jede/r Einzelne, bringt verschiedene Erfahrungen mit sich und einen eigenen Lernfortschritt. Die Schüler und Schülerinnen entwickeln erst deren Autonomiefähigkeit und eine autonome Persönlichkeit. Jedes Kind besitzt andere Hintergründe und bildet sich stets weiter, sie entfalten neue Selbst-Eigenschaften und versuchen auch immer wieder ihre Grenzen zu überschreiten. Manche Kinder werden in der Klasse als Außenseiter betrachtet, manche werden besser anerkannt. All diese Erfahrungen prägen sie und verhelfen ihnen sich zu einzelnen Individuen zu entwickeln.

Aus den erwähnten Gründen finde ich auch, dass die Schule nicht selektieren sollte und schon gar nicht nach erbrachten Leistungen. Die Bewertung und die Benotungen der Leistungen sollen Instrumente für eine individuelle Rückmeldung sein. Schüler und Schülerinnen sollten dann dementsprechend wissen, wo sie noch zu arbeiten haben und wo sie gefördert werden sollen. Als zukünftige Lehrperson finde ich es auch wichtig, dass man den Schülern und Schülerinnen konstant ihr aktuell erreichtes Leistungsniveau präsentiert und mit ihnen kommuniziert, damit sie an ihrem Lernprozess exakt und effizient arbeiten können.

 

 

 

 

 

 

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Großer Kritik ist unser Bildungssystem ausgesetzt, sei es durch Reformen, die sich als überflüssig herausgestellt haben, bis hin zu lebensfernem Theoriewissen.

Die Herausforderung für ein Bildungssystem stellt sich insofern, als dass jeder Mensch, jede Schülerin und jeder Schüler, ein eigenes Individuum darstellt, mit je eigenen Begabungen, Stärken und Schwächen, Charismen und Fähigkeiten. Zusätzlich bleiben der familiäre Hintergrund, die möglichen außerschulischen Belastungen, etc. zu beachten, da jede Schülerin und jeder Schüler unterschiedliches mitbringt. Es ist daher nicht möglich jede Schülerin und jeden Schüler über einen Kamm zu scheren. Nicht nur systemisch muss ein Raum geschaffen sein, in welchem die Lehrperson auf die Schwächen und Stärken eingehen kann, um einer ganzheitlichen Bildung förderlich zu sein. Weiters soll die Schule relevante inhaltliche Basiskenntnisse in den Fokus nehmen und durch einen Modullehrplan mehr Raum für Entdeckungen und Entwicklungen individueller Talente bieten. Das Hauptaugenmerk derzeit liegt auf einer Ausbildung mit dem Ausblick auf Berufsleben oder weiterführende universitäre Bildung, jedoch nicht auf ein Leben im Allgemeinen. Themenfelder wie die Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer Wohnung, sowie der Erhalt physischer und psychischer Gesundheit bleiben auf der Strecke. Hier stellt sich die Frage, welche Inhalte und in welchem Ausmaß diese in der Schule vermittelt werden sollten.

Wie soll man nun die Stärken von Schülerinnen und Schülern gezielt fördern?
Ihre Selbstverwirklichung unterstützend begleiten? Wie kann dies im Rahmen schulischer Ausbildung und Bildung geschehen?

 „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann, ne Gedichtanalyse schreiben. In 4 Sprachen“

Diesen Tweet verfasste 2015 eine Schülerin und macht damit besonders anschaulich deutlich, wo sich die Baustellen befinden. Priv.Doz. Dr. Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAusria, schreibt in einem Artikel sehr treffend: „Wer nicht verstanden hat, wie Wirtschaft funktioniert, der wird sich „dem System“ immer nur ausgeliefert fühlen.“[1] und plädiert damit für eine Wirtschaftsbildung im Rahmen der Pflichtschulzeit. Die Ambivalenz eines solchen Faches wird bereits durch den Titel klar, so lässt sich „Wirtschaft“ leicht als Neoliberalisierung der SchülerInnen auslegen.

Welche Fächer sind es, die überhaupt nicht gelehrt werden? Was fehlt für die ganzheitliche Bildung, die zu mündigen eigenständigen Menschen führt?

Ein Blick in die eigene Schulzeit wird uns unweigerlich an Momente des Schönen und auch an die des Schlechten führen. Das Gefühl von Versagen, wenn man sein erstes „nicht genügend“ unter einer Schularbeit liest, die mögliche Resignation, bis hin zu wütenden Tränen. Aber auch die Freude, wenn man ein Fach für sich entdeckt hat, und Fragen der Lehrperson bereits beantworten kann, noch bevor diese gestellt worden sind. Zweifelsfrei wird man auch Momente ganzheitlicher Bildung entdecken können, wenn man beispielsweise im Deutschunterricht einen Kartoffelacker anlegt und über das Wachstum, bis hin zum Verzehr, einen Dokumentarfilm dreht und schneidet. Es zeigt sich für mich hier die Möglichkeit den Unterricht zu nutzen, um mehr zu vermitteln als „Bildungsstandards“. Das banale Beispiel eines Kartoffelackers, die Arbeit mit Erde, das Filmen und Schneiden, das Besprechen des Filmes, sowie letztendlich das Kochen, haben einen neuen Horizont eingeführt und eine „1. Leistungsgruppe“ vom Höhenflug der Ausgezeichneten auf den Boden der Realität – zumindest ein Stück weit – heruntergebracht.

Was fördert uns zu einer Entwicklung, die einer ganzheitlichen Bildung gerecht wird? Haben wir unsere Stärken, die wir vielleicht in der Zeit der Pflichtschule schon entdeckt haben, heute auch verwirklicht oder über die Jahre vergessen?

[1] Köppl-Turyna; Monika; Wirtschaftsbildung ist kein Luxus; in: Couleur, Ausgabe 1, Frühling 2021, S. 12f.