image_pdfimage_print

In einem aktuellen Zeitungsartikel plädiert ein Integrationsexperte für mehr LehrerInnen mit Migrationshintergrund. Laut Kenan Dogan Güngör werden die Schulklassen immer heterogener und die Lehrerzimmer immer homogener.

„Lehrer, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen und zusätzlich eine andere Sprache sprechen, könnten mit der Diversität in den Klassenzimmern umgehen und auch ihre Kollegen unterstützen, die Kinder besser zu verstehen. Sprache baut Vertrauen auf“, erklärt der türkischstämmige Soziologe.

Ruep, Stephanie, „Integrationsexperte plädiert für mehr Lehrer mit Migrationshintergrund“; in https://derstandard.at/2000043939349/Integrationsexperte-plaediert-fuer-mehr-Lehrer-mit-Migrationshintergrund [02.07 2018]

Aufgrund des Artikels habe ich mich mit diesem Thema beschäftigt und möchte in den nächsten Zeilen die Vorteile von LehrerInnen mit Migrationshintergrund erläutern:

Wie SchülerInnen MIT Migrationshintergrund profitieren können

  • Rollenvorbilder
    Konkret liegt der Vorteil darin, dass die SS die Lehrperson aufgrund des Erfolgs als Vorbild sehen können, mit dem sie das Bildungssystem der Mehrheitsgesellschaft absolviert haben und damit in der Gesellschaft integriert sind. Jedoch bleibt es eine Vermutung, dass die Vorbildfunktion zum Bildungserfolg der SS führt, da es noch keine wissenschaftliche Studie belegen konnte.
  • AnsprechpartnerInnen
    Dieser Vorteil besteht darin, dass sich SchülerInnen mit Migrationshintergrund von Lehrkräften mit Migrationshintergrund besser verstanden fühlen, da sich diese aufgrund ihrer eigenen Migrationserfahrung eher in die Situation kultureller und sprachlicher Heterogenität hinein versetzen bzw. diese besser nachvollziehen können.
  • Schulische Integration und Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls
    Für die Schüler und SchülerInnen ist es sehr wichtig sich der Schule bzw. Klassengemeinschaft zugehörig zu fühlen. Wenn eine Mensch zu einer ethnischen Minderheit gehört, könnte das innerhalb der Schule zu einen Gefühl der Ausgeschlossenheit führen. Laut einer Studie von Strasser und Steber kann eine Lehrkraft mit Migrationshintergrund dazu führen, dass sich die Präsenz eines Zugehörigkeitsmerkmals zu einer Minderheit für SchülerInnen mit Migrationshintergrund verringert.
  • Rücksicht bei der Vermittlung von Inhalten
    SchülerInnen mit Migrationshintergrund könnten bestimmte Inhalte aufgrund kultureller Unterschiede anders auffassen und verstehen. Eine Lehrkraft mit Migrationshintergrund ist sich laut Strasser und Steber dieser Möglichkeit eher bewusst und nimmt bei der Vermittlung von Inhalten Rücksicht darauf.
  • Wie SchülerInnen OHNE Migrationshintergrund profitieren könnenAbbau von Stereotypen, Hinwegkommen über Klischees und ein positives Bild von Minderheiten bekommen
    Man geht davon aus, dass LehrerInnen mit Migrationshintergrund für SS ohne Migrationshintergrund ein Anreiz für den Abbau von negativen Stereptypen gegen Minderheitszugehörigen sein könnte.
  • Realistisches Bild einer multikulturellen Gesellschaft entwickeln und kulturelle Hintergründe verstehen
    Laut einer Studie könne sich ein realistisches Bild vom Leben mit pluralisierten Lebensentwürfen in Migrationsgesellschaften entwickeln (Georgi et al 2011: 25).Wie ALLE SchülerInnen profitieren können
  • Verbesserung der interkulturellen Kompetenz und Kommunikationdurch eine Lehrkraft mit Migrationshintergrund den professionellen Umgang mit
    Alle SchülerInnen können ihre interkulturellen Kompetenzen verbessern, indem sie durch eine Lehrkraft mit Migrationshintergrund den professionellen Umgang mit kulturellen Unterschieden lernen.

 

Kölbl K. (2013). Lehrkräfte mit Migrationshintergrund – Wie SchülerInnen sie wahrnehmen und von ihnen profitieren. Diplomarbeit an der Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, Universität Wien, Wien.

In den 60er- und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Diskussionen um das Bildungswesen laut, die eine kritische Wende in der Betrachtungsweise von Bildungssystemen einläuteten: Diese wurden nun kritisch im Lichte des Kapitalismus betrachtet. Demnach hatte das Schulsystem für die Gesellschaft primär drei Bedeutungen:

  • Der Staat finanziert die Herstellung von für das kapitalistische Wirtschaftssystem wichtigen Qualifikationen, deren Herstellung für das „Kapital“ aber finanziell zu aufwendig wäre und daher in das Schulsystem verlegt wird.
  • Schulsysteme lehren das Akzeptieren sowohl von Herrschaftsverhältnissen als auch insbesondere der Produktionsverhältnisse einer kapitalistischen Gesellschaft.
  • Schulsysteme dienen der Reproduktion der Klassengesellschaft

Gerade die letzten zwei Punkte sind im Hinblick auf die Vergangenheit des Schulsystems durchaus berechtigt.

Der sich über viele Schuljahre intensivierende Haupteffekt dieser schulischen Beeinflussung wurde ganz wesentlich im Generieren von Haltungen und Einstellungen ausgemacht, die eben von Nöten waren, um unter industriellen und kapitalistischen Produktionsbedingungen ein angepasstes Verhalten zu erzeugen. Hinzu kommt die schulische Beeinflussung bezüglich arbeitsmarktgerechter Qualifikationen sowie das Selektieren und soziale Schichten der Heranwachsenden.

Wie bildungsbezogenes Denken zu jener Zeit geleitet ist durch wirtschaftliche Vorstellungen zeigt ein kleiner Auszug aus einem Heft einer Schriftenreihe, das 1968 erschienen ist (somit genau in die betreffene Zeit passt) und die Begegnung von Schule und Wirtschaft thematisiert :

Es wird deutlich, wie eng verwoben hier Bildung und Wirtschaft gesehen werden. Auch fällt der Einzug von Wirtschaftssprache in den Bildungsbereich auf, wenn zum Beispiel von „Bildungskapital“ gesprochen wird – ein Umstand, der häufig beobachtet werden kann und uns auch im nächsten Artikel begegnen wird. Dann wird es nämlich ganz konkret um die Frage gehen, wie weit Wirtschaft mit Bildung in Abhängigkeit steht und welche Zusammenhänge und Bedingungen sich aus einer solchen Konstellation ergeben.

 

_____
Literatur (sämtlicher Artikel dieser Reihe):

Bohnsack, F. (2008). Schule – Verlust oder Stärkung der Person? Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Fend, H. (20082). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Grimm G. (2011). Uniformierung und (Sozial-)Disziplinierung als pädagogisch-bildungs-politische Leitprinzipien bei der Grundlegung des öffentlich-staatlichen Pflichtschulwesens in Österreich im 18. Jahrhundert. In S. Sting, & V. Wakounig (Hrsg.), Bildung zwischen Standardisierung, Ausgrenzung und Anerkennung von Diversität, Band 12. (S. 101-113). Wien: LIT Verlag.

Klein, R. (2010). Fest-Stellungen: zur Entsorgung von Reflexivität durch Kultur- und Bildungsstandards. In S. Dungs (Hrsg.), & R. Klein, Standardisierung der Bildung. Zwischen Subjekt und Kultur. (S. 29-54). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Oelkers, J. (2003). Wie man Schule entwickelt. Eine bildungspolitische Analyse nach PISA. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.

Tauscher, A. (1968). Die Stellung des Lehrers in der Gesellschaft von heute oder Die Begegnung von Wirtschaft und Schule. In Sozial- und Wirtschaftskundliche Schriftenreihe, Heft 5. Wien: Sparkassenverlag Gesellschaft m.b.H.

Winter, F. (2006). Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen. In J. Bennack, A. Kaiser, & R. Winkel (Hrsg.), Grundlagen der Schulpädagogik, Band 49. Stuttgard: Schneider Verlag.

Das Leistungsprinzip

Wie bereits am Ende des vorhergehenden Artikels angesprochen, erfüllt das Bildungswesen hinsichtlich der Sozialisation von heranwachsenden Menschen eine ganz wesentliche Funktion. In diesem Zusammenhang sei die sogenannte Leistungsideologie bzw. das Leistungsprinzip erwähnt. Grundlage hierfür ist es, ein Bild einer Leistungsgesellschaft zu vermitteln, der nach es erforderlich ist, im Gegenzug zum Bezug wichtiger Güter Leistungen zu erbringen. Die schulische Leistungsbeurteilung erfüllt hier eine wesentliche Rolle der Einprägung dieser Sichtweise in die Köpfe der Jugendlichen. Grundsätzlich ist die Durchsetzung des Leistungsprinzip ein durchaus sehr wertvoller Sieg der Demokratie über die früheren feudalen Privilegien. Doch abgesehen davon kann man die Leistungsideologie durchaus auch kritisch betrachten: Denn in ihrem Sinne soll Schule die Anerkennung von Besitzverteilungen und Machtverhältnisse sicherstellen. Dies gelingt mit folgender, der Leistungsideologie entspringender, Argumentation: „Ungleichheit ist das Ergebnis individuell unterschiedlicher Anstrengung“. Das bedeutet, dass demnach jeder gleichermaßen Chancen auf Erfolg hat und diese lediglich durch die eigene Bereitschaft zur Anstrengung zur Entfaltung bringen kann. Somit hätte jemand, der den sozialen Aufstieg nicht schafft, sich das seiner eigenen mangelnden Leistungsbereitschaft zuzuschreiben. Dass dieses Leistungsprinzip im Sinne einer inklusiven Gesellschaft nicht fair ist, liegt auf der Hand: Nicht jeder Mensch verfügt über die gleichen Startvoraussetzungen und Anstrengung wird nicht in allen gesellschaftlichen Gruppierungen gleich mit Erfolg „entlohnt“. Zudem kommt, dass in der Gesellschaft auch noch andere Prinzipien Anwendung finden:

  • Bekannheitsprinzip (Hier besteht eine Bevorzugung durch direkte bzw. indirekte Beziehung zu den Auswählenden)
  • Ideologieprinzip (Parteizugehörigkeit und/oder Gesinnungsnähe als Auswahlkriterium)
  • Anciennitätsprinzip (Vorziehen altgedienter Personen)
  • Sozialprinzip (Bevorzugung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen bei ansonsten gleicher Qualifikation)

Mit dem Etablieren des Leistungsprinzips in Bildungsinstitutionen könnte man diese gewissermaßen als Herrschaftsinstrument im Dienste der Interessen einer kapitalistischen Gesellschaft sehen, das den in ihr mächtigen Gruppen in die Karten spielt, indem es die materielle Ungleichheit zwischen den Menschen auf diese Weise legitimiert.

In der Schule findet das Leistungsprinzip in der Vergabe von Schulnoten symbolisch Anwendung. Problematisch ist, gerade auch hinsichtlich des Themas „Diversität und Inklusion“, dass hier im Endeffekt Menschen als Summe ihrer Effizienz gesehen werden und Leistung zu einem Hauptkriterium in der Feststellung des Wertes eines Menschen wird.

Leistungszielorientierung vs. Lernzielorientierung

Hinsichtlich eines Schulalltags, der sich zunehmend stärker auf SchülerInnenleistung fokussiert, zeigt sich, dass eine leistungszielorientiere Haltung seitens der SchülerInnen mit extrinsischer Motivation einhergeht, da Handlungen aufgrund positiver Folgen (Belohnung, beispielsweise durch das Notensystem) oder auch Vermeidung von Bestrafung (Konsequenzen schlechter Benotung) vollzogen werden. Dies steht im Gegensatz zu einer Lernzielorientierung, bei der die SchülerInnen eher um der Sache selbst willen aufgabenorientiert und intrinsisch motiviert arbeiten. Letztere Einstellung zeichnet eine nachhaltige und menschliche Herangehensweise in der Bildungsarbeit aus. Sie weist bei den Kindern auch signifikant höhere Lernraten auf, als bei Leistungszielorientierung. Dennoch tritt Leistungszielorientierung bei mehr als der Hälfte aller Schüler, nämlich zu 53,4% auf. Eine Aufgabenorientierung findet sich zu nur 13,7%!

Als Lehrkraft wird es demnach wichtig sein, Gegenerfahrungen zur üblichen Leistungskontrolle anzubieten, um damit einen menschlicheren, motivationsförderlichen und langfristigeren Zugang zum Lernen zu schaffen. Vielleicht sollte sich in den einzelnen Fächernd der Fokus ein wenig verschieben: Nicht nur darauf schauen, wie man das Fach am besten vermittelt und die Effizienz dieser Vermittlung erhebt, sondern vielmehr die Frage stellen, was man mit dem Fach dazu beitragen kann, dass es dem Schüler, der Schülerin bei seiner/ihrer Menschwerdung hilft! So geschieht Lernen letztlich nicht für die Note, sondern für wesentlich höhere Werte – wenn wir die Persönlichkeitsbildung der Einzelnen in all unseren Handlungen als Lehrperson im Blick haben.

In den folgenden Beiträgen werden wir uns dem Spannungsfeld von Schule und Wirtschaft widmen, dem schlussendlich auch die aktuelle Debatte über Standardisierung und Vereinheitlichung entspringt.

_____
Literatur (sämtlicher Artikel dieser Reihe):

Bohnsack, F. (2008). Schule – Verlust oder Stärkung der Person? Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Fend, H. (20082). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Grimm G. (2011). Uniformierung und (Sozial-)Disziplinierung als pädagogisch-bildungs-politische Leitprinzipien bei der Grundlegung des öffentlich-staatlichen Pflichtschulwesens in Österreich im 18. Jahrhundert. In S. Sting, & V. Wakounig (Hrsg.), Bildung zwischen Standardisierung, Ausgrenzung und Anerkennung von Diversität, Band 12. (S. 101-113). Wien: LIT Verlag.

Klein, R. (2010). Fest-Stellungen: zur Entsorgung von Reflexivität durch Kultur- und Bildungsstandards. In S. Dungs (Hrsg.), & R. Klein, Standardisierung der Bildung. Zwischen Subjekt und Kultur. (S. 29-54). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Oelkers, J. (2003). Wie man Schule entwickelt. Eine bildungspolitische Analyse nach PISA. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.

Tauscher, A. (1968). Die Stellung des Lehrers in der Gesellschaft von heute oder Die Begegnung von Wirtschaft und Schule. In. Sozial- und Wirtschaftskundliche Schriftenreihe, Heft 5. Wien: Sparkassenverlag Gesellschaft m.b.H.

Winter, F. (2006). Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen. In J. Bennack, A. Kaiser, & R. Winkel (Hrsg.), Grundlagen der Schulpädagogik, Band 49. Stuttgard: Schneider Verlag.

In diesem Artikel soll es um den Menschen selbst gehen, der durch die Eingliederung in einen Bildungsprozess gleichzeitig auch einem Formprozess unterliegt.

Die Macht der institutionalisierten Bildung

Bildungsinstitutionen sind gesellschaftlich gewollte Orte methodisierter Menschenbildung und Kulturübertragung und sehen ihren Auftrag in der Internalisierung von kulturellen Grundüberzeugungen, in der Weitergabe von Wissen sowie im Vermitteln von Fertigkeiten. Sie arbeiten dabei intensiv an den mentalen Strukturen und dem Wertesystem der in ihnen heranwachsenden Menschen. Somit kann man sagen, dass der Mensch gewissermaßen einen „Fertigungsprozess“ durchläuft, dessen Endresultat durch externe Faktoren (wie eben Gesellschaft, Politik, etc.) vorgegeben wird. Die Bildungsinstitutionen haben diesbezüglich grob folgende Ziele:

  • Menschen sollen etwas glauben
  • Menschen sollen etwas wissen
  • Menschen sollen etwas können
  • Menschen sollen ein bestimmtes Selbst- und Weltverständnis entwickeln

Besonders interessant ist hierbei das „Glauben“ sowie das Selbst- und Weltverständnis: Es handelt sich hier um Haltungen und Bilder vom Menschsein, die in ihrer Ausformung den bereits erwähnten externen Faktoren entsprechen müssen – denn sie sind es, die die Bildungsinstitutionen bedingen. Es existiert eine menschliche Norm, ein Leitbild eines „geformten“ Menschen, der sich abgrenzt vom „ungeformten“ Menschen. Aus den vielen verschiedenen Möglichkeiten des Menschseins wird auf diese Weise eine erwünschte selegiert und verstärkt: Es werden seelische Strukturen, Werteorientierungen und Fähigkeiten produziert.

Von der Geschichte des Schulwesens

Da die Inhalte und die Methoden der Bildungsinstitutionen Aufträgen externer Instanzen (konkret: Die Politik – ihrerseits gestaltet im Spannungsfeld ökonomischer Bedingungen) geschuldet sind, die naturgemäß ihre Interessen in der Gesellschaft zur Durchsetzung bringen wollen, muss Schule als Ort der Konkretisierung gesellschaftspolitischer Wertvorstellungen auch immer wieder im Rahmen gesellschaftskritischer Betrachtungen in den Fokus rücken. Dass Schulen im Dienst der externen Institutionen und der Gesellschaften stehen, aus denen sie entspringen, zeigt die Geschichte. Wirft man einen Blick zurück in die Geschichte des Schulwesens, so zeigt sich, dass Schule nicht vorrangig der Bildung der Person, sondern der Gewinnung „treuer Diener des Reiches“, „guter Christenmenschen“ und „ergebener Untertanen“ diente. Es zeigt sich, dass Schule ein machtpolitisches Instrument war, das nach wirtschaftlichen Zielen organisiert war. In Verordnungen des 18. Jahrhunderts etwa wurde gefordert, dass die Schüler „als Werkzeuge zugerichtet werden mögen, die dem gemeinen Wesen […] nützliche Dinge zu leisten im Stand seyen“. Dies sollte beispielsweise dadurch geschehen, indem sie lernen sollten „nach Vorschrift zu arbeiten“ und ihren „Eigenwillen zu verleugnen“. Hier wird die Disziplinierung und das Etablieren von Herrschaftsverhältnissen als Funktion der Schule deutlich. Auch heute könnte man noch sagen, dass die Schule ein Dienstleistungsbetrieb für die Umsetzung der jeweiligen staatlichen Ziele geblieben ist.

Schule im Nationalsozialismus

Wie sehr das Bildungswesen für staatliche Zwecke missbraucht werden kann, zeigte sich auf deutliche Weise in der Zeit des Nationalsozialismus: Hier stand die Schule ganz im Dienste staatskonformer Bewusstseinsbildung. Abseits der Traditionen der Aufklärung, vernunftbasierter Argumentation und Freiwilligkeit des Einzelnen wurde ohne Ausnahme die Einübung blinder Gefolgschaft seitens des Regimes gefordert. Für Individualität, geschweige denn Inklusion, wie wir sie heute begreifen, war kein Platz vorgesehen. Die furchtbaren Folgen machen deutlich, wie schwerwiegend die kulturpolitische Bedeutung des Bildungswesens sein kann. Dieser Missbrauch von Schule als machtpolitisches Instrument der Nationalsozialisten zeigt sich auch nach Ende des zweiten Weltkriegs als folgenschwer: Die Kinder, die diesen schulischen Prozess der Indoktrination in einer ihrer prägendsten Phase durchlaufen haben, befinden sich nach 1945 im besten Alter, um ihren Platz in der Gesellschaft zu finden und diese maßgeblich mit ihrer Stimme zu beeinflussen. Es liegt nahe zu vermuten, dass das braune Gedankengut und die Wertvorstellungen dadurch noch bis weit hinein in die Nachkriegszeit gedrungen sind und wirken konnten.

Diese Überlegungen zeigen, wie gefährlich die Gratwanderung sein kann, die sich durch die Tatsache ergibt, dass Bildungsinstitutionen zwar einerseits Menschen in ihren individuellen Zielen voranbringen sollen, andererseits aber eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Sozialisation von Menschen spielen. Ein Aspekt dieser Sozialisationsfunktion, nämlich die sogenannte „Leistungsideologie“, soll Gegenstand des nächsten Artikels sein.

_____
Literatur (sämtlicher Artikel dieser Reihe):

Bohnsack, F. (2008). Schule – Verlust oder Stärkung der Person? Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Fend, H. (20082). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Grimm G. (2011). Uniformierung und (Sozial-)Disziplinierung als pädagogisch-bildungs-politische Leitprinzipien bei der Grundlegung des öffentlich-staatlichen Pflichtschulwesens in Österreich im 18. Jahrhundert. In S. Sting, & V. Wakounig (Hrsg.), Bildung zwischen Standardisierung, Ausgrenzung und Anerkennung von Diversität, Band 12. (S. 101-113). Wien: LIT Verlag.

Klein, R. (2010). Fest-Stellungen: zur Entsorgung von Reflexivität durch Kultur- und Bildungsstandards. In S. Dungs (Hrsg.), & R. Klein, Standardisierung der Bildung. Zwischen Subjekt und Kultur. (S. 29-54). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Oelkers, J. (2003). Wie man Schule entwickelt. Eine bildungspolitische Analyse nach PISA. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.

Tauscher, A. (1968). Die Stellung des Lehrers in der Gesellschaft von heute oder Die Begegnung von Wirtschaft und Schule. In. Sozial- und Wirtschaftskundliche Schriftenreihe, Heft 5. Wien: Sparkassenverlag Gesellschaft m.b.H.

Winter, F. (2006). Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen. In J. Bennack, A. Kaiser, & R. Winkel (Hrsg.), Grundlagen der Schulpädagogik, Band 49. Stuttgard: Schneider Verlag.

Eine aktuelle Studie belegt, dass Schulen, deren Leiter über eine enge Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule berichten, erzielen stärkere Leistungszuwächse als andere Schulen, und zwar unabhängig von der Schulart und der Schichtzugehörigkeit der Eltern. Die Eltern fühlen sich ernst genommen, hatten ein größeres Vertrauen in die Lehrkräfte und nahmen vermehrt an Elternsprachtagen oder anderen schulischen Veranstaltungen teil. Eltern mit Migrationshintergrund erhalten durch die Zusammenarbeit auch Einblicke in das Schulsystem, wodurch die ihre Kinder besser fördern und sie bei den Hausaufgaben unterstützen können. Es wird jedoch niemals möglich sein, dass man alle Eltern erreicht. Dies kann aber viele verschiedene Gründe haben (Schichtdienst, sprachliche Barrieren, kein Interesse usw.). Ebenso wirkt sich die Zusammenarbeit mit den Eltern zu einer positiveren Schulatmosphäre aus. In den folgenden Zeilen stelle ich einige Ansatzpunkte zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule vor:

  • Regelmäßige Sprechstunden und Gespräche
    Zur Verbesserung der Kooperation wird vorgeschlagen sich mit den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten in gewissen Zeitabständen zusammen zu setzen. Hierbei sollten vor allem Themen und Methoden für den Unterricht diskutiert bzw. erarbeitet werden.
  • Eltern in Schulaktivitäten einbinden
    Eine weitere Möglichkeit ist es, Eltern (auch aus anderen Herkunftsländern) zu bitten bei schulischen Aktivitäten Spiele ihrer Kultur vorzustellen. Dadurch wird ebenso das Interesse an anderen Kulturen geweckt, das wiederum zur Verbesserung der interkulturellen Kompetenz führt.
  • Schriftliche und mündliche Mitteilungen
    Hierbei ist zu beachten, dass es eventuell auch Eltern mit Migrationshintergrund gibt, welche die deutsche Sprache nicht bzw. kaum beherrschen. Daher sollte man die wichtigsten Informationen auch in anderen Sprachen zur Verfügung stellen.
  • Informationsweitergabe
    In Zusammenarbeit mit den Eltern wäre es möglich die Schul-Webseite zu leiten und gemeinsam zu gestalten.
  • Elternforum im Internet erstellen
    Die Idee wäre ein Diskussionsforum zu erstellen, in dem Eltern und Lehrkräfte Informationen, Ideen, Dokumente und Nachrichten austauschen können. Dadurch wäre es auch möglich das Eltern, die im Schichtbetrieb arbeiten, am Schulleben teilnehmen.

 

Wie bereits in meinem ersten Blogeintrag angesprochen, soll in den folgenden Beiträgen der gesellschaftliche Aspekt von Schule thematisiert werden – konkret geht es mir hierbei um die schrittweise Erarbeitung einer Sicht auf das Bildungswesen im Lichte des Produktionsaspekts von Bildungssystemen und deren Sozialisationsarbeit (genau das war auch Gegenstand meines Referatsthemas). Auf diese Weise soll sich ein Bogen von den frühen Schulentwicklungen weg bis hin zu den jüngsten Standardisierungsbemühungen unserer Bildungspolitik spannen.

Ich möchte die aufeinander bezogenen Beiträge dabei nicht zu lange halten, da ich glaube, dass sich dies positiv auf die Lesemotivation auswirkt.

Bildung – ganz allgemein betrachtet:

Betrachtet man das Bildungswesen aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive, so lässt sich dessen Bestreben im Wesentlichen auf eine Funktion reduzieren:

Bildungssysteme stellen die Reproduktion sowie Innovation von Strukturen einer Gesellschaft beim biologischen Austausch ihrer Mitglieder sicher.

Das bedeutet, dass es das Ziel einer Gesellschaft ist, sich selbst zu erhalten, indem sie die nachkommende Generation mit den Fähigkeiten, Werten und dem Wissen ausstattet, das jene zum sichern des gesellschaftlichen Fortbestands benötigt. Dabei kann Schule gleichzeitig zu einem Instrument sozialen Wandels werden, indem sie auf die Vermittlung neuer Qualifikationen zur Bewältigung neuer Aufgaben zugeschnitten wird. Bildung ist daher allein aus rein soziologischer Sicht notwendig, um die eigene Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Da das Lernen folglich einem gesellschaftlichen Ziel folgt, müssen Lernprozesse organisiert werden. Dies geschieht durch eine „Vergesellschaftung“ von Lehren und Lernen in Institutionen. Diese transformieren spontane und unstete Formen des natürlichen und alltäglichen Lernens in vorausgeplante und stabile Formen.

Mit dem Schritt, die Bildung in klar strukturierten Institutionen zu organisieren findet eine erste Verengung des möglichen Bildungsspektrums statt: Durch das „Zurechtschneiden“ dessen was zu Lernen möglich ist auf das, was gemeinschaftlich als wesentlich für den eigenen Fortbestand erachtet wird muss zwangsläufig eine Abgrenzung von Lernenswertem von nicht-Lernenswertem vollzogen werden. Damit verbunden ist das Entstehen eines Menschenbildes, dessen Formung Gegenstand des nächsten Artikels sein wird.

 

_____

Literatur (sämtlicher Artikel dieser Reihe):

Bohnsack, F. (2008). Schule – Verlust oder Stärkung der Person? Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Fend, H. (20082). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Grimm G. (2011). Uniformierung und (Sozial-)Disziplinierung als pädagogisch-bildungs-politische Leitprinzipien bei der Grundlegung des öffentlich-staatlichen Pflichtschulwesens in Österreich im 18. Jahrhundert. In S. Sting, & V. Wakounig (Hrsg.), Bildung zwischen Standardisierung, Ausgrenzung und Anerkennung von Diversität, Band 12. (S. 101-113). Wien: LIT Verlag.

Klein, R. (2010). Fest-Stellungen: zur Entsorgung von Reflexivität durch Kultur- und Bildungsstandards. In S. Dungs (Hrsg.), & R. Klein, Standardisierung der Bildung. Zwischen Subjekt und Kultur. (S. 29-54). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Oelkers, J. (2003). Wie man Schule entwickelt. Eine bildungspolitische Analyse nach PISA. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.

Tauscher, A. (1968). Die Stellung des Lehrers in der Gesellschaft von heute oder Die Begegnung von Wirtschaft und Schule. In. Sozial- und Wirtschaftskundliche Schriftenreihe, Heft 5. Wien: Sparkassenverlag Gesellschaft m.b.H.

Winter, F. (2006). Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen. In J. Bennack, A. Kaiser, & R. Winkel (Hrsg.), Grundlagen der Schulpädagogik, Band 49. Stuttgard: Schneider Verlag.

Jeder Mensch wird durch seine Verwandten, Freunde etc. auf eine gewisse Weise geprägt. Oft hängt dies mit gewissen Sichtweisen/Vorurteilen zusammen. Doch in der jetzigen Zeit (globalisierte Welt) ist es umso wichtiger, sich seine eigene Sichtweise zu bilden und Vorurteile zu hinterfragen bzw. zu durchschauen.

Jede zwischenmenschliche Begegnung findet in einem Rahmen statt, der durch Ziele, soziale Normen und andere Regeln bestimmt ist, die im entsprechenden System vorgegeben sind. Jedoch besteht in jeder menschlichen Beziehung eine gewisse Interkulturalität (nicht nur wenn Menschen verschiedener Länder/Religionen miteinander agieren). Es variiert nur der Grad der Interkulturalität. Ein geringer Grad besteht zum Beispiel zwischen Menschen die in der gleichen Stadt geboren wurden und die gleiche Schule besucht haben, jedoch unterscheiden sie sich trotzdem in gewissen Sichtweisen und sozialen Normen.

 

Vor allem in Schulen ist es wichtig, dass eine interkulturelle Bildung vermittelt wird. Darunter versteht man, dass die Schüler und Schülerinnen gewisse Differenzen erkennen und bei Vorhandensein empathisch damit umgehen.
Ob die Umsetzung jedoch erfolgreich ist, hängt nicht nur von den LehrerInnen ab, sondern auch von den SchülerInnen.

 

Denn lassen sich alle darauf ein – oder sind einige Vorurteile gegenüber „Andere“ einfach zu tief verankert?