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Gender Pay Gap – Wird es je minimiert werden können?

Ein Artikel des Standard „Geschlechtergerechte Verteilung von Filmfördermitteln beschlossen“, datiert mit dem 21.April 2021, verfasst von Dominik Kamalzadeh, lässt wissen, dass der Aufsichtsrat des österreichischen Filminstituts (ÖFI) eine Richtlinie mit dem 1.Juli in Kraft setzen möchte, wodurch die Frauenquote, die zurzeit bei ca. 30% im beruflichen Filmsektor liegt, deutlich angehoben werden sollte. Bis 2024 sollte hier eine Gleichstellung von Männern und Frauen erreicht sein. Und wie soll dies umgesetzt werden?
Mithilfe von Fördermitteln im Zuge des „Gender-Budgetings“. Vor allem wird hier aber noch ein konkreter Plan gefordert, da nun das Modell so ausgelegt ist, dass keine Sanktionen verhängt werden, sofern das Ziel bis 2024 nicht erfüllt ist. 

Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann des Fachverbands der Film- und Musikwirtschaft, drückt nach der Bekanntgabe dieses Vorhabens aus, wie essentiell für ihn Gleichstellung sowie Diversität sind. Auch im Zuge des Festsetzens von „Gender-Budgeting“ in den beschlossenen Förderrichtlinien des ÖFI sieht er einen entscheidenden Schritt in Richtung „Gleichstellung, Chancengleichheit und Vielfalt in der Filmbranche“.

Nun, alles gut und schön. Diese Neuigkeiten lassen einen Schimmer Hoffnung für die Umsetzung der Werte Gleichstellung und Chancengleichheit durchdringen. Irgendwo muss man Initiativen setzen, um zu einem großen Ziel zu gelangen, in diesem Fall in der Filmbranche, wobei es hier auch noch an Konkretisierung fehlt. Hier sollte also nochmals betont werden, dass es nur „ein Schritt“ in Richtung Gender-Gleichheit ist, denn grundsätzlich haben wir hier noch einen langen Weg vor uns.

Wenn man nun auf der offiziellen Internet-Seite des Bundeskanzleramts den Terminus „Gender Pay-Gap“ eintippt, erfährt man unmittelbar in den ersten Sätzen: „Obwohl in den letzten Jahren Verbesserungen umgesetzt und dadurch die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede verringert werden konnten, zählt Österreich nach wie vor zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. Diese Differenz wird meist mit dem EU-Indikator Gender Pay Gap veranschaulicht. In Österreich lag der Gender Pay Gap laut Eurostat 2019 bei 19,9 Prozent, und damit deutlich über dem EU Schnitt (EU-27) von 14,1 Prozent.“

Wie wirkt das auf Sie? Was könnte diese ungerechte Verteilung von Einkommen für einen Grund haben? Wieso beziehen Männer in Österreich grundsätzlich einen höheren Lohn als Frauen?

Der besagten Internetquelle zufolge, ist ein Drittel des Gender Pay Gaps erklärbar durch Qualitäten wie „Branche, Beruf, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit und Arbeitszeitausmaß.“ Des Weiteren steht geschrieben, dass die restlichen zwei Drittel nicht statistisch auf diese Merkmale zurückzuführen sind. Ebenfalls findet sich in diesem Dokument eine Auflistung von Maßnahmen um das Gender Pay Gap deutlich zu minimieren.

Lange Rede, kurzer Sinn. Dieses Gender Pay Gap, nun vor allem in Bezug auf Österreich, ist ein Symbolstatus für unsere ungerechte, geschlechterspezifische Einkommensverteilung. Die Gründe dafür sind schwer auswertbar und können oft nicht anschaulich erklärt oder belegt werden. Ein häufig genannter Faktor wäre beispielsweise die Begründung der männlichen Überbesetzung der Führungspositionen. Frauen wären diejenigen, die grundsätzlich in Karenz gehen und aufgrund einer unterbrochenen Zugehörigkeit am Unternehmen diese Positionen nicht mehr wahrnehmen können, besser gesagt dürfen. Hier wird nämlich längerfristige Berufserfahrung und kontinuierliche Anwesenheit im Unternehmen vorausgesetzt. Das Arbeitszeitausmaß ist ebenfalls ein häufig genannter Faktor, denn Frauen könnten keine langen Arbeitszeiten realisieren, arbeiten meist in Teilzeit, da sie eine Familie haben, um die es sich „zu kümmern gilt“. Begründungen und Ausreden für diese geschlechterspezifische Einkommensverteilung scheinen kein Ende zu nehmen. Fakt ist, Frauen werden in unserer Gesellschaft immer noch aufgrund ihres Geschlechts stigmatisiert und diskriminiert, wodurch auch in vielerlei Hinsicht weniger Chancen offen stehen.

Doch vielleicht sollten wir auch die positiven Initiativen für Gendergleichheit hervorheben, die auf der Internetseite des Bundeskanzleramts angeführt sind. Zunächst steht eine Online-Plattform namens „Meine Technik“ zur Verfügung. Diese soll als „Informationsmaßnahme“ dienen, zur Erweiterung der Karriereperspektiven für Mädchen und Frauen, vor allem im „technischen und naturwissenschaftlichen“ Bereich, so steht es geschrieben. Ein weiterer angeführter Punkt: Die Realisierung von Vollzeitstellen für Frauen soll vermehrt ermöglicht werden durch den Aufbau „ausreichender und qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungs- und Pflegeplätzen“. Außerdem soll es hier noch ein kollektives EU-Projekt geben, in dem die Väter in der Erziehung ihre Rolle stärker realisieren sollten, um die Frau zu unterstützen und ihr ebenfalls mehr Chancen zu ermöglichen. Zudem gibt es Projekte wie „Frauen in Führungspositionen. Women are top!“, die gezielt versuchen, Frauen in „wirtschaftlichen Führungs- und Entscheidungspositionen“ zu sehen.

All dies klingt, wieder mal, sehr toll und hoffnungsvoll. In der Umsetzung dieser dürfte es allerdings noch Mangel geben, wie es uns die Entwicklung des Gender-Pay Gaps darstellt. Die Zukunft hält viele Möglichkeiten bereit, Schritte in Richtung Chancengleichheit und Gleichstellung von Geschlechtern zu gehen. Wir werden sehen, was passiert.

 

Erwähnte Artikel:

https://www.derstandard.at/story/2000126025858/geschlechtergerechte-verteilung-von-filmfoerdermitteln-beschlossen

https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und-gleichstellung/gleichstellung-am-arbeitsmarkt/einkommen-und-der-gender-pay-gap.html

 

 

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Verfasst von Diana Marie Thunhart und Julia Hirner

Im Vergleich zum letzten Jahrtausend gibt es heutzutage viele verschiedene Ansätze, wie an das Thema Inklusion im Bereich der Schulen herangegangen wird und werden kann. Vor allem in den letzten Jahren gab es auch immer wieder Innovativen und Schulversuche. Themen wie etwa das „Team Teaching“ waren dabei Zentrum vieler Debatten. In diesem Artikel möchten wir uns jedoch weniger auf allgemeine Schulkonzepte fokussieren, sondern vielmehr auf die Möglichkeiten der Lehrpersonen eingehen, Kindern und Jugendliche Inklusion näherzubringen. Aber auch Herausforderungen, die das Thema mit sich bringt, sowie bedenkliche Outputs von Statistiken haben wir in unsere Überlegungen mit einbezogen. 

Doch was ist mit dem Fachterminus Inklusion überhaupt gemeint? Inklusion bedeutet, dass niemand, aus welchen Gründen auch immer (oftmals Hautfarbe, Herkunft, Glaubensbekenntnis, Beeinträchtigung etc.) ausgeschlossen werden darf. Jeder Mensch ist einzigartig und das ist gut so! Wie langweilig wäre das Leben denn, wenn wir alle gleich wären? Alle haben von Geburt an verschiedene Rechte, die in der allgemeinen Erklärung für Menschenrecht festgeschrieben sind. Beispiele dafür sind: Freiheit, Gleichheit, Verbot der Diskriminierung, Recht auf Bildung usw. Jeder muss gleichermaßen an Ausflügen und Veranstaltungen teilnehmen können und es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden wie z.B. die Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer*innen und gehbehinderte Kinder und Jugendliche. Inklusion ist im gesamten Leben wichtig, nicht nur in der Schule. Doch leider sieht die Realität ganz anders aus – es gibt Hass gegen bestimmte Personengruppen oder Glaubensgemeinschaften, Dunkelhäutige Menschen werden immer noch diskriminiert und als kriminell abgestempelt, Mädchen/Frauen werden unterdrückt usw. Es muss also noch viel getan werden – doch gemeinsam können wir das schaffen und die Welt zu einem Ort machen, an dem jeder und jede gerne wohnt und so sein kann, wie er/sie ist!

Kinder sind von Natur aus neugierig und unvoreingenommen, sie urteilen nicht, sondern betrachten alles und jede/n ganz genau und stellen viele Fragen. Leider werden sie durch ihre Eltern, das Umfeld generell sowie das System Schule und auch diverse Medien beeinflusst und ihnen wird suggeriert, wer oder was richtig bzw. falsch ist. Nach und nach „erlernen“ sie so die negativen Glaubenssätze und Vorstellungen, die in unserer Welt herrschen und sie passen sich an, um dazuzugehören und gemocht zu werden. So werden sie nach und nach zu den Erwachsenen, die wir uns nicht wünschen sollten. Sie verlieren im Laufe der Zeit ihre kindliche Neugier und die Fähigkeit, keinen zu verurteilen, obwohl dies für eine Änderung der vorherrschenden Gegebenheiten so wichtig wäre. Doch ohne es wirklich zu merken, sind sie bereits im Kreislauf gefangen, der keine Sicht nach rechts oder links zulässt, wenn man nicht selber in den Mittelpunkt geraten möchte. Umso wichtiger ist es, als Elternteile bzw. als Lehrperson darauf zu achten, Vorurteile, Mobbing und Ausgrenzung immer wieder zu thematisieren und sie dadurch zu entstigmatisieren. 

Eine gute Basis dabei liefern beispielsweise Bücher und Gedichte, die genau solche Themen aufgreifen, wie z.B. „Der Rabe, der anders war“. In diesem Buch geht es um eine Gruppe von schwarzen Raben, die sich durch ihren enormen Zusammenhalt auszeichnen, bis sie eines Tages einen Raben entdecken, der so gar nicht zu ihnen passt – denn er ist ganz bunt. Auch von anderen Vögeln wie den Tauben, den Möwen, den Spatzen und der Eule wird er beäugt und als nicht erwünscht abgestempelt. Einzig der Nebel ist ihm wohlgestimmt und plötzlich ändert sich alles. Genau mit solchen Texten kann bereits jungen Kindern bewusst gemacht und aufgezeigt werden, dass niemand besser oder schlechter ist, wir sind alles Menschen, die es wert sind, auf dieser Erde zu sein und gut behandelt werden wollen und sollen.

Der Einsatz von Kinderbüchern, die Inklusion in eine kindgerechte Geschichte einbetten, ist also auch im Unterricht eine kluge Wahl, um Schüler*innen an das Thema heranzuführen. Dabei ist es jedoch wichtig, dass sich alle Kinder beziehungsweise Jugendlichen einer Schulklasse gemeinsam mit dem Thema beschäftigen sollten, nicht nur jene mit Sonderpädagogischem Förderbedarf. Ansonsten ist der unerwünschte Fall nämlich nicht auszuschließen, dass aus falsch praktizierter Inklusion plötzlich Exklusion wird. Geschieht dies, werden Schüler*innen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf wieder extra herausgehoben und mit einem Sonderstatus behaftet, welche sie wiederum vom Rest der Klasse abspaltet. Experten raten außerdem, dass inklusiver Unterricht so bald wie möglich stattfindet. Denn je jünger die Kinder sind, desto eher nehmen sie auch solch komplexeren Inhalte leicht auf und halten die Inklusions-Thematik für „selbstverständlich“. Je älter die Kinder sind, desto vorgefertigter sind ihre Meinungen und desto mehr sind sie bereits von ihrem Umfeld beeinflusst worden – was hinsichtlich der Thematik positiv oder aber auch negativ sein kann. (Werning, 2014, S.616)

Zu bedenken gibt jedoch, dass, statistisch gesehen, in der Grundstufe viel mehr Fokus auf Inklusion liegt als in höheren Bildungsstufen. Dies liegt beispielsweise daran, dass die Homogenität (welche durch Alter, Interessen, usw. erreicht wird) viel mehr gegeben ist als in höheren Bildungseinrichtungen. Dabei reicht allein der Schritt von der vierten Klasse Volksschule auf die erste Klasse Sekundarstufe I aus, um enorme Heterogenität zu erzeugen. Dies ist zwar einerseits wünschenswert, da sich die Persönlichkeit und somit auch die Interessen und Denkweisen der Kinder und Jugendlichen herauskristallisieren – in unserem reglementierten Schulsystem lässt solch eine heterogene Zusammenstellung jedoch kaum Spielraum für das Eingehen auf Einzelne, sprich auch nicht für eingehende, inklusive Pädagogik. Weitere Ursachen dafür sind beispielsweise auch der „verstärkte Fokus am Unterrichtsstoff“, die „vorgegebene Leistungsmessung“, die „fehlende Kooperationszeit“ und noch einige weitere, wie Werning (2014, S.614) schreibt. Als Grund dafür äußert der Autor: „Inklusiver Unterricht stößt da an Grenzen, wo die Aspekte der Individualisierung und Differenzierung, der integrierten Förderung und der individualisierten Bewertung nicht umgesetzt werden (können).“ (Werning, 2014, S.614) Daher ist vor allem die Einstellung der Lehrperson, welche den Unterricht gestaltet, essenziell, um so auch ‘älteren’ Lerner*innen den Sinn für inklusives Denken mitzugeben.

Alles in allem ist Inklusion also ein Thema, welches uns im Alltag sowie im Schulalltag stets begleitet und deshalb auch Kindern von klein auf mitgegeben werden sollte. Dabei gibt es viele „vorgefertigte“ Systeme, die im Unterricht angewandt werden können, aber wie sich zeigt, sind auch diese fehlerhaft. Wie so oft liegt es also an den Pädagog*innen, Kindern und Jugendlichen Inklusion (beispielsweise anhand von Literatur) zu vermitteln. Wir als Lehrperson können also auch, oder eher vor allem, in diesem Bereich eine Menge bewirken und selbst wenn es uns nicht immer möglich sein wird, sollten wir es zumindest versuchen.

 

Bibliographie:

Werning, R. (2014). Stichwort: Schulische Inklusion. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 17 (4), 601-623. Wiesbaden: Springer. doi 10.1007/s11618-014-0581-7.

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– basierend auf dem Text „Mensch und Verhalten“, verknüpft mit eigenen Erfahrungen

Als ich in der Schule das erste Mal mit dem Machiavellismus konfrontiert wurde, war ich geplättet. Wie konnte sich jemand trauen, ein System, das in seinen Grundzügen egoistischer und narzisstischer nicht sein könnte, stolz zu präsentieren und dann auch nach sich selbst zu benennen? Hatte Machiavelli sich als Kind nicht das Sprichwort „Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg‘ auch keinem andern zu“ anhören müssen? Mit 15 Jahren zog ich den Schluss, dass es nicht an Machiavelli liegen würde, sondern an mir. Ich musste zu naiv gewesen sein, dachte ich mir. Schließlich war Machiavelli nicht nur ein erfolgreicher Wirtschaftler, sondern auch ein Pionier in seinem Feld, ich hingegen war ein unwissendes Kind, das von den echten Spielregeln der Welt nichts wusste.

Dem Bild des egoistisch handelnden Menschen – des Homo oeconomicus – begegnete ich im Laufe meiner Schulbahn noch einige Male, vor allem in Bezug auf den „allgemeinen Menschen“ in Wirtschaftstheorien. Jedes Mal aufs Neue ärgerte ich mich über meine eigene Naivität und nahm die Theorie hin, ohne sie zu kritisieren. Dies veränderte mein Weltbild nachhaltig. Im Hinterkopf hatte ich stets: Jede und jeder ist auf ihren/seinen eigenen Vorteil bedacht. Während es unbestreitbar ist, dass es Menschen mit solchen Intentionen gibt, kann man nicht von ihnen als Norm ausgehen. Auch der Text „Mensch und Verhalten“ geht auf dieses Phänomen genauer ein und belegt anhand diverser Studien die Probleme mit dem Homo oeconomicus. Er zeigt auf, dass Menschen durchschnittlich mehr als angenommen von „selbstlosen“ Motiven geleitet werden als in den gängigen Wirtschaftstheorien der vergangenen Jahrhunderte angenommen. Sie zeigen in der Regel Rücksicht auf andere und auf die Umwelt, die nicht ihrem eigenen Nutzen dienen.

Im Text wird auch erwähnt, dass Theorien das Potenzial haben, die Denkweisen der Gesellschaft zu verändern. Meine oben geschilderte eigene Meinung bestätigt diese Annahme. Wenn man diesen Ansatz auf die Schulrealität umlegt, gibt es einiges, das man als Lehrperson beachten sollte. Zum einen kann man nicht von der Schülerin oder vom Schüler als Homo-oeconomicus-ähnliches Wesen ausgehen, der/die nach dem Motto möglichst wenig Aufwand für einen größtmöglichen Nutzen agiert. Es ist anzunehmen, dass es solche Schüler und Schülerinnen gibt, aber es ist wichtig zu betonen, dass sie nicht die Norm darstellen. Auch als Lehrperson soll man daher von einer Kosten-Nutzen-Rechnung bei der Stoffvermittlung absehen und den jungen Menschen stattdessen Denkanstöße geben, die zum Reflektieren anregen. Eine weitere Erkenntnis aus dem Text beschreibt die Schwierigkeit, „den Menschen“ zu definieren und ihm gewisse Charakteristika zuzuschreiben. Vielmehr sollte man sich als Lehrperson auf die Individualität der Schüler und Schülerinnen achten.

Alle dieser genannten Maßnahmen verfolgen die Intention, eine Verallgemeinerung der Schüler und Schülerinnen zu verhindern, und somit vorzubeugen, dass sich eine generalisierte Sichtweise der Lehrperson auf die Lernenden auswirkt und deren Denk- und Verhaltensweise nachhaltig verändert.

Verfasst von Lena Frahndl

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Einleitung

Das österreichische Schulsystem kann grob in drei Abschnitte unterteilt werden. Die Pflichtschule setzt sich in der Regel zusammen aus vier Jahren Volksschule, vier Jahren Sekundarstufe I und einem Pflichtschuljahr in der Berufsschule, einer höheren Schule oder einer Fachschule. Die Schule kann nach der Sekundarstufe I um die Sekundarstufe II ergänzt werden. Diese kann man wiederum kategorisieren in BHS (HAK, HWLA, BAfEP, HTL), dabei handelt es sich um berufsbildende höhere Schulen, und AHS, kurz für allgemeinbildende höhere Schulen. Diese Schulen dauern 4-6 Jahre und schließen mit der Matura ab. Im Folgenden werden drei Frauen ihre Erfahrungen im österreichischen Schulsystem beschreiben und diese kritisch beleuchten. Auch eine Kollegin aus Deutschland schildert ihre Erfahrungen im deutschen Schulsystem. Dadurch kann der Kontrast zwischen den Schulsystemen der unterschiedlichen Länder aufgezeigt werden.

 

Über die Selektivität des österreichischen Schulsystems – Erfahrungen Lena Frahndl:

Die ersten Jahre meiner Laufbahn im österreichischen Schulsystem verliefen ziemlich reibungslos. Im Rückblick lässt sich sagen, dass die Klassen durchwegs homogen waren. In der Volksschule wurden einige Kinder, die im Kindergarten noch zusammen mit uns in einer Klasse waren, in eine sonderpädagogische Einrichtung geschickt, andere kamen in die Vorschule. Das war das erste Mal, dass mir bewusstwurde: In die Schule darf nicht jede*r. Mit dem Eintritt in die Sekundarstufe I verstärkte sich diese Auffassung. Einige meiner Freunde wollten ins Gymnasium gehen, andere in eine Schule mit musischem/sportlichem Schwerpunkt. Nicht alle schafften es in ihre Wunschschule. Noch verstärkter fand dies bei der Aufnahme in die höhere Schule statt. Die Aufnahmeprüfung für die BAfEP (damals BAKIP) zog sich über Tage hinweg und nicht wenige vergossen aufgrund des hohen Drucks ein paar Tränchen. Eine Freundin von mir wusste bereits in der Volksschule, dass sie an dieser Schule maturieren wollte. Sie hatte ein Händchen für Kinder, hatte gute Noten, war sportlich, und kreativ. Sie wurde nicht an der Schule aufgenommen, da ihre musikalischen Fähigkeiten als nicht ausreichend eingestuft wurden. Ihr wurde gesagt, sie hätte in allen anderen Bereichen eine Schulnote 1 oder 2 erhalten, lediglich in Musik eine 5. Ich schaffte es an die Schule, obwohl ich mich insgeheim als viel weniger geeignet hielt. Zu diesem Zeitpunkt hinterfragte ich das österreichische Schulsystem zum ersten Mal aktiv. Wie konnte es sein, dass Leistungen so weit über Interessen gestellt wurden? Wie konnte es sein, dass alle Leistungen durch eine augenscheinlich nicht ausreichende Leistung in einem Teilbereich ungültig wurden? Wie konnte man zulassen, dass eine Momentaufnahme über die restliche Karriere entschied? Auf diese Fragen konnte ich bis heute keine zufriedenstellende Antwort finden, doch sie regen nach wie vor zum Denken an. Es ist berechtigt, diese Fragen über das gegenwärtige Schulsystem zu stellen und in weiterer Frage zu reflektieren, ob dieses leistungsorientierte Schulsystem auch in Zukunft bestehen soll. Ich persönlich hatte immer Glück, die Schule war für mich ein Durchmarsch, aber auf meinem Weg sah ich andere, die Interessen aufgaben, weil ihnen in der Schule suggeriert wurde, sie seien nicht gut genug. Wie und ob eine Reform, die weg von einem rein leistungsorientierten Schulsystem geht, möglich ist, ist unklar. Die aktuell vorherrschende, starke Selektion herunterzuschrauben wäre jedenfalls ein erster Schritt.

 

Bildung und Ausbildung im österreichischen Schulsystem – Erfahrungen Rabia Duru

Allgemein kann man sagen, dass in der Schule der Fokus auf die Bildung in einer Lehre auf die Ausbildung gelegt wird. Nach einer Ausbildung besitzt man die Fähigkeit das Erlernte auszuüben und praktisch anzuwenden. Doch die Bildung ist zweckfrei, der Wert liegt auf der geistigen Formung. Ein Gemisch aus Bildung und Ausbildung stellt die Berufsbildende höhere Schule dar, die einen theoretischen und praktischen Schwerpunkt besitzt. Ich habe acht Jahre lang ein Gymnasium, mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt, besucht. Fächer wie Biologie, Chemie, Physik, Psychologie und darstellende Geometrie und Labor zierten meinen Unterrichtsalltag. Diese Fächer wurden in der Unterstufe, wie in vielen anderen Schulen, nur theoretisch erlernt. In der Oberstufe habe ich viele praktische Erfahrungen in diesen Fächern sammeln können. In meiner Schule war daher meiner Meinung nach in der Unterstufe die Bildung im Vordergrund und in der Oberstufe eine Mischung aus Bildung und Ausbildung, obwohl es ein Gymnasium war. Es stand natürlich nicht eine Ausbildung im Vordergrund, da es keine Berufsbildende höhere Schule war. Trotzdem denke ich, dass vor allem in den Laborfächern und in der Darstellenden-Geometrie, viel Wert auf die Ausbildung gelegt wurde, damit man das Gelernte später wieder praktisch anwenden kann.

 

Bildung oder Ausbildung – Ein Gymnasium in Bayern – Erfahrungen Eva Mistur

Bildung und Ausbildung sind zwei Begriffe, die eng zusammenhängen aber keinesfalls zu verwechseln sind. Während man bei einer Ausbildung vor allem Fertigkeiten für eine spätere berufliche Laufbahn (weiter-)entwickelt, so dient die Bildung einem viel freieren Zweck. Gut trainierte Fertigkeiten in eine Gesellschaft zu bringen reicht nicht, um ein glückliches Leben zu führen. Besonders Bildung ist es, die zu eigenständigem Denken führt, die hilft Zusammenhänge zu erkennen und zu einem umfassenden Weltbild zu gelangen. In der Schule sollte daher im Idealfall die Bildung an erster Stelle stehen. Obwohl es vielerorts scheint, als würde die heutige Gesellschaft von unseren Schulen erwarten wirtschaftlich bestens ausgebildete Menschen in die Arbeitswelt hinauszulassen, kann ich mit Glück sagen, dass meine Schule den größten Wert auf Bildung legte. Ich besuchte in Bayern neun jahrelang ein naturwissenschaftliches Gymnasium mit neusprachlichem Zweig. Obwohl es auch an meiner Schule Projekttage gab, die zum Zweck hatten, einen Einblick in unterschiedlichste Berufe zu gewähren, genoss ich am meisten die Astronomie-Stunden, Kunstgeschichte in der Oberstufe, Musik, Mathematik, Fremdsprachen und vieles mehr. Ein Gedicht oder ein Gemälde interpretieren zu können, mag, je nach Berufswahl, nicht essenziell für den späteren Arbeitsweg erscheinen. Dennoch war es stets spannend sich in den unterschiedlichsten Gebieten weiterbilden zu können, ohne sich die Frage stellen zu müssen, ob dies auch nützlich sei. Ähnlich war es mit Latein, eine eigentlich tote Sprache, die mir aber spannende Einblicke in die Entstehung anderer Sprachen verschaffte. Das Stigma, dass AbiturientInnen, nicht so gut geeignet für den direkten Berufseinstieg seien, wie zum Beispiel Real- oder HauptschülerInnen, war mir bekannt. Dennoch empfand ich es als Privileg, die Schule mit großem Allgemeinwissen zu verlassen und hatte dadurch viel mehr das Gefühl, dass mir alle Möglichkeiten offenstehen. Im Unterricht erlebte ich häufig, wie meine LehrerInnen mich dazu bewegen wollten selbst nachzudenken. Besonders im Fach Religion rissen wir etliche ethische und moralisch wichtige Themen an, die meiner Ansicht nach, viel dazu beigetragen haben, dass ich heute großes Verständnis für unterschiedlichste Religionen und Kulturen aufbringen kann, weil ich viel über ihre Traditionen und Gepflogenheiten weiß. Da ich Religionspädagogik studiere, ist es mein Anliegen diesen Weg fortzuführen. Als angehende Lehrerin möchte ich meinen SchülerInnen daher ebenfalls mit auf den Weg geben, dass Lernen etwas Erfüllendes ist und dass Bildung ein Prozess ist, der in der Schule

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Christina Grill

Das Fach Englisch spielt in diesem Kontext eine nicht unbedeutende Rolle, denn eine Fremdsprache erfordert es, sich mit ihrer Kultur und Geschichte zu befassen. So sollen SchülerInnen beispielsweise Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der eigenen und der fremdsprachigen Lebenswelt untersuchen und erkennen. Damit geht das Gewinnen von Einsichten über andere Einstellungen,  Werte und Normen einher. Des Weiteren soll das Bewusstsein für kulturelle Vielfalt entwickelt werden und eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen und dem anderen soziokulturellen Kontext stattfinden. Bei jüngeren SchülerInnen kann dies beispielsweise im Rahmen dessen passieren, dass sie alltägliche Situationen wie z.B auf der Straße, im Geschäft, im Restaurant, im Café oder im Hotel in einem Dialog thematisieren und so erlernte sprachliche und kulturelle Besonderheiten anwenden. Darüber hinaus sollen im Englischunterricht Klischees und Vorurteile der anderen Kultur thematisiert werden und womöglich auch abgebaut werden. Somit wird die Offenheit, das Verständnis und auch die Toleranz gegenüber der anderen Lebenswirklichkeit, den fremden Normen und Wertvorstellungen von Angehörigen der fremden Kultur gestärkt. Außerdem sollen SchülerInnen im Unterricht ein „Gespür“ für kulturelle Fettnäpfchen, d.h. kommunikative Bereiche, die in Kulturen in unterschiedlicher Weise affektiv besetzt sind, entwickeln. All dies könnte in Form des Rollenhandelns in Diskussionen mit vorgegebenen Rollenbeschreibungen, kleine Inszenierungen oder Projekte, in denen interkulturelle Themen bearbeitet werden, durchgeführt werden. Durch die Übernahme von Rollen mit ungewohnten Denk- und Verhaltensmustern werden SchülerInnen dazu aufgefordert, sich mit neuen Rollen oder Weltsichten zu identifizieren, wenn sie diese auch sprachlich erfolgreich vertreten wollen.

 

Anica Keskic

Das Fach katholische Religion bietet sehr viele Möglichkeiten für Schüler und Schülerinnen sich mit dem Kulturleben zu befassen. Da katholische Religion eine sehr breit gefächerte und reiche Geschichte und Kultur hat, kann man das Interesse von Schüler und Schülerinnen leicht wecken. Das Potenzial des Religionsunterrichts ist größer als man glaubt, denn hier werden allgemeine ethische Werte vermittelt und viele verschiedene Perspektiven und Kulturen behandelt. Der Religionsunterricht ist deshalb so wertvoll, weil die Möglichkeit gegeben ist andere Kulturen kennenzulernen und dadurch sein Weltbild zu erweitern. Um das Interesse gezielt zu wecken, können Unterrichtseinheiten mit diversen Exkursionen ausgeschmückt werden, um dem Vorurteil, dass Religion altmodisch und langweilig ist, entgegenzuwirken. Vorteilhaft wäre auch die Zusammenarbeit mit dem Fach Geschichte, um Schüler und Schülerinnen Anknüpfungspunkte zu bieten und einen weiteren Blick zu ermöglichen. 

Auf den ersten Blick scheint es nicht „möglich“ zu sein, Schüler und Schülerinnen im Religionsunterricht für wirtschaftliche Lebensfragen zu begeistern. Wie schon gesagt beschäftigt sich das Fach katholische Religion sehr viel mit ethischen und moralischen Urteilen und Begründungen. In der Wirtschaft stößt man regelmäßig auf moralische Fragen, wo man sich für das eine oder für das andere entscheiden muss. Beispielsweise die Frage, ob ein Unternehmen seinen Standort in ein Billiglohnland versetzen sollte. Ist es wichtiger Kosten einzusparen oder den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Österreich weiterhin einen sicheren Job anzubieten? Genau solche moralische Urteile haben sicher auch Platz in dem Fach katholische Religion und geben Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit Wissen zu verknüpfen und ihre Urteile zu begründen.

 

Begüm Sanli

Für viele SchülerInnen ist der Deutschunterricht mit Langeweile verknüpft. Leider ist Ihnen nicht bewusst, dass der Deutschunterricht sehr fächerübergreifend ist, aber auch, dass das Wissen in den Alltag eingebaut werden kann. Doch wie kann der Deutschunterricht an das nationale und internationale Wirtschafts- und Kulturleben integriert werden? 

Man schreibt doch nicht nur Geschichten oder Gedichtsanalysen. Man schreibt auch Erörterungen und muss hin und wieder über ein Thema schriftlich sowie mündlich debattieren können. So eine Diskussion führt dazu, dass man sich kritisch mit unterschiedlichen Themen auseinandersetzen muss. Bei Vertretung einer Meinung spielen unterschiedliche Normen und Werte eine Rolle. Vertritt man bei einem Rollenspiel zum Beispiel eine Meinung, die man eigentlich gar nicht vertreten möchte, führt dies eventuell dazu, dass man die andere Ansichtsweise besser versteht. 

In Hinsicht auf das wirtschaftsleben könnten die SchülerInnen darüber diskutieren, ob es sinnvoll war, dass England die Europäische Union verlassen hat. Ein anderes Beispiel kann über die Maßnahmen zur Dämpfung der Corona Pandemie sein. 

Es ist offensichtlich, dass der Deutschunterricht viel mehr bietet, sowie an das nationale und internationale Wirtschafts- und Kulturleben integriert ist. 

 

Lea Sali

Ich habe mich gefragt, ob Geschichtsunterricht so gestaltet werden kann, dass er zu einem empathisch ausgerichteten Verstehen verschiedener Erzählstandpunkte beiträgt und sich auf dieser Grundlage ein dialogisches Geschichtsverständnis ausbilden kann. Gleichzeitig muss sich Geschichte aus Multiperspektive und weltgeschichtlicher Dimensionierung generieren. Die Schüler und Schülerinnen lernen, dass  “sinnbildende Verknüpfung zeitdifferenter Ereignisse” (Pandel, 2013 bzw. Rüsen, 2008 zitiert nach Zech, 2015, S.137) stattfinden, die als Persönlichkeitsbildungsprozesse zu verstehen sind, welche nicht mehr auf Integration in kollektiv geschlossene Identitäten, sondern auf eine offene, ständig neu zwischen Selbst- und Fremderwartung reflektierte Position abzielt (vgl. Zech, 2015, S.136).

Man kann beispielsweise die gesellschaftlich bedingten Geschlechtskonstruktionen historisch erzählen und damit die Multiperspektivität anhand der amerikanischen Standards, bezüglich der Geschlechter und deren Unterteilung,  besprechen. Dabei soll man das Thema aber nicht nur vom transkulturellen Standpunkt betrachten, sondern die regionale und globale Ebene mit einbeziehen. Wichtig ist dabei eine wertende Hierarchisierung von Lebensweisen, Weltauffassungen und Kulturen zu meiden. 

Gemäß diesem Anliegen zielt Geschichte, wenn sie den umgebenden Lebensbereich in seinen vielfältigen globalen Einbindungen und die vielschichtigen kulturellen Gegenwartsbedingungen historisch erschließt, auf die Förderung der Individuation. Diese realisiere sich gegenwärtig vor dem Hintergrund gesellschaftlicher, politischer und kultureller Herausforderungen (Interkulturalität und globale Vernetzung) und im Ringen um Menschenwürde und Humanität (Zech, 2015, S. 139).

Zech M. M. (2015). Geschichtsunterricht und Identitätsbildung im Spannungsfeld von Individualität, Kulturalität und Globalität. RoSE – Research on Steiner Education, 6(0). Abgerufen von https://www.rosejourn.com/index.php/rose/article/view/279.

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Denise Zacherl – Blogbeitrag 2 – Schule & Gesellschaft

Wer vermittelt Bildung überhaupt?

Ununterbrochen wird darüber gesprochen, wie wichtig Bildung in unserem Leben ist. Ohne Bildung hätte man keine Chance auf einen guten Job, auf ein hohes Einkommen oder überhaupt ein zufriedenes Leben. Doch wer macht Bildung überhaupt? Wer ist dafür verantwortlich?

Das Aneignen von Bildung hat kein spezifisches Alter oder gar eine dafür verantwortliche Person. Im Großen und Ganzen ist jeder Mensch selbst dafür verantwortlich, wie er Bildung erlangt. Ob Bildung im Alltag, Bildung im sozialen Sinne oder klassischerweise die schulische Bildung. Eltern schicken ihre Kinder in eine Schule, damit sie Bildung auf verschiedensten Ebenen erhalten. Nach dem Schulabschluss sollten diese also im Stande sein, sich in vielen Gebieten und Wissensbereichen auszukennen, angefangen bei Naturwissenschaften, Mathematik oder Informatik, bis hin zur Aneignung verschiedenster Fremdsprachen.

Aufgrund der 9- jährigen Schulpflicht in Österreich kann man folglich davon ausgehen, dass jedes Kind, wenn auch in verschiedenen Ausmaßen, Wissen sowie Bildung erfährt. Aus diesem Grund passiert es in unserer Gesellschaft häufig, dass Lehrer und Lehrerinnen automatisch für den Wissenserwerb der Kinder verantwortlich gemacht werden. Wenn ein Kind gute Noten nach Hause bringt, lobt man den Schüler oder die Schülerin aufgrund der guten Leistung. Zeigt ein Kind aus derselben Klasse mit der gleichen Lehrperson jedoch ihren Eltern eine schlechte Note, wird häufig die Lehrperson dafür verantwortlich gemacht. Denn diese hat ja die Aufgabe, den Schüler und Schülerinnen etwas beizubringen und dies auch verständlich zu erklären. Eine schlechte Note ist für viele Menschen ein Zeichen, dass eine Lehrperson versagt hat – nicht aber das Kind selbst.

Doch so sollte das nicht sein. Der Beruf als Lehrperson hat in den letzten Jahren sehr an gesellschaftlichen Wert verloren. Vor allem Volksschul- oder Unterstufenlehrpersonen ist es zugeschrieben worden, dass ihre Aufgabe ja gar nicht so schwer sei. Ein bisschen singen, spielen und nebenbei ganz einfache Rechnungen durchzuführen, Buchstaben zu lernen oder über ein beliebiges Thema aufzuklären, kann gar nicht so schwer sein. Das kann doch jeder gebildete Erwachsene, oder? Früher haben dies die meisten Personen durchaus gedacht. Doch was hat die Meinung dieser Menschen geändert? Was war der auslösende Faktor? Wie so gut wie jede Antwort in der aktuellen Zeit lautet sie auch hier: Corona.

Erst durch die Corona bedingte Schließung der Schulen und anderen Bildungseinrichtungen ist es vielen erst bewusst geworden, was Lehrpersonen in ihrem Beruf überhaupt leisten. Denn von dem einen auf den anderen Tag waren diese nicht mehr verfügbar, die Eltern waren mit der Weiterbildung ihrer eigenen Kinder auf sich allein gestellt. Plötzlich hieß es nicht mehr „einfache Rechnungen oder Buchstaben zu lernen kann doch nicht so schwer sein“. Viele Erwachsenen standen nun vor einer herausfordernden neuen Aufgabe, welche sie nicht oder nur schwer zu meistern wussten. Selbst mit all den vorgegeben Aufgaben sowie Lernunterlagen der Lehrer/innen, die sie online zugeschickt bekommen haben, wussten sie nicht, wie sie ihrem Kind das nun vermitteln sollen. Wie erklärt man einem Kind, dessen Aufmerksamkeit sich nur kurz aufrechterhalten kann, und welches sich durch jede Kleinigkeit ablenken lässt, wie es 3 mal 6 rechnen soll?

Aufgrund der Corona Pandemie hat man erst bemerkt, was Lehrkräfte wirklich leisten. Sie besitzen nicht nur Fachwissen, sondern auch die Fähigkeit, dieses Wissen in Form von Bildung an andere weiterzugeben. Eine Lehrperson, egal ob für die Primar- oder Sekundarstufe, muss eine vielumfassende Ausbildung absolvieren, die viel mehr Bereiche thematisiert als lediglich das jeweilige Fach oder gar Lesen und Schreibe zu können. Obwohl eine Lehrkraft laut Helmke natürlich auch wesentlich für den Aspekt der Lehrerprofessionalität, wie etwa das dementsprechende Fachwissen und die Kompetenzen, zuständig ist, erfordert das Lehren vor allem didaktische Kenntnis und das Einsetzten verschiedenster Modelle. Nur in dieser Kombination kann es demnach gelingen, einem Kind etwas beizubringen, ohne es gleichzeitig zu überfordern.

Auch die Unterrichtsplanung ist ein wesentlicher Faktor des Lehrens. Um sich für eine einzige Unterrichtsstunde vorzubereiten, arbeiten Lehrer oder Lehrerinnen oft Stunden, wenn nicht sogar Tage, denn diese muss bis ins kleinste Detail geplant werden. Bereits Bloom hat die verschiedenen Ebenen des Denkens und somit die wesentlichen Faktoren einer qualitativen und lehrreichen Unterrichtsstunde anhand eines sechs Stufen Modells in seinen bekannten Taxonomien beschrieben. Somit gliedern sich die Grundlagen des kognitiven Lernprozesses eines Kindes aufsteigend in Wissen, Verständnis, Anwendung, Analyse, Synthese sowie Beurteilung. Für eine Lehrperson heißt dies nun, eine Unterrichtsstunde so zu planen, dass jede der sechs Teile darin enthalten und somit jede Ebene gefördert wird.

Aus diesen Taxonomien sowie den davor beschriebenen Anhaltspunkten wird also deutlich, dass erklären oder vorzeigen nicht alles ist, was eine Lehrperson ausmacht. Sich Wissen über ein bestimmtes Thema anzueignen ist nicht schwer, dieses jedoch an ein Kind weiterzugeben eine herausfordernde Aufgabe. Damit möchte ich abschließend hervorheben, dass der Lehrberuf einen der wichtigsten Berufe in unserer Gesellschaft ausmacht und uns dies dank der Corona Pandemie, die ansonsten ganz und gar nicht viel Positives mit sich gebracht hat, erst wirklich bewusst geworden ist.

Literatur:
Bloom, B. (1976). Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich (5. Aufl.). Weinheim: Beltz Verlag.
Helmke, A. (2003). Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern. Seelze: Kallmeyer.

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Gerechtigkeit: Was ist das? – Teil 2

Verfasserin: Hannah Staudinger

Wer diesen Eintrag liest und den Ersten noch nicht gelesen hat, sei auf einen meiner vorherigen Blogeinträge „Gerechtigkeit: Was ist das?“ verwiesen, den ich im März gepostet habe und auf welchen ich mich im Folgenden auch beziehen werde.

Unter gerade eben erwähntem Post ließ mir Herr Eisner folgendes Kommentar: „Was bedeutet das für die Schule und für die Arbeit als Lehrer oder Lehrerin? Tangieren diese Argumente das Schulleben und die Tätigkeit als LehrerIn uns auch hier und heute in Österreich? Wie und mit welchen Konsequenzen?“.

Um noch einmal in Erinnerung zu rufen, in dem Text ging es um Vorurteile. Also: „Was bedeutet das für die Schule und für die Arbeit als Lehrer oder Lehrerin?“ Jeder Mensch hat Vorurteile, ob er will oder nicht. Vorurteile werden uns von der Gesellschaft von klein auf in den Kopf gepflanzt und auch wenn wir bewusst versuchen dagegen vorzugehen, werden wir sie wohl nie ganz los. Also wenn ich als Lehrer oder Lehrerin in eine Klasse gehe, muss ich versuchen, so neutral wie möglich zu sein und mir die Vorurteile bewusst zu machen, die ich habe. Ansonsten endet man wie die vielgehassten Lehrer, die ihre Lieblingsschüler und -schülerinnen haben, die jemanden benachteiligen, weil er Mohammed heißt oder jemand anderen bevorzugen, weil sie ein hübsches weißes Mädchen mit blonden Haaren und blauen Augen ist. Vorurteile begleiten uns tagtäglich; das ist kein Geheimnis. Die Kunst dahinter liegt darin, sie abzustellen und neutral in eine Klasse und auf die Schüler und Schülerinnen zuzugehen und sich ein Bild von ihnen zu machen, denn tun wir das nicht, werden uns unsere Vorurteile, ob bewusst oder unbewusst immer wieder „dreinpfuschen“ und dies bekommt natürlich auch die Öffentlichkeit mit, vor der wir uns dann verantworten müssen.  Um dies zu verhindern, sollten wir uns mit unseren Vorurteilen ständig konfrontieren, sie hinterfragen und wenn möglich schließlich aufgeben. Nur so schaffen wir es, neutral auf andere Menschen zuzugehen, uns ein Bild von ihnen zu machen und unser Verhalten an ihres anzupassen. Nur so kann ich als Lehrer oder Lehrerin objektiv und fair sein.

Im Folgenden bekam ich die Frage gestellt, ob uns diese Argumente im Schulleben oder in der Tätigkeit als Lehrer oder Lehrerin noch heute tangieren und wenn ja, wie und mit welchen Konsequenzen?

Ich habe in meinem vorherigen Blogeintrag ja auch über Gerechtigkeit und Chancengleichheit gesprochen, dies auch in Bezug auf Vorurteile. Ich denke schon, dass unser Schubladendenken uns auch weiterhin beeinflusst und noch lange Zeit beeinflussen wird. Nur wir alleine bestimmen, wie viel. Hören wir als Lehrperson, dass wir ein Kind zweier Langzeitarbeitslosen in der Klasse sitzen haben, dann geht man schon fast unweigerlich davon aus, dass das Kind wohl eher minderbemittelt ist und man es wohl 10 Jahre später beim Regale auffüllen im Supermarkt wiedersehen wird.

Auf den zweiten Blick allerdings, ist dieses Kind „mordsgescheit“. Haben wir das als Lehrperson erkannt, haben wir vielleicht einen zukünftigen Arzt oder Forscher gefördert, der uns das Wundermittel für Krebs bringt.

Wie viele intelligente und begabte Kinder sind schon unentdeckt geblieben und das nur aufgrund der Engstirnigkeit mancher Lehrpersonen? Wie viele zukünftige Ärzte und Ärztinnen, Forscher und Forscherinnen, Politiker und Politikerinnen oder Lehrer und Lehrerinnen haben sich nicht entwickeln dürfen, weil keiner ihr Potenzial gesehen hat?

Dies sollte als Denkanstoß an alle angehenden oder auch bereits im Dienst stehenden Lehrpersonen gehen, aber auch an alle anderen, die sich angesprochen fühlen, ihre Denkweise zu verändern. Es ist definitiv einen Versuch wert.    

 

 

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Geschlechterzuschreibungen im Schulwesen

Verfasserin: Lara Dürnberger

In Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sollen rein rechtlich gesehen Mädchen und Jungen die gleiche Ausbildung erhalten. Dennoch lässt sich beobachten, dass die Ausbildungswege immer noch geschlechtsspezifisch verlaufen.

In dem Kapitel von Hannelore Faulstich-Wieland in dem Buch „Alle gleich – alle unterschiedlich“ wird diese Thematik behandelt. Den Geschlechtern werden spezifische Verhaltensweisen zugeschrieben: Jungen stören häufiger den Unterricht. Mädchen sind handwerklich vorsichtiger und langsamer. Sie sind sozialer und ordentlicher. Jungen verstehen den Stoff in MINT Fächern besser.

Seit der PISA Studie 2000 gibt es immer wieder Vorschläge zu einer homoedukativen Ausbildung zurückzukehren. Vor allem Mädchen hätten dadurch Vorteile in der Schule.

Doch warum reden wir von Geschlechtergleichheit, wenn wir Mädchen und Buben in deren Ausbildung trennen? Dadurch stecken wir Kinder und Jugendliche in Geschlechterrollen, die unsere Gesellschaft verlangt. Wie sollen wir also jedem Geschlecht gleichermaßen, die gleiche Ausbildung ermöglichen, wenn wir sie voneinander trennen und ihnen die Chance nehmen dieselbe Bildung wie das andere Geschlecht zu haben.

Candace West und Don Zimmermann sprechen von „doing gender“ und vertreten dabei die Meinung, dass der biologische Unterschied zwischen „männlich“ und weiblich“ nicht das Verhalten „natürlich“ steuert, sondern dass die Geschlechtszugehörigkeit bei der Geburt „erworben“ wird und dass das geschlechtsspezifisch zugeordnete Verhalten erlernt wird. Die Interaktion zwischen Menschen ist geprägt von der Bezugnahme auf das Geschlecht.

Lehrkräfte tragen wesentlich dazu bei, dass geschlechtsstereotypes Verhalten beibehalten wird. Durch ihr Verhalten fördern sie es sogar. Dazu einige Beispiele: Im Physikunterricht werden in koedukativen Klassen an Mädchen und Jungen oft unterschiedliche Wissensanforderungen gestellt. Mädchen werden eher Fragen zur Stoffwiederholung gestellt, während Jungs nach neuen Sachinhalten befragt werden. In meinem Physikunterricht in der Unterstufe war es so, dass fast nur die Jungen bei den Versuchen helfen durften. Wahrscheinlich dachte der Lehrer, dass Mädchen kein Interesse an Physik hätten.

Ich kann mich noch genau an die Aussage erinnern als ich ein „Nicht genügend“ auf meine Deutsch Schularbeit hatte, „Komisch, Deutsch ist doch eh ein Mädchenfach, normalerweise schreiben Burschen eher schlechtere Noten in Deutsch“. Damals habe ich das nicht wirklich ernst genommen. Jedoch nach dem Lesen dieses Kapitels, ging mir diese Aussage nicht mehr aus dem Kopf. Da stellt man sich natürlich die Frage, wieso sollte das so sein. Weder ist das Gehirn eines Burschen zu einem Mädchen anders, noch hat dies etwas mit einer motorischen Ausprägung zu tun. Weshalb werden dann solche Aussagen getätigt? Es gibt Mädchen die beispielsweise in Deutsch nicht so gut sind aber dafür in Mathe oder umgekehrt. Jeder Mensch hat Bereiche, in denen er/sie besser ist und schlechter. Dies hat aber nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern nur mit dem Interesse. Vielleicht sind Mädchen in Deutsch besser und manche Jungs in Mathematik besser, weil dies ihre „Genderrolle“ ist und sie sich deshalb interessieren.

Auch in einer Werkstunde kann man Zuweisung von Stereotypen beobachten: befragte Lehrkräfte meinen, Jungen seien mehr an Technik interessiert, würden schneller arbeiten und interessiert daran mit Maschinen zu arbeiten. Mädchen hingegen seien im Werkunterricht leiser und zaghafter.                                                                                                            

Thies und Röhner (2000) fordern, dass Lehrkräfte mehr beobachten sollten: die Kinder, den Unterricht und vor allem die Interaktionsstrukturen. Diese Beobachtungen müssen aber mit einem gendersensiblen Blick durchgeführt werden und man muss genau hinsehen und die Gegebenheiten sehen. Es besteht nämlich andernfalls die Gefahr, dass diese Beobachtungen nur die vorgefertigten Annahmen bestätigen.

Geschlechtshomogener Unterricht löst das Problem der Zuordnung von stereotypen Verhaltenszuschreibungen nicht. Im koedukativen Unterricht ist das genaue Hinsehen auf die Geschlechter notwendig und förderlich für die Interaktion und das Lernen.

Lehrkräfte sollen und wollen Begeisterung für ihr Fach wecken. Es gibt aber nicht nur immer eine Möglichkeit Schüler/innen für ein Thema zu begeistern. Je mehr Anknüpfungspunkte an die Lebensumwelt der Schüler die Lehrkraft findet desto mehr Schüler wird sie erreichen. Jedes Kind hat andere Interessen und Neigungen, aber das hat nicht unbedingt etwas mit dem Geschlecht zu tun. Heterogener Unterricht kann also eine Chance sein, allen Kindern gerecht zu werden und auf ihre Neigungen und Interessen einzugehen und sie zu fördern.

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Verfasst von Lena Lesslhumer & Sarah Hammelmüller

In einem Schuljahr war Geschichte und politische Bildung mein Lieblingsfach und im nächsten war ich froh, wenn die Schulglocke das Ende der Stunde ankündigte. Meinen Schulkolleginnen ging es dabei ähnlich. Der ausschlaggebende Unterschied zum Vorjahr? Der neue Geschichte-Lehrer, mit ihm fiel mein Interesse und gleichzeitig mein Lernerfolg für mein einstiges Lieblingsfach in den Keller. Lehrkräfte befinden sich im ständigen Kontakt mit anderen Individuen, man könnte fast sagen der Beruf des Lehrers ist ein Beziehungsberuf. Aber hängt guter Unterricht tatsächlich nur von der Lehrperson ab? Und, ist eine gute Lehrerinnen-Schüler*innen-Beziehung wirklich eine Voraussetzung für einen gelingenden und spannenden Unterricht?

Laut dem Artikel Die Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung für die Lern- und Leistungsmotivation von Schülern von Dölf Looser sind die zwei Faktoren, nämlich schulisches Lernen und qualitativ wertvolle Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung eng miteinander verbunden. Besonders wenn die Lern- sowie die Leistungsmotivation dadurch beeinflusst werden. (Looser, 2017, Seite 5). Genau diese erwähnten Werte werden am besten mit der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan gefördert. Im Prinzip hat jede Person drei grundlegende psychologische Bedürfnisse: (Deci / Ryan, 1993, Seite 229):

Das Bedürfnis nach Eingebundenheit oder sozialer Zugehörigkeit, das Bedürfnis nach Kompetenz oder Wirksamkeit und das Bedürfnis nach Autonomie oder Selbstbestimmung.

Mit dem gezielten Einsatz der Theorie von Lehrkräften steigert es nicht nur die Lern- und Motivationswerte, sondern auch die Beziehung zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen.

Dennoch ist gerade diese Beziehung, die von so zentraler Bedeutung ist, oftmals schon von vorneherein mit Vorurteilen belastet.

Hierzu fällt mir sofort ein weiteres Beispiel aus der eigenen Schulzeit ein. Jedoch auf der Seite der Vorurteile, die Schüler*innen gegenüber Lehrer*innen haben und so scheint es mir, dass diese weitaus weniger oft in dem Kontext dieser komplexen zwischenmenschlichen Beziehung genannt wird.

In den Sommerferien ging unsere damalige Spanisch-Lehrerin in Karenz, weshalb wir pünktlich zu Schulbeginn eine neue Lehrperson begrüßen dürften. Doch es kam anders. Als wir voller Neugierde auf „den*die neue*n“ warteten, wurde unsere Vorfreude mit dem Öffnen der Klassenzimmertür zerstört: Es stand kein*e Junglehrer*in im Klassenzimmer, sondern genau die, vor der die Schwester eines Mitschülers schon gewarnt hatte. Laut Erzählungen war sie „der Horror“, man würde in der Stunde nichts lernen, und ihre Schularbeiten seien so schwierig, man bräuchte es nicht mal probieren sich darauf vorzubereiten, weil es „bestenfalls, wenn du richtig gut bist, ein 3er wird“. Aber einen 4er gäbe sie dir, weil sie keine Nachschularbeit schreiben wollen würde.

Nach einer kurzen Schockstarre, in der es in unserer Klasse mucksmäuschenstill war, begannen die ersten zu tuscheln. Wir waren uns alle in unserer Unsicherheit einig, wussten nicht genau, was wir jetzt „davon“ halten sollten. Würden wir es mit „der“ überhaupt bis zur 5. Klasse schaffen?

Hier sei kurz erwähnt, dass wir eine relativ gute Klassendynamik aufwiesen und für unser Alter teilweise schon sehr reflektiert handeln konnten. So berief unsere Klassensprecherin eine „Intervention“ ein, in der wir gemeinsam beschlossen, dieser Lehrerin eine Chance zu geben.

Und nein, das war kein Zuckerschlecken. Vor allem dann nicht, wenn mal etwas schief ging, man nicht die Note bekam, die man sich erhofft hatte. Dann musste man sich nämlich aktiv an der Nase nehmen, und sich selbst eingestehen: „Das hat nichts mit ihrer Lehrqualität zu tun.“ Natürlich, war sie nicht perfekt, aber welcher Mensch ist das schon? Wir sind die restlichen drei Jahre unseres Schüler*innen-Daseins sehr gut mit dieser Lehrkraft ausgekommen, weil wir ihr eine Chance gegeben haben und ich denke, das wusste sie und deshalb hat sie sie auch genutzt.

Noch heute denke ich oft an dieses Beispiel zurück, um mich daran zu erinnern, mir zuerst selbst ein Bild meines Gegenübers bzw. seines Verhaltens zu machen, bevor ich entscheide welche Gefühle ich ihr*ihm entgegenbringe. Denn wenn wir nicht aufpassen, wird unsere voreingenommene Haltung zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

Was sollte man also aus diesen Zeilen mitnehmen: Eine Chance ist besser als keine. Außerdem ist klar, dass Vorurteile, jede einzelne zwischenmenschliche Beziehung beeinflussen. Egal, ob es um generelle Stereotypen oder aber um subjektive Vorurteile geht, durch sie entsteht in gewisser Weise eine Mauer zwischen den Menschen und es ist klar, dass es eine gewisse Anstrengung kostet, diese zu überwinden. Aber kann man „Chancen geben“ lernen? Wie schwierig ist es, sich eine offene Haltung „anzueignen“? Oder geht es hier um Persönlichkeitsmerkmale, die nur schwer zu ändern sind? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in unserem nächsten Artikel auf dem Grund.

Literaturverzeichnis:

Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39 (2), S. 229.

Looser, Dölf (2017). Die Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung für die Lern- und Leistungsmotivation von Schülern, Erziehungskompetente Lehrer aus der Perspektive der Selbstbestimmungs- und Erziehungsstiltheorie. in Lehren & lernen 43 (3), S. 3–10.

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1/3 Ein erster Einblick in die Thematik Menstruation mit der Stellungnahme einer Frau und eines Mannes und ein Rückblick ihrer Erlebnisse in der Schule.

Menstruation. In letzter Zeit ein ausführlich besprochenes Thema, vor allem nach dem medial ausgeschlachteten „Pinky-Glove-Vorfall“. Jede Frau verbringt einen nicht unerheblichen Teil ihres Lebens menstruierend. Dabei handelt es sich um einen der alltäglichsten Zustände, die es überhaupt gibt. Von der Schule bis hin zum Ende der Berufslaufbahn findet er regelmäßig statt. Aber wird wirklich so viel darüber gesprochen? Ist er wirklich so alltäglich? Ist er tatsächlich ein normaler Bestandteil des Lebens im Blick der Allgemeinbevölkerung?

Als Mann, der fünf Jahre lang freiwillig beim Roten Kreuz aktiv gewesen ist und mehrere Jahre in der Lungenfacharztpraxis seines Vaters gearbeitet hat und somit ein für einen Laien verhältnismäßig fundiertes medizinisches Wissen besitzt, kann ich sagen, dass ich wenig über die Menstruation und den Zyklus weiß. Ja, ich weiß seit der Schule von der Monatsblutung und allen damit verbundenen Begleiterscheinungen. In der sechsten Klasse im Gymnasium habe ich im Biologieunterricht gelernt, wie die Regel abläuft. Ich habe einen Test darüber geschrieben und danach so ziemlich alles wieder vergessen. Wieso sollte ich es mir auch merken? Es betrifft mich nicht direkt. Ich bin mit vier Brüdern aufgewachsen. Meine Mutter hat nie auch nur ein Wort darüber verloren. Im – zugegeben überwiegend männlich besetzten – Freundeskreis war Menstruation ebenso kein Thema. Sollte sie das sein?

Für mich hat es eigentlich keinen Grund gegeben, auf diese Frage mit „Ja“ zu antworten. Erst der Unikurs „Gender, Diversität und Inklusion (Vielfalt) in der Schule“ in Kombination mit dem Aufschrei der weiblichen Bevölkerung haben mich dazu veranlasst, über besagte Thematik eingehender nachzudenken.

Man möchte meinen, dass in der heutigen Zeit mit ihrer aufgeklärten und tendenziell offenen Bevölkerung, in der schon viele Tabus der vergangenen Jahrhunderte – berechtigterweise – zum gesellschaftlichen Usus geworden sind, auch dieses Thema ohne vorgehaltene Hand besprochen werden sollte. Bei einer ersten Recherche ist mir aber bewusst geworden, dass dem nicht immer so ist. Bis Ende 2020 hatten Menstruationsprodukte den gleichen Steuersatz wie Kosmetika oder andere Luxusgüter. Eine Schülerin am BG Feldkirch hat 2019 als Schulsprecherin durchsetzen können, dass in ihrer Schule gratis zur Verfügung gestellt werden. In Neuseeland und in Schottland werden seit kurzem Menstruationsprodukte in Toiletten öffentlicher Einrichtungen (besonders an Schulen und an Universitäten) zur freien Entnahme bereitgestellt, mit dem Argument, sie seien für menstruierende Menschen einmal monatlich ebenso von Nöten wie Toilettenpapier, das bekanntlich überall zur Verfügung gestellt wird. Periodenarmut, die Bezeichnung für den Umstand, sich Binden, Tampons und Co. nicht leisten zu können, sondern sich mit alten Socken, zerschnittenem Stoff oder Klopapier als Einlage behelfen zu müssen, ist laut Erhebungen keine seltene Problematik bei Einkommensschwachen, wenn auch aus Scham oft totgeschwiegen. Wieso ist eine essentielle Notwendigkeit – medizinisch valide Informationen über den physischen Vorgang schon vor dem Einsetzen der Pubertät und die nötigen Produkte – in Österreich nicht für alle gleichermaßen verfügbar?

Als Frau und Mutter stellen sich mir unwillkürlich folgende Fragen: Was ist mit Mädchen, die ohne Mutter aufwachsen? Wer führt jene in die „Geheimnisse des Frauseins“ ein und erklärt in einem vertraulichen Gespräch den Umgang mit der Monatsblutung? Was ist mit denen, die einen schlechten Draht zu ihren Eltern haben oder mit Familien, die generell nicht über dergleichen zu sprechen pflegen? Die aus kulturellen Gründen das Mäntelchen des Schweigens darüber breiten möchten oder deren Mütter vielleicht Illiteraten sind, weil ihnen der Schulbesuch aus Kosten- oder anderweitigen Gründen verwehrt geblieben ist, und daher auch über physische Vorgänge nicht ausreichend Kenntnis haben? Sollte der Monatsblutung, die ja bewiesenermaßen mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung betrifft, keine größere Gewichtung in der Umsetzung des Lehrplans zukommen und das damit einhergehende gesellschaftliche Tabu nicht möglichst rasch beseitigt werden?

Ich glaube, dass in österreichischen Bildungsstätten höchst unterschiedlich mit der Thematik umgegangen wird, mal offener und mal gehemmter (mal womöglich kaum bis gar nicht?) die Heranwachsenden mit Informationen versorgt werden. An dem von mir besuchten katholischen Mädchenprivatgymnasium, ist es Gang und Gebe, dass bereits im ersten Semester der ersten Klasse ausführlicher Aufklärungsunterricht stattfindet. Insbesondere der weibliche Körper wird eingehend behandelt, während dann in der vierten Klasse die sexuelle Komponente als solche ins Blickfeld gerückt wird. Dazu werden im Rahmen von Projekten namens „Love Talks“ externe Expertinnen hinzugezogen, die Fragen beantworten, welche man als pubertierendes Mädchen seiner Lehrkraft vielleicht lieber nicht stellen möchte. In meiner Klasse hat es damals zwei Vormittage rein mit einer externen Sexualpädagogin gegeben und zwei Nachmittage gemeinsam mit einer Klasse eines ortsansässigen Burscheninternats. Diese Erfahrung habe ich als äußerst bereichernd in Erinnerung und will ich keinesfalls missen. Auch die Tatsache, dass nicht jede Schule Binden und Tampons bereitstellt, ist mir neu, weil es an meiner Schule Usus ist und eine der ersten Informationen in der ersten Klasse darstellt, die man vom Klassenvorstand/von der Klassenvorständin erhält, wo man sich diese im Bedarfsfall holen kann. Anscheinend sind katholische Privatschulen entgegen aller Unkenrufe doch fortschrittlicher als ihr Ruf.

 

von Christina Schöppl und Markus Lohberger