image_pdfimage_print

Verfasst von Diana Marie Thunhart und Julia Hirner

Im Vergleich zum letzten Jahrtausend gibt es heutzutage viele verschiedene Ansätze, wie an das Thema Inklusion im Bereich der Schulen herangegangen wird und werden kann. Vor allem in den letzten Jahren gab es auch immer wieder Innovativen und Schulversuche. Themen wie etwa das „Team Teaching“ waren dabei Zentrum vieler Debatten. In diesem Artikel möchten wir uns jedoch weniger auf allgemeine Schulkonzepte fokussieren, sondern vielmehr auf die Möglichkeiten der Lehrpersonen eingehen, Kindern und Jugendliche Inklusion näherzubringen. Aber auch Herausforderungen, die das Thema mit sich bringt, sowie bedenkliche Outputs von Statistiken haben wir in unsere Überlegungen mit einbezogen. 

Doch was ist mit dem Fachterminus Inklusion überhaupt gemeint? Inklusion bedeutet, dass niemand, aus welchen Gründen auch immer (oftmals Hautfarbe, Herkunft, Glaubensbekenntnis, Beeinträchtigung etc.) ausgeschlossen werden darf. Jeder Mensch ist einzigartig und das ist gut so! Wie langweilig wäre das Leben denn, wenn wir alle gleich wären? Alle haben von Geburt an verschiedene Rechte, die in der allgemeinen Erklärung für Menschenrecht festgeschrieben sind. Beispiele dafür sind: Freiheit, Gleichheit, Verbot der Diskriminierung, Recht auf Bildung usw. Jeder muss gleichermaßen an Ausflügen und Veranstaltungen teilnehmen können und es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden wie z.B. die Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer*innen und gehbehinderte Kinder und Jugendliche. Inklusion ist im gesamten Leben wichtig, nicht nur in der Schule. Doch leider sieht die Realität ganz anders aus – es gibt Hass gegen bestimmte Personengruppen oder Glaubensgemeinschaften, Dunkelhäutige Menschen werden immer noch diskriminiert und als kriminell abgestempelt, Mädchen/Frauen werden unterdrückt usw. Es muss also noch viel getan werden – doch gemeinsam können wir das schaffen und die Welt zu einem Ort machen, an dem jeder und jede gerne wohnt und so sein kann, wie er/sie ist!

Kinder sind von Natur aus neugierig und unvoreingenommen, sie urteilen nicht, sondern betrachten alles und jede/n ganz genau und stellen viele Fragen. Leider werden sie durch ihre Eltern, das Umfeld generell sowie das System Schule und auch diverse Medien beeinflusst und ihnen wird suggeriert, wer oder was richtig bzw. falsch ist. Nach und nach „erlernen“ sie so die negativen Glaubenssätze und Vorstellungen, die in unserer Welt herrschen und sie passen sich an, um dazuzugehören und gemocht zu werden. So werden sie nach und nach zu den Erwachsenen, die wir uns nicht wünschen sollten. Sie verlieren im Laufe der Zeit ihre kindliche Neugier und die Fähigkeit, keinen zu verurteilen, obwohl dies für eine Änderung der vorherrschenden Gegebenheiten so wichtig wäre. Doch ohne es wirklich zu merken, sind sie bereits im Kreislauf gefangen, der keine Sicht nach rechts oder links zulässt, wenn man nicht selber in den Mittelpunkt geraten möchte. Umso wichtiger ist es, als Elternteile bzw. als Lehrperson darauf zu achten, Vorurteile, Mobbing und Ausgrenzung immer wieder zu thematisieren und sie dadurch zu entstigmatisieren. 

Eine gute Basis dabei liefern beispielsweise Bücher und Gedichte, die genau solche Themen aufgreifen, wie z.B. „Der Rabe, der anders war“. In diesem Buch geht es um eine Gruppe von schwarzen Raben, die sich durch ihren enormen Zusammenhalt auszeichnen, bis sie eines Tages einen Raben entdecken, der so gar nicht zu ihnen passt – denn er ist ganz bunt. Auch von anderen Vögeln wie den Tauben, den Möwen, den Spatzen und der Eule wird er beäugt und als nicht erwünscht abgestempelt. Einzig der Nebel ist ihm wohlgestimmt und plötzlich ändert sich alles. Genau mit solchen Texten kann bereits jungen Kindern bewusst gemacht und aufgezeigt werden, dass niemand besser oder schlechter ist, wir sind alles Menschen, die es wert sind, auf dieser Erde zu sein und gut behandelt werden wollen und sollen.

Der Einsatz von Kinderbüchern, die Inklusion in eine kindgerechte Geschichte einbetten, ist also auch im Unterricht eine kluge Wahl, um Schüler*innen an das Thema heranzuführen. Dabei ist es jedoch wichtig, dass sich alle Kinder beziehungsweise Jugendlichen einer Schulklasse gemeinsam mit dem Thema beschäftigen sollten, nicht nur jene mit Sonderpädagogischem Förderbedarf. Ansonsten ist der unerwünschte Fall nämlich nicht auszuschließen, dass aus falsch praktizierter Inklusion plötzlich Exklusion wird. Geschieht dies, werden Schüler*innen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf wieder extra herausgehoben und mit einem Sonderstatus behaftet, welche sie wiederum vom Rest der Klasse abspaltet. Experten raten außerdem, dass inklusiver Unterricht so bald wie möglich stattfindet. Denn je jünger die Kinder sind, desto eher nehmen sie auch solch komplexeren Inhalte leicht auf und halten die Inklusions-Thematik für „selbstverständlich“. Je älter die Kinder sind, desto vorgefertigter sind ihre Meinungen und desto mehr sind sie bereits von ihrem Umfeld beeinflusst worden – was hinsichtlich der Thematik positiv oder aber auch negativ sein kann. (Werning, 2014, S.616)

Zu bedenken gibt jedoch, dass, statistisch gesehen, in der Grundstufe viel mehr Fokus auf Inklusion liegt als in höheren Bildungsstufen. Dies liegt beispielsweise daran, dass die Homogenität (welche durch Alter, Interessen, usw. erreicht wird) viel mehr gegeben ist als in höheren Bildungseinrichtungen. Dabei reicht allein der Schritt von der vierten Klasse Volksschule auf die erste Klasse Sekundarstufe I aus, um enorme Heterogenität zu erzeugen. Dies ist zwar einerseits wünschenswert, da sich die Persönlichkeit und somit auch die Interessen und Denkweisen der Kinder und Jugendlichen herauskristallisieren – in unserem reglementierten Schulsystem lässt solch eine heterogene Zusammenstellung jedoch kaum Spielraum für das Eingehen auf Einzelne, sprich auch nicht für eingehende, inklusive Pädagogik. Weitere Ursachen dafür sind beispielsweise auch der „verstärkte Fokus am Unterrichtsstoff“, die „vorgegebene Leistungsmessung“, die „fehlende Kooperationszeit“ und noch einige weitere, wie Werning (2014, S.614) schreibt. Als Grund dafür äußert der Autor: „Inklusiver Unterricht stößt da an Grenzen, wo die Aspekte der Individualisierung und Differenzierung, der integrierten Förderung und der individualisierten Bewertung nicht umgesetzt werden (können).“ (Werning, 2014, S.614) Daher ist vor allem die Einstellung der Lehrperson, welche den Unterricht gestaltet, essenziell, um so auch ‘älteren’ Lerner*innen den Sinn für inklusives Denken mitzugeben.

Alles in allem ist Inklusion also ein Thema, welches uns im Alltag sowie im Schulalltag stets begleitet und deshalb auch Kindern von klein auf mitgegeben werden sollte. Dabei gibt es viele „vorgefertigte“ Systeme, die im Unterricht angewandt werden können, aber wie sich zeigt, sind auch diese fehlerhaft. Wie so oft liegt es also an den Pädagog*innen, Kindern und Jugendlichen Inklusion (beispielsweise anhand von Literatur) zu vermitteln. Wir als Lehrperson können also auch, oder eher vor allem, in diesem Bereich eine Menge bewirken und selbst wenn es uns nicht immer möglich sein wird, sollten wir es zumindest versuchen.

 

Bibliographie:

Werning, R. (2014). Stichwort: Schulische Inklusion. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 17 (4), 601-623. Wiesbaden: Springer. doi 10.1007/s11618-014-0581-7.

Christina Grill

Das Fach Englisch spielt in diesem Kontext eine nicht unbedeutende Rolle, denn eine Fremdsprache erfordert es, sich mit ihrer Kultur und Geschichte zu befassen. So sollen SchülerInnen beispielsweise Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der eigenen und der fremdsprachigen Lebenswelt untersuchen und erkennen. Damit geht das Gewinnen von Einsichten über andere Einstellungen,  Werte und Normen einher. Des Weiteren soll das Bewusstsein für kulturelle Vielfalt entwickelt werden und eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen und dem anderen soziokulturellen Kontext stattfinden. Bei jüngeren SchülerInnen kann dies beispielsweise im Rahmen dessen passieren, dass sie alltägliche Situationen wie z.B auf der Straße, im Geschäft, im Restaurant, im Café oder im Hotel in einem Dialog thematisieren und so erlernte sprachliche und kulturelle Besonderheiten anwenden. Darüber hinaus sollen im Englischunterricht Klischees und Vorurteile der anderen Kultur thematisiert werden und womöglich auch abgebaut werden. Somit wird die Offenheit, das Verständnis und auch die Toleranz gegenüber der anderen Lebenswirklichkeit, den fremden Normen und Wertvorstellungen von Angehörigen der fremden Kultur gestärkt. Außerdem sollen SchülerInnen im Unterricht ein „Gespür“ für kulturelle Fettnäpfchen, d.h. kommunikative Bereiche, die in Kulturen in unterschiedlicher Weise affektiv besetzt sind, entwickeln. All dies könnte in Form des Rollenhandelns in Diskussionen mit vorgegebenen Rollenbeschreibungen, kleine Inszenierungen oder Projekte, in denen interkulturelle Themen bearbeitet werden, durchgeführt werden. Durch die Übernahme von Rollen mit ungewohnten Denk- und Verhaltensmustern werden SchülerInnen dazu aufgefordert, sich mit neuen Rollen oder Weltsichten zu identifizieren, wenn sie diese auch sprachlich erfolgreich vertreten wollen.

 

Anica Keskic

Das Fach katholische Religion bietet sehr viele Möglichkeiten für Schüler und Schülerinnen sich mit dem Kulturleben zu befassen. Da katholische Religion eine sehr breit gefächerte und reiche Geschichte und Kultur hat, kann man das Interesse von Schüler und Schülerinnen leicht wecken. Das Potenzial des Religionsunterrichts ist größer als man glaubt, denn hier werden allgemeine ethische Werte vermittelt und viele verschiedene Perspektiven und Kulturen behandelt. Der Religionsunterricht ist deshalb so wertvoll, weil die Möglichkeit gegeben ist andere Kulturen kennenzulernen und dadurch sein Weltbild zu erweitern. Um das Interesse gezielt zu wecken, können Unterrichtseinheiten mit diversen Exkursionen ausgeschmückt werden, um dem Vorurteil, dass Religion altmodisch und langweilig ist, entgegenzuwirken. Vorteilhaft wäre auch die Zusammenarbeit mit dem Fach Geschichte, um Schüler und Schülerinnen Anknüpfungspunkte zu bieten und einen weiteren Blick zu ermöglichen. 

Auf den ersten Blick scheint es nicht „möglich“ zu sein, Schüler und Schülerinnen im Religionsunterricht für wirtschaftliche Lebensfragen zu begeistern. Wie schon gesagt beschäftigt sich das Fach katholische Religion sehr viel mit ethischen und moralischen Urteilen und Begründungen. In der Wirtschaft stößt man regelmäßig auf moralische Fragen, wo man sich für das eine oder für das andere entscheiden muss. Beispielsweise die Frage, ob ein Unternehmen seinen Standort in ein Billiglohnland versetzen sollte. Ist es wichtiger Kosten einzusparen oder den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Österreich weiterhin einen sicheren Job anzubieten? Genau solche moralische Urteile haben sicher auch Platz in dem Fach katholische Religion und geben Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit Wissen zu verknüpfen und ihre Urteile zu begründen.

 

Begüm Sanli

Für viele SchülerInnen ist der Deutschunterricht mit Langeweile verknüpft. Leider ist Ihnen nicht bewusst, dass der Deutschunterricht sehr fächerübergreifend ist, aber auch, dass das Wissen in den Alltag eingebaut werden kann. Doch wie kann der Deutschunterricht an das nationale und internationale Wirtschafts- und Kulturleben integriert werden? 

Man schreibt doch nicht nur Geschichten oder Gedichtsanalysen. Man schreibt auch Erörterungen und muss hin und wieder über ein Thema schriftlich sowie mündlich debattieren können. So eine Diskussion führt dazu, dass man sich kritisch mit unterschiedlichen Themen auseinandersetzen muss. Bei Vertretung einer Meinung spielen unterschiedliche Normen und Werte eine Rolle. Vertritt man bei einem Rollenspiel zum Beispiel eine Meinung, die man eigentlich gar nicht vertreten möchte, führt dies eventuell dazu, dass man die andere Ansichtsweise besser versteht. 

In Hinsicht auf das wirtschaftsleben könnten die SchülerInnen darüber diskutieren, ob es sinnvoll war, dass England die Europäische Union verlassen hat. Ein anderes Beispiel kann über die Maßnahmen zur Dämpfung der Corona Pandemie sein. 

Es ist offensichtlich, dass der Deutschunterricht viel mehr bietet, sowie an das nationale und internationale Wirtschafts- und Kulturleben integriert ist. 

 

Lea Sali

Ich habe mich gefragt, ob Geschichtsunterricht so gestaltet werden kann, dass er zu einem empathisch ausgerichteten Verstehen verschiedener Erzählstandpunkte beiträgt und sich auf dieser Grundlage ein dialogisches Geschichtsverständnis ausbilden kann. Gleichzeitig muss sich Geschichte aus Multiperspektive und weltgeschichtlicher Dimensionierung generieren. Die Schüler und Schülerinnen lernen, dass  “sinnbildende Verknüpfung zeitdifferenter Ereignisse” (Pandel, 2013 bzw. Rüsen, 2008 zitiert nach Zech, 2015, S.137) stattfinden, die als Persönlichkeitsbildungsprozesse zu verstehen sind, welche nicht mehr auf Integration in kollektiv geschlossene Identitäten, sondern auf eine offene, ständig neu zwischen Selbst- und Fremderwartung reflektierte Position abzielt (vgl. Zech, 2015, S.136).

Man kann beispielsweise die gesellschaftlich bedingten Geschlechtskonstruktionen historisch erzählen und damit die Multiperspektivität anhand der amerikanischen Standards, bezüglich der Geschlechter und deren Unterteilung,  besprechen. Dabei soll man das Thema aber nicht nur vom transkulturellen Standpunkt betrachten, sondern die regionale und globale Ebene mit einbeziehen. Wichtig ist dabei eine wertende Hierarchisierung von Lebensweisen, Weltauffassungen und Kulturen zu meiden. 

Gemäß diesem Anliegen zielt Geschichte, wenn sie den umgebenden Lebensbereich in seinen vielfältigen globalen Einbindungen und die vielschichtigen kulturellen Gegenwartsbedingungen historisch erschließt, auf die Förderung der Individuation. Diese realisiere sich gegenwärtig vor dem Hintergrund gesellschaftlicher, politischer und kultureller Herausforderungen (Interkulturalität und globale Vernetzung) und im Ringen um Menschenwürde und Humanität (Zech, 2015, S. 139).

Zech M. M. (2015). Geschichtsunterricht und Identitätsbildung im Spannungsfeld von Individualität, Kulturalität und Globalität. RoSE – Research on Steiner Education, 6(0). Abgerufen von https://www.rosejourn.com/index.php/rose/article/view/279.

1/3 Ein erster Einblick in die Thematik Menstruation mit der Stellungnahme einer Frau und eines Mannes und ein Rückblick ihrer Erlebnisse in der Schule.

Menstruation. In letzter Zeit ein ausführlich besprochenes Thema, vor allem nach dem medial ausgeschlachteten „Pinky-Glove-Vorfall“. Jede Frau verbringt einen nicht unerheblichen Teil ihres Lebens menstruierend. Dabei handelt es sich um einen der alltäglichsten Zustände, die es überhaupt gibt. Von der Schule bis hin zum Ende der Berufslaufbahn findet er regelmäßig statt. Aber wird wirklich so viel darüber gesprochen? Ist er wirklich so alltäglich? Ist er tatsächlich ein normaler Bestandteil des Lebens im Blick der Allgemeinbevölkerung?

Als Mann, der fünf Jahre lang freiwillig beim Roten Kreuz aktiv gewesen ist und mehrere Jahre in der Lungenfacharztpraxis seines Vaters gearbeitet hat und somit ein für einen Laien verhältnismäßig fundiertes medizinisches Wissen besitzt, kann ich sagen, dass ich wenig über die Menstruation und den Zyklus weiß. Ja, ich weiß seit der Schule von der Monatsblutung und allen damit verbundenen Begleiterscheinungen. In der sechsten Klasse im Gymnasium habe ich im Biologieunterricht gelernt, wie die Regel abläuft. Ich habe einen Test darüber geschrieben und danach so ziemlich alles wieder vergessen. Wieso sollte ich es mir auch merken? Es betrifft mich nicht direkt. Ich bin mit vier Brüdern aufgewachsen. Meine Mutter hat nie auch nur ein Wort darüber verloren. Im – zugegeben überwiegend männlich besetzten – Freundeskreis war Menstruation ebenso kein Thema. Sollte sie das sein?

Für mich hat es eigentlich keinen Grund gegeben, auf diese Frage mit „Ja“ zu antworten. Erst der Unikurs „Gender, Diversität und Inklusion (Vielfalt) in der Schule“ in Kombination mit dem Aufschrei der weiblichen Bevölkerung haben mich dazu veranlasst, über besagte Thematik eingehender nachzudenken.

Man möchte meinen, dass in der heutigen Zeit mit ihrer aufgeklärten und tendenziell offenen Bevölkerung, in der schon viele Tabus der vergangenen Jahrhunderte – berechtigterweise – zum gesellschaftlichen Usus geworden sind, auch dieses Thema ohne vorgehaltene Hand besprochen werden sollte. Bei einer ersten Recherche ist mir aber bewusst geworden, dass dem nicht immer so ist. Bis Ende 2020 hatten Menstruationsprodukte den gleichen Steuersatz wie Kosmetika oder andere Luxusgüter. Eine Schülerin am BG Feldkirch hat 2019 als Schulsprecherin durchsetzen können, dass in ihrer Schule gratis zur Verfügung gestellt werden. In Neuseeland und in Schottland werden seit kurzem Menstruationsprodukte in Toiletten öffentlicher Einrichtungen (besonders an Schulen und an Universitäten) zur freien Entnahme bereitgestellt, mit dem Argument, sie seien für menstruierende Menschen einmal monatlich ebenso von Nöten wie Toilettenpapier, das bekanntlich überall zur Verfügung gestellt wird. Periodenarmut, die Bezeichnung für den Umstand, sich Binden, Tampons und Co. nicht leisten zu können, sondern sich mit alten Socken, zerschnittenem Stoff oder Klopapier als Einlage behelfen zu müssen, ist laut Erhebungen keine seltene Problematik bei Einkommensschwachen, wenn auch aus Scham oft totgeschwiegen. Wieso ist eine essentielle Notwendigkeit – medizinisch valide Informationen über den physischen Vorgang schon vor dem Einsetzen der Pubertät und die nötigen Produkte – in Österreich nicht für alle gleichermaßen verfügbar?

Als Frau und Mutter stellen sich mir unwillkürlich folgende Fragen: Was ist mit Mädchen, die ohne Mutter aufwachsen? Wer führt jene in die „Geheimnisse des Frauseins“ ein und erklärt in einem vertraulichen Gespräch den Umgang mit der Monatsblutung? Was ist mit denen, die einen schlechten Draht zu ihren Eltern haben oder mit Familien, die generell nicht über dergleichen zu sprechen pflegen? Die aus kulturellen Gründen das Mäntelchen des Schweigens darüber breiten möchten oder deren Mütter vielleicht Illiteraten sind, weil ihnen der Schulbesuch aus Kosten- oder anderweitigen Gründen verwehrt geblieben ist, und daher auch über physische Vorgänge nicht ausreichend Kenntnis haben? Sollte der Monatsblutung, die ja bewiesenermaßen mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung betrifft, keine größere Gewichtung in der Umsetzung des Lehrplans zukommen und das damit einhergehende gesellschaftliche Tabu nicht möglichst rasch beseitigt werden?

Ich glaube, dass in österreichischen Bildungsstätten höchst unterschiedlich mit der Thematik umgegangen wird, mal offener und mal gehemmter (mal womöglich kaum bis gar nicht?) die Heranwachsenden mit Informationen versorgt werden. An dem von mir besuchten katholischen Mädchenprivatgymnasium, ist es Gang und Gebe, dass bereits im ersten Semester der ersten Klasse ausführlicher Aufklärungsunterricht stattfindet. Insbesondere der weibliche Körper wird eingehend behandelt, während dann in der vierten Klasse die sexuelle Komponente als solche ins Blickfeld gerückt wird. Dazu werden im Rahmen von Projekten namens „Love Talks“ externe Expertinnen hinzugezogen, die Fragen beantworten, welche man als pubertierendes Mädchen seiner Lehrkraft vielleicht lieber nicht stellen möchte. In meiner Klasse hat es damals zwei Vormittage rein mit einer externen Sexualpädagogin gegeben und zwei Nachmittage gemeinsam mit einer Klasse eines ortsansässigen Burscheninternats. Diese Erfahrung habe ich als äußerst bereichernd in Erinnerung und will ich keinesfalls missen. Auch die Tatsache, dass nicht jede Schule Binden und Tampons bereitstellt, ist mir neu, weil es an meiner Schule Usus ist und eine der ersten Informationen in der ersten Klasse darstellt, die man vom Klassenvorstand/von der Klassenvorständin erhält, wo man sich diese im Bedarfsfall holen kann. Anscheinend sind katholische Privatschulen entgegen aller Unkenrufe doch fortschrittlicher als ihr Ruf.

 

von Christina Schöppl und Markus Lohberger

Die Weltwirtschaft strebt nach ständigem Wachstum. Das Motto, welches ununterbrochen vorherrscht, lautet: Höher, größer, weiter, schneller und immer noch mehr. Doch wann ist die Grenze erreicht? Gibt es überhaupt eine Grenze? Und ist nicht manchmal das Unerreichbare der Antrieb zum Weiterentwickeln, Weiterforschen und Weitermachen?

In unserer Welt wird der Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung mit seinem Preis bestimmt. Und der Preis hängt ab von der Nachfrage – also dem Wert, den ein Produkt oder eine Dienstleistung mit sich bringt. Doch ist dieser unendliche Kreis sinnvoll? Ist das wichtigste in unserem Leben nicht unbezahlbar?

Gerade die aktuelle Coronakrise zeigt sehr anschaulich, dass gerade in Zeiten des Stillstandes der Wirtschaft andere Werte wichtiger werden und wieder in den Vordergrund rücken.

Die Coronapandemie präsentiert der Menschheit, wie wichtig zwischenmenschliche Beziehungen sind. Und diese kann man sich um kein Geld der Welt kaufen. Der Wert der Beziehungen kommt dann zum Vorschein, wenn sie nicht mehr wie gewöhnlich gepflegt und gehegt werden können.

Besonders für junge Menschen und Schulkinder ist die Zeit mit Peergroups und Freunden von besonders großer Bedeutung für deren gesunde Entwicklung. Aber auch ältere Menschen sehnen sich nach Zeit mit ihren Liebsten und Zeit mit der Familie.

Es ist nun also endlich an der Zeit, aufzuwachen und statt nach immer mehr und noch mehr zu streben, sich auf das Wesentliche zu besinnen und den wahren Wert von Familie und Freunden schätzen zu lernen!

Nachdem wir den Artikel von Erkurt „Chancenlos von Anfang an. Bildungsalltag vom Kindergarten bis zur Matura.“ gelesen haben, fragten wir uns, mit welchen Maßnahmen die genannten Zustände verbessert werden könnten. Dass dies längst nötig ist, steht für uns völlig außer Frage.

Es ist klar, dass jede*r, ob man will oder nicht, Situationen nach eigener Anschauung und Haltung beurteilt. Tatsächlich kann man sagen, dass meist unbewusst voreilige Schlüsse gezogen werden. Ein Beispiel hierzu wäre der Fall des tschetschenischen Kindes, das einen querschnittgelähmten Bruder hat. Deshalb benimmt es sich „auffällig“, tanzt aus der Reihe. Deshalb kommen die Eltern nie zum Elternsprechtag oder interessieren sich nicht wirklich für die Anliegen der Lehrperson. Nicht, wie von der Lehrperson zuerst angenommen, weil es sich um ein eher sozial schwächeres Elternhaus handelt, sondern, weil die Eltern in Vollzeit den Bruder pflegen, der ihnen so viel abverlangt und der einfach ihre komplette Zeit in Anspruch nimmt – Zeit, die aber auch ihr Sohn, der in die Schule geht, dringend benötigen würde. (Erkurt, 2020, S. 24)

Dennoch muss erwähnt werden, dass sich die Lehrperson normalerweise bewusst keine voreilige Meinung über andere bildet, hat sie doch selbst Migrationshintergrund und weiß darüber Bescheid, wohin Vorurteile führen können.

Aber was kann man wirklich dagegen tun, diesen Fehler zu vermeiden, ist es doch so menschlich, unbekannte Situationen quasi fertig zu denken? Wir sehen die einzige Lösung darin, sich wirklich bewusst zu machen, dass, solange es keine stichhaltigen Beweise für etwas gibt, die Lage nicht definiert werden kann. Dies erfordert möglicherweise etwas Übung, aber je öfter man sich dies ins Bewusstsein ruft, umso mehr verankert sich dieser Gedanke und manifestiert sich im Handeln.

Ein weiterer Missstand, der in dem Artikel aufgedeckt wurde ist, dass Kindergärten keinen roten Faden bei der Bildung der Jüngsten haben. Dabei bräuchten auch diese Pädagog*innen ein Pendant zum Lehrplan, sodass ein fließender Übergang zwischen den Lernstufen entstehen kann. Hier bedarf es vor allem einer Reformierung durch die Politik sowie einer bedeutenden Aufwertung des Berufes der Kindergartenpädagog*innen, der leider immer noch nicht das Ansehen genießt, das er verdient. Noch immer wird dieser wichtige Job leider viel zu oft einfach nicht wirklich ernst genommen und teilweise sogar ins Lächerliche gezogen – Pädagog*innen spielen doch eh nur den ganzen Tag mit den Kindern, da ist doch nix dabei.

Außerdem sollte für Kinder, die von den Eltern wenig bis kaum unterstützt werden, eine Ganztagsbetreuung optional verfügbar sein, sodass auch sie die nötige zusätzliche Unterstützung außerhalb der Bildungseinrichtungen erhalten. Aus demselben Grund sollten die zu betreuenden Gruppen in den Bildungseinrichtungen verkleinert werden. Auch hier muss die Politik aktiv werden, denn dies erfordert natürlich eine höhere Anzahl an geschultem Personal. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie wurde sichtbar, wie wichtig und richtig Kleingruppen sind und welchen Mehrwert die Kinder darin haben. Auch die Lehrpersonen/Pädagog*innen können so voll und ganz ihren Aufgaben nachgehen und so jedem Kind gerecht werden. Denn bis jetzt war das leider nicht immer der Fall, da den Lehrpersonen/Pädagog*innen einfach die Hände gebunden waren und sie sich nicht fünfteilen konnten, auch, wenn sie dies den Kindern zuliebe so gerne gemacht hätten.

Erschreckend war weiters die Tatsache, dass viele Kinder überhaupt keinen Bezug zu Büchern haben. Dieser Missstand könnte mit dem Gang zur Bücherei als Pflicht in der Volksschule gelöst werden, denn jede*r Schüler*in sollte die Möglichkeit haben, Bücher zu lesen, die dem Interesse entsprechen. Hierbei wird also nicht nur die Einstellung zu Büchern insgesamt verbessert, nebenbei wird Wissen aufgebaut und Lesen bzw. die Sprache geübt oder aber auch gelernt. Es gibt so viele tolle Kinderbücher, die wirklich alle totale Lust zum Lesen und Schmökern machen – je früher man damit anfängt, umso besser. Lesen ist ein so wichtiger Bestandteil im Leben und sollte gefördert und gefordert werden. Außerdem gibt es gerade bei Büchern keine Ausreden oder sonstiges, dass sich eine Familie diese nicht leisten kann, denn es gibt in so gut wie jedem Ort eine öffentliche Gemeindebücherei und das nicht erst seit ein paar Jahren. Ein tolles Angebot, welches davon lebt, um genutzt zu werden!

Zum Thema sprachliche, aber auch kulturelle Missstände sei noch gesagt, dass die Kommunikation mit Eltern aus anderen Kulturkreisen Teil der pädagogischen Ausbildung sein soll, sodass man als Pädagog*in mit diesen Barrieren besser umzugehen weiß.

Des Weiteren sollten Aufgaben, die unaufschiebbar sind, unbürokratisch verteilt werden. Als Beispiel wurde im Artikel eine Volksschullehrerin genannt, die blaue Flecken an einem ihrer Schüler entdeckt hatte und so sollte es doch in Fällen wie diesen möglich sein, sich unkompliziert und unverzüglich an eine weitere dafür extra eingerichtete Stelle zu wenden, sodass dem Kind schnellst- und bestmöglich geholfen wird. Solche Missstände müssen sofort aufgedeckt werden im Sinne des Kindeswohles. Denn wer gibt den Kindern sonst eine Stimme, wenn wir es nicht tun? (Erkurt, 2020, S. 26)

Verfasst von:

Lena Lesslhumer & Diana Thunhart

_________________________________________________________________________________________

Das Kapitel „Chancenlos von Anfang an. Bildungsalltag vom Kindergarten bis zur Matura.“ aus dem Buch „Generation haram: Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben“ von Melisa Erkurt ist aktueller und wichtiger denn je und hat uns zum Nachdenken gebracht. Die in Sarajevo geborene Autorin dreht unsere Vorstellung des Lehrerdasein der „heilen Welt“ komplett auf den Kopf. Wenn wir an unseren zukünftigen Job denken, haben wir die „ideale“ Schulklasse vor Augen, die brav und lernwillig im Klassenraum sitzt und zuhört. Jedoch wird uns früher oder später die Realität treffen. Wir wollen dafür bereit sein und Lösungen für unsere Schüler*innen parat haben. Denn Lehrpersonen haben einen enorm großen Einfluss auf Lernende. (Erkurt, 2020)

Jedoch fragen wir uns: Wie viel können wir als Lehrpersonen wirklich bewirken, wenn nie eine Basis für die Kinder durch ihre Eltern gegeben wurde? Zudem bietet uns die österreichische Regierung nicht unbedingt den idealen Typus Schule an:

Denn der sozioökonomische Status in Österreich spielt leider noch immer eine sehr große Rolle. In Bezug auf die Wahl der weiteren Schule wirkt sich die Chancenungleichheit vorrangig über Leistungsdefizite der benachteiligten Schüler*innen aus. Die österreichische Regierung wollte diese Ungleichheit etwa mit der Idee der NMS ausbügeln, welche im Herbst 2012 eingeführt wurde. Jedoch legte sich die Bevorzugung einer AHS der Eltern mit hoher Bildung nicht durch die neu eingeführte Option der Regierung. Leider, denn das hätte zu einer sozialen Durchmischung der Schüler geführt und die Chancengleichheit etwas vergrößert. Somit bedarf es an weiteren Lösungsansätzen der Politik. (Bruneforth et al. 2012, S. 196–206)

Aber auch mit diesen Voraussetzungen wollen wir nur das Beste aus unseren zukünftigen Schüler*innen herauskitzeln. Nur wie kann man sich auf solche Kinder und Jugendlichen (die mit den im Buch angesprochenen Problemen konfrontiert sind) konzentrieren, sie fördern, ihnen sinnvoll helfen und dabei auch die restliche Klasse, ohne jemanden zu benachteiligen, unterrichten?

Eine Kollegin stellte uns das Buddy-Programm vor. Junge Erwachsene werden mithilfe eines Persönlichkeitstests Schüler*innen zugeteilt, für die sie dann als Mentor, Gesprächspartner oder auch große*r Freund*in bei jeglichen Problemen zu Seite stehen. Oft beschränkt sich das Mentoring Programm auch nur auf die Berufsorientierung und wird auf freiwilliger Basis von Studenten beispielsweise durchgeführt. 

Dieses Konzept ist zudem ein Ansatz, der vermutlich das „Marketing“-Problem des Förderunterrichts umgehen kann. Gemeint ist damit die Tatsache, dass – wie auch im Buch erläutert – viele Eltern ihre Kinder oft nicht in einen Förderunterricht schicken wollen. Das Wort an sich ist also negativ konnotiert, wobei das Konzept dahinter jedoch so wichtig für ebendiese Lernenden wäre. Ein innovativer Ansatz wie das obengenannte Programm könnte also ein zusätzlicher, hilfreicher Stützpunkt und für manche Jugendlichen sogar der „Retter in Not“ sein. Aber wenn es nun wirklich soweit kommen muss, dass Förderprogramme unter einem Deckmantel vermarktet werden müssen, um angenommen zu werden, kann es dann wirklich an den Lernenden liegen, dass diese überhaupt förderbedürftig sind? Viele Lernende, so auch Erkurt, die förderbedürftig sind, sind eigentlich prinzipiell zum Lernen motiviert, woran es scheitert, sind oft die Eltern, die diese hilfreichen Programme nicht akzeptieren. Meist resultiert dies aus kulturellen Überzeugungen. (Erkurt, 2020, S. 23–25)

Aus all diesen Gründen ist daher vor allem eine gute Basis an Erziehungsarbeit notwendig. Da diese allerdings vom Elternhaus nicht immer gegeben ist, liegt es vor allem an den Kindergartenpädagog*innen, den Kindern moralische und gesellschaftliche Werte und Normen pädagogisch sinnvoll zu vermitteln, sie also auf das „echte Leben“ bereits im jungen Alter vorzubereiten. Dies ist jedoch alles andere als einfach, da das Lernsetting im Kindergarten von „Störfaktoren“ wie etwa andauernd streitenden Kindern beeinträchtigt wird. Aus diesem Grund sollte den Kindergartenpädagog*innen viel mehr Respekt und Ansehen entgegengebracht werden, als es momentan der Fall ist. Vor allem diesen Punkt betont auch Erkart immer wieder in ihrem Werk. (Erkurt, 2020, S. 21)

Die oben angeführte Kritik an die Gesellschaft und insbesondere an Eltern ist schön und gut, allerdings kann dieser Faktor nicht allein der Angriffspunkt sein, an dem etwas geändert werden sollte. Um den Lernenden zu helfen, muss unserer Ansicht nach vor allem an der Hauptquelle des Lernens angesetzt werden – der Schule.

Das Konzept Schule existiert jahrelang bereits in der Form wie wir es heute kennen, mit diversen Zweigen und auch neuen Ansätzen, wie etwa die NMS, die sich mittlerweile auch bereits etabliert haben. Beispielsweise anhand der Integrationsproblematik an Schulen wird jedoch schnell klar, dass es noch vieles zu verbessern gibt. Die bis dato ungeklärte Frage, die sich hierbei aber stellt, ist, wie sich das Schulsystem hinsichtlich der Thematik anpassen kann. Haben wir den nötigen Spielraum um in dem relativ „starren“, aktuellen System etwas zu verändern oder müssen wir es komplett umwerfen und neu anfangen?

Ein Ansatz wäre, das Schulsystem so zu gestalten, dass es weitgehend vom Beitrag der Eltern unabhängig ist. Diese Überlegung stößt jedoch schnell an ihre Grenzen denn, zumindest nach dem heutigen Stand der Dinge, wäre ein solcher Ansatz undenkbar. Sozioökonomische Faktoren und der ethische Hintergrund, sowie kulturelle Überzeugungen spielen, wie vorhin bereits erläutert, immer noch eine wesentliche Rolle in Bezug auf das Elternhaus. Würde ein solches System radikal umgesetzt werden, würde sich die Kluft vermutlich nur noch vergrößern. Die Frage bleibt also ausstehend, wie diese grundsätzlich durchaus sinnvolle Überlegung tatsächlich umgesetzt werden kann.

Oft wird auf diese Frage mit dem Konzept der Ganztagsschule geantwortet. Ob dies jedoch die beste Lösung ist, sei dahingestellt. Es müsste jedenfalls noch optimiert werden und vor allem deutlich mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen eingehen, um pädagogisch tadellos zu sein.

Eine weitere, letzte Überlegung, wie zumindest teilweise aktiv mitgestaltet werden kann, ist interdisziplinärer Unterricht. Nicht nur können die Lernenden so Inhalte aus verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen Paradigmen betrachten, sondern auch mögliche Probleme können so vielleicht mit Leichtigkeit geklärt werden. Zudem ist für den interdisziplinären Unterricht eine gute Zusammenarbeit des Lehrpersonals notwendig, woran es auch häufig mangelt an Schulen. Unserer Ansicht nach ist ein gut funktionierendes Lehrerkollegium ein erster, fundamentaler Ausgangspunkt, um den Lernenden als gutes Beispiel voranzugehen und sie somit sogar indirekt zu erziehen.

Verfasst von:

Julia Hirner & Sarah Hammelmüller

 

Literaturverzeichnis:

Erkurt Melisa (2020). Generation haram: Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben. Chancenlos von Anfang an. Bildungsalltag vom Kindergarten bis zur Matura. Zsolnay, Paul. S. 15–35.

Bruneforth Michael et al. (2012). Herzog-Punzenberger Barbara (Hrsg). Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012 Band 2. Graz: Leykam. S. 189–229.

Geschlecht ist die zentrale Achse der Differenz(-ierung) nicht nur in der Gesellschaft, aber auch in der Schule.

Warum? 

1. Weil Geschlecht, genauso wie die anderen zwei Kategorien sozialer Ungleichheit – social class und race (soziale and ethnische Herkünfte) –zur sozialen Ungleichheit beiträgt, indem es „die Möglichkeiten des Zugangs zu Ressourcen, Macht und Rechten [beeinflusst].

[…] Geschlecht ist eine Kategorie, anhand derer sich Ungleichheiten formen und Hierarchisierungen entwickeln, die wiederum grundlegend Strukturen, Wahrnehmungen und Verhalten prägen, so auch in der Schule” (Bartsch/Wedl, S.10): ein Teufelskreis, der schwer, aber trotzdem zu durchbrechen ist. 

2. Weil Schule ein wichtiger Teil der Gesellschaft ist: in der Schule wird die Zwei-Geschlechter-Ordnung nicht nur alltäglich erlernt und hergestellt (durch die inkompetente Thematisierung von Geschlecht), sondern auch zugespitzt.

Schule ist kein geschlechtsneutraler Raum (so wie unsere Gesellschaft). Schule ist eine Bühne, wo das konstante “Spiel der Geschlechter” stattfindet (so wie in unserer Gesellschaft üblich).

3. Weil Schule ein spezifischer Sozialisationsort ist, wo aktiv in den Prozess der Herstellung von Zwei-Geschlechter-Ordnung eingegriffen werden kann, um die Thematisierung von Geschlecht kompetent zu steuern, und somit die Geschlechtergleichheit in unserer Gesellschaft ein Stück nach vorne zu bringen (Bartsch/Wedl, S.9).

Die „Zwei-Geschlechter-Ordnung“ ist kein gesellschaftliches Modell, das unserer Gesellschaft inhärent ist, sondern es hat sich in dem europäischen Raum erst mit dem 18. Jahrhundert durchgesetzt, d.h. es ist veränderbar und ausgestaltbar (Bartsch/Wedl, S.15).

Idealerweise soll Familie der erste Ort sein, wo Geschlechterdemokratie, d.h. Geschlechtergleichheit beigebracht werden soll. In der Familie werden Geschlechterverhältnisse durch zwischenmenschliche Interaktionen erlernt, d.h. Kinder lernen durch das Beobachten, z.B. wie ihre Eltern sich ausdrücken, verhalten und miteinander umgehen, sowie mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft, u.a. Nonkonformisten, oder wie sie sich die Haushaltsaufgaben teilen (geschlechtsneutral oder geschlechtsspezifisch), wie sie mit Geschlechterstereotypen umgehen und Geschlechterrollen verstehen, etc.

Realität sieht aber etwas anders aus, wenn Kriminalitätsstatistiken in Betracht gezogen werden.

Eine von drei Frauen in Europa hat in ihrem Leben schon mindestens einmal Gewalt erfahren, auch in Österreich. Die Täter sind meist männliche Familienmitglieder, der Tatort das Zuhause. Dazu gehören körperliche und psychische Gewalt, sexuelle Übergriffe und Tötung.”

“Insgesamt hat die Zahl der Gewalttaten durch den Partner [in Deutschland] jedoch zugenommen – von 113.965 in 2017 auf 114.393 weibliche Opfer von häuslicher Gewalt im Jahr 2018 […]. Daneben gab es 26.000 Männer, die von ihren Frauen oder Ex-Partnerinnen bedroht, genötigt oder verletzt wurden.”

“Ebenso wurden 2018 18.526 Opfer familiärer Gewalt von den Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen betreut. 84% der unterstützten KlientInnen waren Frauen und Mädchen, 91% der Gefährder waren männlich”

Das sind nicht einfach tragische Zahlen. Das sind Zahlen, die viel über Geschlechterordnung in unserer Gesellschaft vermitteln (zu bedenken ist, dass die Zahlen nur den sichtbaren Teil des Eisbergs “Häuslicher Gewalt” zeigen und zwar in demokratischen und wohlhabenden EU-Ländern wie Deutschland und Österreich).

Wie bereits gesagt, Schule ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft, wo das “Spiel der Geschlechter” gleichermaßen stattfindet und zwar nach den Mustern, die Kinder in ihren Familien (unbewusst) erlernen. Das heißt, es soll nicht davon ausgegangen werden (wie es oft der Fall ist), dass primär durch die elterliche Erziehung das Verständnis für die Gleichstellung von Frauen und Männern und das Reduzieren von Geschlechterstereotypen stattfindet. Es soll davon ausgegangen werden, dass die Schule der einzige Sozialisationsort für viele Kinder sein könnte, wo das Gefühl für Geschlechtergleichheit erzeugt werden kann und zwar durch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema. Das heißt, alle Lehrkräfte (fachunabhängig) sollen im Stande sein das Thematisieren von Geschlecht kompetent anhand der Kenntnisse der Gender Studies durchzuführen, und nicht „auf der Basis des Alltagsverständnisses, […] die vorhandenen Geschlechterverhältnisse [nicht nur (re-)produzieren], sondern [durch geschlechterdifferenzierendes Handeln, häufig unbewusstes, verstärken] (Bartsch/Wedl, S.12).

„Eine Thematisierung von Geschlecht in der Schule ist unerlässlich,“ postulieren Bartsch und Wedl, Herausgeberinnen von Teaching Gender, und nennen drei Hauptgründe: „(1) weil [Geschlecht] eine wirkmächtige (unbewusste) Konstruktionsweise ist, (2) aufgrund seiner Funktion als gesellschaftlich wirksame soziale Ungleichheitskategorie, (3) aufgrund der subjektiven Relevanz von Geschlecht für SchülerInnen und seiner Funktion als Identifizierungskategorie.“ Sie warnen aber, dass „nicht jede Thematisierung zum Abbau von Geschlechterstereotypen und normierenden Geschlechterzuweisungen [die Kinder in der Familie und Gesellschaft beobachten und unbewusst erlernen] beiträgt“ (Bartsch/Wedl, S.16).

Im Gegenteil: die Lehrkräfte, die sich nicht wissenschaftlich, reflektierend und kritisch mit der Problematik der Geschlechterdifferenzierung in der Schule auseinandersetzen, tragen zur „Dramatisierung der Differenz,“ d.h. Hervorhebung, in verschiedenen Unterrichtspraktiken alltäglich bei, „z.B.

  • die Ansprache als StellvertreterIn eines Geschlechts im Sinne einer Platzanweisung (»du als Mädchen/Junge, …«),
  • die Homogenisierung von Geschlechtergruppen (die Mädchen und die Jungen),
  • die Gruppen(ein)teilungen anhand des Geschlechts bzw. die explizite geschlechterhomogene Gruppenarbeit in Form von Jungen- bzw. Mädchenarbeit
  • Lob für geschlechtsadäquates Verhalten,
  • die Abfrage von Stereotypen, ohne diese kritisch aufzulösen,
  • ein Protektionismus für Mädchen, gekoppelt mit einem verallgemeinerten Verdacht auf Machtpositionen auf Seiten der Jungen,
  • geschlechtliche Zuweisungen von Verhalten, Kompetenzen, Eigenschaften oder
    Aktivitäten, und viel mehr“ (Bartsch/Wedl, S.17).

Das sind Beispiele, die aus mehreren empirischen Studien hervorgehen, u.a. aus Studien von Budde/Blasse 2014, Faulstich-Wieland 2005, Thiessen/Tremel.

Trotz der Gefahr der Dramatisierung sind Wissenschaftler zur Erkenntnis gekommen, dass es Situationen gibt, wo sie äußerst sinnvoll ist, z.B.:

  • „wenn Geschlechterbilder Barrieren für die Entwicklung individueller Vielfalt bilden,
  • wenn es zu Diskriminierung von Teilnehmenden bzw. Menschen aus deren Umfeld kommt, die sich nicht geschlechternormenkonform verhalten,
  • wenn ich [als Lehrkraft] Teilnehmenden Wissen zugänglich machen möchte, mit dem sie eigene Probleme oder auch Privilegien in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext stellen und damit auch politisiert bearbeiten können, anstatt alles individualisiert auf eigenes Versagen bzw. eigene Talentiertheit zu schieben oder das Erleben zu naturalisieren,
  • wenn ich Teilnehmende dazu befähigen möchte, eigene diskriminierende bzw. gewalttätige Verhaltensweisen oder die Verinnerlichung selbstschädigender Normen zu erkennen und abzubauen bzw. Wehrhaftigkeit gegenüber solchen zu entwickeln.“ (Bartsch/Wedl, S.19).

Jedoch kann, wie bereits erwähnt, die kompetente Thematisierung von Geschlecht nicht auf Basis des Alltagswissens von Lehrkräften passieren, sondern sie erfordert „eine große Flexibilität und Gender-Kompetenz,“ die auf den Erkenntnissen der Gender Studies aufgebaut werden soll (Bartsch/Wedl, S.20).

Quellen:

Bartsch, Annette/Wedl, Juliette (2015) Zum Reflektierten Umgang mit Geschlecht im Schulunterricht und in der Lehramtsausbildung, in: Bartsch, Annette/Wedl, Juliette (Hrsg.) Teaching Gender? Transkript Verlag: Bielefeld, 9-31.

 

Ich kann mich an viele Ereignisse aus meiner Kindheit erinnern, besonders an die, die mich emotional berührt oder getroffen haben. Es gibt auch Ereignisse, die einem auf den ersten Blick ganz unbedeutsam vorkommen, aber sich trotzdem ganz stark in die Erinnerung eingeprägt haben. Dann frage ich mich oft wieso, bzw. was dem jeweiligen Ereignis die Kraft zum Beeindrucken gab und manchmal bekomme ich sogar eine Antwort auf ganz unerwartete Weise, wie zum Beispiel beim Lesen dieses Absatzes in Teaching Gender:

„Ebenso werden […] Spielzeuge farblich getrennt und von Stereotypen gelenkt nach Geschlechtern angeboten. Konstruktionsspielzeug, welches noch in den 1970er-Jahren unisex bunt war, wird von der gleichen Firma heute geschlechtergetrennt vertrieben: technische Baukästen […] zum Konstruieren und Umbauen für Jungen, dagegen rosa gehaltene Ensembles für Mädchen, mit vorgegebenen Figuren und fertigen Bauteilen, die – im Vergleich zu den Bausätzen – kaum für andere Konstruktionen verwendet werden können. Damit verbunden sind Rollenangebote, die angeblich typische weibliche Lebenssituationen darstellen: in Familie, in helfenden Berufen, als Prinzessin,“ etc. (Bartsch/Wedl, S.14).

Vor 20 Jahren ging ich mit meinem etwas älteren Cousin zu einem Spielzeugstand auf dem großen Markt, um das hartverdiente Geld für ein paar Spielzeuge auszugeben. (Keine Sorge, wir waren keine Opfer von Kinderarbeit)) Wir kümmerten uns nur ganz brav um die Kühe unserer Großeltern, während Oma im Krankenhaus lag.) Am Spielzeugstand gab es alles was sich ein Mädchen und ein Junge wünschen könnten: hübsche Barbies und bunte Autos… und ein paar andere Sachen, wie z.B. Sprungseile.

Ich war 10 und wollte ein Sprungseil. Mein Cousin war 14 und fest überzeugt, dass Barbies das Spielzeug für Mädchen seien. Eine Weile probierte er mich zu überreden eine Barbie, anstatt dem Seil zu nehmen (zum Glück nicht erfolgreich)).

Ich glaube, ich muss dieses real life Beispiel nicht erläutern, da jeder von uns ähnliche Erfahrungen im Leben gemacht hat. Wenn nein, dann seid ihr glückliche Kinder gewesen, die ohne Geschlechterstereotypen (zumindest in Bezug auf Spielzeuge)) aufgewachsen sind. Ich persönlich hatte nur bei meinen Cousins die Gelegenheit mit bunten Autos zu spielen.

Wie stark Geschlechterstereotypen noch immer in unserer Gesellschaft vorhanden sind und wie früh sie uns „beigebracht“ werden, zeigt sehr gut das Video Girl toys vs boy toys: The experiment – BBC Stories.

Das Geschlecht ist die zentrale Achse in unserer Gesellschaft. Sobald das Geschlechtsmerkmal des Babys im Ultraschall erkennbar ist, fangen die meisten Eltern und deren Angehörige an, geschlechterspezifische Babysachen, Klamotten und Spielzeuge in passenden Farben und Mustern zu besorgen. Von Geburt an sind „Kinder nicht einfach Mädchen oder Jungen, sondern werden es” (Bartsch/Wedl, S.10).

Wie? 

Ganz einfach: symbolisch durch Kleidung, Accessoires, Spielzeuge, Frisur … und sprachlich durch tägliche zwischenmenschliche Interaktionen (und nicht durch die geschlechterspezifischen Merkmale, weil diese eigentlich fast immer mit Kleidung bedeckt sind).

Das „Vergeschlechtlichung“ von Kinderzubehör und Spielzeugen passiert aufgrund der Annahme, dass anatomische Unterschiede der zwei Geschlechter natürliche Merkmale sind. Diese Annahme ist wissenschaftlich aber nicht bewiesen, sondern umgekehrt: „psychologische Studien [zeigen] immer wieder die Ähnlichkeit der Geschlechter auf“ (Bartsch/Wedl, S.14).

Diese Annahme basiert eigentlich auf dem gesellschaftlichen Verständnis des Geschlechtes als eine „naturhafte [biologisch eindeutig festgelegte], konstante [sich im Laufe des Lebens nicht veränderbare] und dichotome [weiblich und männlich] Kategorie“ (Bartsch/Wedl, S.15).

Aber ist es wirklich so?

Ich glaubte persönlich, dass es in Bezug auf das „biologische Geschlecht“, alias sex, tatsächlich so war bis ich den Roman Middlesex von Jeffrey Augenides aus dem Jahr 2002 gelesen habe.

Heute gebe ich auf die obige Frage ein klares „Nein.“

Laut Judith Lorber, eine Professorin der Soziologie und Frauenforschung, welche zur Entwicklung des Konzepts des Geschlechts als soziale Konstruktion maßgeblich beigetragen hat, gibt es sogar 5 sexes, wenn von Genitalien ausgegangen wird: „unzweideutig männlich, unzweideutig weiblich, hermaphroditisch, weiblich-zu-männlich transsexuell und männlich-zu-weiblich transsexuell; geht man von der Objektwahl aus, drei sexuelle Orientierungen: heterosexuell, homosexuell und bisexuell […]; geht man von der Erscheinung aus, fünf gender-Repräsentationen: weiblich, männlich, uneindeutig, als Mann gekleidete Frau, als Frau gekleideter Mann […]“ (Bartsch/Wedl, S.16).

Das sind keine Konstrukte des 21. Jahrhunderts. Ich würde mir sogar erlauben zu sagen, dass sie so alt wie die Welt sind, vielleicht nur anders benannt wurden. Zum Beispiel, wie das dritte Geschlecht berdache bei amerikanischen Ureinwohnern. Ein Berdache hatte das männliche biologische Geschlecht und homosexuelle Orientierung, aber erfüllte weibliche oder beide Geschlechterrollen und war sozial hochgeschätzt.

Die obige Kategorien erscheinen nur als zeitgenössische „Erfindungen“ oder Marotte der Mode, weil die jahrhundertelange Herrschaft von zahlreichen sozialen Normen (weil in unserer Gesellschaft alles normiert sein muss(te)) und die Zwei-Geschlechter-Ordnung, alles Nonkonforme als nicht existierend betrachtete. Das heißt aber nicht, dass wir weiter in Ignoranz leben und Kinderzubehör und Spielzeuge nach Geschlechtern kaufen und schenken sollen. Alles was laut der Norm passend ist, trägt zum Verfestigen der Geschlechterstereotypen bei, sogar so eine „unschuldige“ Annahme, dass Puppen für Mädchen und Autos für Buben die richtigen Spielzeuge sind.

Quelle:

Bartsch, Annette/Wedl, Juliette (2015) Zum Reflektierten Umgang mit Geschlecht im Schulunterricht und in der Lehramtsausbildung, in: Bartsch, Annette/Wedl, Juliette (Hrsg.) Teaching Gender? Transkript Verlag: Bielefeld, 9-31.

„Wir haben Identitäten auf Zeit, dass wir uns für kurze Zeit zu etwas zugehörig fühlen, aber immer die Freiheit haben, in ein anderes Programm zu switchen, auch was uns selbst anbelangt.“ (Zitat 1)

Genau genommen verändert sich unsere Identität jeden Tag. Oftmals geschieht das unbewusst, manchmal aber bemerkt man diese innerliche oder äußerliche Erneuerung. Jeder Tag in unserem Leben ist unterschiedlich, man macht neue Erfahrungen, begegnet neuen Menschen, erhält neue Informationen. Kein Tag ist exakt gleich wie der vorherige. Durch diese Veränderungen wächst unsere Identität stetig. Johann Wolfgang von Goethe beschreibt dies in folgendem Zitat:

„Das Leben gehört dem Lebendigen an, und wer lebt, muß [sic] auf Wechsel gefasst sein.“ (Zitat 2)

Hier weist er darauf hin, dass sich nur das Lebendige verändern kann. Menschen und Tiere, Pflanzen und Blumen machen von diesen ständigen Veränderungen tagtäglich Gebrauch.

Bei den Menschen ist dieser Veränderungsprozess aber viel komplexer als bei Pflanzen oder Tieren. Ein Mensch ist beispielsweise dazu fähig, sich unterbewusst zu verändern. Eine solche Veränderung wird dabei nicht aktiv wahrgenommen, man wächst in eine Sache hinein. Dies geschieht wiederum durch die Gesellschaft, von der wir tagtäglich beeinflusst werden. Kommt es aber plötzlich zu einem unvorhergesehenen Ereignis, wie zum Beispiel zum Tod von einem Familienmitglied, wird einem sprichwörtlich der Boden unter den Füßen weggezogen, und es kommt zu einer abrupten Veränderung des Alltags. Die Wurzeln, die bereits tief im Boden verankert waren, werden mit einem Schlag herausgerissen. Dies hat Unzufriedenheit, Verzweiflung und Aussichtslosigkeit zur Folge. Die Maske, die man sich also unbemerkt, und oftmals durch den gesellschaftlichen Druck, aufgesetzt hat, verschwindet von einem Moment auf den anderen. Es kann somit nicht behauptet werden, dass Masken immer glücklich machen, obwohl sie das Leben in manchen Situationen auch durchaus positiv beeinflussen können.

Das am Beginn des Artikels angeführte Zitat behauptet, dass wir „immer die Freiheit haben, in ein anderes Programm zu switchen“. Doch dies ist, meiner Meinung nach nur in den wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern der Fall. Die Menschen, die beispielsweise in den armen und wirtschaftlich schwachen Regionen der Welt geboren werden, haben oftmals keinen Zugang zu Bildung oder sie haben aus religiösen Gründen keine Möglichkeit sich selbst und ihre Identität zu verändern.

…doch was ist das nun, die Identität? Abschließend kann man sagen, dass wir durch die ständigen Einflüsse von außen gezwungen werden uns mit unserer Identität ein Leben lang auseinanderzusetzen. Die Identität ist also keine beständige Maske, sondern muss immer wieder angepasst und erneuert werden.

Zitat 1: (Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/psychologie-die-suche-nach-der-eigenen-identitaet.1148.de.html?dram:article_id=315800)

Zitat 2: (Quelle: https://www.leadershipjournal.de/zitate-veraenderung/)

Autorin: Sonja Harrer

Wie wir alle wissen durften Mädchen und Jungen nicht immer an unseren Schulen gemeinsam unterrichtet werden. Wenige wissen aber, dass erst in den 1960er Jahren Koedukation konsequent in Europa durchgesetzt wurde (obwohl erste Versuche bereits nach dem 1. Weltkrieg stattgefunden haben). Um gemischte Klassen gesetzlich einzuführen, brauchte man jedoch konkrete theoretische Grundlagen, und diese stellte die Gendertheorie bereit (welche durch die 1. Welle der Frauenbewegung auf fruchtbaren Boden fiel).

Die Geschlechterforschung sieht Geschlecht als eine soziale Konstruktion: „als eine Form der Einteilung von Menschen […] einerseits und als eine Inszenierung/Darstellung durch Menschen andererseits,“ Faulstich-Wieland zufolge (S. 17). Das heißt, dass jeder Mensch, bewusst und unbewusst, an der Bildung des sozialen Geschlechts unaufhörlich beteiligt ist. Dieser Vorgang wird in der Gendertheorie durch das Konzept ‚doing gender von C. West und D. Zimmermann erklärt, welcher auch als Dramatisierung von Geschlecht bezeichnet wird.

Das zweite relevante Konzept des ‚undoing gender von S. Hirschauer, oder die deutsche Entsprechung der Entdramatisierung von Geschlecht von E. Goffman, soll dem obengenannten entgegenwirken.

Warum?

Weil die Dramatisierung von Geschlecht auf Geschlechterstereotypen basiert, die im Laufe unserer gesellschaftlichen Entwicklung entstanden sind und noch immer einen großen Einfluss auf uns alle haben. Durch Entdramatisierung, d.h. durch die bewusste Neutralisierung der Geschlechterdifferenzen werden Geschlechterstereotypen entschärft.

Faulstich-Wieland fasst folgendermaßen zusammen: „Mit Dramatisierung machen wir gezielt und zentral auf Geschlecht aufmerksam, mit Entdramatisierung gehen wir auf andere Kategorien oder auf die Individuen ein“ (S.18).

Das heißt, sollte man sich entscheiden eine Klasse, oder gar das ganze Schulwesen wieder nach Geschlechtern zu trennen, dann nicht mit der Begründung „Jungen sind in der Regel unruhiger, gewaltbereiter und damit problematischer!“ oder „Jungen sind in der Regel sprachlich unbegabter und lesen weniger!“ oder „Jungen sind PC-orientiert, Mädchen sind sprach-/buchorientiert!“ oder „Mädchen sind stiller und zurückhaltender und erreichen nicht die Beachtung und beruflichen Ziele, die sie aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit erreichen können!“ (wie das Berufskolleg Südstadt mit Stolz in ihrem Gender Mainstreaming Programm präsentiert!).

Aber leider ist das Bildungssystem keine Ausnahme, auch die Lehrkräfte werden von Geschlechtsstereotypen beeinflusst.

So führten die Ergebnisse der PISA-2000 zu einer erneuten Koedukationsdebatte, die bereits in den 1980er Jahren von Lehrerinnen-Vertreterinnen der 2. Welle der Frauenbewegung initiiert wurde. Was mit der Absicht zur Beseitigung von subtilen Benachteiligungen von Mädchen im Unterricht begann, entwickelte sich letztendlich gleichermaßen auch für Jungen (Faulstich-Wieland, S.16).

Zunächst wurden schlechte PISA-Ergebnisse von Jungen in Lesekompetenz auf ihre Benachteiligungen im Unterricht zurückgeführt. Auch geringe Leistung und Motivation von Mädchen in MINT-Fächern wurden mit dem gleichen Grund erklärt.

Dazu bestätigen einige Studien (z.B. „Single-Sex Education Pilot Project,“ Australia,1993-94), die sich auf Beobachtungen von geschlechtshomogenen Klassengruppen und Rückmeldungen von beteiligten SchülerInnen und LehrerInnen beziehen, dass die Geschlechtertrennung sichtbare Vorteile für beide Geschlechter aufweist (Faulstich-Wieland, S.19).

So kam es zur Diskussion über eine erneute Trennung des Schulwesens, jedoch nur in Hinsicht auf das männliche und weibliche Geschlecht. Nun stellt sich die Frage, ob die Einführung von Monoedukation ein Schritt nach vorne und nicht zurück ist.

Laut Faulstich-Wieland würde eine Einführung von Monoedukation die Dramatisierung der Geschlechter verstärken, da sie die Geschlechterdifferenzen nicht neutralisieren, sondern im Gegenteil aktualisieren, bzw. betonen würde (S.18). Meiner Meinung nach ist das „Gender Mainstreaming“ Programm des Berufskollegs Südstadt ein hervorragendes Beispiel dafür.

Monoedukation könnte wohl eine Lösung für einige „Probleme“ im schulischen Bereich sein. Wie bereits gesagt, bestätigen dies einige Studien und schulische Experimente in MINT-Fächern. Jedoch wird sie allein nie im Stande sein Geschlechterstereotypen, welche Lehrkräfte täglich produzieren, reproduzieren und an ihre SchülerInnen weiterleiten, zu neutralisieren.

Faulstich-Wieland bietet auch einige Bespiele der Geschlechterdramatisierung in homogenen Gruppen zur Analyse an, die sehr gut verdeutlichen, dass die Veränderungen bei den Lehrkräften beginnen sollen. Es liegt ja an ihnen, beide Geschlechter gerecht zu unterrichten, anstatt das störende Verhalten von Jungen als „normal“ zu bezeichnen und die Risikobereitschaft von Mädchen im Werkunterricht etwas Schwieriges auszuprobieren, zu missachten.

Monoedukation wird keine Lösung für Geschlechtergerechtigkeit sein, solange wir, die Lehrkräfte, in „typisch Buben-“ und „typisch Mädchen-“ Verhaltensmustern denken und agieren.

Quellen:

Faulstich-Wieland, Hannelore (2010) Mädchen und Jungen im Unterricht, in: Buholzer, Alois /Kummer Wyss, Annemarie (Hrsg.) Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. Zug: Klett, 16-26.

Jaschke, Bruno (2019) Lesen … ich? Nein, danke! Burschen sind im Lesen schwach. Weil ihnen Vorbilder fehlen, sagen Experten, HEUREKA 19 [WWW Dokument] <https://www.falter.at/heureka/20190522/lesen-ich-nein-danke/ea7fb656c8> [31.03.2020].

Jonczyk-Buch, Kerstin (2013) Geschlechterdifferenzierter Unterricht – Erfahrungsbericht aus dem MINT-Projekt der Veit-Stoß-Realschule Nürnberg, in: Stadler-Altmann U. (Hrsg.) Genderkompetenz in pädagogischer Interaktion. Opladen; Berlin; Toronto: Verlag Barbara Budrich, 171-181.

Rademacher, Christina (2019) Sind Mädchen zu dumm für Mathe? Der EU-weit größte Unterschied zwischen Burschen und Mädchen in Mathe besteht in Österreich, HEUREKA 19 [WWW Dokument] <https://www.falter.at/heureka/20190522/sind-madchen-zu-dumm-fur-mathe/be9d6e0ea9> [31.03.2020].

 

In Ergänzung zu http://www.schuleundgesellschaft.work/blogunisbg/2019/05/05/gender-und-viel-luft-um-nix/

Jungen und Mädchen im Unterricht

Buch (Sammelwerk)
Buholzer, Alois; Kummer Wyss, Annemarie (Hg.) (2017): Alle gleich – alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. 3. Auflage. Seelze-Velber, Zug: Klett/Kallmeyer; Klett und Balmer Verlag (Lehren lernen).