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Critical Whiteness (im Deutschen zumeist „Kritische Weißseinsforschung“) ist eine Forschungsrichtung, in der die – in der Regel implizite – Normsetzung des „Weiß-Seins“ problematisiert wird. Weiß-Sein  ist dabei nicht biologistisch definiert, sondern wird als wirkmächtige Kategorie betrachtet, wonach das davon Abweichende (z.B. „Schwarz“) als Anderes gesetzt ist.

Rassismusforschung fokussiert in der Regel stärker auf die Auswirkungen rassifizierender Zuschreibungen, etwa für die von Diskriminierung Betroffenen, bzw. auf deren Strategien des Widerstandes. Critical Whiteness hingegen rücken die Frage nach dem Selbstverständlichen, der Norm in den Vordergrund. Es wird gefragt, welche Strukturen diese Norm hervorbringen und reproduzieren, sowie danach, wer in welcher Weise von Rassismen profitiert. „Weiß-Sein“ wird folglich explizit zum Thema der Reflexion, damit sollen unsichtbare Privilegien sichtbar gemacht werden und Angehörige der dominanten Gruppe darüber ein kritisches Bewusstsein entwickeln, um Veränderungen einzuleiten.

RaSsiSmUs

Rassismus zu thematisieren ist historisch bedingt moralisch aufgeladen. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges gilt kategorisch „Rassismus darf es nicht mehr geben“. Doch trotzdem wird Rassismus noch heute unter anderem in Schulmaterialien reproduziert. Studien belegen eine institutionelle Diskriminierung im Bildungssystem Schule sowie rassistische Diskriminierungen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt.

Als soziale Kategorie hat Diskriminierung reale Auswirkungen auf viele Menschen. Noch immer ist Rassismus in unseren Wissenssystemen, kollektivem Wissen über „Andere“, unseren Institutionen und gesellschaftlichen Strukturen verankert. Die Bereitschaft sich wirklich diversitätssensibel zu verhalten und diskriminierende Strukturen und Handlungsweisen abzubauen, setzt also viel voraus: Eine Auseinandersetzung damit, Wissen darüber und eine grundsätzliche Haltung dagegen um Handlungsweisen zu entwickeln.

Grundsätzlich gibt es zwei Erfahrungswelten, die betrachten werden sollten: Die Welt derer, die relativ frei in ihren Zugängen sind, als „normal“ wahrgenommen werden, wenig abwertenden Zuschreibungen und Diskriminierungen ausgesetzt sind und die Welt der Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft, sexueller Orientierung, Behinderung oder Religion als „anders“ markiert leben. Sie machen oft ganz andere Erfahrungen in allen Lebensbereichen. Laut einee repräsentativen Studie der Antidiskriminierungsstelle 2015 haben 31% der Befragten in den letzten drei Jahren Diskriminierungen nach den Merkmalen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erlebt, jedoch unternahmen 40% davon nichts dagegen, weil sie sich keine Verbesserung erhofften.

Die Auswirkungen von strukturellem Rassismus und die regelhafte Erfahrung von Diskriminierung auf individueller Ebene sind nicht wirkungslos. Im Gegenteil: Von Kindesbeinen an im Kindergarten, in der Schule, Studium, im Beruf und im Alltag zum „Anderen“ gemacht zu werden, Vorurteilen und Abwertungen ausgesetzt zu sein. Zu erleben, dass man „Mensch zweiter Klasse“ ist oder aufgrund „zugeschriebener Eigenschaften“ gewisse Zugänge verschlossen bleiben, macht wütend und mindert die Möglichkeit sich und sein Potenzial zu erkennen. Es beeinflusst massiv die Selbsteinschätzung in der Gesellschaft etwas zu erreichen zu können. Für Jugendliche und Kinder bleibt oft das Gefühl von Minderwertigkeit und gegebenenfalls Selbstablehnung als eine schwere Last, zusätzlich gegenüber diskriminierenden Erwachsenen bestehen zu müssen.

Es genügt nicht die eigenen Vorurteile als „Wissen“ zu verstehen und zu behaupten soziale Kategorien hätten heute keine Relevanz. Klasse, Herkunft und Geschlechterunterschiede sowie falsche Konstrukte wie „Rasse“ und Zuschreibungen zu bestimmten Religionen sind jahrhundertealte Verhältnisse, die fest in unsere Denk- und Handlungsweisen eingewoben sind. Sie haben vielfach auch Auswirkungen auf Arbeitsbeziehungen und Solidarität.

Während der heute immer wieder auftauchenden Diskussion der Leistungsbeurteilung, stellte sich mir die Frage: „Wie kam es eigentlich zu der heutigen Leistungsbeurteilung durch Ziffern?“. Auch wenn diese Ziffernnoten heute oft als „veraltet“ bezeichnet werden, liegt deren Einführung verhältnismäßig gar nicht allzu lange zurück. Die ersten Ziffernnoten wurden im späten 19. Jahrhundert eingeführt. Der Gedanke hinter dieser Einführung ist recht einleuchtend. Durch die Vergabe von neutralen Ziffernnoten sollte eine uneingeschränkt faire Zulassung zum Studium ermöglicht werden. Herkunft sollte keinen Einfluss mehr auf diese Zulassung haben, sondern nur mehr die Leistung des Bewerbers oder der Bewerberin.

Doch ist eine Eins („Sehr gut“) wirklich objektiver als ein „Fortschritte sind zu erhoffen“, wie bereits 1830 von Pädagogen in der Schulnachricht vermerkt wurde? Ich behaupte nicht. Als ehemalige Schülerin weiß ich, dass ein und derselbe Aufsatz von verschiedensten Lehrpersonen anders gewertet werden kann. Wenn ich an meine persönliche Schulgeschichte denke, erinnere ich mich an meinen Englisch Unterricht. Im Maturajahr wurde uns die Aufgabe gestellt, einen „opinion Essay“ zu verfassen. Zwei der 18 Schülerinnen erhielten eine positive Note auf deren Text. Die restlichen Aufsätze wurden nach der Einleitung durchgestrichen und mit „F – no comment“ benotet. Da wir nun mit der Angst leben mussten, diese Textart zur, damals neuen, Zentralmatura als Aufgabe gestellt zu bekommen, äußerten wir den Wunsch uns noch genauer mit der Materie zu beschäftigen. Unsere Lehrperson hatte aber „keine Zeit“ dafür, denn der Lehrplan musste durchgearbeitet werden. Ohne Hilfe der Lehrperson mussten wir uns nun mit dieser Textart auseinandersetzen. Als wir diese dann tatsächlich bei der Matura verfassen mussten, war meine Überraschung groß, als ich zum ersten Mal eine zwei auf meinen Essay erhielt. Ich bin mir sicher, dass dies mehr an dem Wissen der Lehrperson lag, dass eine zweite Person die Arbeit kontrollieren würde.

Durch diese subjektive Leistungsbewertung der meisten Lehrpersonen und dem Leistungsdruck aufgrund des Konkurrenz-Verhaltens innerhalb der Klasse, bin ich der Meinung, dass die Schule verändert werden muss. Durch Recherche in einem anderen Fach, stoß ich auf das in Schweden praktizierte Schulsystem. Eine Schule ohne Noten. Zumindest bis ins 7. Schuljahr. Nun stellt sich mir die Frage: „Ist eine Schule ohne Noten möglich?“.

In Deutschland wird dies bereits erforscht. Es gibt bereits einige Projekte, in denen Klassen einen individualisierten, selbstständigen Unterricht führen. In diesen Unterrichtsformen führen die Kinder ein sogenanntes Logbuch und halten so ihren Lernfortschritt fest. Durch dieses Logbuch werden die Kinder zur selbstständigen Kontrolle und Einschätzung ihrer Lernfortschritte geleitet und können so ihre Ressourcen ausschöpfen. Am Ende der Woche erhalten die Schüler und Schülerinnen eine schriftliche Rückmeldung was sie verbessern sollten aber auch welche Leistungen in der Woche erfolgreich erbracht wurden.

Ich bin der Meinung, dass dieses Schulmodell in irgendeiner Form die Zukunft darstellen sollte. Ich denke, dass durch individualisierten Unterricht und selbstständige Mitgestaltung des Unterrichts der Lernenden ein Schulsystem entsteht, von welchem sowohl Lernende als auch Lehrende profitieren können.

 

Literaturverzeichnis

Gries, J., Lindenau, M., Maaz, Kai und Waleschkowski, U. (2005) Bildungssysteme in Europa. Kurzdarstellung. Berlin: ISIS. Institut für Sozialforschung, Informatik & Soziale Arbeit. www.schulzbinzweb.de/stadtelternrat-wunstorf/Dokumente/Themen/IGS/Bildungssysteme_Europa.pdf (16.05.2020)

Mens, F. (2009). Die ideale Schule. Schule ohne Noten – funktioniert das? Geo Wissen (11/09). Verfügbar unter: https://www.geo.de/magazine/geo-wissen/5989-rtkl-die-ideale-schule-schule-ohne-noten-funktioniert-das (03.06.2020)

Lehramtsstudierenden wird während der Ausbildung immer wieder vermittelt, wie wichtig es ist einen differenzierten und kompetenzorientierten Unterricht zu gestalten. Die Fachdidaktik in verschiedensten Fächern stützt sich auf die Annahme, dass Schüler_innen bessere Leistungen erbringen können, wenn der Unterricht sich nach ihren Anforderungen anpasst. Ein individualisierter Unterricht scheint also effektiver. Neben einem differenzierten Unterricht, gibt eine dementsprechende Leistungsbeurteilung den Schüler_innen eine Möglichkeit ihr Lernverhalten und ihre Persönlichkeit ausreichend zu entwickeln.

Nun stellt sich aber die Frage: Welchen Sinn hat es, die Schüler_innen individuell zu unterrichten und so die volle Leistung ausschöpfen, wenn diese dann am Ende wieder abstrakt als Ziffernnote kategorisiert wird. Diese Ziffernnote gibt nämlich meist kaum einen Hinweis zur erbrachten Leistung. Obwohl ein differenzierter Unterricht angepriesen wird, gibt es unzureichend Möglichkeiten differenzierte Leistungsbeurteilung durchzuführen.

Ein Hauptproblem scheint die Auslegung unseres Schulsystems auf die Selektion. Unser Bildungssystem fokussiert sich auf die inhaltliche Vermittlung von Fachwissen und auf die erbrachte Leistung der Schüler_innen. Dabei werden kooperative Leistungen, autonom erbrachte Leistungen und soziale Kompetenzen meist vollständig ignoriert.

Dies wird mir vor allem bewusst, wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke. Ich maturierte im Sommer 2014. Obwohl die Einführung der Zentralmatura kurzfristig um ein Jahr verschoben wurde, entschied sich unsere Schule für einen Schulversuch. So war es uns möglich doch die Zentralmatura anzutreten. Diese Entscheidung wurde hauptsächlich von uns Schülerinnen getroffen, denn uns war klar: Eine Matura nach altem Format wäre ein zu großes Risiko. Ein Risiko deshalb, weil die „alte Matura“ fremd zu sein schien. Vier Jahre lang wurden wir auf die Zentralmatura trainiert. Wir kannten kein anderes Format. Diese Entscheidung war also ergebnisorientiert. Wir wussten, dass wir gute Abschlussnoten benötigen würden, um in der Zukunft voran zu kommen.

Wenn ich mich bei einer Ausbildungsstätte oder Berufsstelle bewerbe, die ein Zeugnis verlangt, dann wird die Ziffer betrachtet. Eine Ziffer, die meine Zukunft bestimmt. Dieser Gedanke wird bereits Volksschülern eingeprägt. Wenn es um die Zulassung zu einem Gymnasium- oder Mittelschulplatzes geht, dann zählt jede Notenziffer. Umso niedriger, umso besser. Auch ich musste diese Tatsache früh lernen. Ich konnte mein Wunschgymnasium nicht besuchen, da ich in einem Fach nicht die Bestnote, sondern ein „Gut“ erreicht habe.

Hiermit stelle ich mir die Frage: Welchen Sinn hat es, erbrachte Leistungen der Schüler_innen auf eine Ziffer zu reduzieren? Ist es nicht viel aussagekräftiger eine Leistungsbeschreibung zu erhalten? So weiß ich sowohl als Schüler_in als auch als Elternteil, welche Kompetenzen verbessert werden sollten. Ein „Gut“ eines Kindes ist meist nicht mit dem „Gut“ eines anderen Kindes zu vergleichen. Während ein/eine Schüler_in diese Note aufgrund von „mangelndem“ Fachwissen oder Schulleistung vergeben wird, kann ein/eine andere/r Schüler_in dieselbe Note aufgrund von fehlender Mitarbeit im Unterricht erhalten. Schule wird leider immer mehr zum Wettbewerb. Kinder und Jugendliche vergleichen ihre Jahreszeugnisse und es entsteht so ein Leistungsdruck. Wenn mit den Schüler_innen nicht ausreichen kommuniziert wird, weshalb eine bestimmte Note eingetragen wurde, kann es oft sein, dass an der falschen Stelle gearbeitet wird. Wenn die „mangelnde“ Leistung nicht verbessert wird, aufgrund fehlender oder unzureichender Kommunikation, entsteht oft ein Frustgefühl und die Schüler__innen können das Interesse am Unterricht verlieren.

Dies ist meiner Meinung nach Grund genug, eine differenzierte Leistungsbeurteilung verpflichtend einzuführen. Auch wenn dies mit Umsetzungsschwierigkeiten verbunden sein mag, ist die Entwicklung der Schüler_innen in den Mittelpunkt zu stellen.

Autor: Laura Garnitschnig

Quelle:
Scholz, I. (2010). Pädagogische Differenzierung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht

Was ist besser als ein Lehrer? Na klar, zwei Lehrer!

So einfach ist es dann leider doch nicht. Das Konzept des Team-Teachings baut auf der Kooperation zweier (oder mehrerer) Lehrpersonen auf um in vielfältiger Hinsicht den Unterricht und das soziale Umfeld im Rahmen der Klasse zu verbessern. Teamteaching öffnet viele Chancen, von welchen auch die Lernenden profitieren.

Die Lehrenden können sich gegenseitig entlasten, respektive unterstützen und somit differenzierter auf unterschiedliche Lernvoraussetzungen und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingehen. Beispielsweise können lernschwächere Schülerinnen und Schüler wirksamer in Gruppen betreut werden, ohne sie dabei abzugrenzen. Eine zweite Lehrkraft bringt den Luxus mit sich, dass heterogene Gruppen besser unterstützt werden können. Eine einzelne Lehrperson kann maximal auf eine Kleingruppe von 6-8 Lernenden eingehen ohne jemanden zu vernächlässigen oder den Fokus zu verlieren. Im Team ist es jedoch möglich eine gesamte Klasse zu betreuen und dabei Aufgabenstellungen, Hilfestellungen, Inputphasen und weitere Aufgabenbereiche effektiver aufzuteilen. Mehrere Lehrpersonen bringen ebenfalls vielfältigere Fähigkeiten (bspw. kommunikativ/sozial, fachlich etc.) ein, sodass eine Gestaltung des Unterrichts abhängig von Stärken und Schwächen der Lehrenden möglich ist.

Anfängliche Absprachen über Inhalt und Ablauf zwischen den Lehrkräften sind zwar zeitaufwändig und sollten unbedingt ausserhalb des Klassenzimmers geklärt werden, da diese von den Lernenden als Unsicherheit, Einschränkung oder auch Dominanz- bzw. Kompetenzunterschiede der Lehrenden empfunden werden können. Doch der gegenseitige Respekt anstelle von Konkurrenz und Machtkämpfen ist die optimale Basis für ein gut eingespieltes und funktionierendes Team. Auch das die angeprangerte Einzelkämpfergesellschaft in vielen Kollegien würde sich durch diese Maßnahmen auflockern. Allerdings ist Team-Teaching kein Konzept, dass entweder funktioniert oder nicht, sondern ein Prozess, welcher nur durch ständige Reflexion, offene Kommunikation und eine gut entwickelte Feedbackkultur erfolgreich durchgeführt werden kann.

 

 

„Die Schule soll jedem Heranwachsenden dazu verhelfen, das für sie oder ihn mögliche Maximum an Kompetenzentwicklung zu erreichen.“ Dazu muss gesagt werden, dass natürlich dieses Maximum individuell zu sehen und nicht bei allen auf demselben Niveau ist.

 

Die heutige schulische Bildung hat eine Selektionsfunktion, meistens wird dieser Begriff aber vermieden und mit Begriffen wie „Auslese“ oder „Allokation“ umschrieben.

Laut Definition nach Fend versteht man unter „Allokation“ die Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf künftige Berufslaufbahnen, „Selektion“ hingegen meint den Ausschluss von gewünschten Bildungslaufbahnen. Die Verteilung erfolgt hier nicht nach den Wünschen und Interessen der Lernenden, sondern nur nach deren Leistung.

Die „leistungsbasierte Selektion“ kann als pädagogische Herausforderung betrachtet werden.

Die Forderung nach gleichen Berufs- und Aufstiegschancen für gleiche schulische Leistungen steht in einem Spannungsfeld zwischen dem Charakter und den Bedingungen des pädagogischen Handelns. Einerseits sollen Lehrpersonen ihre Schülerinnen und Schüler mit Empathie und Respekt behandeln, andererseits müssen die Lernenden auf ihre konkret erbrachte Leistung reduziert werden, damit sie „fair“ auf verschiedenste Berufslaufbahnen verteilt werden können.

Zugleich stellt diese Forderung von gleichen Berufschancen für gleiche schulische Leistungen eine weitere pädagogische Problematik dar. Damit verbunden ist nämlich die schwierige Aufgabe des exakten Leistungsvergleichs und exakten Leistungsmessung. Um die Leistung wirklich genau messen zu können, muss diese dekontextualisiert, standardisiert und quantifiziert werden. Der persönliche Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler – welcher immer als sehr bedeutend bezeichnet wird – wird hier nicht berücksichtigt.

Auch bei einer völlig standardisierten Leistungsmessung kann das Einfließen von subjektiven Einflüssen nie zur Gänze ausgeschlossen werden.

Zudem kann eine „Auslese nach Leistung“ bzw. eine „schulische Selektion nach Leistungen“ nicht als „gerecht“ im Sinne der Bildungsgerechtigkeit definiert werden.

Lernende sind rechtlich gesehen noch keine mündigen Personen. Somit haben Schulen es mit Heranwachsenden zu tun, bei denen sich deren Autonomiefähigkeit gerade erst entwickelt. Und bei dieser Autonomieentwicklung darf der entscheidende Einfluss der Schule nicht außer Acht gelassen werden. Man meint damit die Entfaltung von neuen Fähigkeiten und Fähigkeitspotentialen. Leider wird diese Ausbildung oft unterdrückt, indem dem heranwachsenden Individuum statische Fähigkeitspotentiale und Begabungen zugeschrieben werden. Und diese Zuweisung dient wiederum als Grundlage für seinen/ihren Ausschluss von verschiedenen Schulformen und Berufslaufbahnen. Laut 

schulischer Selektion gelten Fähigkeitspotentiale als schon früh festgelegt, dies ist aber nicht vereinbar mit den sozialen Anerkennungsvoraussetzungen von Bildungsprozessen insgesamt.

Da viele Schulsysteme nach Fends Schultheorie aufgebaut sind, darf diese hier nicht fehlen. Interessant ist, dass Bildung als Funktion von Schule bei Fend gar nicht vorkommt, er definiert folgenden Funktionen des Schulsystems: kulturelle Reproduktion bzw. Enkulturation, Qualifikation, Allokation, Integration und Legitimation.

Aber keine dieser Funktionen spiegelt den eigentlichen Bildungsprozess wider, wenn man Bildung als „Entwicklung einer autonomen Persönlichkeit, welche sich nicht gesellschaftlich funktionalisieren und welche sich nicht auf die Summer der Rollenzuweisungen reduzieren lässt, die die Gesellschaft an sie richtet“ sieht.  Die Schaffung von Voraussetzungen für die Persönlichkeit und die aktive Unterstützung dieser kann als übergeordnete Aufgabe der Bildungseinrichtungen betrachtet werden. Und schulische Selektion widerspricht dieser Aufgabe ganz klar (Stojanov, 2011, S. 165-174)!

 

Die gegenwärtige Schulkritik bzw. -reform möchte einen Wandel von Homogenisierung und Selektion zu individueller Förderung und Inklusion erzielen.

Kennzeichen bzw. Leitidee unseres heute noch weitverbreiteten Schulsystems ist die „Sehnsucht nach der homogenen Lerngruppe“. Die Orientierung an diesem veralteten Bild von einheitlichen Lerngruppen wird durch schulorganisatorische Maßnahmen wie Jahrgangsklassen, Rückstellungen vom Schulbesuch, frühzeitige Einordnung in Schulformen des gegliederten Schulsystems, Sitzenbleiben und Selektion in Sonderschulen deutlich.

Die Schule der Gegenwart gilt als Lektionen- und Unterrichtsschule mit folgenden Merkmalen:

  • Bildung erfolgt in homogenisierten Gruppen in einem mehrgliedrigen Schulsystem
  • der Fokus liegt auf einer Stundenabhaltung laut Lehrplan
  • das Augenmerk im Unterricht liegt auf dem Erwerb von Berechtigungen und dem Abprüfen von Leistungen
  • Schulen und Lehrpersonen sind grundsätzlich für die Erteilung von Fachunterricht zuständig
  • individuelle Förderung der Lernenden ist großteils vom persönlichen Engagement der Lehrkräfte abhängig und im System nur in wenigen Fällen vorgesehen
  • Schulen sind Selektionsagenturen

Die zuvor bereits erwähnte „Sehnsucht nach Leistungshomogenität“ oder oft auch das „Lernen im Gleichschritt“ steht im Gegensatz zu einer integrativen und individualisierten Pädagogik. Eine weitgehend selektionsfreie Schule bedarf einer Anpassung von Schule und Lehrkräften an unterschiedliche, einzigartige Schülerinnen und Schüler. Dabei ist es wichtig, dass Schulen und Lehrkräfte aktiv und produktiv mit Heterogenität umgehen – deshalb ist auch dafür zu sorgen, dass niemand zurückbleibt.

Diese „neue Schule“ kennzeichnen folgende Merkmale:

  • im Zentrum stehen die Bedürfnisse und Interessen der Lernenden – jede/r bekommt genau das, was sie/er benötigt
  • Wahrnehmung und Achtung der Schülerinnen und Schüler als ganze Person
  • Schule ist Lern- und Lebensraum zugleich
  • Heterogenität wird als Gelegenheit zum sozialen Lernen und zur Verständigung genutzt und wertgeschätzt
  • Prüfungen und Selektionsanlässe werden minimiert
  • Unterricht wird flexibler und geht auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler ein
  • Lernende haben Freiräume und arbeiten selbstständig und kooperativ an ihren Kompetenzen und erhalten Unterstützung und Begleitung seitens der Lehrkräfte

Eines aber ist klar, die Realität sieht anders aus und bedarf einer Veränderung auf allen Ebenen: auf Schulsystemebene, auf Einzelschulebene und didaktisch-methodischen Forderungen nach einer „neuen Lernkultur“. Unser derzeitiges Schulsystem gilt auf vielen Ebenen als überholt und nicht mehr zeitgemäß (Trautmann & Wischer, 2011, S. 17-19)!

Schulsysteme sind träge und setzten Neuerungen und Verbesserungen zu langsam um. Für die Etablierung einer „neuen Lernkultur“ braucht es die entsprechenden Rahmenbedingungen seitens des Gesetzgebers und der Schulbehörden. Im praktischen Schulbetrieb sind es natürlich die Lehrpersonen, die Veränderungen maßgeblich umsetzen – dazu bedarf es aber einer persönlichen Veränderungsbereitschaft und den Mut, neue Wege zu beschreiten.

      

 

Quellen:

Stojanov, K. (2011). Darf und soll die Schule selektieren? In K. Stojanov (Hrsg.), Bildungsgerechtigkeit. Rekonstruktion eines umkämpften Begriffs (S. 165-174). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Trautmann, M. & Wischer, B. (2011). Heterogenität in der Schule. Eine kritische Einführung. Wiesbaden: VS verlag für Sozialwissenschaften.

 

 

Im letzten Eintrag wurde sich damit beschäftigt, ob von Seiten der Schulen der Inklusion etwas im Weg steht und am Ende stand, dass gerade durch die derzeitige Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte eigentlich nichts die Umstellung auf Inklusionsklassen behindert.

„In einem sozial-politischen Sinne wird die inklusive Schule nicht selten als Vorläufer einer inklusiven Gesellschaft angesehen.“  Ahrbeck (2016)

Dieser Auszug aus „Inklusion: eine Kritik“ deutet an, dass die Gesellschaft noch nicht bereit ist für Inklusion und das dies durch inklusive Schulen geändert werden kann. Auch eine von Knorre in Deutschland durchgeführte Online-Studie aus dem Jahr 2013 führt an, dass 41% der Befragten eine Unsicherheit im Umgang mit Menschen mit Behinderung  haben, wobei 8% davon versuchen den Kontakt mit diesen Menschen zu vermeiden. Diese Zahlen könnten in Zukunft sinken, da Inklusive Schulen den Jugendlichen die Chance biete den Umgang mit behinderten Menschen zu lernen.

Die von mir im Raum Pongau befragten Personen sprachen sich größten Teils für Inklusion in Schulen aus, besonders Eltern von schulpflichtigen Kindern sprachen sich positiv zu diesem Thema aus, da sie sich dadurch einen Anstieg der sozial Kompetenz ihrer Kinder versprechen und generell einen bessern Umgang mit behinderten Menschen. Dies spiegelt die Aussage von Ahrbeck wieder, dass durch inklusive Schulen eine Inklusive Gesellschaft entstehen kann. Auffällig war bei der Befragung die Altersgruppe bis 18, in dieser Gruppe fand sich, im Gegensatz zu den anderen Altersgruppen, nicht eine Person, welche sich gegen Inklusion in Schulen aussprach. Im Gegenteil alle waren der Meinung jeder Mensch hätte das gleiche Recht auf Bildung und soziale Strukturen, die beiden Inklusionsschüler, welche auch befragt wurden, waren sehr begeistert im normalen Schulalltag teilnehmen zu dürfen, da sie mit ihren Freunden aus der Volksschule aufsteigen durften.

Schwab (2015) meint jedoch, dass sich Schüler und Schülerinnen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf oft einsam fühlen, da sie eine geringere soziale Partizipation als ihre Mitschüler und Mitschülerinnen aufweisen, wenn sie den normalen Unterricht besuchen.

Als Fazit bleibt, soll es zu einer inklusiven Bevölkerung kommen, sollte in den Schulen der erste Schritt gemacht werden, um Menschen mit Behinderung besser in die Gesellschaft zu integrieren.

 

 

Literatur:

Ahrbeck, B. (2016). Inklusion: eine kritik. Kohlhammer Verlag.

Knorre, S. (2013). Wie steht es um die Inklusionsbereitschaft der deutschen Bevölkerung? Eine Evaluation der Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderung.

Schwab, S. (2015). Einstellung zur Integration im Zusammenhang mit sozialer Inklusion–Eine Fragebogenerhebung in österreichischen Integrations-und Regelschulklassen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 84, 66-67.

COVID-19 stellt in vielen Lebenslagen eine Herausforderung für die österreichische Bevölkerung da. Neben Kleinunternehmern und Gastronomen werden auch Schüler und Schülerinnen auf die Probe gestellt. Nach langer Unsicherheit ist seit dieser Woche klar: Die Schulen werden wieder geöffnet. Ab dem kommenden Montag soll der Unterricht für die Maturanten und Maturantinnen wieder starten und somit ein erfolgreicher Abschluss der Schulzeit ermöglicht werden (Zeit im Bild, 24.04.2020).

Zurückdenkend an meine eigene Schulzeit ist mir bewusst, dass alle Maturanten und Maturantinnen nun vermutlich wieder durchatmen können. Zusätzlich zum normalen „Matura-Stress“ waren die letzten Wochen von Unsicherheit geprägt. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung veröffentlichte in diesem Rahmen eine Verordnung die Unklarheiten zum neuen „Matura-Fahrplan“ beseitigen sollen.

Am 4. Mai beginnt der Ergänzungsunterricht an höheren Schulen und gleichzeitig endet die Auswahlfrist der Prüfungsgebiete. Im Rahmen dieses Ergänzungsunterrichts werden Schüler und Schülerinnen in den gewählten Prüfungsfächern oder Fächern, die zum positiven Abschluss der letzten Schulstufe benötigt werden, unterrichtet. Schüler und Schülerinnen, die die letzte Schulstufe nicht positiv abschließen können, dürfen etwaige Wiederholungsprüfungen erst im September dieses Jahres antreten und somit auch erst die Abschlussprüfung zum Herbsttermin bestreiten. Der Ergänzungsunterricht endet am 22. Mai damit drei Tage später die Klausurarbeiten beginnen können (Bundesministerium, 2020).

Am letzten Tag des Ergänzungsunterricht ist den Schülern und Schülerinnen das Abschlusszeugnis auszuhändigen, dessen Noten in die Abschlussnote miteinbezogen werden. „Dabei wird grundsätzlich von der Gleichwertigkeit der Leistungen im Rahmen der abschließenden Prüfung und jenen der letzten Schulstufe ausgegangen“ und beide Noten zur Berechnung der Abschlussnote zusammengeführt, eine Rundung erfolgt dabei immer zugunsten des Prüflings (Bundesministerium, 2020).

Beispiel 1: Jahresnote = 1, Note abschließende Prüfung = 4. Daher endgültige Note = 3

Beispiel 2: Jahresnote = 4, Note abschließende Prüfung = 1. Daher endgültige Note = 2

Die schriftliche Matura findet ab dem 25. Mai wie gewohnt standardisiert statt, wobei die Hygieneregelungen des Ministeriums strengstens einzuhalten sind. Ein Mindestabstand von einem Meter sollte beibehalten sowie Desinfektionsmittel allzeit bereitgestellt werden. Mit 26.Juni sollten alle mündlichen Teilprüfungen bzw. Präsentationen durgeführt worden sein, wobei die Prüfungskommissions-Regelungen angepasst werden. Schulleiter und Schulleiterinnen bekommen als Vorsitzende nun ein Stimmrecht. Neben dem Prüfungsvorsitz beinhaltet die Prüfungskommission den Klassenvorstand bzw. die Klassenvorständin des Prüflings, der Prüfer bzw. die Prüferin sowie ein Beisitz (Bundesministerium, 2020).

Nach Betrachten der neuen Maturaregelungen stellte sich mir folgende Frage: Ist es sinnvoll die Einbeziehung der Abschlussnote auch nach COVID-19 beizubehalten?

Ich selbst war immer der Meinung, dass die Matura eine Momentaufnahme ist. Meine im Maturazeugnis wiedergespiegelten Leistungen, entsprechen keineswegs der erbrachten Jahresleistung. Auch wenn sich dies zu meinen Gunsten entwickelte, finde ich eine Einberechnung der Jahresleistung als durchaus sinnvoll. Eine Stresssituation wie es die Matura darstellt, führt bei vielen Schülern und Schülerinnen zu Prüfungsängsten und verhindert so, dass diese ihre Bestleistung erbringen können. Auch wenn dem Zeugnisbogen der Matura das Abschlusszeugnis der letzten Schulstufe beigelegt ist, wird doch vielmals nur das Maturazeugnis als Leistungsnachweis hinzugezogen. Denn: Die Matura ist das was zählt“.

 

Quellen:

https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-2/1211/ZIB-2/14049705 Sendung vom 27.04.2020; Zugegriffen am 29.004.2020

Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung, 2020, Informationsschreiben zur Verordnung über die Vorbereitung und Durchführung abschließender Prüfungen für das Schuljahr 2019/20, Zugegriffen am: 29.04.2020

In ganz Europa stellt sich zur Zeit aufgrund der hohen Migrationszahlen dieselbe Frage: Wie unterrichten wir Schülerinen und Schüler, die unsere Sprache nicht verstehen? Im Englischunterricht findet man zwar des Öfteren einen gemeinsamen Konsens, jedoch stellt sich die Situation in der jeweiligen Landessprache durchaus schwieriger dar. Auch Österreich bleibt von dieser Thematik nicht verschont. Aber was tut man nun um die Schülerinnen und Schüler, welche unserer Sprache nicht mächtig sind zu integrieren?

Auf diese Frage gibt es eine klare Antwort: man bringt ihnen deutsch bei. Auch Bundesminister Heinz Faßmann sieht das ebenso. Um Integration voranzutreiben muss eine gemeinsame Basis her und diese Basis wird durch die Sprache gebildet. Hierbei ist es erst einmal wichtig zu verstehen was Integration überhaupt ist. Eine passende Definition hierfür findet sich in einem Werk von Christine Fichtinger und Renate Rabl (2014):

„Integration bedeutet die Ausbildung einer Wertgemeinsamkeit mit einem Einbezug von Gruppierungen, die zunächst oder neuerdings andere Werthaltungen vertreten, oder einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit einem Einbezug von Menschen, die aus den verschiedensten Gründen von dieser ausgeschlossen (exkludiert) und teilweise in Sondergemeinschaften zusammengefasst waren.“

Also geht es bei Integration um Zusammenführung. Allerdings scheint dies nicht jedem klar zu sein, da in unseren Schulen der Förderunterricht (sofern die betroffenen Kinder überhaupt in deutsch unterrichtet werden) getrennt von den anderen Schülerinnen und Schülern abgehalten wird und das 22 Stunden pro Woche. Dieses Modell scheint also auf Integration durch Separation zu setzen. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine Theorie in der Pädagogik, welche in Klassen mit starkem Leistungsgefälle durchaus sinnvoll ist, um differenzierter unterrichten zu können und um langfristig das Niveau anzugleichen, jedoch ist dies hier absolut nicht der Fall. In diesem Fall handelt es sich nämlich schlicht und einfach sowohl um soziale, als auch räumliche Trennung und das ist ganz und gar nicht zweckfördernd. Im Gegenteil, die Schülerinnen und Schüler, die eigentlich deutsch lernen sollten mühen sich mit deutscher Grammatik ab und haben dabei nicht einmal eine Handvoll Sprachmodelle. Die einzige halbwegs authentische Sprache wird im Unterricht vermittelt, aber die Möglichkeit zur Interaktion mit ihren deutschen Mitschülerinnen und Mitschülern wurde ihnen genommen. Irgendetwas stimmt hier also nicht.

Integration funktioniert nur durch ein soziales Miteinander. Das heißt, dass die Kinder Kontakte knüpfen und somit nach und nach Sprachbarrieren überwinden und schlussendlich hinter sich lassen können. Dies funktioniert allerdings nur, wenn ihnen durch den abgegrenzten Förderunterricht nicht die Möglichkeit dazu genommen wird. Selbstverständlich würde ein solcher Ansatz mehr Zeit, Personal und Geld beanspruchen, aber vielleicht sollte man sich einmal Gedanken machen, ob sich die Knauserigkeit lohnt, wenn man dadurch letztendlich keine Integration, sondern die Bildung einer immer weiter auseinander klaffenden Gesellschaft fördert.

Abschließend möchte ich noch folgendes festhalten: Wenn man von Integration im Umfeld der Schule spricht, dann geht es neben dem fachdidaktischen und pädagogischen Aspekt vor allem um den sozialen Aspekt. Damit ist vor allem das menschliche Miteinander gemeint. Beispielsweise könnten Förderprogramme durch „Buddysysteme“ oder „Schüler-helfen-Schülern“- Programme unterstützt werden. Auch das Zitat zu Beginn des Artikels stammt aus dem Umfeld der Krankenpflege. In diesem Bereich hat man offensichtlich schon verstanden, dass Menschlichkeit und sozialer Zusammenhalt die Grundlage zu Integration bilden. Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass das Bildungssystem auch bald nachzieht.

 

Autor: Florian Altmann

 

Quellen:

Der große Graben (Deutschförderklassen-Evaluirung). Falter Artikel vom 13.05.2019. Abrufbar im blackboard, oder unter: https://epaper.falter.at/issue.act?issueMutation=falter&issueDate=20190612&token=4qCkd1w5lZjdo4WMb6TQcZITTdOQZ/6BKkwYYcJ1TNwvGOJ4ZG8jYH2LVpoQ1MV2mVO1UgfZLe44eHl9z0UY0fERWohlQ2HZ1LF8hdZg/F6s0qRlTlGyg7IGJ0qlI90J

Fichtinger, Christine, Rabl, Renate (2014). Arbeitsumfeld Hauskrankenpflege – Herausforderungen in der ambulanten Pflege erkennen und meistern. Springer Verlag. Wien. 2014. Print.

Heterogenität und Inklusion im Unterricht 

Jedes Kind steht im Mittelpunkt

  • Mehr Heterogenität, weniger Homogenität
  • Mehr Kooperation, weniger Selektion
  • Mehr innere Differenzierung, weniger Stofforientiertheit
  • Mehr Projektunterricht, weniger parzellierter Fächerunterricht

Diese schlagwortartigen Organisationsprinzipien in integrativen Klassen haben meine Aufmerksamkeit zu dem Thema erweckt.

Schüler/innen bringen unterschiedliche Lernvoraussetzungen in die Schule mit. Sie unterscheiden sich im Alter, im Geschlecht, in der Motivation und den Interessen und der Leistungsfähigkeit. Zusätzlich unterscheiden sich Schüler/innen auch hinsichtlich ihrer ethnischen, sozialen und kulturellen Herkunft.

Wir als zukünftige Lehrpersonen haben den pädagogischen Auftrag, alle Schüler/innen in ihrer Persönlichkeit- und Kompetenzentwicklung bestmöglich zu unterstützen und zu fördern. Für uns wird es sicherlich eine Herausforderung so unterschiedlichen Begabungen, Interessen und Potentialen in einem Klassenraum zusammenzufügen und dennoch jedes Individuum einzeln zu fördern. Trotz dieser Herausforderung kann Heterogenität auch eine Bereicherung für den Unterricht bedeuten. Schüler/innen können von und mit anderen gemeinsam lernen. 

Guter Unterricht für diverse Schüler/innen bedeutet, die Schüler/innen weder zu unter- noch zu überfordern. Die gestellten Anforderungen einer Lehrperson an die Schüler/innen sollten sich leicht über den aktuellen Wissensstandards befinden.

Je heterogener die Lernanforderungen, desto komplexer ist es jede/n Schüler/in zu fördern, unterstützen bzw. herauszufordern. Ein Unterricht der auf Geschwindigkeit, Niveau, notwendige Unterstützung und Hilfestellungen eingeht, nennt man adaptiv (LP passt stetig ihren Unterricht an die erbrachten Leistungen und den Hilfeanspruch an). Dabei können Schüler/innen notwendige Lernziele (Mindeststandards), höher gesteckte Lernziele (Regelstandards) oder deutlich darüber befindende Lernziele (Optimalstandards) erreichen.

Leider sieht die Realität momentan in vielen Schulen noch anders aus. Es benötigt eine neue Sichtweise bei einigen Lehrpersonen und ein hohes Maß an didaktischer und diagnostischer Expertise.

Schule ist ein elementarer und beeinflussender Sozialisations- und Entwicklungsort, es sind also nicht nur die Lernverbesserungen essenziell für guten Unterricht, sondern auch ein gutes Lernklima ist wichtig. Lehrpersonen sind ein wichtiges Rollenmodell und sollten selbstverständlich jede/n Schüler/in akzeptieren und wertschätzen. Eine elementare Verpflichtung der Lehrperson ist es, durch kohärentes Agieren, soziale Desintegration und Zurückweisung in Form von Mobbing und psychischer oder physischer Gewalt einzuschränken. 

Beeinträchtigte Kinder zusammen mit nicht beeinträchtigten Kindern zu unterstützen, beaufsichtigen und unterrichten, daraus ergibt sich eine integrative schulische Ausbildung. Am besten fängt eine integrative Edukation schon im Kindergarten an.

Warum brauchen wir eine Schule für alle?

Sonderschulen fördern lediglich einen lebenslangen Sonderweg am Rande der Gesellschaft, was die Menschenrechte verletzt. Beeinträchtigte Menschen haben, wie alle anderen, ein Recht auf Inklusion, ein Recht eine Schule für alle zu besuchen und dort zu lernen.

Modelle und Organisationsformen des inklusiven Unterrichts

Kooperative Klasse:

Gemeinsame Schule unter einem Dach. Dieses Modell bezieht sich auf die räumliche Integration. Da Kinder mit Behinderung, wie Kinder ohne Behinderung unter einem Dach, aber dennoch in getrennten Klassen lernen, sollen somit zumindest lockere Sozialkontakte entstehen können. Bei Schulveranstaltungen und bei weniger leistungsorientierten Unterrichtsfächern werden die Kinder gemeinsam unterrichtet. Wesentliche Merkmale sind:

  • Zwei eigenständige Klassen
  • Gemeinsames und getrenntes Lernen wird stundenplanmäßig festgelegt
  • Wenig Anreiz zu fächerübergreifendem, binnendifferenziertem Unterricht
  • Leistungsbeurteilung und Zeugnis entsprechend den herkömmlichen Regelungen der jeweiligen Schulart

Klein- oder Förderklassen:

Ziel ist es, für Kinder besondere Rahmenbedingungen zu schaffen, um Lern- Verhaltensschwierigkeiten zu bewältigen, um im besten Fall wieder in die Regelkasse rückgeführt werden zu können bzw. wenigstens in der Kleinklasse einen Hauptschulabschluss erlangen. Wesentliche Merkmale sind:

  • Ausschluss von schwerbehinderten Kindern
  • An Hauptschule angegliedert und gilt auch formal als Hauptschulklasse
  • Zwischen 6-11 Kinder
  • Sonderpädagog/in unterrichtet nach Hauptschullehrplan
  • Gemeinsamer Unterricht findet wie bei Kooperationsklassen in unterschiedlichem Ausmaß statt.

Stützlehrer:

Der Stützlehrer ist ein/e Sonderpädagog/in, die in unterschiedlichem Stundenausmaß für einzelne Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zusätzlich eingesetzt wird. Damit eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht einer allgemeinen Schule ermöglicht wird, sollen Stützlehrer flexibel und bedarfsorientiert Kinder mit Beeinträchtigung unterstützen und mit dem Klassenlehrer/innen kooperieren.

Es kommen Methoden wie Kleingruppen-Arbeiten, Stationsbetrieb, Peer-Teaching, Multilevel-Teaching und individuelle Lehrpläne zum Einsatz.

Hier stellt sich allerding die Frage nach dem optimalen Modell.

Was sind die Vorteile einer inklusiven Schule?

Egal ob für Kinder mit Beeinträchtigung oder ohne eine inklusive Schule ist ein Gewinn für alle. Es fördert die intellektuelle, sowie die soziale Entwicklung jedes Individuums. In integrativen Unterricht, wo vor allem Begabungen und keine Schwächen zählen, spielt Ausgrenzung und Gewalt kaum eine Rolle. Optimal ist es, wenn inklusive Bildung den Unterricht für alle Schüler/innen verbessert und jeder davon profitieren kann.

Kann Inklusion in Österreich gelingen?

Das österreichische Schulsystem ist leider immer noch strukturell bestimmt von Selektion und Ausgrenzung (verschiedene Schulformen ab der ersten Schulstufe, Jahrgangsstufenlehrpläne, Sitzenbleiben, Rücküberweisungen, Ausschulungen). Die Antwort auf die Frage, ob unter solchen Bedingungen Inklusion in österreichischen Schulen gelingen kann, hängt davon ab, was man unter Inklusion versteht und an welchen Kriterien man den Erfolg misst.

Inklusion ist auch unter den segregativen Bedingungen des österreichischen Schulsystems möglich, wenn man darunter vor allem die gemeinsame Beschulung behinderter und nichtbehinderter Schüler/innen versteht. Im Schuljahr 2013/14 wurden in Österreich durchschnittlich nur mehr 1,6% aller Pflichtschüler/innen in Sonderschulen oder angeschlossenen Sonderschulklassen eingeschult. Im Vergleich zu Deutschland, wo durchschnittlich 4,3% (also fast dreimal so viele wie in Österreich) der Schüler/innen segregativ beschult wurden. Dabei ist auch zu beachten, dass kein Schulsystem es schaffen wird Sonderbeschulung ganz zu vermeiden.

Aber Inklusion ist mehr als nur De-Segregation und Integration. Für eine gelungene Inklusion reicht nicht nur der gemeinsame Schulort, es bedarf auch die soziale und unterrichtliche Integration das heißt, gemeinsamer Unterricht auf Basis der Individualisierung und Differenzierung. Also um Inklusion erfolgreich umzusetzen reicht es nicht einfach aus, den Anteil der Schüler/innen, die in Sonderschulen bzw. Sonderschulklassen beschult werden, auf z.B. 0,6 zu senken. Es müssen vor allem parallel dazu auch strukturelle Änderungen initiiert werden.

 

Autorin: Ines Berenz

Quellen:

  • Vock, M. Gronostaj, A. (2017). Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. Bonn: Friedrich Ebert Stiftung.
  • https://www.oesterreich.gv.at/themen/bildung_und_neue_medien/schule/5/Seite.2410200.html
  • https://lebenshilfe.at/inklusion/themen/inklusive-bildung-schule-fuer-alle/
  • http://www.ph-ooe.at/iip/FeyererE/Auszug_Behindern_Behinderte.pdf
  • Donlic, J., Jaksche-Hoffman, E.; & Peterlini, H. K. (2019). Ist inklusive Schule möglich?: Nationale und internationale Perspektiven.